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18. Jahrhundert -> 1738 Das Güterbuch der Familie von Hame (Max Müller)

Das Güterbuch der Familie von Hame

von Max Müller, Wadern

verfaßt ca. 1932

 

Die Bücherei des Historischen Vereines zu Saarbrücken bewahrt ein aus der Verlassenschaft des Gutsbesitzers Karl Cetto herrühriges Güterbuch der Familie von Hame auf. Das Buch, in Holzdeckel gebunden, hat eine Länge von 38 und eine Breite von 25 Zentimetern. Die Deckel sind mit Kalbsleber überzogen, in das mittels eines Stempels figürliche Darstellungen eingepreßt sind. Ein von Ornamenten und schmalen Leisten umrahmtes Viereck füllt die beiden Deckelseiten. Die Leisten tragen kleine Bilder, die das Erlösungswerk vom Sündenfalle bis zum Kreuzestode Christi zeigen. Der Künstler hat freilich bei der Einpressunq der Szenen nicht die richtige Reihenfolge eingehalten. So stellt er den Rufer in der Wüste vor Adam und Eva. Dann kommt Abraham, der im Begriffe ist, den auf dem Brandaltare knienden Isaak zu töten. Darunter steht die Kreuzigungsgruppe. Die Reihe wird von dem Bußprediger wieder abgeschlossen. Die Einlage des Bandes, den einst zwei jetzt zerbrochene Messingbügel schlossen, bestellt aus einem starken Büttenpapier.

 

Ist so schon das Buch in seiner äußeren Aufmachung interessant, so vollends durch seine Aufzeichnungen, die eine wertvolle Quelle für die Wirtschaftsgeschichte der Stadt St. Wendel darstellen.

 

Die Familie von Hame

 

Bevor wir uns diesem Inhalte zuwenden, sei zunächst eine kurze Geschichte des Geschlechtes gegeben, dessen Güterverwaltung das Buch einst unter dem Registraturvermerke P. No. 2., Convolut 6 zu dienen bestimmt war.

 

Die Familie Dahm, wie sie ursprünglich hieß, stammt aus Welschbillig bei Trier. Von dort aus waren am Ende des 16. Jahrhunderts die beiden Brüder Johann und Leonhard Dahm mit ihrer Schwester Maria nach St. Wendel gekommen. Die Brüder, die sehr wahrscheinlich ihre Fachausbildung in der Burgkanzlei ihres Heimatortes erhalten halten, fanden Anstellung in der Amtsverwaltung ihres neuen Wohnortes, während die Schwester einen St. Wendeler Patrizier heiratete.

 

Wohl selten war einem Geschlechte ein solch rascher und glänzender Aufstieg beschieden, wie er der Familie Dahm zuteil ward. Ihre Angehörigen bekleideten nicht nur Jahrhunderte hindurch die vornehmsten Verwaltungsstellen, sondern sie erwarben auch durch vorteilhafte Heiraten und eigene Kraft einen Reichtum, der das Ansehen des Geschlechtes weit über die Grenzen des Amtes St. Wendel hinaus trug. Schon im Jahre 1610 war das Vermögen des Kellners Johann Dahm auf 200 Morgen Ackerland und Rodhecken, 100 Fuder Heuwachstum, Weiher und Gärten in großer Zahl, 100 Stück Rindvieh und Schweine sowie Mobilien und bares Geld, insgesamt auf mehr als 40.000 Gulden geschätzt worden. Zweige der Familie verästelten sich nach St. Vith, nach Finstingen in Lothringen und nach Trier. Der Finstinger Ast stellte eine ganze Reihe hoher französischer Offiziere und Staatsbeamter, die dem Lilienbanner und der Republik dienten.

 

Selbst die furchtbaren Wirren, die die Reunion des Amtes St. Wendel mit sich brachte, schlugen den Dahmen zum Vorteile aus. Als Bailly und Richter des Königs von Frankreich dem neuen Herrn schmiegsam, ohne die Fühlung mit Kurtrier zu verlieren, wußten sie ihrem Reichtume auch den äußeren Glanz zu geben, indem sie sich den alten Adelsfamilien des Kurtrierischen Landes zuzählten und ihren Namen D'hame schrieben. Rasuren und Verbesserungen in den Kirchenbüchern des 17. Jahrhunderts schafften die Urkunden, da die Familie keine beweiskräftigere aufzeigen konnte.

 

Von all den Angehörigen des Geschlechtes, das manchen wackeren Mann hervorbrachte, aber auch keine Hemmung kannte, beschäftigt uns hier an erster Stelle der Amtmann, Kellner, Stadt- und Amtsschultheiß Franz Ernst von Hame. Als Sohn des Amtmannes Damian Hariard D'hame und der Maria Magdalena von Köhler ?succedirte er am 17. Oktober 1718 als proximus agnatus seinem Herrn Vater selig in seinen Ehrenämtern". Und wie er, in der Gunst seines Kurfürsten sich sonnend, herrisch Besitz von den staatlichen Ämtern ergriffen hatte, so legte er sich auch selber die siebenzackige Adelskrone zu und nannte sich widerspruchslos fernerhin v. Hame. Er ist der eigentliche Begründer der Hausmacht seines Geschlechtes geworden.

 

[Hier irrt Max Müller. Die Familie von Hame trug ihren Adelstitel völlig zurecht. R.G.]

 

Der Weg zu diesem Ziele war freilich nicht immer eben und mühelos, und noch viel weniger allzeit gerade. Aber der selbstherrliche Mann überwand alle Hindernisse. Er focht einen langwierigen Prozeß mit der Bürgerschaft St. Wendels und den Gemeinsleuten von Alsfassen wegen Weidegerechtsame und einen noch hartnäckigeren Rechtsstreit mit dem Gotteshause Tho!ey wegen Pfändung von Weidevieh aus. Und zum Schluße nahm er den Kampf gegen die heftigen Angriffe der Bürgerschaft auf, die seiner Amtsführung galten. Mochten auch die Akten zu dicken Bündeln anschwellen und die Regierungskommmare unter der Last des Anklagestoffes seufzen, der Amtmann Franz Ernst v. Hame lachte zuletzt und spottete aller seiner Widersacher und Feinde. Am Ende seines Lebens war das Werk getan, sein Geschlecht stand mit breiten Beinen auf der Westricher Erde.

