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21. Jahrhundert -> 2009 Über Soldaten und Primaten

Von Soldaten und Primaten

von Roland Geiger, St. Alsfassen

 

Fast hätte ich vergessen, Ihnen von einem Ereignis der besonderen Art zu berichten, das am 24. März 2009 in der Heinrich-Hertz-Kaserne zu Birkenfeld stattfand.

 

Obwohl ich schon seit fast zwanzig Jahren nichts mehr mit der Bundeswehr zu tun habe, erhalte ich doch weiterhin Einladungen der 2ten Luftwaffendivision in Birkenfeld, die jedes Jahr im Frühjahr und/oder im Herbst mit allerlei interessanten welt- und sicherheitspolitischen Vorträgen aufwarten. Einer der ersten vor etlichen Jahren ging z.B. über die Kluft zwischen unseren mitteleuropäischen Ideologien und denen in den arabischen Ländern, und warum z.B. eine Demokratie in einem Land mit dem Islam als Staatsreligion nicht funktionieren kann. Vor zwei Jahren etwa sprach Claus Kleber, den Sie sicher aus dem heute-journal im ZDF kennen, über seine Zeit als Auslandskorrespondent in den USA und seine Begegnungen mit dem noch-Gouverneur George Dabbeljuu und der Vorzimmerdame Monika Lewinsky.

 

Deshalb erhielt ich Mitte Februar eine Einladung zur Kommandoübergabe vom bisherigen Kommandeur der Division, Generalmajor Karl Müllner, an Brigadegeneral Bernhard Fürst (zum Verständnis: ein Brigadegeneral ist bei den Generälen der, am wenigsten zu sagen hat. Einen Stern mehr hat der Generalmajor, ein Drei-Sterne-General ist ein Generalleutnant, ganz oben prangt der mit den vier Sternen und nennt sich einfach nur "General".

 

Die Zeremonie in Birkenfeld spielte sich so ab: das gemeine Volk der Zivilisten saß unter einem langen Zelt auf recht bequemen Stühlen in vier oder fünf Reihen, jedem war aufgrund der Witterung - es war saukalt und saß bösartig nach Regen oder Schnee oder beidem aus - eine Bundeswehrwolldecke, Marke kratzig, aber warm, zugeteilt worden. Ich kam mir vor wie ein alter Mann, da auf meinem Stuhl mit der Decke über die Knie. Neben mir saß mein alter Freund Hermann Scheid aus Oberthal, der wie ich ein "Gedienter" war, wenn auch in einer anderen Armee und zu einer ganz anderen Zeit. Wir schauten auf den Paradeplatz, um den sich herum Abordnungen diverser Einheiten aufgebaut hatten, die aus den einzelnen Standorten der 2. Luftwaffendivision gekommen waren - schön breit über Deutschland verteilt. Die standen schon eine ganze Zeitlang, als wir kurz vor 11 Uhr ankamen, und das tat ihnen nicht so sehr gut. Während der folgenden Zeremonie kippten etliche in den hinteren Rängen sprichwörtlich aus dem Glied. Sofort sprangen hübsche (so ich dies aus einer Entfernung von 200 Metern beurteilen konnte) Sanitäts-Mädels zu ihnen hin und halfen ihnen wieder auf die Beine (oder ließen sie an Ort und Stelle liegen und betreuten sie dort). Einen, den sie wegführen mußten, faßte die Rotkreuz-Dame am Arm, und er ließ sich willig abführen. Mir kam da prompt eine Szene aus dem Star-Trek-Film "First Contact" in den Sinn, als von den Borg assimilierte Crewmitglieder weggebracht wurden - ich denke aber, den Jungs war ein besseres Schicksal beschieden.

 

Um 11 Uhr gabs einen Trommelwirbel, dann marschierte die Ehrenformation herein. Vorn weg ein Musikcorps, dahinter Soldaten in Luftwaffenblau mit Stiefeln und Stahlhelm, die Knarre über der Schulter. Sahen schon ein bißchen ulkig aus, vor allem wegen der Größenverhältnisse. Vorn gingen die langen Lulatsche, und nach hinten wurden sie immer kleiner - Napoleon wäre in der hintersten Reihe nicht aufgefallen. Wir standen auf, als diese Ehrenformation mit der Divisionsflagge aufs Feld marschierte. Sie zogen an allen stehenden Einheiten vorbei und blieben am linken Feldrand stehen. Das ganze natürlich streng militärisch. Ich merkte auf einmal meinen zeitlichen Abstand zu diesen Spielchen. Früher war mir das alles sehr ernst und zackig vorgekommen, heute ... amüsierte es mich etwas. Mittlerweile waren drei Herren in langen Mänteln mit Schirmmützen hinzugekommen. Das waren der alte und der neue Kommandeur und ihr Vorgesetzter, Brigadeleutnant Aarne Kreuzinger-Janik. Ich beneidete später alle Redner, die sich bei ihm bedankten resp. seinen Namen sagten. Da gab es keinen Versprecher - ich hätte mich da hundertprozentig verhaspelt.

