Schriftzug
20. Jahrhundert -> 1947-1949 Restitutionsakten -> Daniel gegen Stier

 

 

Restitutionsklage

1. des Kaufmann Milian Daniel, Jerusalem;

2. Delphine Daniel, Witwe von Hermann Bonem, Jerusalem;

3. Edith Eppstein geb. Daniel, Jerusalem;

 

gegen

1. den Kaufmann Anton Stier, St. Wendel, Luisenstraße 2, vertreten durch RA Krämer in St. Wendel,

2. Firma Anton Stier GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer a. Kaufmann Anton Stier, b. Josef Stier, beide in St. Wendel,

 

wegen mehrerer Hausgrundstücke in St. Wendel, Luinstraße 2, 4, 6, u.a. Flur 6 Nr. 989/154 sowie der Geschäftseinrichtung.

 

Quelle: Landesarchiv Saarbrücken

Signatur 1705 (Alt-Signatur Y 388/47)

 

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Rechtsanwälte

Gustav Levy und Dr. Heinau

 

Saarbrücken, den 28. März 1949

Rathausplatz 3

Telefon 8300

 

an das Landgericht, Restitutionskammer

Saarbrücken

 

Klage

1. des Kaufmanns Milian Daniel, Jerusalem

2. der Witwe, Hermann Bonem, Delphine geborene Daniel, Jerusalem

3. der Ehefrau Edith Eppstein geborene Daniel, Jerusalem

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Gustav Levy und Dr. Heinau in Saarbrücken

 

Gegen

1. den Kaufmann Anton Stier, St. Wendel, Luisestraße 2,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Krämer in Saint Wendel

2. die Firma Anton Stier GmbH, St. Wendel, vertreten durch den Geschäftsführer, Kaufmann Anton Stier,

Beklagte

 

Wegen Restitution.

 

Wir beantragen:

1.) den Akt vor Notar Jochem St. Wendel vom 7.11.1935 - Reg.Nr. 1460/35 - durch den der Kläger zu 1.) Eheleute Kaufmann Hermann Bonem und die Firma S. Daniel den Beklagten zu 1) den in den Akten aufgeführten Grundbesitz verkauft und aufgelassen haben

nämlich:

den früher im Grundbuch von St. Wendel, Blatt 1145 verzeichneten Grundbesitz

Flur 6 Nummer 989/154 etc. St. Wendel, Luisestraße 2

a) Wohnhaus mit Nebengebäude - Hofraum, 1,09 ar

 

Flur 6 Nummer 1023/161, seinen Wendel, Luisenstraße 4

c) Waschküche, 0,58 ar

 

und den früher im Blatt 284 bezeichneten Grundbesitz:

Flur 6 Nummer 1022/Einzelsiegen etc. St. Wendel, Luisenstraße 4

a) Wohnhaus und Kaufhaus, 4,86 ar

 

Flur 6 Nummer 1021/166 etc. St. Wendel, Hofraum b) Anbau Kauf haus, 4,86 ar

Flur 6 Nummer 1027/169, St. Wendel, Hospitalstraße 6, a. Wohnhaus mit Hofraum, 0,57 ar

Flur 6 Nummer 418, St. Wendel, Hofraum, 0,03 ar

Flur 6 Nummer 802/419, daselbst, Hofraum, 0,02 ar

 

ferner den privatschriftlichen Vertrag vom 7.11.1935 zwischen der Firma S. Daniel in St. Wendel und ihren Inhabern Milian Daniel und Frau Edith Eppstein geborene Daniel, bestehen sie dem Beklagten als Erwerber die Geschäftseinrichtung, baren Außenstände und die sonstigen in dem Vertrag aufgeführten Sachen und Werte verkauft und übereignet haben, für nichtig zu erklären.

 

2. den Beklagten zu verurteilen:

a) in die Berichtigung des Grundbuchs von St. Wendel dahin einzuwilligen, dass jetzt eingetragenen Eigentümer gelöscht und an deren Stelle als Eigentümer die Kläger eingetragen werden,

 

b) an die Kläger dem vorstehend aufgeführten Grundbesitz mit Zuwachs und Zubehör herauszugeben.