 

Die Schaffung der Hausmacht war ihm freilich von vornherein nicht leicht gewesen. Denn schon damals machten viele Brüder schmale Güter. Und an Geschwistern hat es unserm Amtmanne nicht gefehlt. Aus der Ehe seiner Eltern waren nicht weniger als zwölf Kinder hervorgegangen. Wenn auch einige davon starben, bevor sie zu ihren mannbaren Jahren gelangten und nicht weniger als fünf Brüder das Kleid des hl. Benediktus genommen hatten, so war doch der elterliche Grundbesitz zersplittert und nur ein Teil dem Amtmanne zugefallen. Er hatte den in der Schlossgasse gelegenen Familiensitz und 147 Morgen Land ererbt. Dieser Grundbesitz war am Ende seines Lebens auf 482 Morgen angewachsen. Der damalige kurtrierische Morgen war etwa ein Drittel größer als unser preußischer Morgen.

 

 

Das Güterbuch von 1738

 

Um ihn verwalten zu können, hat der Amtmann v. Hame im Jahre 1738 das "Gütterbuch oder Register sein Franz Ernsten D'hame zur Zeit Stattschulteisen. Ambtsverwalteren und Kellneren zu St. Wendel eigenthumblich ererbt und mit seiner Hausframen Maria Catharina Hauzeur v. Abentheuer erkaufter gütter in und außerhalb des Ambts St. Wendel" anlegen lassen.

 

Er bestellte zu diesem Zwecke den geschworenen Feldmesser und Renovator Heinrich Ludwig Mahrt aus Wolfersweiler. Dieser nahm die Neumessung vor, versah jedes Grundstück mit einer fortlaufenden Nummer und fertigte eine kleine Zeichnung sowie eine eingehende Beschreibung dazu, die die genaue Lage, die Anstösser des Grundstückes, seine Herkunft und seine Rechtsstellung angab. Alsdann erfolgte die örtliche Festlegung der Grenzen, die der Feldmesser ebenfalls genau in sein Kartenbild eintrug. Die Vermarkung war Sache einer dreigliedrigen Kommission des Kellerei-Grundgerichtes, die unter ihrem Schultheißen Wendel Volz tagte und zu jeder Steinsetzung die Anstößer hinzuzug. Die Arbeit dauerte bis zum 2. März 1741. Sie war aber so gründlich getan, daß das Güterbuch noch im Jahre 1850 der Familie Cetto als Unterlage für ihre Rechtsgeschäfte dienen konnte.

 

Die erste Gelegenheit zur Mehrung der Hausmacht bot sich dem Amtmanne v. Hame im Anfange der dreißiger Jahre des I8. Jahrhunderts. Damals lag ein großer Grundbesitz, der aus der Masse des Kellners Christoph Richter herrührte, als Pachtland von den Erben schlecht genutzt, auf der St. Wendeler Feldmark. Richter, einer alten St. Wendeler Patrizierfamilie entstammend, die das heutige Rote Haus besaß, war bis zum Jahre 1592 kurfürstlicher Kellner gewesen und hatte dann das Amt des Schultheißen übernommen. Eine Tochter aus seiner zweiten Ehe mit der Anna Juliana v. Weicherdingen war die Gattin des Trierer Hofarztes Jakob v. Burglon, der sich nach der Sitte seiner Zeit Burglonius nannte. Die Tochter dieser Eheleute hatte den kurfürstlichen Geheimen Hofrat und Professor an der Universität Trier Dr. Jakob Melbaum geheiratet. Der Kaiser Leopold I. adelte im Jahre 1667 nicht nur den Professor Melbaum. der sich fortan Melbaum v. Kastelburq nannte, sondern erhob ihn auch ?zur Ehr und Würde eines Hof und Pfalzgrafen". Die Nachkommen Melbaums hatten den hiesigen Grundbesitz ihres Urahns über 100 Jahre ungeteilt erhalten, Schließlich kam am 10. Juli 1737 ein Kaufvertrag mit dem Amtmann Franz Ernst v. Hame zustande, wonach sie ihre St. Wendeler Güter im Umfange von 150 Morgen an v. Hame übertrugen. Zu diesen Gütern gehörten auch ideelle Anteile an einer großen Gehöferschaft. die auf der Alsfassener und hauptsächlich auf der Urweiler Feldmark zwischen dem Busenberg und der Werschweiler Straße lag. Die Hauptstöcke, die diese ungeteilten Ländereien besaßen, waren die Urweiler Erben und die Rechtsnachfolger der alten St. Wendeler Familien Brambeck, Gentersberq, Heeser, Schlabatz, Stuber und Volz. Der Amtmann von Hame hatte nicht nur die Anteile der Erben Richter, sondern auch die der Sippen Schlabatz und Volz. Von diesen Familien lebt heute nur mehr die Familie Volz in St. Wendel, während das Andenken an die Sippe Brambeck der bei Alsfassen gelegene Übernahme "Brandbecks Garten" aufbehalten hat.

 

Wenn wir nach dem Ursprünge dieser ungeteilten Landmasse Ausschau halten, so werden wir sie unzweifelhaft in dem alten Urbare des römischen Gutshofes suchen müssen, dessen Trümmer heute noch im Bruchwald zu Tage stehen und der selber der Nachfolger einer Keltensiedlung geworden war. Die Teilhabe der St. Wendeler Sippen an diesem gemeinschaftlichen Grundbesitze aber rührte höchstwahrscheinlich noch aus jener fernen Zeit her, da die Feldmarken der Ortschaften St. Wendel. Alsfassen, Breiten, Niederweiler und Urweiler eine Markgenossenschaft gebildet hatten.

