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19. Jahrhundert -> 1832 Die Cholera wütet

[Philipp Jakob Steininger an seine Mutter in St. Wendel.]

 

Essen am 21. Oktober 1832.

Liebe Mutter!

    Ich bin gestern abend glücklich hier angekommen. Ich habe gesehen und gelernt was ich wollte, und bin somit mit meiner Reise ganz zufrieden. Ich habe die Cholera noch nicht angetroffen. In Mülheim wüthet sie stark. Dies hat seinen Grund darin, daß die niedere Klasse meist aus Schiffern besteht welche unmäßig dem Trunke ergeben sind, und daß auch die Vornehmen wegen ihrer Unmäßigkeit hierherum allgemein bekannt sind. Zu Duisburg und Ruhrort ist sie kaum zu beachten. In die anderen Städte ist sie noch gar nicht gekommen, und leicht dürfte sie auch von hier ganz wegbleiben. Man fürchtet wenigstens gar nicht davor, und ist übrigens mäßig. Ich bin nun froh daß ich wieder hier bin. Ich werde ein ganz stilles und ruhiges Leben für mich führen, und ganz meinen Studien leben. Eine Zeit, wie ich sie gemacht habe, ist sehr angreifend, rüttelt den Körper durch einander und stärkt ihn ebenso sehr. Sie hat mir sehr wohl gethan, und sie Ruhe danach wird mir nun gut schmecken. Ich wünschte jetzt auch sehr zu wissen, wie es mit Ihnen zu Haus steht; ob Sie alle gesund sind, und was meine Brüder die Ferien angefangen haben; ob sie immer zu Haus geblieben sind oder auch größere Erkundigungen gemacht haben. Ferner wünsche ich auch zu wissen, wie Sie sich den Winter einzurichten gedenken; ob meine Schwester und Elischen wieder mit nach Trier gehen Oder nicht. Schreiben Sie mir doch bald über alles dies.

    Es wird meinen Bruder vielleicht interessieren, das Genauere von Meiner Reise zu erfahren. Ich fuhr von dir direkt nach Siegen, hielt mich mehrere Tage in den Mecettener Gruben auf, ging alsdann nach den Kupferwerken in's Dillenburgische, durch im Westerwald zurück in die Braunkohlengruben, und somit wieder durch die Reviere Kirchen, Herdorf und Eiserfelden nach Siegen. Darauf machte ich über Arensberg nach den Salinen zu Werl und Unna, und so wieder nach Essen auf. Ich habe so die Bergwerke aller Art besucht und befahren, und habe dabei immer die betreffenden Hütten und Schmelzen angesehen. Die Kabinette und Sammlungen zu Siegen allein habe ich nicht gesehen, weil ich bei dem schönen Wetter niemanden angetroffen habe, der sie mir hätte zeigen können. Alles war immer auf Reisen. Den Inspektor Stengel auf der Hütte Lohe habe ich auch besucht; mein Bruder kennt ihn. Auch den Bergrath Schneider von Holzappel habe ich kennen gelernt; er erinnerte sich meines Bruders wohl.

    Nun so leben Sie denn recht gesund und wohl. Beikommende 100 Thaler mögen etwas dazu beitragen, Ihnen das Leben angenehm zu machen. Schreiben Sie mir bald und ausführlich.

    An alle die Meinigen sage ich meinen herzlichsten Gruß. Ich verbleibe wie immer

    Ihr ergebenster PJ. Steininger

 

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