Schriftzug
19. Jahrhundert -> 1823 den vormaligen katholischen Pastor von St. Wendel p. Feilen betreffend.

An das herzoglich Coburgische OberbürgermeisterAmt der Stadt St. Wendel

 

Bei der durch das bischöfliche Vikariat erfolgten Ernennung des vormaligen Pastors Feilen von St. Wendel zum Pfarrer in Zeltingen, hiesigen Kreises (Bernkastel), ist in bürgerlicher Beziehung die Frage aufgeworfen worden, inwieweit der Amtsantritt desselben von der Beibringung einer Aufnahmeurkunde der diesseitigen Landesbehörde als preußischer Unterthan abhängig seyn möge, indem dieset Geistliche, obgleich im hiesigen Kreise geboren, als angestellter Pfarrer zu St. Wendel als Ausländer angesehen werden müsse.

 

Ich bin gesonnen, bei meiner vorgesetzten Behörde hierüber eine positive Entscheidung in Anspruch zu nehmen, bedarf aber noch zuvor der genauen Auskunft über nachstehende Fragen, um deren baldgeneigte Beantwortung Ein Wohllöbliches OberbürgermeisterAmt ich hiermit ergebenst zu ersuchen die Ehre habe:

 

1, Wurde Herr Feilen während seiner Anstellung in St. Wendel als Herzoglich Sachsen Koburgischer Untertan und Bürger angesehen und hat er als solcher oder als Pastor Sr. Durchlaucht dem Herrn Herzog als seinem Landesherrn irgend einen Eid geschworen?

 

2, Was und welche Umstände oder Verhältnisse haben es veranlasst, daß der p Feilen die Sachsen Koburgischen Lande verlassen hat?

 

Es verlautet, der p Feilen sei von dem Gericht zu St. Wendel als Verläumder in Geld und Gefängnisstrafe genommen worden, worauf er jedoch auf den Beding, das Land verlassen zu müssen, begnadigt worden sei.

Ob und inwiefern dies wahr, oder ob

3, der p Feilen durch eine förmliche sonstige Verfügung oder Urkunde aus dem Unterthanenverband der Herzoglich Sachsen Koburgischen Lande entlassen worden sey, auch darüber ersuche ich unter Entwicklung der Reziprozität mir geneigtest Auskunft erteilen zu wollen.

 

Berncastel den 25. August 1823

Der Königliche Landrat

für denselben der Kreissekretär

 

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St. Wendel, den 6. September 1823

 

Die Herzog. Oberbürgermeisterey St. Wendel berichtet Sr Wohlgeboren dem Königlichen Landrat zu Bernkastel.

In Gemäßheit dero Schreibens vom 24 August letzthin, Nummer 4316.

 

Euer Wohlgeboren beehre ich mich, auf dero Schreiben zu antworten,

 

ad 1um:

der Herr Matthias Feilen ist hier als Cantonspastor, um den Herrn Castello zu ersetzen, im Jahre 1814 angestellt worden; demzufolge und in Gemäßheit der Verfügungen des Art. 167 des Zivilgesetzbuchs hat der Herr Matthias Feilen sein Domizil zu St. Wendel gehabt: er war auch zugleich - und seit dessen Vereinigung der vormaligen 4 Departementen - ein Staatsbürger. Am 19. September 1816 hat der Herr Pastor Feilen, bei Gelegenheit der Huldigung als Pastor des /: als Fonctionnaire public :/ Sr. Durchlaucht dem Herrn Herzog einen Eid geleistet.

 

ad 2um: Gefangene im Arrest und Arresthaus allhier, um eine bessere Nahrung zu erhalten, haben sich verstellt, als wenn sie vom Typhus befallen wären. Jedermann ist dadurch so betrogen worden, daß der Herr Pastor Feilen selbst aus Menschenliebe täglich die besten Nahrungsmittel in das Gefängnis geschickt hat.

Der Betrug ist durch einen Gefangenen geoffenbart worden. Eine Untersuchung im Gefängnis hat deswegen statt gehabt. Die Urheber des Betrugs sind gestraft worden.

 

Der Herr Pastor Feilen hat eine kleine Relation dieses Betrugs in die Zeitung von Speyer einrücken lassen.

Da unsere Hohe Regierung eine Caracterisirte Verläumdung gegen sich selbst sowie gegen den Herrn Doctor Machry in dieser Relation gesehen hat, so ist der Herr Matthias Feilen als Urheber derselben Verläumdung vor dem Correctionnellgericht verfolgt worden.

Während der Untersuchung hat unserer Hohe Regierung ihre Klage zurückgezogen: nachher hat Herr Doctor Machry das nämliche getan.

In Gemäßheit der Verfügungen des Art. 4 des Criminal- Untersuchungs-Codex hat die Staatsbehörde die öffentliche Klage fortgesetzt.

 

Kurz, der Herr Pastor Feilen, aus Mangel an gesetzlichem Beweis, der zu seiner Relation angegebenen Facten, wurde zu einer monatlichen Einstellung, zu 50 Franken Geldbuße und in die Kosten verurteilt, und während 5 Jahren interdizirt.

 

Herr Feilen wollte appellieren. Anstatt dies zu tun, hat er seine Begnadigung verlangt.

Es scheint mir, daß diese Begnadigung unter der Bedingung bewilligt worden ist, daß er das Land verlassen müsse.

 

Ad 3um. In der Regel ist dieser Herzog. Oberbürgermeisterey der Auftrag geworden, eine Abschrift von der Abschrift der Begnadigung dem Begnadigtem zuzustellen: was aber hinsichtlich des Herrn Feilen nicht beachtet worden ist. Demzufolge ist es mir unmöglich, diese letzte Frage mit einer vollkommenen Bestimmtheit zu beantworten.

 

Da die drey Fragen, welche Eu. Wohlgeboren einzig in bürgerlicher Beziehung gemacht sind, so beeile ich zu versichern, daß diese Auskünfte nichts als die reine Wahrheit enthalten.

 

Die Herzogl. Oberbürgermeisterei.

 

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