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Der Ausflug Maximilians nach St. Wendel

 

„Unter der Regierung des Kurfürsten Richard von Greifenklau sah unsere Stadt vornehmen Besuch. Am Mittwoch, den 31. März 1512, traf Kaiser Maximilian, begleitet vom Kurfürsten und einem glänzenden Gefolge, von Grimburg kommend, in St. Wendel ein. Er übernachtete in der Burg. Am folgenden Tage lag er der Falkenbeize ob und zog dann nach Trier zurück, wo er die Osterfeiertage in frommer Bußübung verlebte.“

 

So schilderte Max Müller auf Seite 39 seiner „Geschichte der Stadt St. Wendel“ von 1927 den Besuch des Kaisers in unserer Stadt. Immerhin war er der erste, der den Besuch überhaupt erwähnte. Sein Vorgänger Julius Bettingen hat 1865 in seiner „Geschichte der Stadt und des Amtes St. Wendel“ kein Wort darüber verloren, vermutlich weil er nichts davon wußte. Müller hat seine Informationen wahrscheinlich aus Gottfried Kentenichs „Geschichte der Stadt Trier“ (zeitnah 1915 erschienen) oder aus Christian von Strambergs „Rheinischem Antiquarius“ von 1853[1]. Die dortigen Ausführungen hat er dann phantasievoll ausgeschmückt. Auf Müllers Grundlage schmückte der Künstler Walter Hannig die Wand des Rathausfestsaals in St. Wendel (ein Detail des Gemäldes von 1956 schmückt unser Titelblatt).

 

Doch weder wurde der Kaiser vom Kurfürsten begleitet noch von einem glänzenden Gefolge, und gebüßt hat Maximilian eindeutig am Karsamstag, aber nicht mehr an den Osterfeiertagen.

 

Peter Maier hat den Ausflug in kurzen Worten wiedergegeben:

 

„Dinstags ist keiserlich Maiestat vß

Trier geritten, beissen: die nacht Zu

Grimburg. Mittwochs Zu Sandwendl,

Donrstags Zu Schelingen gelegen vnd

den Fritag widderumb ghen Trier kommen.“

 

Vom Kurfürsten ist in Maiers Bericht über den kaiserlichen Ausflug nicht die Rede - aus gutem Grund. Denn in den auf den Ausflug folgenden Passagen beschreibt Maier, was der Kurfürst in der Zwischenzeit in Trier getan hat. Er kam seinen Pflichten als Gastgeber nach: Donnerstags bewirtete er mehrere hohe Herren und begrüßte Neuankömmlinge.

 

Was das Gefolge betrifft, gibt es eine Quelle, auf die Dr. Reinhard Seyboth hingewiesen hat.

 

Der Wormser Gesandte Reinhard Noltz schreibt am Mittwoch, 1. April 1512, an den Wormser Bürgermeister Niclaus Stefan u.a.:

 

„Die k. Mt ist gestern dienstags Zu morgen frue uß Trier gerytten mytt wenig Rutern Woe hien abber oder wan er widdr komme ist nit vieln leuten kundig."[2]

 

In neueres Deutsch übertragen heißt das:

„Die Kaiserliche Majestät ist gestern, Dienstag, morgens früh aus Trier geritten, begleitet von wenigen Reitern. Wo hin aber oder wann er wiederkommt, darüber wissen nicht viele Leute Bescheid.“

 

Die Route des Kaisers von Trier nach St. Wendel läßt sich gut an einer Karte aus dem Jahr 1566 verfolgen[3]. Angefertigt hat sie der Geometer Arnold Mercator. Sie zeigt die kurtrierischen Ämter, die südlich der Mosel liegen. Die Karte ist nach Südosten ausgerichtet und liegt als Kopie aus dem Jahre 1775 vor.

 

Auf dem Weg nach St. Wendel nahm der Kaiser eine Straße, die vom Trierer Stadttor, der St. Simeonspforte unmittelbar neben der Porta Nigra[4], durch den Hunsrück gerade auf St. Wendel zusteuerte.

 

An Korlingen und Guthweiler vorbei führte die Straße über Bonerath nach Kell und weiter Richtung Wadrill. Hinter Kell bog der Kaiser nach Osten ab und ritt durch das Wadrilltal zur Grimburg, wo er mit seinem Gefolge die Nacht verbrachte. Die Wegstrecke beträgt etwa 35 Kilometer und ist zu Pferd an einem Tag gut zu bewältigen.

 

Am Mittwoch ging die Reise über Wadrill an Kostenbach vorbei auf Waldpfaden nach Primstal, dann zwischen dem Hofgut Imsbach und Theley vorbei zu einer Weggabelung nahe Tholey: ein Weg verlief über Selbach und Gronig ins Bliestal, um östlich von Bliesen am „Rothen Stein“ das Amt St. Wendel zu betreten. Der andere führte über die alte Römerstraße nach Süden und bog bei Winterbach Richtung Wallesweilerhof ab. Dahinter erreichte man bei der St. Annenkapelle im Bereich des heutigen Golfplatzes die Grenze zum Amt St. Wendel. Beide Wege trafen sich in Alsfassen, und über Breiten erreichte man St. Wendel. Auch diese Etappe ist knapp 35 Kilometer lang, ein weiterer Tagesritt.