 

3. die Beklagten zu verurteilen, den Kläger in

a) Auskunft darüber zu erteilen, welche der in den privatschriftlichen Vertrag vom 7.11.1935 genannten Gegenstände und Werte noch vorhanden sind,

 

b) diejenigen Gegenstände und Werte an die Kläger zurückzugewähren, die gemäß der Auskunft noch vorhanden sind.

 

4. den Beklagten als Gesamtschuldner an die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

 

Gründe.

 

Gemäß dem in Anlage 1 beigefügten notariellen Akte von Notar Jochem in St. Wendel vom 7.11.1935 - Registrierung Nummer 1460/35 -

haben

1, der Kaufmann Milian Daniel in Jerusalem

2. die Eheleute Kaufmann Hermann Bonem und Delphine geborene Daniel in Jerusalem

3. die damalige Firma S. Daniel offene Handelsgesellschaft in St. Wendel, gären Mitinhaber waren:

a) die Ehefrau Edith Eppstein geborene Daniel, inzwischen geschieden und in Jerusalem lebend

b) der oben genannte Milian Daniel,

 

an den Kaufmann Anton Stier in St. Wendel in dem notariellen Akte aufgeführten Grundstücke in St. Wendel verkauft. Auf diesem Grundbesitz befand sich die Firma S. Daniel, offene Handelsgesellschaft in seinem Wendel, eines der bedeutendsten Kaufhäuser des Saargebiets.

 

Gleichzeitig mit diesem notariellen Vertrag wurde den Anlage 2 ab schriftlich mitgeteilt Privatschriftlichervertrag zwischen der Firma S. Daniel und ihren vorbeizeichneten Inhabern Milian Daniel und Frau Edith Eppstein mit der Beklagten abgeschlossen.

Wir nehmen auf beide Urkunden Bezug.

Dieser Verkauf hat aus Anlass der Abstimmung und aus den Gründen der Diffamierung der Juden stattgefunden und war das Ergebnis das dadurch ausgeübten Zwanges, der den Eigentümern des Grundgesetzes und Inhaber der Firma keine andere Möglichkeit mehr ließ, als sie verkaufen die Auswanderung. Der Beklagte hat, wie sich aus den beiden Verträgen ergibt, für das Grundstück 200.000 Mk. Kaufpreis zu zahlen gehabt, wozu weitere 36.000 Mk gemäß den privatschriftlichen Vertrag für die darin aufgeführten Werte hinzukamen.

Dieser Betrag stellt etwa die Hälfte des wirklichen Wertes der Objekte dar, die auf den Erwerber durch den Vertrag übergegangen sind. Das geht schon aus den Aufzeichnungen der Veräußerer aus der damaligen Zeit hervor.

 

Beweis: Sachverständigen - Gutachten.

 

Die Unzulänglichkeit des Kaufpreises ergibt sich auch aus den Grundbucheintragungen, wonach eine Buchgrundschuld von 200.000 Goldmark und eine weitere Hypothek von 21.000 Goldmark, Erstere bei Tätigung des Kaufaktes, letztere am 6.1.1939 bewilligt worden sind. Bei alledem ist noch nicht einmal der außerordentliche Geschäftswert (Font de Commerce - Goodwill) berücksichtigt.

 

Der Beklagte hat in den langwierigen Vergleichsverhandlungen, die mit ihm geschwebt haben, eingeräumt, das der von ihm gezahlte Kaufpreis nicht angemessen gewesen sei. Ein von ihm gemachtes Vergleichsangebot erschien nicht annehmbar. Von Belang dabei ist, das der Beklagte durch die ihm seitens der Arbeitsfront durch das Bankhaus Gebrüder rasch link bewilligte Grundschuld in der Höhe des Kaufpreises für das Grundstück, den großen Vorteil gehabt hat, nicht aus eigenen Mitteln den Kaufpreis zahlen zu müssen. Der Beklagte wäre zu jener Zeit auch nicht in der Lage gewesen, ein solch bedeutendes Anwesen käuflich zu erwerben und zu bezahlen. Sein Vorteil ist also ein doppelter und ganz besonders in die Augen fallender.

