Schriftzug
20. Jahrhundert -> 11.04.1902 Vertrag zum Bau der Synagoge in St. Wendel

[Landesarchiv Saarbrücken, Notariat St. Wendel, Notar Thiel, Nr. 251 vom 11.04.1902]

Heute den elften April 1902 erschienen vor dem unterzeichneten zu St. Wendel im Oberlandesgericht Cöln wohnenden Notar Gustav Walther Thiel:

I. Moritz Rothschild, Handelsmann in St. Wendel, handelnd als Bevollmächtigter
1. Karolina Koppel, Witwe von Samuel Daniel in St. Wendel
2. Milian Daniel, Kaufmann zu St. Wendel
3. Eheleute Hermann Bonem, Kaufmann in St. Wendel, und Delphine Daniel
4. Eheleute Julius Stern, Kaufmann in Lebach, und Ehefrau Emma Daniel,
5. Fritz Daniel, Kaufmann in St. Wendel
5. (doppelt vergeben) Eheleute Leopold Borg, Handelsmann in St. Wendel, und Clara Henne
6. Babetta Simon, Witwe von Borg Borg in St. Wendel, in eigenem Namen und als Bevollmächtigte ihres Sohnes Max Borg, Buchhalter in New York wohnend
7. Salomon Borg, Handelsmann in St. Wendel
8. Simon Borg, Handelsmann in St. Wendel
9. Emma Borg, ledig in St. Wendel
10. Ida Borg, Ladengehülfin, früher in Dudweiler, jetzt in Wiesbaden wohnend (* 29.7.1878 St. Wendel )
11. Eheleute Richard Hermann, Handelsmann in Ottweiler, und Bertha Wolff
12. Eheleute Abraham Alexander, Metzger in St. Wendel, und Karolina Adler
13. Karolina Sender, Witwe von Metzger Jakob Sender in St. Wendel
14. Max Josef Schoemann, Kaufmann zu zu McLeansboro, Hamilton County, Illinois , America (Vollmacht liegt bei)
15. Siegmund Schoemann, Kaufmann zu Moline, Rock Island County, Staat Illinois in America (Vollmacht liegt bei)
16. Sara Berl, Mörchingen, Witwe des Mendel Schoemann, gestorben in St. Wendel, in eigenem Namen und als Gewalthaberin und gesetzliche Vertreterin ihres minderjährigen Sohnes Julius Schoemann aus der o.a. Ehe
17. Gertrude Schoemann, ledig, Ladengehülfin in Mörchingen
18. Eheleute Hermann Weil, Kaufmann in Metz , Gartenstraße 27-29, und Mathilde Juliane Kahn (Vollmacht liegt bei)

II. Alphons Wolff, Kaufmann in St. Wendel, und Ehefrau Regina Meyer
III. Eheleute Balthasar Jacob, Handelsmann in St. Wendel, und Karolina Wolff
IV. Eheleute Michel Rothschild, Handelsmann in St. Wendel, und Wiola August
V. Eheleute Julius Sender, Handelsmann in St. Wendel, und Ida Jacob
VI. Eheleute Moritz Jacob, Handelsmann in St. Wendel, und Henriette Haas
VII. Siegmund Sender, Metzger in St. Wendel, für sich und als Bevollmächtigter seines Schwagers Abraham Wolff, Kaufmann in Köln
der genannte Hermann Bonem ist ebenfalls miterschienen
Einerseits

B, anderseits Nikolaus Vollmann, Unternehmer zu Urweiler wohnend.

