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Aus meinen Erlebnissen!

 

Als Lehrling einer Mechanischen Werkstätte in Weinheim an der Bergstraße hatte ich schon früh Gelegenheit, ein Fahrrad – Hochrad mit Vollgummi ohne Kettenantrieb zu fahren (1899). Im gleichen Betrieb, wo auch schon Motorräder und Autos repariert wurden, musste ich, wenn jemand unterwegs liegen blieb, helfend eingreifen. Wie dies so aus Neugierde und Unternehmungslust schon einmal bei Jungen geschieht, versuchte ich natürlich, als das Vehikel lief, als 16-jähriger zu probieren, wie sich's fährt.

 

Das war im Jahre 1900 ein Kaisermotordreirad der Firma Kaiser aus Kaiserslautern. Hätte ich nicht gefahren, dann müsste ich das Fahrzeug zwei Kilometer im gebirgigen Gelände drücken, und das war mir doch zu viel. Über alles Erwarten ging es gut. Nur in den Kurven musste man schon aufpassen, damit man nicht nach außen kippte.

 

Mit dem Auto ging es doch in dieser Hinsicht besser. 1901 fuhr ich bereits mit einer Freifrau von Ketteler als Nothelfer, um gegebenenfalls bei Störungen gleich dabei zu sein. Es war ein Benz-Motorwagen mit einem liegenden Zwillingsmotor und Batteriezündung. Das Fahrzeug hatte Riemenantrieb mit drei Geschwindigkeiten und Rückwärtsgang. Die Übertragung auf die Hinterräder erfolgte mit Ketten. Die Radhöhe war etwa 1,20 Meter.

 

Das empfindliche bei den ersten Fahrzeugen war der Oberflächenvergaser. Um das richtige Gasgemisch zu bekommen, musste während der Fahrt ständig die Luftzufuhr reguliert werden. Jede Winddrehung machte sich im Vergaser sofort bemerkbar. Der Motor fing an zu knallen, setzte aus und zog nicht mehr und blieb schließlich stehen, wenn man nicht richtig regulierte. Am schlimmsten war es bei Sturm.

Es hatte Luftbereifung mit hohem Druck. Unter anderem hatten wir auch Schwanenmeier- Autos zur Reparatur, die damals schon den Motor auf dem Differenzial montiert hatten.

 

Im Jahre 1903 kam ich bei einer Bewerbung als Gehilfe in eine mechanische Werkstätte in Pforzheim. Hier hatte ich die Gelegenheit, meine Kenntnisse zu verwerten bzw. zu bereichern. Es war dies für mich ein sehr bescheidener Anfang. Im Betrieb neben dem Meister ein Lehrling. Aber die Tätigkeit machte mir viel Spaß. Es war hier eine vielseitige Beschäftigung mit NSU Motorrädern und Zedel-Motor, Adler – Autos mit De Dion- Motor, Mercedes und Horch-Autos. Von all diesen Fabrikaten hatte die Firma die Vertretung. Nachdem die Horchwerke von Zwickau den damaligen Herkommer–Preis gewonnen hatten, blieb der Erfolg im Absatz dieser Fahrzeuge nicht aus. An für sich war Pforzheim ein günstiges Pflaster für die Zukunft der Autos. Ein Automobilclub bestand bereits und jährlich wurden durch meinen Chef mehrere Fahrzeuge abgesetzt. Die Preise der Autos schwanken damals zwischen 18.000-30.000 Goldmark. Mit der Zunahme der Fahrzeuge hatte sich unser Betrieb merklich vergrößert. Es wurden weitere Gehilfen eingestellt, um all die anfallenden Reparaturen schnellstens ausführen zu können.

 

Bei Fahrten des Automobilclubs war ich ständiger Bordmonteur. Durch Hufnägel gab es viele Reifenschäden, die an Ort und Stelle beseitigt werden mussten durch wechselnde Schläuche bzw. Reservedecken.

 

Nach dreieinhalb Jahren kam ich dann durch Vermittlung der Pforzheimer Benz–Vertretung in die Reparaturabteilung der Benz-Werke in Mannheim. Hier war ich ein Jahr tätig, um dann als Monteur in die große Benz–Vertretung für Rheinland, Westfalen und Elsass–Lothringen in Köln einzutreten. Hier hatte ich unter anderem auch Gelegenheit, mit meinem Chef an der Prinz–Heinrich–Zuverlässigkeitsfahrt Anfang Juni 1908 teilzunehmen, woran über 180 Fahrzeuge beteiligt und der Stärke nach eingruppiert waren. Wir fuhren einen offenen Benz-Wagen mit Kettenantrieb. Der Motor war oben gesteuert und hatte 105 PS. Das Fahrzeug erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern und war viersitzig, dabei ein unparteiischer Kontrolleur (Major). Der Anfang der Fahrt war in Berlin und ging über Stettin – Kiel – Flensburg – Hamburg – Bremen – Hannover – Münster/Westfalen – Köln - Aachen – Trier – Bernkastel-Kues – Hunsrück – Bingerbrück – Bacharach-Rheinböllen-Stromberg – Bingen nach Frankfurt am Main. Die Fahrt fand in der Zeit vom 9. bis 17.6.1908 statt.

 

Ende August 1908 beteiligten wir uns mit einem Benz 4-sitzer it 75 PS an den internationalen Rennen in Ostende, Calais und Boulogne sur Mer mit Erfolg.

 

Im Dezember 1908 kam ich dann zur Ablieferung eines 18/28 PS Benz-Landaulett 6-sitzer nach St. Wendel. Ich hatte nicht vor, in St. Wendel zu bleiben, zumal es hier ein anderes Pflaster war als in Köln! Aber da die damaligen Autos eine ständige fachmännische Betreuung und Unterhaltung bedurften und es hier an erfahrenen und geeigneten Fachkräften noch sehr mangelte, habe ich mich durch Zureden des Herrn Landrats von Aschoff entschlossen, vorläufig mal dazu bleiben. Aus dem „vorläufig“ wurden dann 42 Jahre, wo ich bei der Kreisverwaltung St. Wendel bis Erreichung der Altersgrenze tätig war. Acht Landräte waren während dieser langen Zeit meine Chefs (von Aschoff, Sommer, Friedrich, Schmitt, Lorscheider, Resch, Strauß, Schütz).

 

Ich darf mit großer Genugtuung feststellen, dass es sehr abwechslungsreiche und interessante Jahre waren in dem landschaftlich schönen Kreis St. Wendel. Es geschah doch in und außerhalb des Kreises in dienstlicher Hinsicht nichts, wo ich nicht mit dem Auto Tag und Nacht dabei war. In dieser Zeit habe ich es bis zum Ausscheiden im Jahr 1949 zum Kilometer-Millionär gebracht, ohne jemals eine Versicherung in Anspruch zu nehmen. Einmal hatte die Haftpflicht im Jahr 1911 für einen italienischen Zuchthahn freiwillig dem damaligen Hinkelsvatter Rohner in Urexweiler zehn Mark gezahlt. Der Hahn war bei einer Körreise unter die Räder des Autos gekommen, ohne dass jemand von den Insassen etwas davon merkte. Es war vor der Dorfschmiede Rechtsanwalt, des Vaters des heutigen Bürgermeisters, am alten Marpingen Weg.

 

Ich will noch erwähnen, dass damals 1918 im Kreis St. Wendel insgesamt vier Autos zugelassen waren. Davon drei in der Stadt St. Wendel und eins in Offenbach am Glan.

 

St. Wendel, den 15. April 1962

 

Adam Dallinger, Urweiler Straße 8.

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