 

Der Beklagte lebt heute in ausgezeichneten Verhältnissen. Wie allgemein bekannt, ist neuerdings die Firma Anton Stier in St. Wendel in die Firma Anton Stier GmbH übergegangen (Veröffentlichung des Amtsgerichts St. Wendel vom 21.2.1949). Es musste deshalb die Klage auch gegen diese neu gegründete Firma als Rechtsnachfolgerin der Firma Anton Stier gerichtet werden. Was den Anspruch aus dem Privatvertrag anlangt, so wird Auskunftserteilung und die Herausgabe desjenigen verlangt, was aufgrund der Auskunft noch vorhanden ist. Übrigens ist die Zubehöreigenschaft der Einrichtungsgegenstände zu beachten.

 

Der Anspruch stützt sich auf die Spoliationsverordnung Nummer 120 vom 10.11.1947, insbesondere auf Artikel 3.

 

Rechtsanwälte

Gustav Levy und Dr. Meinau

 

 

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Abschrift

Reg.Nr. 1460/1935.

 

Verhandelt zu St. Wendel auf der Amtsstube des Notars am 7. November 1935.

Vor Maximilian Nikolaus Jochem, Notar mit dem Amtssitze in St. Wendel

 

Erschienen

A. als Verkäufer:

1. der Rechtsanwalt Dr. Fritz Oettinger in Regensburg und der Kaufmann Martin Eppstein in St. Wendel, beide handelnd als Bevollmächtigter von

a. Kaufmann Milian Daniel in Jerusalem

b. Eheleute Kaufmann Hermann Bonem und Delphine geborene Daniel in Jerusalem

2. für die Firma S. Daniel offene Handelsgesellschaft in St. Wendel:

a. Die Mitteilhaberin Edith geborene Daniel, Ehefrau des vorgenannten Kaufmanns Martin Eppstein in St. Wendel, handelnd unter Zustimmung ihres mit erschienenen Ehemanns.

b. Für den Mitteilhaber Milian Daniel, Kaufmann in Jerusalem, der Rechtsanwalt Dr. Fritz Oettinger und der Kaufmann Martin Eppstein, beide o.g. als Bevollmächtigte.

 

B. als Käufer: Anton Stier, Kaufmann in St. Wendel.

 

Alle dem Notar bekannt.

Die erschienenen erklären: wir schließen folgenden Kaufvertrag:

Die zu A. genannten Verkäufer verkaufen und übertragen zum Eigenthum dem dies annehmenden Anton Stier den im Buche von St. Wendel im Blatt 1145 verzeichneten Grundbesitz:

 

Flur 6 Nummer 989/154 etc. St. Wendel, Luisestraße 2

a) Wohnhaus mit Nebengebäude - Hofraum, 1,09 ar

Flur 6 Nummer 1023/161, seinen Wendel, Luisenstraße 4

c) Waschküche, 0,58 ar

und den früher im Blatt 284 bezeichneten Grundbesitz:

Flur 6 Nummer 1022/Einzelsiegen etc. St. Wendel, Luisenstraße 4

a) Wohnhaus und Kaufhaus, 4,86 ar

 

Flur 6 Nummer 1021/166 etc. St. Wendel, Hofraum b) Anbau Kauf haus, 4,86 ar

Flur 6 Nummer 1027/169, St. Wendel, Hospitalstraße 6, a. Wohnhaus mit Hofraum, 0,57 ar

Flur 6 Nummer 418, St. Wendel, Hofraum, 0,03 ar

Flur 6 Nummer 802/419, daselbst, Hofraum, 0,02 ar

 

Die beiden letzten Parzellen sind im Grundbuch als Flur 7

aufgeführt. Der Kaufpreis beträgt 70.000 Goldmark.