Die vorgenannten erschienenen Michel Rothschild, Moritz Rothschild und Hermann Bonem als Baukommission der israelitischen Gemeinde St. Wendel sowie der genannte Nikolaus Vollmann als Bauunternehmer erklärten:
zwischen der Baukommission und dem Unternehmer Nikolaus Vollmann wird heute folgender Vertrag abgeschlossen:

Art. 1
Nikolaus Vollmann übernimmt für die isrealitische Gemeinde zu St. Wendel die schlüsselfertige Herstellung einer Synagoge nach Maßgabe der vorliegenden Zeichnungen und des Kostenanschlages sowie des von ihm eingerichten Preisangebotes zum Gesamtpreis von 15.940 Mark 03 Pfennig. Sollte durch eine nachträgliche Änderung, welche von der Baukommission verlangt würde, irgendeine Mehrarbeit eintreten, so wird dieselbe unter Zugrundelegung der Einzelpreise nach Ausmaß berechnet. In dem oben angeführten Gesamtpreis sind inbegriffen: Die Lieferung und Beifuhr aller Materialien, auch derjenigen neben Nebenmaterialien, welche im Kostenanschlag nicht besonders aufgeführt sein sollten, Stellung aller nötigen Gerüste und Geräte in genügender Anzahl und guter Beschaffenheit, Abgrenzung der Baustelle während der Bauzeit gegen die Straße und das Feld und Zugänglichhaltung für die Interessenten, Beschaffung des Bauwassers, Errichtung eines Abortes für die Arbeiter an anzugebender Stelle, sowie die Ausführung aller in Betracht kommenden polizeilichen Bestimmungen und Anordnungen in Bezug auf Sicherheit der Person und des Eigentums.

Art. 2.
Sollte außer der in dem Kostenanschlag aufgeführten Arbeiten dem Unternehmer noch andere zur Ausführung übertragen werden, so ist hierüber in jedem einzelnen Falle mit der Bauleitung eine besondere schriftliche Vereinbarung zu treffen und durch beiderseitige Unterschrift anzuerkennen, andere Vereinbarungen sind ungültig.

Art. 3.
Der Unternehmer ist verpflichtet, nur erstklassiges Material und meistermäßige Arbeit zu liefern, auch wenn dies im Kostenanschlag nicht besonders betont ist. Über die Qualität der Arbeit und des Materials entscheidet allein die Bauleitung. Bei der Vergebung der Einzelarbeiten seitens des Unternehmers an die Subunternehmer sind nur wirklich leistungsfähige Firmen zu berücksichtigen und hat der Bauleiter bei Auswahl derselben mit beratende Stimme sowie während der Ausführung der Arbeiten das Recht in der Wirkstelle der betreffenden Firma sich von dem Fortschritt der Qualität der Arbeit überzeugen.

Art. 4.
Der Unternehmer übernimmt für seine gesamten Leistungen eine 2-jährige Garantie derart, dass er alle während dieses Zeitraums sich zeigenden Mängel, welche auf sein Verschulden zurückzuführen sind, auf erstmalige Aufforderung des Bauleiters oder der Baukommission sofort ohne jede Vergütung endgültig beseitigt.

Art. 5.
Wenn der Unternehmer seinen Verpflichtungen nachkommt, erhält er während des Baus auf seinen Antrag und auf Anweisung der Bauleitung entsprechend Abschlagszahlungen bis zur Gesamthöhe von 4000 Mark. Die 1. Abschlagszahlung wird jedoch frühestens eine Woche nach Beginn der Arbeit geleistet. Für die Restsumme in Höhe von 11.940 Mark 3 Pfennig wird der Unternehmer gesichert durch eine auf den nachstehend genannten Liegenschaften aufzunehmende Grundschuld. Der Bauplatz, dessen jetziger Wert ca. 8000 Mark beträgt, ist lastenfrei.

Art. 6.
Sofort nach Eintragung der Grundschuld ist mit den Arbeiten zu beginnen und sind dieselben derart zu fördern, dass am 21. Juni dieses Jahres der Bau unter Dach ist und am 13. September laufenden Jahres übergeben werden kann. Sollte der Unternehmer bis zu dem bestimmten Termin nicht fertig sein, so verfällt der selbe ohne weitere Inverzugsetzung oder dergleichen in eine Konventionalstrafe von 5 Mark für jeden der 1. 3 Tage und von 15 Mark für jeden folgenden Tag der Verzögerung.