 

Der Generalleutnant, Oberbefehlshaber des Luftwaffenführungskommandos in Berlin, hielt eine Ansprache und erzählte, warum er heute hierhergekommen war. Dann spielte die Kapelle einen flotten Marsch, und es gab eine zweite Ansprache, diesmal durch den scheidenden Kommandeur. Seinem Tonfall merkte man an, daß er sich zwar auf seine neue Aufgabe freute, aber dennoch nicht gerne die Division verließ. Als er fertig war, trat er vom Mikrofon zurück und trat vor die Front.

 

Die Kapelle stimmte nun das uralte Stück "Le Marche des soldats de Robert Bruce". Dieser Titel ist kein alltäglich in der Luftwaffe gespielter Marsch. Ursprünglich wurde dieses Lied im 14. Jahrhundert von den Soldaten des schottischen König Robert I. Bruce ("Braveheart") gesungen. Später eroberte dieser Marsch das europäische Festland. Unter den Klängen dieses Marsches zog Jeanne d?Arc 1429 laut Überlieferung in Orleans ein. Die Melodie ist anfangs schlicht und schon etwas melancholisch und paßt daher einfach nur super zum Anlaß. Probieren Sie mal diesen Link auf youtube, dort gibt es eine sehr schöne, drei Minuten lange Version "http://www.youtube.com/watch?v=GNUwc01dypU". Eine wirklich tolle Wahl.

 

Dann kam es zur eigentlichen Übergabe. Der Generalleutnant entzog dem scheidenden Kommandeur das Kommando und übergab es dem "neuen" General. Und daß das ganze auch funktioniert, probierte der neue General auch gleich aus. Er ließ die Soldaten stillstehen, meldete seinem Chef die Übergabe und ließ rühren. Jetzt war er hier der Boß.

 

Bis dahin hatte das Wetter trotz des kalten Windes gehalten, der um die Gebäude pfiff. Jetzt entluden sich die Wolken, und der fallende Schnee verwandelte sich schnell in kalten, schneidenden Graupel, der unangenehm hart in die Gesichter der Soldaten schnitt. General Fürst nahm es mit Humor. Er ging zum Mikro und begann seine Rede mit der launischen Bemerkung, er sei gespannt, wie das weiterginge hier nach diesem frostigen Empfang. Das kam gut, und alle lachten, und nicht, weil die Pflicht es ihnen möglicherweise gebot.

 

Nach seiner Ansprache spielte die Kapelle die Nationalhymne, und wir standen natürlich alle auf. Die meisten Anwesenden sangen die Hymne mit, und für alle, die sie nicht kennen sollten, gab es in einem ausgeteilten Heftchen noch mal die Worte dazu. Vielleicht wollte man ja auch vermeiden, daß es so geht wie bei einem Veteranentreffen einer SS-Division vor ein paar Jahren in Bayern, an dem ich teilnahm, weil ich mir Informationen über deren Aktivitäten im Raum St. Wendel erhofft hatte, denn diese Divison war im März 1945 hier zugange, als die Amerikaner kamen. Bei dem Treffen wurde an einem Gedenkstein die Nationalhymne intoniert, und ich sah mindestens einen aktiven Bundeswehrsoldaten, der nicht die dritte, sondern die erste Strophe sang. Seit dem ist mir das Lied etwas verleidet, und ich singe gemeinhin nicht mit, sondern überlege mir lieber seinen Sinn und ob ich hinter diesen Worten stehe. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

 

Nach dem offiziellen Teil gab es einen kleineren Empfang im Offiziersheim der Kaserne, an der Hermann und ich als eingeladene Gäste ebenfalls teilnahmen. Wieder gab es diverse Ansprachen der Generäle. Der "alte" General verabschiedete sich offiziell bei seinen Mitarbeitern, seiner Sekretärin, seinem Fahrer, der ihn in den 18 Monaten seiner Zeit hier in Birkenfeld ein paar mal um die Erdball kutschiert hatte - entfernungsmäßig jedenfalls. Und besonderen Dank erhielt sein Adjutant, sein ganz persönlicher Assistent, der die Routinearbeiten für ihn erledigt und ihm damit den Rücken für das Wesentliche freigehalten hatte.

 

Anschließend gab es noch einen kräftigen Eintopf, der hervorragend schmeckte.

 

Insgesamt wäre das ganze eine sehr harmonische und angenehme Veranstaltung gewesen - trotz des Wetters.

 

Wenn ich da nicht mitten während der Zeremonie ein bißchen in dem Heftchen geblättert hätte, das jedem Besucher in die Hand gedrückt worden war und in dem u.a. auch die Lebenswege beider Generäle ausgewiesen wurde.

 

An exponierter Stelle stand dort - nämlich ganz am Schluß - die bisherige Verwendung des neuen Kommandeurs der 2. Luftwaffendivison. Brigadegeneral Dipl.-Ing. Bernhard Fürst war Stabschef im Luftwaffenführungskommando in Berlin gewesen. Das stand so da - nur daß sich ein Dreckfuhler eingeschlichen hatte, der dazu führte, daß man bei dem Wort "Luftwaffenführungskommando" das "w" hinter dem "t" vergessen hatte.

 

Dieser kleine, aber feine Verseher führte zu meiner eigenartigen Überschrift:

 

Von Soldaten und Primaten.

 

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