Dieser ist sofort nach devisenrechtlicher Genehmigung zahlbar.

Von der devisenrechtlichen Genehmigung wird die Rechtswirksamkeit dieser Urkunde abhängig gemacht.

Als Goldmark gilt der amtlich festgestellte Preis von 1/2790 Kilogramm Feingold nach den Vorschriften über wertbeständige Hypotheken. Maßgebend für jede Zahlung ist der für den Tag der Zahlung, mindestens aber der für den Tag der Fälligkeit zur rechnende Betrag. Für eine Goldmark ist jedoch mindestens eine Reichsmark zu zahlen. Ankäufer unterwirft sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde.

 

Weiter wird folgendes vereinbart:

1. der Grundbesitz wird verkauft ohne Gewähr für einen bestimmten Flächeninhalt oder für die Beschaffenheit der Gebäude. Verkäufer haften nicht für sichtbare oder unsichtbare Sachmängel. Etwaige Grunddienstbarkeiten und persönliche Dienstbarkeiten werden übernommen. Auf Mängelrüge wird verzichtet. Es wird festgestellt, dass keinerlei Zusicherungen über Eigenschaften der verkauften Sachen gemacht sind. Das in Abteilung II des Grundbuchs eingetragene Fensterrecht ist bekannt und geht mit über.

 

2. Verkäufer leisten dafür Gewähr, dass der verkaufte Grundbesitz frei ist von nicht übernommenen im Grundbuch eingetragenen Belastungen und Beschränkungen sowie von nicht übernommenen Zinsen, Steuern und Abgaben. Solange dies nicht der Fall ist, kann der Käufer die Zahlungen auf den Kaufpreis verweigern.

 

3. auf denen Käufer gegenüber: der Besitz, und die Nutzungen, die Lasten und die Gefahr sofort nach der devisenrechtlichen Genehmigung dieses Vertrages, ebenso die Steuern.

 

4. die mit dem Kaufvertrag jetzt und in der Folge verbundenen Kosten einschließlich des Grundstücksstempels sind zulasten des Käufers.

 

Die Beteiligten sind darüber einig, dass das Eigenthum an dem verkauften Grundbesitz auf den Käufer übergeht.

 

Dieses Protokoll wurde vorgelesen, von denen Erschienenen genehmigt und von ihnen eigenhändig unterschrieben.

 

gez. Fritz Oettinger

gez. Martin Eppstein

gez. Edith Eppstein

gez. Anton Stier

gez. Jochem, Notar.

 

 

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Abschrift

 

Zwischen der Firma S. Daniel in St. Wendel und ihren Inhabern Milian Daniel und Edith Eppstein, im folgenden kurz Verkäufer genannt, einerseits

 

und

 

Herrn Anton Stier, Kaufmann in St. Wendel, im folgenden kurz Käufer genannt, andererseits, kommt folgender Vertrag

 

Vertrag zustande:

 

1.) der Verkäufer verkauft an den Käufer und diese übernimmt das Geschäft der Firma S. Daniel in St. Wendel mit sämtlichen Aktiven und Passiven. Mit verkauft sind insbesondere die Geschäftseinrichtung, die Waren, die Außenstände und der gesamte Grundbesitz, gleichgültig, ob dieser auf den Namen der Firma oder des Herrn Daniel und seiner Schwester eingetragen ist mit Ausnahme des Baugrundstücks am Wendelsborn. Über den Grundbesitz wird gleichzeitig notarieller Kaufvertrag abgeschlossen.

 

Der Käufer hat das Recht, die bisherige Firma fortzuführen.

2.) verkauft sind außer den oben angeführten Aktiven die Badeeinrichtung mit Reservewaschbecken, der Heißwasserapparat in der Küche, der Gasofen im Wohnzimmer und der Hund Arry. Des

Nicht mit verkauft ist der Gasherd, die Wohnungseinrichtung, der Kühlschrank und die sämtlichen Lüster und Beleuchtungskörper.

