Schriftzug
19. Jahrhundert -> 1854 Anweisung des Landrats über die Ausstellung von Reise- und Wanderpässen

Anweisung des Landraths Engelmann vom 12. Februar 1854 an Herrn Bürgermeister Rechlin hier.

 

Die öfters unvollständig mehr vorgelegt werdenden, von den Herren Bürgermeistern formirten Anträge um Ausfertigung von Reise- und Wanderpässen veranlaßten mich, die nachfolgende Zusammenstellung der sämtlichen zu einem vollständigen Antrage im Sinne der bestehenden Bestimmungen bedurften Erfordernisse anzufertigen.

 

Es ist dies nur eine kurze Wiederholung der in dem Paß=Edikt vom 12. Juni 1817 über die Ertheilung von Pässen an Personen der niedern Stände schon enthaltenen Bestimmungen unter Beifügung der später ergangenen Reskripte höherer Behörden, welche jedoch beinahe blos das Verbot des Reisens nach verschiedenen Ländern und in auswärtigen Staaten zum Ziele haben.

 

Fragliche Bestimmungen sind nun zwar sämtlich Ihnen schon mitgetheilt resp. durch das Paß=Edikt erkannt und ich möchte in dieser Beziehung blos auf meine Verfügung vom 30. Mai 1846, Nummer 3473; 5. Mai 1850, Nummer 848; 25. Mai 1850, Nummer 2725; 6. Februar 1852, Nummer 756; 17. Juli 1852, Nummer 4012; verweisen, wenn Ihnen dieser den erforderlichen Zusammenhang gewähren könnten; und um diesen Zweck zu erreichen, wurde diesseits nachfolgende Zusammenstellung der in obgedachten Verfügungen enthaltenen Vorschriften veranstaltet.

 

Gegenwärtiges bezieht sich jedoch nur auf die Paß=Ertheilung an Personen der niedern Stände - wovon im hiesigen Kreise nur hauptsächlich die Rede sein kann - wogegen gegen höhere Stände mit aller durch das Paß=Edikt selbst als auch durch die dieserhalb nachgefolgten Änderungen und Erläuterungen vorgeschriebenen Rücksicht zu verfahren ist.

 

Auch auf Paß=Ertheilungen an Ausländer oder Fremde bezieht sich Gegenwärtiges nicht.

 

Inwieweit einen Paß=Antrag nach den gewerbepolizeilichen Bestimmungen zulässig, werden Sie aus den desfallsigen Bestimmungen leicht selbst ermessen können, und erwarte ich, daß mir nicht Anträge vorgelegt werden, in welchem Verstöße gegen diese zu entdecken [sind].

 

1, Zur Ertheilung eines Passes muß der Petent unverdächtig und unbescholten sein.

Steht er unter Polizeiaufsicht, so ist nach dem Cirk. Erlasse vom 26. Dezember 1853 zu verfahren.

 

2, Von dem zu ertheilenden Passe darf kein Missbrauch zu befürchten stehen, was Sie im Antrag zu attestieren haben.

 

3, Ebensowenig darf mit einem früher ertheilten Passe solches getrieben worden sein, widrigenfalls der Antrag zurückzuweisen bleibt.

 

4, Um dies erst sehen zu können, muß der alte Paß dem Antrag um einen neuen stets beigefügt sein. Kann derselbe nicht beigefügt werden, so erhält Petent keinen Paß mehr; außer in dem Falle, daß der alte nachweislich verloren und durch das Amtsblatt mortificirt worden.

 

5, Der Antrag um einen Paß muß auf einen bestimmten Ort und bestimmten Zweck der Reise lauten, sowie auf bestimmte Zeit, welche nach dem Reisezweck zu bemessen.

 

6, Die Mittel zur Bestreitung der Reisekosten müssen nachgewiesen und das daß und zu welchem Betrag er dies geschehen in dem Antrage bemerkt werden.

 

7, Militärpflichtige können Pässe nur bis zu dem Zeitpunkte erhalten, wo sie vor der Ersatz=Aushebungs=Commission zu erscheinen verpflichtet sind. Ist dies im wohlerwogenen Interesse der Interessirten nicht thunlich, so haben sie genügende Bürgschaft für ihre Rückkehr zu bestellen.

 

8, Landwehrleute I. Aufgebots und Reservisten haben einen Urlaub ihre Dienstbehörde, welcher auf den Reise=Ort und Zweck lauten muß, beizubringen, nach welchem der Paß nur ertheilt wird.

 

9, Widerspenstige Militärpflichtige erhalten keine Pässe.

 

10, Ebenso in gerichtlicher Untersuchung befindliche Individuen.

 

11, Der Paß nach Sucher muß gesund und namentlich von ansteckenden Krankheit, Krätze pp. frei sein. Kann irgendein Zweifel hierin gehegt werden, so muß der Nachsucher ein ärztliches Attest beibringen.

