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2022 Warum die syrische Familie in unser Haus zieht und warum nicht.

In unserem Haus in St. Wendel ist eine Wohnung frei.

Ein Bekannter aus Syrien, seit mehreren Jahren in Deutschland, jung, sehr fleißig, ein Geschäftsmann, voll integriert, deutscher Staatsbürger,schlägt uns vor, seine Verwandten dort unterzubringen. Sie stammen auch aus Syrien und wohnen seit ein paar Jahren in Bochum. Er, ca. 40, sie, etwas jünger, fünf Jungen im Alter von 5 bis 15 Jahren. Ihre Wohnung ist für sieben Personen viel zu klein; außerdem sind hier in St. Wendel die Schulen besser. Die älteren Jungen gehen aufs Gymnasium. Die Eltern waren früher Anwälte in Syrien, aber natürlich nicht in Deutschland. Sie kamen nach Europa in Schlauchbooten über das Mittelmeer. Mindestens ein Sohn wurde hier geboren.

Wir reden mit ihnen von Smartphone zu Smartphone. Ein Umzug dürfte kein großes Problem sein; sie können ihn mit dem eigenen Auto bewerkstelligen.

Wenn sie nach St. Wendel kommen, wird ihre Miete wie bisher vom Landkreis bezahlt. Dann werden alle Nebenkosten wie bisher vom Landkreis bezahlt.

Damit der Landkreis diese Kosten übernimmt, brauchen sie eine Mietbescheinigung; die finden wir im Internet auf der Seite des Landkreises.

Dort tragen wir die Daten der Familie und ihre Personenzahl ein. Und die Spezifikationen der Wohnung:

„Die Wohnung besteht aus [1] Küche, [5] Zimmern und [3] Nebenräumen (Bad und WC, Diele, Waschküche) mit insgesamt [92] qm Gesamtwohnfläche.
Die Wohnung wird vom Mieter bezogen am [1. März 2022] und wird bewohnt mit [7] Personen.

Die Nettomiete (Kaltmiete) beträgt € ___.
Es entstehen monatlich folgende Nebenkosten in Euro, die im Mietpreis nicht enthalten sind:

01) Heizungskosten
02) Wassergeld
03) Abwassergebühr
04) Niederschlagswassergebühr
05) Müllabfuhrgebühren
06) Grundsteuer
07) Schornsteinreinigung
08) Versicherungen
09) Sonstiges (muss benannt werden, da sonst nicht verwertbar):“

Dies vor Augen geht die Rechnerei los. Der Landkreis hat ein Merkblatt, in dem steht, was er pro Monat für so und so viele Personen dort und dort maximal ausgibt.

St. Wendel ist Mietenstufe II, danach liegt der Maximalaufwand bei 6 Personen bei 926,20 Euro, für jede weitere Person 99,00 Euro, macht zusammen 1025,20 Euro.

Um die mögliche Miete zu errechnen, zieht man von diesem Betrag alle oben angeführten Nebenkosten mit Ausnahme der Position „01) Heizungskosten“ ab.
=> Miete = MaxAufwand minus Pos. 02)-09).

Davon haben wir überhaupt keine Ahnung, aber die zuständige Mitarbeiterin des Job-Centers St. Wendel ist sehr freundlich und kompetent und wird nicht müde, die Sachverhalte zu erklären, wenn wir seltsame Fragen stellen.


Wir ziehen die bisherigen Rechnungen zu Rate und bauen uns in mühseliger Kleinarbeit die einzusetzenden Werte (in Euro) zusammen:

01) Heizungskosten

180,00

02) Wassergeld

70,00

03) Abwassergebühr

40,00

04) Niederschlagswassergebühr

5,00

05) Müllabfuhrgebühren

10,00

06) Grundsteuer

7,00

07) Schornsteinreinigung

7,00

08) Versicherungen

10,00

09) Sonstiges

0


Daraus ergibt sich eine Miete von [1025,20 - 149 Euro] = 876,20 Euro

Die Heizungskosten von 180 Euro werden extra bezahlt.

Dann ergibt sich eine Schwierigkeit: Der Durchlauferhitzer im Bad und der Kochherd laufen nicht mit Gas, sondern mit Strom. Aber der elektrische Strom ist die einzige Position, die vom Staat nicht übernommen wird; sie muß von dem bezahlt werden, was die Familie anderweitig vom Staat bekommt. Würden die beiden Positionen mit Gas betrieben, würde sich der Betrag von 180 um diese Kosten erhöhen und würde bezahlt. Mit Strom aber nicht.

Damit die Familie aber nicht auf diesen Kosten sitzen bleibt, hat das Formular noch 2 Fragen:

Sind in den angegebenen Beträgen die Kosten für Warmwasserbereitung enthalten?
Sind in den angegebenen Beträgen die Kosten für Kochfeuerung enthalten?

In unserem Fall ist in beiden Fällen „nein“ die richtige Antwort, was dazu führen würde, daß das Land pro Person eine Pauschale für diese Kosten bezahlen würde.

Das ist der Knackpunkt der Sache.

Denn die Kosten für elektrischen Strom, den die Familie zur Zeit in Bochum [wo die gleiche Situation gegeben ist] bezahlt, sind so hoch, daß die Pauschalen pro Person monatlich nicht ausreichen.

Plötzlich sind die Hauptargumente [größerer Wohnraum, benutzbarer Garten, bessere Schulen] vom Tisch, und alles dreht sich nur noch um die Kosten, die die Familie tragen müßte, aber nicht tragen will.

Damit ist die Sache vom Tisch.

St. Wendel, 15. Januar 2022

Roland Geige

Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
E-Mail:  alsfassen(at)web.de  (c)2009 hfrg.de

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