 

Dieser Besitz wurde im Jahre 1742 auf Betreiben des Amtmannes v. Hame zum größeren Teile aufgeteilt und die ideellen in reale Anteile umgewandelt. So kamen 62 Morgen zu dem bisherigen Grundvermögen der Familie v. Hame hinzu. Es erfuhr dann eine weitere Vergrößerung durch eine Reche kleiner, im Laufe der Jahre getätigten Ankäufe, denen der Erwerb einer Anzahl von Grundstücken vorausgegangen war, die am 4. November 1721 aus der Konkursmasse des Hochgerichtsschöffen, Gerbers und Wirtes Heinrich Busch erstanden worden waren. Nur in ganz wenigen Fällen sehen wir den Amtmann zu einer Veräußerung von Grund und Boden schreiten, die nicht durch die Abrundung des Besitzes selber bedingt wurde. So verkaufte er am 2. Mai 1751 eine 58 Ruten große, auf der Pützwiese gelegene Wiese für 50 Reichstaler. Und am 9. April 1752 veräußerte er einen Weiher und zwei wiesen, die an der Linxweiler Grenze lagen. Als Grund gibt er hier an: ?Weylen er von den Nassauischen beständig damit vexirt worden, umb dieser plag abzukommen".

 

Nachdem der Amtmann von Hame durch die Erwerbung der Richterschen Güter seiner Sippe die Vormacht in unserer Stadt und Heimat verschafft hatte, ging jetzt sein Bestreben dahin, diese Stellung in einem Hause zu verankern, das zugleich das Ansehen der Familie nach außen wirksam zur Schau stellen sollte. Sein Geschlecht hatte bisher in einem prächtigen Bürgernause der Schloßgasse gesessen, das dem Burgtore gegenüber sich erhob. Mit einem wuchtigen Turme bewehrt, der seine Spitze heute noch aus dem Gewirre der Dächer zum nahen Wendelsdome emporreckt, war es durch die Geschicke seiner Eigentümer auf das Engste mit der Geschichte der Stadt verbunden. Aber trotz diesen geschichtlichen Erinnerungen, die das Haus schier unlöslich mit dem Leben der Familie v. Hame und dem der ganzen Bürgerschaft zusammenhielten, schritt jetzt der Amtmann v. Hame zur Erwerbung eines anderen Sitzes für sein aufstrebendes Geschlecht. Offenbar hatte die Repräsentationssucht alle sonstigen Rücksichten zurückgedrängt.

 

 

Das neue Haus

 

Und die Gelegenheit kam dem Wunsche des ehrgeizigen Mannes mehr als auf halbem Wege entgegen. Denn unmittelbar neben seinem Hause, nur durch eine Gasse getrennt, stand nach Südwesten zu der alte Freihof der Freiherren von Sötern. Schon im Jahre 1496 von dem Kurfürsten Johann zwei bevorrechtet, hatte das Haus im Jahre 1511 einem von Adam von Sötern errichteten Steinbaue weichen müssen, der im Jahre 1574 einer furchtbaren Feuersbrunst zum Opfer fiel. Aber der Trierer Chor-Bischof und Speierer Domherr Philipp Christoph von Sötern hatte das Gebäude wieder in größerem Umfange erstehen lassen. Seither hieß es das Domherren - Haus. Nachdem anfangs des 18. Jahrhunderts die Hauptlinie des Geschlechtes im Mannesstämme erloschenen war und sein Tag Studer Erbe, der Graf Krato Anton Wilhelm von Oettingen-Soetern, in einem Wust von Prozessen zu ersticken drohte, da war das alles dem St. Wendeler Domherrenhause zum Unseligen geworden. Halb zerfallen stand es dar, ein klägliches Bild alter Herrlichkeit. So war es dem Amtmanne von Hame leicht gemacht, um das Jahr 1742 das Anwesen zu erwerben. Er legte es wieder nieder und errichtete an seiner Stelle das heutige Amthaus, das schwer und wuchtig mit seinem kaum gegliederten vier Ecke den Südwesten des Stadtbildes gegen das weite, grüne Wiesengelände abschloss. Von nun an verkündete das im Giebelfelde des schwach betonten Mittelrisalites angebrachte Wappen mit seiner siebenzackigen Krone weithin und bis auf uns herab den Ruhm des neuen Geschlechtes. Soweit die kühne Hoffnung des Hofrates von Hame erfüllt. Seine Sippe und ihr Besitz wurzelten in einem Hause, das den Kampf der Zeit und der Menschen abwehren und stolz über die Stadt und die Arme Westrichlandschaft hinaus rufen konnte: wer ist mir gleich? Das alte Anwesen aber bildeten nunmehr den Sitz der Witwen und ledigen des Geschlechtes. Während im Herrschaftshause der Verstand kalt und nüchtern die Hausmacht gewährte, war das alte Haus anstelle seines Gebetes und Wohlthuns geworden.

 

Der Großbetrieb

 

Dieser sehr an seelische Grundbesitz, dessen Entstehung wir in großen Umrissen gezeichnet haben, übertraf die in der hiesigen kurfürstlichen Kellerei bei weitem und wird auch heute noch als Großbetrieb angesprochen werden. Seine Schwäche bildete der Streubesitz und seine Gemengelage. Denn er erstreckte sich über die Feldmark in der Stadt St. Wendel und der Gemeinden Alsfassen=Breiten, und Urweiler. Und schließlich griff er mit einem Lokal auf dem gemeinschaftlichen Band Niederkirchen Saal über. Der größere Teil des Besitzes entfiel freilich mit rund 245 Morgen auf dem St. Wendler Bonn. Dann kam Urweiler mit 131 Morgen, Niederkirchen Saal mit 55, Alsfassen Breiten mit 50 und Oberlinxweiler mit einem Morgen.

 

Wir finden die größten Parzellen blockartig zwischen dem Rosenberg und der Wärme schmaler Straße. Dort liegen in den Gewannen auf dem Langenfeld, Königsborn, Dreiborn und in der Faut Stücke von 8, 5, 6 und 10 Morgen. Diese erfreuliche Ericheinunq ist leicht aus der erst im Jahre 1742 erfolgten Aufteilung der Gehöferschaft erklärlich. Man hatte dabei offenbar Wert darauf gelegt, Stücke zu schaffen, die die Bewirtschaftung lohnten. Auch auf dem Wirtenbösch und am Langhecksborn liegen mitten in einem Gewirre von Teilstücken zwei Blöcke von 6 und 7 Morgen. Die Alsfassener Feldmark weist nur drei im Besitze der Familie von Hame stehende umfangreichere Parzellen von 10 Morgen beim Nußborn und von 7 und 5 Morgen bei St. Annen auf. Auf dem Urweiler Bunne besaß die Familie bloß ein größeres Grundstück beim Schulzen Weiher, das 5 Morgen maß.