 

12, Handeltreibende mit Gewerbeschein bedürfen für das Inland keine Pässe.

 

13, Personen, die von anderen abhängig sind (: Dienstboten, Kinder unter väterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt, geringere königliche Officianten, gemeiner Soldaten :) bedürfen deren Genehmigung und haben daher diese das Gesuch mit den Antragstellern zu unterzeichnen.

 

14, Dienstboten, und unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, wenn sie nicht mehr schulpflichtig, können in den Paß des Familienhauptes, erstere mit vollständigem Signalement, letztere mit Angabe des Namens, Standes und Alters, jedoch nicht zur Reise nach Rußland aufgenommen werden.

 

15, Jede selbständige Person muß die Ertheilung eines besonderen Passes beantragen ohne Unterschied, ob die Mitreisenden Freunde oder Verwandten und der Ort und Zweck ihrer Reise ein gleicher ist.

 

16, Zum Arbeitssuchen werden keine Pässe ertheilt, sondern blos, um an einem bestimmten Ort in Arbeit zu treten.

 

17, Für die Versorgung der zurückbleibenden Familie, sowie den Schulbesuch der Kinder muß Vorsorge getroffen sein, und hat der Paßnachsucher dieserhalb eine Bescheinigung hierüber beizubringen, welche dem Antrage beizufügen.

 

18, Die an dem Inhaber bis zum Bestimmungs=Orte durchreist werdenden Hauptworte (: Reiseroute :) müssen im Passe, folglich auch im Antrage, angegeben sein, damit der Inhaber nicht jede beliebige Tour einschlagen kann.

 

19, Soll der Paß ins Auslands ertheilt werden, so ist in dem Antrage derjenige letzte diesseitige Ort zu erwähnen, bei welchem Inhaber die Gränze überschreitet.

 

20, Der Paß=Antrag muß das vollständige Signalement des Nachsuchers (: NB aus niedern Ständen :).

 

21, Verlängerung von Pässen findet nur innerhalb der ersten nach Ablauf des Passes verflossenen 6 Wochen statt.

 

22, Wanderbücher werden nur solchen Inländern ertheilt, die ein Handwerk erlernt, bei welchen das Wandern üblich und die Vervollkommnung in demselben vonnöten ist.

 

23, Deßfalls muß auch der Wanderpaßnachsucher sein Gesellenexamen vor der bestehenden Prüfungs=Commission gemacht haben, und daß, wann, und wie dies geschehen, in dem Antrage angegeben sein.

 

24, Der Wanderer darf das 30te Lebensjahr noch nicht überschritten haben (: bis zu welchem Zeitpunkte auch nur ein Wanderpaß gültig ertheilt werden kann :), auch nicht vorher 5 Jahr zusammen auf der Wanderschaft gewesen sein.

 

25, Bei Antritt der Reise muß der Wandernde mit der erforderlichen Wäsche und anderen Kleidungsstücken und mindestens 5 Thaler Reisegeld versehen sein.

 

26, Nach Frankreich und der Schweiz werden vorläufig keine Reise=und Wanderpässe ertheilt, es sei denn, daß dringende Umstände, und die auf nichts Verdächtiges schließen lassen, vorwalten.

 

27, Auf längere als 5jährige Zeit=Dauer wird einen Wanderpaß nicht ertheilt.

 

28, Bei Aushändigung des Wanderbuchs bleibt von Ihnen immer der Antritt der Wanderung gehörigen Orts einzutragen, bei einem zweiten Reiseantritt unter gleichzeitiger Angabe der ungewandert hingebrachten Frist.

Hierdurch wird ein längeres als 5 jähriges Wandern controllirt.

 

29, In einem Wanderpaß=Antrage muß neben dem vollständigen Signalement das Datum der Geburt genau angegeben werden; theils des Militair=Verhältnisses, theils um einen überzeitiges Wandern zu verhindern.

 

30, Der Paß=Antrag muß von dem Antragsteller unterschrieben, eventuell unterhandzeichnet sein.

 

31, Pässe können nachstehenden Preisen verabfolgt werden;

 

a, stempel und gebührenfrei (: zum Arbeiten :) bei notorischer Armuth

b, gebührenfrei auf Stempel à 5 Silbergroschen

c, auf Stempel à 5 Silbergroschen und Gebühren à 2 1/2 Silbergroschen

d, auf Stempel à 5 Silbergroschen und Gebühren à 10 Silbergroschen

e, auf Stempel à 15 Silbergroschen und Gebühren à 20 Silbergroschen

 

Wanderpässe

a, fürs Inland à 6 Sgr Stempel, und 1 1/2 Sgr Ausfertigungsgebühren

b, fürs Inland à 6 Sgr Stempel, und 9 Sgr Ausfertigungsgebühren

 

Hiernach haben Sie bei Beantragung der Pässe zu bemessen, in welche Cathegorie der Nachsucher fällt und die Kosten mit dem Antrage einzusenden.