3.) mit abgetreten sind sämtliche Forderungen einschließlich der Sicherungen und Hypotheken. Ausgeglichen und nicht abgetreten sind folgende Forderungen und konnten: Milian Daniel, Hermann Bonem, Edith Eppstein, Martin Eppstein, Heinz Bing, A. Bonem, Erich Daniel.

4.) der Kaufpreis beträgt einschließlich der im notariellen Kaufvertrag für den Grundbesitz aufgeführten Kaufsumme 200.000 Reichsmark. Er ist in bar zu zahlen, sobald die Genehmigung der Devisenstelle erteilt ist. Neben diesen Kaufpreis verpflichtet sich der Käufer, von den vorhandenen Warenschulden bis zu 36.000 Reichsmark auf eigene Rechnung zu bezahlen. Soweit die bisherigen Warenschulden diesen Betrag übersteigen, sind sie dem Verkäufer zu bezahlen.

5.) der Zustand der verkauften Gebäude nebst Mobilien und Waren wird ausdrücklich als vertragsgemäß anerkannt und auf Mängelrüge verzichtet desgleichen wird festgestellt, das keinerlei Eigenschaften zugesichert worden oder sonstige Zusagen gemacht wurden, so dass Wandlungs- und Minderungsansprüche ausgeschlossen sind. Desgleichen wird Haftung für Bestand, Güte und Einbringlichkeit der abgetretenen Forderungen ausdrücklich ausgeschlossen.

6.) der Käufer übernimmt alle laufenden Verträge, Versicherungen und Warenabschlüsse. Er übernimmt mit Wirkung vom 1. November 1935 ab das gesamte, zur zeit vorhandene Personal. Er verpflichtet sich, mit Herrn Peter Heu einen zehnjährigen Anstellungsvertrag abzuschließen, aufgrund dessen Herrn Heu ein festes Gehalt von monatlich 300 Reichsmark netto und die sonstigen, bisherigen Anstellungsbedingungen, welche dem Käufer bekannt sind, zugestanden werden. Ferner übernimmt der Käufer Herrn Hans Eppstein bis 1. Mai 1936 gegen ein festes Gehalt von monatlich 500 Reichsmark netto mit dem Rechte, Waren zum Einkaufspreis zu entnehmen.

7.) Herr Martin Eppstein hat das Recht, für sich und seine Familie bis zu seiner Abreise in der bisherigen Wohnung kostenlos zu verbleiben; ferner waren zum Einkaufspreis zu beziehen.

8.) die Beträge, welche in bar, auf Bankkonto, auf Postscheckkonto, bei Rechtsanwalt Dr. Krämer, St. Wendel, und bei Rechtsanwalt Schluch, St. Wendel, bis 7. November 1935 14:00 Uhr eingegangen sind, verbleiben dem Verkäufer, alle nach diesem Zeitpunkt eingehenden Gelder dem Käufer. Bei Postscheckkonto und Bankkonto wird angenommen, dass alle Beiträge, welche bis zum 7. November 1935 gebucht werden, bis 14:00 Uhr eingegangen sind. Desgleichen sind alle Waren, welche bis zum 7. November 1935, 14:00 Uhr, eingegangen sind, zulasten des Verkäufers nach 4 dieses Vertrages, alle nach diesem Zeitpunkt eingehenden Waren zulasten des Käufers zu begleichen. Maßgebend ist also der Eingang der Ware und nicht der Faktura.

9.) die auf dem Anwesen eingetragenen Grundschulden werden sofort nach Bezahlung des Kaufpreises gelöscht.

10.) Alle bis heute angefallenen Steuern sind von den Verkäufern zu tragen. Die Kosten der Beurkundung und diejenigen Steuern und Stempel, welche mit der Übertragung von Grundbesitz und Geschäft zusammenhängen, trägt der Käufer.