 

Der Wiesenbesitz ist noch viel stärker zertrümmert. So liegt im Flurteile Wallenborn eine Wiese von nur 29 Ruten. Die größte mit 5 Morgen treffen wir in der Kleewies. Die Wiesen halten durchweg einen halben Morgen.

 

Ein geradezu betrübendes Bild bieten die Gärten. Da wird ein Gartenstück in den Krehgärten von nur 8 Ruten erwähnt. Selbst die Waldungen und Rodhecken neigen zur Parzellierung, wenn auch noch Flächen von 16 und 45 Morgen genannt werden.

 

Unser Güterbuch gibt uns zwar kein Recht zur Annahme, daß ähnliche Verhältnisse überall auf den hier zur Untersuchung stehenden Feldmarken geherrscht haben. Aber das Bild, das unser Großgrundbesitz stellt, lässt fast mit Sicherheit darauf schließen, daß es bei dem sonstigen Besitze nicht besser gestellt war, sondern höchstwahrscheinlich noch viel schlimmere Zustände herrschten. Diese Annahme wird durch zahlreiche Einzelnachrichten, die wir aus den St. Wendeler Stadtakten gewinnen, vollauf bestätigt.

 

Es sind uns einige lose Blätter eines Flurbuches erhalten geblieben, die eine um das Jahr 1730 vorgenommene Neuvermessung der St. Wendeler Feldmark betreffen. Diese Aufzeichnungen führen nur noch drei Ackerstücke von mehr als einem Morgen an. Bei den Wesen und Gärten ist auch nicht eine einzige Parzelle, die einen Morgen mißt. Die meisten Stücke enthalten bloß einige Ruten. Nur eine der Abtei Tholey beim Wallesweiler Hofe gehörige Wilderung ist noch 12 Morgen 148 Ruten groß. Diese starke Parzellierung ging schon in das 16. Jahrhundert zurück, das Wiesen von einem kleinen Wagen Heuwachstums kannte.

 

Verhandlungen

 

Der Amtmann v. Hame hatte ersichtlich all die Schäden und Widerwärtigkeiten, die diese Zersplitterung einer geordneten Bewirtschaftung entgegensetzte, erkannt. Denn sein Bemühen ging dahin, seinen Besitz abzurunden und bewirtschaftbare Grundstücke zu schaffen. Das Güterbuch zählt eine ganze Reihe von Fällen auf, in denen er durch Zukauf oder Umtausch von Grundstücken dieses Ziel zu erreichen suchte. So vertauschte er am 12. Juni 1744 einen vor der obern Pforte auf der Acht gelegenen Acker von Wassern 12 Morgen gegen ein den Erben Johann Deutscher gehöriges, am Schießberg neben seinem Acker gelegenes Grundstück non 1 12 Morgen. Er erwarb dann dazu noch ein ebenfalls anstoßendes Stück von Johann Joseph und brachte so seinen ursprünglich nur 1 1/4 morgen großen Acker Nr. 19 auf 3 Morgen 37 Ruten.

 

Seine ganz besondere Sorge aber galt der Abrundung seines am Wendelsbrunnen gelegenen Besitzes. Diese Bestrebungen beginnen im Jahre 1748 mit dem Verkaufe einer Wiese und eines Ackers auf der Schmalwies, die v. Hame für 190 Reichstaler abstieß und dafür zwei den Erben Nikolaus Schwan und Georg Knoll gehörige Wiesen zu seiner am Wendelsborner Wege gelegenen Wiese erstand. Nach und nach gelang es ihm. hier durch planmäßigen Umtausch und Ankauf die Grundstücke längs dem Bosenbach vom Reidelborn bis zur Ausmündung des Wendelsgrundes in seiner Hand zu vereinigen. ?Demnach", sagt der Renovator Mahrt am 2. April 1759, ?diese stück nach der renovation Herrn Hofraten v. Hame seiner Güther in den letzten Jahren gegen andere ausgetauschet und acqy gegen das Stück im Keltzweyler und 1/2 Wagen von Herrn Bailly von Saarlouis auf den rechter Hand gelegenen rech darzu erhandlet und das feld darauf nun Golzlichter zu Oberkirchen ertauschet wurden, mithin diese Wies ein merckliches erweihtert."

 

Dasselbe Ziel verfolgte v. Hame bei der Abrundung seines im Langenfeld gelegenen Eigentum. Er ging bei diesen Bestrebungen, im Osten unserer Feldmark einen geschlossenen Besitz zu schaffen soweit, daß er unmittelbar bei der Stadt gelegene und aus alten Familiengute stammende Grundstücke gegen solche umtauschte, die im im Wendelsgrunde und am Langenfeld lagen. Selbst schwierige Übertragungen scheute man nicht, um zum Ziele zu gelangen, indem man Stücke in der Absicht kaufte und tausche, sie später als günstige Tauschobjekte zur Abrundung und Erweiterung des Mitbesitzes benutzen zu können. Die Gefühlswerte wurden dabei völlig ausgeschaltet, denn bei einem Geschäfte vom 13. Mai 1754 heißt es, der Tausch mit Adrian Feyen sei ?mit Lust und Unlust" geschehen.

 

Wenn wir heute diese ganze Bewegung überschauen, so können wir uns kaum des Eindruckes erwehren, daß der Amtmann v. Hame als kluger Mann, der die in irgend einer Form nötige Auflösung der kurtrierischen Domänen vorausgesehen haben mochte, schon dem Gedanken nachging, hier, inmitten der kurfürstlichen Kellereigüter die Grundlage zu einem Großgrundbesitze zu schaffen, den später die Gebrüder Cetto der Gründüng des Langenfelder Hofes verwirklichten.