Art. 7.
Die nötigen Zeichnungen und Listen, welche der Unternehmer auf ihre Richtigkeit zu prüfen hat, erhält der selbe von dem Architekten H. Zeeh in Saarbrücken. Kommen durch solche Zeichnungen oder Listen, welche von dem Unternehmer zu prüfen waren, Unrichtigkeiten vor, so haftet der Unternehmer für den Schaden. Den Anordnungen des Bauleiters oder dessen sich legitimierenden Stellvertreters ist soweit dieselben den Bau betreffen auch auf der Baustelle stets Folge zu geben und hat der Unternehmer deshalb dafür zu sorgen, dass während der ganzen Bauzeit in den Arbeitsstunden stets ein genügend erfahrener Polier am Bauplatz ist, der die ihm gegebenen Aufträge und Anordnungen versteht und in sinngemäßer Weise zur Ausführung bringen kann. Mit diesem Polier gemachte Abmachungen sind für den Bauherrn bindend.
Der vorstehend durch die Baukommission übernommenen Verpflichtung gemäß bewilligen und beantragen die sämtlichen vorausgefahren Komparenten in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des Synagogenbauplatzes bzw. als Vertreter von Eigentümern, dass auf die Parzelle Flur 5 Nummer 245/200 in Kelsweiler, Garten, 10 Ar 28 Meter, der Gemeinde St. Wendel für den mit erschienenen Nikolaus Vollmann eine Grundschuld eingetragen wird in Höhe von 11.940 Mark 3 Pfennig.
Nikolaus Vollmann bewilligt und beantragt auch seinerseits dieser Eintragung.
Diese Eintragung soll erfolgen unter folgenden Bedingungen:
1.) Die Grundschuld ist vom 13. September dieses Jahres ab oder falls die Abnahme des Baus an einem späteren Tage erfolgt, von diesem Tag ab an mit viereinhalb Prozent jährlich am gleichen Tage des folgenden Jahres zu verzinsen und um ein Prozent an dem gleichen Fälligkeitstag zu amortisieren. Es bleibt indessen der Gemeinde überlassen, nach vorhergehender vierteljährliche Kündigung die Grundschuld früher ganz oder teilweise abzulösen.
Der komparierende Notar wird ermächtigt, sich den zu bildenden Grundschuldbrief vom Grundbuch aushändigen zu lassen.

Auf Wunsch der Erschienenen wird noch ausdrücklich vereinbart, dass für die Grundschuldbesteller durch die Belastung des Grundstückes ein obligatorische Verbindlichkeit nicht entsteht.

Art. 8.
Sollten zwischen den Unternehmern über irgend einen Punkt dieses Vertrages Streitigkeiten entstehen, welche auf gütlichem Wege nicht beizulegen sind, so verpflichten sich die Parteien, dem Amtsgericht zu St. Wendel vor dem Landgericht zu Saarbrücken recht zu geben und zu nehmen, auf eine höhere Instanz aber zu verzichten. Die sämtlichen hier erschienenen Beteiligten für sich und namens ihrer Vollmachtgeber treffen auch die Vereinbarung, dass derjenige von ihnen, der von St. Wendel wegzieht und seine Kultusabgaben nicht mehr verrichtet, soweit es sich um einen dauernden Wegzug handelt, aller seiner Anrechte auf Synagogenplatz und Gebäude verlustig geht.

Zusätze genehmigt und mit dem Hauptakt unterschrieben.

[Unterschriften]

Das beantragte Darlehen wird in Höhe von 15.000 Mark gegen Hypothek und solidarische Bürgschaft bewilligt.
St. Wendel, den 30. April 1901.
Das Curatorium der Kreisspar- und Darlehenskasse.
F.Halseband Jochem  W. Bier
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Eintrag im Grundbuch von St. Wendel. Bd. XXIV Art. 1174.
Grundsteuerkataster Artikel Nummer 1841.
Auszug (unbeglaubigte Abschrift)., St. Wendel, den 15. April 1901:
keine Belastungen, dauernden Lasten und Einschränkungen, Hypotheken und Grundschulden



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