11.) die Gültigkeit dieses Vertrages ist von der Genehmigung der Devisenstelle abhängig.

12.) der Käufer hat Kenntnis von den Ansprüchen, welche Herr Schenk von Bliesen erhoben hat und wird selbst die Regelung dieser Angelegenheit vornehmen.

13.) Herr Stier verpflichtet sich, die ihm durch die Übernahme zur Kenntnis gelangten Geschäftsgeheimnisse der Firma und ihrer bisherigen Inhaber streng vertraulich gegenüber jedermann zu behandeln.

14.) Herr Martin Eppstein erteilt zu diesem Vertrag seine eheherrliche Zustimmung.

 

St. Wendel/Saar, den 7. November 1935.

 

gez. Anton Stier

gez. Martin Eppstein

gez. S. Daniel

gez. Edith Eppstein

 

Beglaubigt:

gez. Oettinger, Rechtsanwalt.

 

 

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Rechtsanwälte

Dr. Erich Krämer und Hr. Weich

San Wendel - Saar

Schlachthofstraße 16

 

St. Wendel, den 21. September 1949

 

An das Landgericht, Restitutionskammer I

Saarbrücken

 

In Sachen Daniel u.A. ./.  Stier

 

Y 388/49

 

Nehmen wir auf den Schriftsatz vom 28. Juni 1949 Bezug, in welchem wir uns zu Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestellt haben.

 

Wir werden beantragen, die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, insoweit ihnen nicht Gebührenfreiheit zugutekommt.

 

Gründe:

I. zur genaueren Begründung der alleinigen Aktivlegitimation der Kläger wird es erforderlich sein das die Kläger nachweisen, dass die Erben des verstorbenen Hermann Bonem niemand anders als die Klägerin oder sie und die übrigen Kläger geworden sind.

II. Gegenüber der auf Art. 3 der Verordnung Nummer 120 des französischen Oberkommandierenden in Deutschland vom 10. November 1947 gestützten Klage berufen sich die Beklagten auf Paragraph vier des Gesetzes zur Ausführung der Genanntenverordnung vom 30. Juni 1949. Danach findet eine Anfechtung gemäß Art. 3 der genannten Verordnung nicht statt, weil:

1. die Verfügungen, deren Nichtigerklärung die Kläger begehren, unter der Geltung des römischen Abkommens und der dazu abgegebene Erklärung von Personen getroffen worden sind, die die Vorteile dieses Abkommens in Anspruch genommen haben      

 

und

2. der Beklagte zu 1) beweisen wird, dass er den gerechten Preis bezahlt hat.

 

Zu 1): die am 7. November 1935 erfolgten Abschlüsse, sowohl des privatschriftlichen Vertrages zwischen der Firma S. Daniel und den Beklagten zu 1) als auch des notariellen Vertrages zwischen dem Kläger zu 1), der Klägerin zu 2) und ihrem verstorbenen Ehegatten, sowie der offenen Handelsgesellschaft S. Daniel in St. Wendel einerseits und dem Beklagten zu 1) andererseits, sind zweifelsohne zur Zeit der Geltung des "römischen Abkommens" und der dazu abgegebenen Erklärungen getroffen worden.

 

Die Veräußerer des Daniel'schen Unternehmens haben auch die Vorteile des römischen Abkommens in Anspruch genommen.

 

Am 7. November 1935, den gleichen Tage, an welchem die Verträge getätigt worden sind, fuhr der Bevollmächtigte der Veräußerer Martin Eppstein mit dem Beklagten zu 1) zur Bank Gebrüder Röchling nach Saarbrücken. Dort wurden an Herrn Eppstein 200.000 Reichsmark ausbezahlt, ferner erfolgte auch die Begleichung der wahren Schulden der Firma S. Daniel an die verschiedenen Gläubiger in Höhe von 36.000 Reichsmark durch den Beklagten zu 1) .

 

Im Anschluss hieran begaben sich Eppstein und der Beklagte zu 1) zum Devisenkommissar, wo die Transferierung der 200.000 Reichsmark veranlasst und durchgeführt worden ist.