 

Das Güterbuch gibt uns über die Betriebsform des Besitzes keinen unmittelbaren Aufschluß, sondern bloß gelegentliche Notizen. Wir wissen nur, daß sein Eigentümer 289 Morgen Ackerland und 64 Morgen Wiesen bewirtschaftete. Ferner bebaute er 2 Morgen Gärten und trieb Wald- sowie Teichwirtschaft.

 

Nur ein Grundstück, nämlich der 55 Morgen große, auf der Feldmark Niederkirchen-Saal im Distrikte ?Fledermaus" gelegene Acker, war vererbpachtet. Der Urgroßvater unseres Amtmannes Johann Dahin hatte am 10. März 1668 dieses Stück vom Herzoge Leopold Ludwig von Iweibrücken angekauft. Die Parzelle aber machte der Familie wenig Freude, da sie, umgeben von Gewälde, sehr stark dem Wildschaden ausgesetzt war. Der Amtmann tat das Stück deshalb am 25. Februar 1741 an Nikolaus Müller von Niederkirchen ?in ewiger Erbpacht? aus. Und zwar sollte der Beständer alljährlich zu Martini zwei Malter Korn und ein Malter Hafer an guter, reiner Frucht liefern. Allein der Vertrag reute den Pächter schon bald, so daß er im Jahre 1758 seine Aufhebung betrieb und seine Umwandlung in Zeitpacht mit günstigeren Bedingungen erreichte.

 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieser ganze Besitz, der in die übrige Gemengelage der Feldmark eingesprengt war, im Flurzwange nach den Regeln der Dreifelderwirtschaft genützt wurde. Schon die Tatsache, daß Wege in den meisten Gewannen fehlten, tut dies allein zur Genüge dar.

 

Die Dreifelderwirtschaft kannte Winter- und Sommerfrucht und ließ dann je ein Drittel des Besitzes brachliegen. Die Winterfrucht war bei uns von jeher der Roggen, der schlichtweg das Korn hieß. Als Sommerfrucht kamen Hafer und in geringer Menge Gerste, die in unserem Bierbrauereien verarbeitet wurde, und Erbsen in Frage. Bei der Aufstellung des Registers aber war auch schon, wie wir aus einem Vermerke des Jahres 1757 ersehen, die Kartoffel in den Haferschlag eingedrungen. Denn dem Johann Scheffler wird beim Austausche eines Ackers zugestanden, die eingepflanzten Grundbirnen zu ernten. Ferner kamen als Hackfrüchte hauptsächlich Kappes und Rüben in Betracht.

 

Die Wiesen teilten sich in solche, die grün gemäht wurden. Das waren die sogenannten Grummete, deren Andenken der bei der Turnhalle gelegene Flurteil ,,in den Grümmetchen" bis zum heutigen Tage vererbt hat. ie anderen dienten zur Gewinnung des Heues, und nach dem Heuen wie die Brache zur Viehhut. Man legte allen Wert darauf, sie zu putzen, von den Maulwürfen frei zu halten und regelrecht zu bewässern. So schließt der Amtmann am 5. März 1763 mit dem Wilhelm Langendörfer aus Urweiler einen förmlichen Vertrag, wonach Langendörfer dem v. Hame gestattet, den Abfluß seines Waschbrunnens mit Holzkändeln über den Totenbach in seinen Grummet zu leiten.

 

Die große Zahl der Gärten auf der St. Wendeler Feldmark allein liegen zwölf, die sich alle in unseren heutigen Gartenlagen befinden, befremdet auf den ersten Anblick. Die Sache klärt sich aber, wenn wir erfahren, daß jeder Garten einer besonderen Kulturart diente. Es gab bei uns Gelbrüben-, Kappes-, Kohl-. Stangen- (Bohnen-) und Zwiebelgärten. Auch betrieb man in den Gärten die Obstzucht und den Anhau der Gespinnstpflanzen. So heißt es noch im Jahre 1786, ein Stück Garten liege in den Linnengärten. Des Obstbaues wird in dem Güterbuche nur ab und zu mit den Worten Erwähnung getan, der Rech eines Grundstückes sei mit Obstbäumen bepflanzt, und bei der Anführung eines Ackers, der in der Naufuhrt lag, wird erwähnt, er sei zu einem Baumgarten gebannt.

 

Die Waldwirtschaft umfaßte 124 Morgen. Sie erstreckte sich auf Schäl- und Hochwald. Die Schälkultur kannte eine achtzehnjährige Umtriebszeit und benutzte dann die leeren Flächen zwei Jahre lang zur Einsaat von Korn und Hafer. Als Hochwald kam auf der St. Wendeler Feldmark der Scholteßen- und auf dem Banne von Urweiler der Jungenwald in Betracht, die ihren Bestand und Namen bis auf uns gebracht haben. Der Scholteßenwald war bis zum Jahre 1570 eine Lohhecke gewesen. Dann hatte der Schultheiß Hans Schlabatz, nachdem der Wald genannt ist, die Hecke auf Hochwald umgestellt. Auch der Jungenwald, der seinen Namen von einer alten Stockfamilie Jung führt, diente ursprünglich der Lohkultur. Erst der Kellner Christoph Richter hatte um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Stöcke zu Hochwald aufwachsen lassen.

 

Als Nebennutzungen der Rodhecken und des Hochwaldes galten die Äsung des Langhalmes, der sogenannten Rauhweide, und des Eckerichs, der Schmalzweide, durch eingetriebenes Rindvieh und Schweine. Das Güterbuch sagt bei dem Scholteßenwald ausdrücklich, beide Weiden gehörten dem Amtmanne v. Hame, während es bei dem Jungenwalde die Rauhweide den Urweilern zuweist.

 

Die Teichwirtschaft diente der Fischzucht. Sie war aber bei der Abfassung des Güterbuches schon in der Auflösung begriffen, denn es heißt wiederholt, so bei den Weihern am Heiligen- und Wallenborn, sie seien zu Wiesen gemacht worden. Das konnte leicht geschehen, da die meisten Weiher durch Aufstauung der Zuflüsse eines kleinen Tales künstlich geschaffen waren. Die Einfuhr des Stockfisches und des Herings, die als Hauptfastenspeisen galten, haben schließlich unsere Teichwirtschaft überflüssig gemacht.