 

Am Donnerstag trat man den Rückweg an. Nahe der Grimburg nahm die Gruppe an einer Gabelung einen weiter östlich verlaufenden Weg Richtung Trier. Die Männer passierten Waldweiler und übernachteten in Schillingen. Am Freitagnachmittag kamen sie wieder zurück nach Trier.

 

Was aber wollte der Kaiser in St. Wendel?

 

Wenn man Maximilians Ausflug nach St. Wendel mit dem nach Dagstuhl und Beckingen (19. Bis 22. April) vergleicht, so scheint er das Jagdvergnügen mit dem Besuch eines geistlichen Zentrums verbunden zu haben. In Beckingen befand sich eine Komturei des Deutschen Ordens, in St. Wendel das Grab des hl. Wendalinus.

Wahrscheinlich war es nicht der erste Besuch des Kaisers in St. Wendel. Im Jahre 1505 beauftragte Maximilian den Genealogen Jakob Mennel mit einer Geschichte des Hauses Habsburg, der „Fürstlichen Chronik“, die Mennel 1518 dem Kaiser übergab. Darin wird neben vielen anderen Heiligen auch der hl. Wendalinus als Freund der Habsburger aufgeführt. In der enthaltenen Wendalinuslegende schreibt Mennel, daß er über diesen Heiligen in den Büchern „der stat zu Sannt Wendel“ nachgelesen habe.[5]

 

Im Jahre 1508 läßt der Kaiser in St. Wendel gleich drei Briefe verfassen:

am 29. April durch seinen Sekretär Johannes Renner einen Brief an seine Tochter Margareta: „Donné en nostre ville de St. Wendel le 29 jour d’avril l’an mil Vc et VIII aprés Pasques[6],

 

am 30. April durch seinen Vizekanzler Nikolaus Ziegler eine Instruktion der kaiserlichen Räte zu ihrem Auftreten vor dem Reichstag[7] und

 

am 30. April eine Order an Bischof Reinhard von Worms: „Gebenn Zue Sant Wendell am lesten tage aprilis Anno 15 Octavo. unnßer Kirche des Romischen, Im drey und zwentzigsten. Und deß hungarischen Im achZehenden Jaar“[8].

 

Auch die Untersuchungen des Historikers Christoph Friedrich Stälin über Maximilians Aufenthaltsorte[9] lassen den Schluß zu, daß sich der Kaiser Ende April 1508 in St. Wendel aufgehalten hat: ab 20. April nennt er die Orte Speyer – Landau – Anweiler – Landstuhl – St. Wendel – Andernach – Linz (Rhein) – Siegburg – Köln, eine gut nachvollziehbare Reiseroute.

 

Damit war Maximilian auch die Wappensammlung an der Decke des Mittelschiffs der Wendalinuskirche in St. Wendel von 1462 bekannt, die neben den Wappen des Papstes Pius II., des Trierer Erzbischofs Johannes II. von Baden und des St. Wendeler Pfarrers Nikolaus von Kues auch die von Maximilians Vater Friedrich III. und der damaligen Kurfürsten zeigt und in dieser Konstellation die weltliche und geistliche Zusammensetzung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wiedergibt.

 

Ein guter Grund für einen zweiten Besuch bei passender Gelegenheit.

 

 


[1] 1. Abteilung, 2. Band, Seite 343-355, Koblenz 1853.

[2] Signatur 1 B Nr. 1929/1, Fasc. "Nro. 41 Correspondenz zwischen der Stadt und Ihren Deputirten nacher Trier de A[nn]o 1512",  Stadtarchiv Worms. Vielen Dank an Christine Frick und David Kraus, Landesarchiv Saarbrücken, für die Transkriptionshilfe.

[3] Kart. N 35860, Staatsbibliothek zu Berlin Preussischer Kulturbesitz.

[4] In den Mauern der Porta Nigra befand sich zur Zeit des Trierer Reichstags die Stiftskirche St. Simeon. Vgl. Heinz, Tacke, Weiner: Trier 1512-Heiliger Rock 2012. Reisewege durch das historische Trier. Imhof-Kulturgeschichte, Petersberg 2011. Seite 104ff.

[5] Tanja Reinhardt, Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel, Freiburg 2002.

[6] Archiv für österreichische Geschichte, Band 96, Seite 251.

[7] Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. E 55, Bl. 13-16. Freundlicher Hinweis von Anneliese Schumacher, St. Wendel.

[8] Stadtarchiv Worms, Bestand 001B, Nr. 1921.

[9] Christoph Friedrich Stälin, Aufenthaltsorte K. Maximilians I. seit seiner Alleinherrschaft 1493 bis zu seinem Tode 1519, erschienen in: Forschungen zur deutschen Geschichte 1 (1860): S. 368. Freundlicher Hinweis von Christian Reuther, Birkenfeld.

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