Die Kläger werden diese Angaben nicht bestreiten.

 

Zu 2): als gerechter Preis ist nach Paragraph vier Abs. 2 des oben genannten Gesetzes vom 30. Juni 1949 derjenige Preis anzusehen, der Einkauf lustiger zu zahlen und Verfolgungsmaßnahmen nicht unterworfener Verkaufs lustige anzunehmen bereit gewesen wäre, wobei bei Geschäftsunternehmen auf der Firmenwert durchsichtig wird, den ein solches Unternehmen in den Händen einer Person gehabt hätte, die Verfolgungsmaßnahmen aus den Gründen des Artikel einzig überworfen war.

Es ist nun keinesfalls richtig, das der Gesamtverkaufspreis von 206. 30.000 Reichsmark für das Grundeigentum sowie das Geschäft mit Firmenwert und die übernommenen wahren Schulden nur etwa die Hälfte des wirklichen Wertes die Objekte darstellt, die auf den Beklagten vor zu 1) durch die Verträge übergegangen sind, wie die Kläger meinen.

 

(Seite)

die Auffassung der Kläger kann auch nicht in Aufzeichnungen der Veräußerer aus der damaligen Zeit ihre Stütze finden. Im Gegenteil, die Beklagten sind noch heute im besitze einer von den damaligen Bevollmächtigten der Firma S. Daniel, Herrn Martin Eppstein, unterzeichneten Aktennotiz, wonach dieser am 4. Oktober 1935 einer anderen Firma das ganze Geschäft zum Preis von 250.000 Reichsmark, davon 175.000 Reichsmark in bar, angeboten hat.

Beweis: Vorlage der Aktennotiz.

Der Beklagte zahlte einen Monat später den ganzen Kaufpreis in Höhe von 236.000 Reichsmark in bar. Dabei ist zu berücksichtigen, das in der Zwischenzeit erhebliche Teile des Warenlagers forciert verkauft worden sind, wären neue Waren nur in geringstem Ausmaß eingingen.

Beweis: Zeugnis 1. des Fräuleins Katharina Praum,

2. des Fräuleins Jochem, beide zu laden bei den Beklagten.

 

Die Kläger sind auch im Irrtum, wenn sie glauben, die Röchling Bank, Saarbrücken, habe den Beklagten den Kredit von 200.000 Reichsmark gegeben, weil der Beklagte allein auf den von den Klägern erworbenen Grundstücken eine Buchgrundschuld in Höhe von 200.000 Goldmarkt bewilligt habe und wenn sie daraus auf eine Unzulänglichkeit des vom Beklagten gezahlten Kaufpreises schließen. Der Beklagte musste für den bewilligten Kredit von 200.000 Reichsmark vielmehr folgende Sicherheiten leisten:

1. die Grundschuld auf den neu erworbenen Grundstücken,

2. eine Hypothek harscher Sicherheit auf dem dem Onkel des Beklagten, Josef Stier, gehörigem Villenanwesen St. Wendel, Kapellenweg, mit einem damaligen Wert von etwa 80.000 Reichsmark

3. eine Bürgschaft der Firma Josef und Anton Stier, Feinkosthaus in St. Wendel, bestehend aus einem Hauptgeschäft und einer Filiale im Stadtzentrum von St. Wendel,

4. eine Bürgschaft der Firma näher Mittelwerk GmbH in St. Wendel, an welcher der Beklagte und dessen Stiefvater beteiligt waren

praktisch hafteten also der Beklagte und Josef Stier noch mit ihrem gesamten Vermögen. Sonach kann aus der mit Belastung der dem Beklagten veräußerten Grundstücke mit der Grundschuld von 200.000 Reichsmark kein Schluss auf den Wert der Grundstücke gezogen werden.