 

Die Starke der Viehhaltung, die dieser Großbetrieb ernährte, gibt uns das Güterbuch nicht an. Es berichtet nur, daß die Familie v. Hame in Alsfassen eine Schäferei besaß, die eine Wohnung mit Wirtschaftsgebäuden für den Schäfer und die nötigen Schafställe enthielt. Sie war an der Stelle eines dem Bast Klein gehörigen Brennhauses im Jahre 1658 errichtet worden. Der Urgroßvater unseres Amtmannes, der im Jahre 1655 das Brennhaus ankaufte, hatte zugleich von der Gemeinde Alsfassen das Recht des Weidetriebes für eine bestimmte Zahl von Schafen erworben und in einem langwierigen Rechtsstreite siegreich behauptet. Wir kennen die Stärke der Herde ebenso wenig wie die Zahl des Großviehes und der Schweine. Die noch vorhandenen, hinter dem Amthause gelegenen Stallungen, die heute den Erben Heinrich Laur und der Tabakfabrik Marschall gehören, mögen zur Beherbergung non etwa 6 Pferden und 60 Stück Rindvieh gedient haben.

 

 

Frühere Eigentümer

 

Eine große Sorge bildete bis zur französischen Revolution für jeden Grundbesitzer die rechtliche Stellung seiner Ländereien. Der weitaus größere Teil der Liegenschaften war nämlich nocb bis zur Ankunft der Sanskulotten, wenn auch lose, so doch grundherrlich gebunden. Ja, viele Grundstücke lieferten noch die alten Abgaben oder verpflichteten ihre Besitzer zu Fronarbeiten der Herrschaft gegenüber.

 

Unser Güterbuch trägt dem Rechnung und gibt in den meisten Fällen die Rechtsstellung der einzelnen Grundstücke gewissenhaft an. Es nennt Freigüter, die, ledig jeder dinglichen und persönlichen Last, mit ganz verschwindender Ausnahme auf der Feldmark der Stadt St. Wendel lagen. Ferner kennt das Buch Kellerei- und Kirchengut, vor allem aber Jngferngut und solches einiger anderer kleinen Grundherren. In manchen Fällen sagt das Register, man wisse nicht, welcher Art das Grundstück sei, und es werde deshalb für Freigut gehalten.

 

Das Kellereigut lag hauptsächlich beim Langenfeld sowie auf den Feldmarken von Alsfassen?Breiten und Urweiler. Dort finden wir auch das Kirchengut. Die Masse des Jungferngutes sieht sich auf der Südost- und Südwestseite der St. Wendeler und Alsfassener Gemarkung hin. Auf seinem Grund und Boden stand die Wendelskapelle mit dem Klausnerhäuschen.

 

Die ganzen hier in Betracht kommenden Feldmarken hatten ursprünglich als grundherrliches Gelände im Besitze der Verduner Marienkathedrale gestanden, die schon im 11. Jahrhundert hier in St. Wendel einen großen Fronhof besaß. Im Laufe der Zeiten war ein Teil dieser Liegenschaften durch Verlehnung und Vergabung an benachbarte Adelsgeschlechter gekommen, die neue Grundherrschaften gegründet hatten. So finden wir im 13. Jahrhundert die Ritter von Schaumburg, und wenig später die von Homburg, die Grafen von Saarbrücken, die von Hagen, die Harsbaum von Liewenberg, die Studigel von Bitsch, die von Esch, die von Sötern und die Glocke von Oberstein als mächtige Grundherren mit ihren Freihöfen in der Stadt St. Wendel ansässig. Der Kurfürst Baldewin und seine Nachfolger hatten dann wieder einen großen Teil dieser grundherrlichen Güter zusammengekauft und daraus und aus dem alt-verdunischen Fronhofe die Kurtrierische Kellerei St. Wendel gebildet.

 

Eine der größten Grundherrschaften war die der Schaumburger gewesen, die bei den uralten Wechselbeziehungen zwischen der Kirche von Tholey und der Verduner Bischofskirche schon sehr frühe Fuß in St. Wendel und seiner Umgegend, gefaßt und ihren ausgedehnten Grundbesitz in einem an der Stelle des heutigen Roten Hauses und des anstoßenden Auerischen Anwesens stehenden Freihofe festgelegt hatten.

 

In dieser Grundherrschaft dürfen wir auch mit voller Bestimmtheit den Ursprung unseres Jungferngutes suchen. Eine Rechnung der St. Wendeler Kellerei vom Jahre 1670 sagt nämlich ausdrücklich, das der Kellerei zustehende Herrenrecht an Jungfrauengütern rühre von Adelheid von Schaumburg her. Wahrscheinlich gehörte ein großer Teil dieser Güter zu den Besitzungen, die die Schaumburger im Anfange des 13. Jahrhunderts als Lehen von den Homburger Grafen erhalten hatten. Die Lage zahlreicher Grundstücke des Jungferngutes deutet aber auch darauf hin, in ihm Bestandteile des alten Verduner Fronhofes zu sehen, der seinerseits nur der Rechtsnachfolger des keltoromanischen Urbars geworden war.

 

Die Güter der Adelheid von Schaumburg waren dann im Laufe der Zeiten zu einem großen Teile an den Kellner Christoph Richter gekommen. Die Stadt St. Wendel hatte um die Hälfte des 17. Jahrhunderts die Steuerfreiheit der Jungferngüter bestritten, war aber durch Urteil des Trierer Hofgerichtes vom 13. Dezember 1659 abgewiesen worden. Schließlich verkauften die Erben Richters, die ihres Besitzes nicht mehr froh wurden, die Güter, wie wir gesehen haben, am 10. Juli 1735 an den Amtmann Franz Ernst v. Hame. Gleichzeitig erwarb dieser auch die sämtlichen Schafte und Zinsen der Jungfrauengüter, die sich im Besitze anderer Eigentümer befanden.