 

32, Paßanträge sind Stempel und Gebührenfrei. Damit Sie stets im Stande sind, Auskunft über die Eingesessenen Ihrer Bürgermeisterwahl geben zu können, bleibt von Ihnen ein Register über die ertheilten Pässe nach dem beifolgendem Schema anzulegen.

 

(10 Formulare folgen hier bei)

 

a, Um die Vollständighaltung resp. sämtliche Notizen in demselben zu erhalten, ordne ich hiermit an, daß künftig unter keiner Bedingung mehr die Paßnachsucher selbst auf dem Landrathsamt mit den Anträgen erscheinen, sondern selbige bleiben von Ihnen mit der amtlichen Correspondenz nebst den Kosten mir vorzulegen, und werden Sie nach Ausfertigung des Passes denselben zur Aushändigung an den Interessenten - nach vorheriger Beisetzung der Namensunterschrift des Petenten oder Verhandzeichnung auf demselben, sowie nach Entnahme der für Sie erforderlichen Notizen, aushändigen.

 

Daß und wann der Paß ausgehändigt worden, bleibt von Ihnen mit folgenden Worten unter Ausfertigungs=Clausel zu vermerken:

 

No des Paß=Journals

"Dem p.N. durch den unterzeichneten Bürgermeister heute ausgehändigt mit dem Beimerken, daß derselbe am _ten die Reise anzutreten und direkt nach N. zu gehen gedenkt."

 

Bei der Aushändigung ist der Inhaber gleichzeitig vor Mißbrauch des Passes zu verwarnen und ihm die auf solchen folgenden Nachtheile vorzuhalten.

 

Das oben genannte Paß=Journal ist mir jährlich zweimal, nämlich am ersten Januar und am ersten Juli zur Einsicht vorzulegen, die etwa nicht abgenommenen Pässe sind unter Angabe der Gründe, warum sie nicht abgenommen worden, demselben beizufügen.

 

Da die Einwohner des hiesigen Cantons gewohnt sind, die Pässe selbst ab zu nehmen, so wollen Sie in den betreffenden Gemeinden eine Bekanntmachung in der Weise erlassen, daß Pässe forthin mindestens 2 Tage vor dem Empfange derselben bei Ihnen nachgesucht werden müßten.

 

Nachläßigkeiten in der Beförderung der Gesuche werden mit der verdienten Strafe geahndet werden.

 

Es bleibt ferner von Ihnen ein Register derjenigen Personen anzulegen, welche wegen Mißbrauchs der Pässe pp. keine solche nach den Vorschriften mehr erhalten sollen, damit Sie nicht in die Lage kommen, für solche Personen bestimmungswidrig Pässe zu beantragen.

 

b, Zu fraglichem Register wird das beigefügte Schema anzuwenden sein.

(10 Formulare folgen anbei)

 

Es kommt auch öfter der Fall vor, daß Ihnen und nicht mir, die Pässe, womit Mißbrauch getrieben worden, von den auswärtigen Behörden übersandt werden, in welchen Fällen ich außer Stande bin, ausdrücklich zu verfügen, daß diese keine Pässe ferner zu beantragen.

 

Dies haben Sie nach den bestehenden Bedingungen selbst zu ermessen, in Zweifelsfällen aber meine Entscheidung einzuholen.

 

Dieses zweite Register ist mir gleichzeitig an den vorbestimmten Tagen einzureichen, damit ich auch meine Notizen hiernach berichtigen könne.

 

Ich hoffe, daß Sie dieses Register pünktlich und pflichtgemäß führen und so dazu beitragen werden, daß ferner Niemanden, welchem wegen Zuwiderhandlung gegen paßpolizeilichen Bestimmungen ein Paß versagt werden muß, solchen zu erschleichen gelinge.

 

Zu Reisepaß=Anträgen habe ich das anliegende Muster "c" und zu Wanderpaßanträgen "d" entworfen, nach welchen künftig die Anträge zu formiren sind

 

Gleichzeitig habe ich die 4 vorgeschriebenen Formulare dem Buchdrucker Maurer hier mitgetheilt, damit Sie eventuell Ihren Bedarf an solchen bei ihm entnehmen können.

 

Die Kosten der hier bei folgendem Formulare mit 1 Thaler 6 Silbergroschen wollen Sie an Herrn Buchdrucker Maurer hier abführen.

 

St. Wendel den 12. Februar 1854.

Der königliche Landrat

Engelmann

 

 

Quelle: Stadtarchiv St. Wendel, C2-69 Paßregularien, Seite 60-67.

 

 

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