 

Ebenso genau wie über die rechtliche Stellung gibt das Güterbuch auch Aufschluß über die Dienstbarkeiten und Abgaben, die auf den einzelnen Grundstücken ruhten. Der weitaus größere Teil der Jungfrauengüter war bereits für den Kellner Christoph Richter zinsfrei und ohne persönliche Dienstbarkeit gewesen. Wir werden wohl nicht irren, wenn wir annehmen, daß Richter selber schon die Belastung abgelöst hatte. Nur wenige, so einige am Berzberg, in der Faut und im Streit gelegene Grundstücke reichten Schaftzins. Ferner bezog die Kellerei aus Jungferngütern, die im Bruchwald und beim Langenfeld lagen, Kapaunen. Diese Äcker gehörten zum Kappengute der Kellerei. Die Abgabe von Kapaunen deutet auf Welschlothringen hin, das von altersher durch feine Kappenzucht bekannt war. Die Kapaunen bildeten überhaupt eine Abgabe, die zahlreiche Grundstücke an unsere Kellerei gaben. So erhob sie noch im Jahre 1756 nicht weniger als 112 Stück. Auch an sonstigem Geflügel war bei unseren Kellereiabgaben kein Mangel. Dieselbe Rechnung zählt nämlich 137 Stück Hühner, 87 Sommerhahnen und 2 Gänse als Grundzinse auf. Und die St. Wendeler Flurnamen Hahnengrummet und Hühnerwies, die Gänsfelder bei Baltersweiler und sie Kapaunen-wies bei Born tun uns bis auf den heutigen Tag kund, wie sich die Naturalwirtschaft einst bei uns gestaltet hatte.

 

Die Kellereigüter tragen samt und sonders persönliche und dingliche Lasten. Der Amtmann v. Hame besaß nicht weniger als 17, fast alle auf dem Alsfassener Banne gelegene Grundstücke, die ihn zu mit Hand und Gespann an die Kellerei zu leistende Fronarbeiten verpflichteten. Dieses Dienstland war freilich bei der Stadtbürgerfchaft sehr verhaßt und hieß verächtlich Bauerngut, das aus den sonst Freien Städter minderen Rechtes machte. Um seine Last los zu werden, verschenkte der Bürger Hans Kirn am 17. Mai 1632 seine Kellereidienstgüter, darunter auch eine Wiese, die einen Wagen Heu gab. Es hört sich deshalb wie ein freudiger Ausruf an, wenn der Feldmesser Mahrt recht deutlich bei den Kellereizinsgütern betont, sie seien nur zinsbar, aber durchaus nicht dienst- oder fronbar.

 

Die Dienftleute waren, wie wir aus einer Gerichtsverhandlung vom 17. September 1611 ersehen, früher verpflichtet gewesen, die Felder zu brachen, die Brache zu rühren und einzusäen. Und zwar hatte jeder mit seinem Gespanne einen halben Tag zu fronden. Der Fröner erhielt als Entgelt statt der Morgensuppe ein Stück Brot, von denen sechs aus einem Hausbrote geschnitten wurden, ein Mittagessen und dazu, klein wie groß, einen halben Krug Wein. Ferner hatten sie die Früchte zur Kellerei des Hoflagers zu fahren und den Wein von der Mosel nach St. Wendel zu bringen. Falls in einem Jahre keine Fronfuhren zu leisten waren, hatten die Dienstleute 6 Gulden als Wagengeld an die Kellerei zu zahlen.

 

Kein Wunder, daß man gegen diese Angerfahrten ergrimmt war und nicht ruhte, bis sie endlich durch einen Kammeralbeschluß vom 6, Juli 1779 gegen einen Geldbetrag von 90 Reichstalern, die jährlich an Martini, des Bischofs Fest, geliefert werden mußten, abgelöst wurden. Andere Kellereigüter, so namentlich die um die Stadt und auf der Reichborner Acht gelegenen Grundstücke und Grummete, lieferten Öl. Auf der Urweiler Feldmark und besonders am Bosenberg gab es ein großes und kleines Wachsgut, an denen der Amtmann stark beteiligt war, die Wachs reichten. Ferner wurde als Abgabe von Grundstücken, die um St. Wendel und in großer Zahl bei St. Annen genannt werden, Salz als Abgabe erhoben. Pulvermacher hatten dort am Ausgange des Mittelalters Salpeter gegraben. Vielleicht war der Salzzins aus ihrer Arbeit erstanden. Der Alsfassen der Flurname ?die Salzheck" erzählt uns bis zum heutigen Tage von der alten Naturalwirtschaft der Kellerei, die selbst das Salz von ihren Grundholden fordern musste.

 

Eine eigene Bewandtnis hatte es mit dem so oft in unserm Güterbuche genannten Schweinsgute, das in den Fluren Herlewies, Höwen und Walmersbach der Feldmark Urweiler lag. Als der Kurfürst Boemund, der so viel für die Pfarrkirche des heiligen Wendelin getan, im Jahre 1367 auf seine Würde verzichtete, da musste ihm der Kurstaat die Leibzucht stellen, darunter auch 24 fette Schweine für seine Küche. Fünf fielen auf die Kellerei St. Wendel, die sie auf ihr Huberland legte. Auf diese Art war das Schweinsgut entstanden, das seinen Namen bis zur französischen Revolution brachte. Die Naturalabgabe war allerdings schon frühe, vielleicht bereits mit dem Tode des Leibzüchters, in Geld umgewandelt worden, und der Schultheiß des Kellerei-Grundgerichtes lieferte alljährlich an Stephanstag statt der fetten Borstentiere 12 Gulden 18 Alb in bar. Dazu gab unser Amtmann, wie fein Güterbuch ausweist, 18 Petermännchen.

 

Die Schaffung des Großgrundbesitzes, die mit einem Schlage dem landhungrigen Bürgertume die ganzen bisher verpachteten Richterschen Güter entzog, hatte dem ohnehin herrischen und selbstsüchtigen Amtmanne, den das Volk nur den scheelen Hofrat nannte, da ihm in seiner Jugend ein gereizter Kalkuttahahn ein Auge ausgebissen, böse Feindschaft zugezogen. Die Bürgerschaft packte den verhaßten Mann dort, wo er verwundbar war, nämlich an seiner Amtsführung, und richtete eine Flut von Beschwerden gegen ihn an den Kurfürsten. Schließlich traf im Jahre 1757 eine kurfürstliche Untersuchungskommission unter der Leitung des Statthalters, des Grafen Boos von Waldeck, hier ein. Der Hofrat setzte sich mit allen Mitteln zur Wehr, konnte aber nicht verhüten, daß er vom Amte suspendiert und eine Reihe schwerer Amtsvergehen festgestellt wurde. Und doch gelang es dem harten, unbeugsamen Manne und seinen einflußreichen Freunden, wieder die Oberhand zu gewinnen. Kurz vor seinem Heimgange trat er im Jahre 1769 seine Ämter an seinen Sohn Joseph Damian n. Hame ab, der bislang Amtmann zu Dagstuhl gewesen war.

 

Am Ende ? die Cettos

 

Der Tod des alten Hofrates brachte den Anfang zur Auflösung seines Werkes. Seine zahlreichen Nachkommen, die nicht nur eine Auseinandersetzung unter sich, sondern auch mit ihrer kinderlos gebliebenen Stiefmutter Charlotte v. Roussillon zu tätigen hatten, nahmen einen Rechnungs- und Liquidationskommissar in der Person des Peter Joseph Dahm aus Sobernheim an. Bei der Auseinandersetzung erhielt der vorhin genannte Sohn und Amtsnachfolger das Adelsgesätz und einen Teil des Grundbesitzes. Die beim Langenfeld gelegenen Güter fielen an seine Schwester Anna Charlotte Scholastika, die den Freiherrn Georg Wolfgang von Stenz aus Bockenheim zum Gemahl hatte, während das bei Alsfassen und am Harschberge befindliche Eigentum an ihre Schwester Maria Charlotte Antonia, die Gemahlin des Trierer Advokaten Franz Friedrich v. Wernikau, kam.

 

Der am 21. Januar 1779 in jungen Jahren erfolgte Tod des Amtmannes Damian Joseph von Hame besiegelte, da er kinderlos war, die Geschicke des alten Geschlechtes in unseren Mauern. Seine Witwe Anna Maria Labadie, die viele Jahre Schaffnerin in seinem Haushalte gewesen, siedelte mit einer Gnadenpension von jährlich 50 Reichstalern in den Witwensitz über, wo sie mit ihrem Schwager, dem früheren Propste des Klosters Marienberg bei Boppard, und ihrer verwitweten Schwägerin, der Freifrau von Stenz, zusammen lebte.

 

Der Adelshof diente jetzt dem neuen kurtrierischen Amtmanne Gattermann zur Wohnung, bis er am 3. Oktober 1786 zur Versteigerung kam und für 3330 rheinische Gulden in die Hände des Kurtrierischen Staates überging. Um dieselbe Zeit setzte der Verkauf der Güter ein, der sich bis zum Jahre 1824 hinzog. Die Stadt erwarb im Jahre 1787 den Jungfernschaft um 600 Gulden.

 

Die Auflösung des alten Großgrundbesitzes kam hauptsächlich einer neu aufsteigenden Sippe, nämlich der Familie Cetto, zugute. Um die Mitte des 18, Jahrhunderts war der Handelsmann Philipp Jakob Cetto aus Laglio am Comersee in St. Wendel zugezogen, wo er Aufnahme im Hause und Geschäfte seines verwandten Landsmannes Jakob Vacano fand. Er wurde dessen Nachfolger und betrieb mit viel Geschick und noch mehr Glück das Handelshaus, das ihn zum reichen Manne machte. Seine Söhne Philipp und Karl setzten das Unternehmen fort. Die Zeit der großen Not, die zahlreiche alte Familien zugrunderichtete, brachte die beiden Geschäftsleute hoch, die im Handel mit den Heeren der Verbündeten und der Republik schwere Gelder verdienten. Und auch darin betätigte sich ihr kluger Sinn, daß sie ihre Kapitalien statt in unsichern Papieren im Grundbesitze anlegten. Das war freilich damals leicht, da die französische Republik im Sommer des Jahres 1795 die beschlagnahmten kurtierischen Domänengüter, die bisher die Kellerei verwaltet hatte, durch den Administrator des Kantons Grimburg, den Amtmann König aus Wadern, versteigern ließ. Die Gebrüder Cetto benützten diese Gelegenheit und erwarben einen großen Teil der Domänen, die ihnen starke Blocke in dem Gelände vom Langenfeld bis zur Werschweiler Straße und den ganzen Eichbösch zubrachten. Ferner erwarben die Gebrüder Cetto die unmittelbar bei der Stadt gelegene Mott, die Achten vor dem obern Tore und auf der Reichwies sowie die ganze Sprietacht, wo heute unsere Friedhöfe und der mächtige Bau des Gymnasiums sich hindehnen. So war der Grundstein zu der neuen Hausmacht gelegt, die durch den Erwerb eines sehr großen Teiles der von Hame?schen Güter vollendet wurde.

 

Und wie der Ankauf der Domänen die Gebrüder Cetto im Nordosten festen Fuß hatte fassen lassen, so legten sie durch die Gewinnung der von Hame'schen Güter auch den Grundstein zu einem Großbetrieb im Westen unserer Feldmark.

 

Die unruhigen Zeiten, die in unserer Heimat eine Vermögensumschichtung weiter Kreise brachten, sind zwar nicht dazu angetan, die Einzelheiten all dieser Erwerbungen kennenzulernen. Doch die Tatsache genügt, daß wir um das Jahr 1825 die Gebrüder Cetto im Besitze der meisten Grundstücke finden, die unser Güterbuch aufführt. So war beim Langenfeld und am Harschberg ein geschlossener Großgrundbesitz entstanden, der sich in den beiden von den Gebrüdern Cetto geschaffenen Höfen bis auf unsere Tage erhalten hat.

 

 

 

erschienen in: Unsere Saar, Nr. 3, S. 52-55, und 4, S. 74-76

Die Zwischenüberschriften sind im Original nicht vorhanden.

 

Das Güterbuch wird heute (2011) im Landesarchiv Saarbrücken unter der Signatur ?HV J Nr. 2? aufbewahrt.

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