 

Nur, um der Wahrheit die Ehre zu geben, sei bemerkt, daß mit der Kreditbewilligung an den Beklagten durch ihre Schlingenbank die deutsche Arbeitsfront nichts zu tun hatte, da um die Zeit der Betätigung der Verträge der Beklagte noch nicht zur Partei angemeldet war.

 

Da es im privatschriftlichen Vertrag vom 7. November 1935, in welchem das gesamte Geschäftsunternehmen verkauft worden ist, ausdrücklich heißt, daß der Käufer das Recht hat, die bisherige Firma vorzuführen, ist in dem Gesamtpreis von 236.000 Reichsmark auch der Wert der fond de commerce, der Firmenwert, berücksichtigt und enthalten.

Zu Lasten des Beklagten auch nicht verwertbar dürfte sein, das der Beklagte im Augenblick nicht aus eigenen Mitteln den Kaufpreis bezahlt hat.

 

Der Kredit eines Kaufmanns ist eine wesentliche Eigenschaft seiner Persönlichkeit und schließlich hat er der Beklagte und nicht die Bank den Kaufpreis bezahlen müssen. Wie bei einer solchen Sachlage von einem doppelten Vorteil des Beklagten gesprochen werden kann, bleibt das Geheimnis der Kläger. Es geht nicht an, dem Beklagten gerade das zur Last zu legen, was ihm im Gegensatz zu anderen Kaufleuten, die nicht kauften, in die Lage versetzte, allerdings mit vielen Risiken, den Kauf zu tätigen, um die Kläger in den Besitz mit dem mitnehmen barer Geldmittel zu setzen. Die Kläger dürfen nicht vergessen, daß an dem Kaufhaus der Kläger damals größere Unternehmen interessiert waren, aber schon, als sie den Zustand des Objekts und den geforderten Preis kennen gelernt hatten, sofort das Interesse verloren haben, und sozusagen rückwärts das Haus verließen, so dass Passagen Kaufhaus AG Saarbrücken, dessen inzwischen verstorbener Direktor Müller nach St. Wendel gekommen war, um die Frage des Kaufes der Firma S. Daniel für seine Firma zu prüfen und ein Vertreter einer größeren Firma aus dem Berliner Bezirk sowie die Firma Fritz Kammer, Völklingen.

 

Beweis: Zeugnis des Prokuristen Peter Heu, St. Wendel, zu laden bei dem Beklagten.

 

Das Geschäft der Kläger befand sich zur zeit der Übernahme durch den Beklagten in einem außerordentlich primitiven Zustand. Die Primitivität war so augenscheinlich, das die erwähnten und anderen Kaufinteressenten bei der augenscheinnahme des Betriebes gleich jegliche Kauflust verloren haben. Es war in dem Kaufhaus noch nicht einmal eine Registrierkasse vorhanden.

Beweis: Zeugnis des Prokuristen Peter Heu in St. Wendel, zu laden bei dem Beklagten.

 

Ein Aufenthaltsraum für das Personal war nicht vorhanden, nicht einmal eine Ablage für die Garderobe der Angestellten. Die Angestellten mussten ihre Garderobe in einer finsteren Ecke an Nägeln aufhängen, wodurch des Öfteren Diebstähle vorkamen.

Beweis: wie vorher.

 

Für die bei der Übernahme bin der Beschäftigten 32 männlichen und weiblichen Angestellten war nur eine einzige Toilette vorhanden, und diese befand sich innerhalb des Ladenraumes, so dass bei Witterungswechsel sich ein furchtbarer Gestank im ganzen Verkaufsraum bemerkbar machte.

Beweis: wie vorher.

 

Die ganze Inneneinrichtung des Verkaufsraumes mit Ausnahme der Schuh Abteilung Kinder verbessert zu werden brauchte, war eine Neuerung bedürftig. Das alte Inventar, das entfernt wurde, hatte keinen Verkaufswert mehr. Die Beklagten, die damals infolge ihrer Belastung mit dem hohen Kaufpreis mit jedem Pfennig rechnen mussten, hätten gern das alte Inventar in Geld umgesetzt. Dies war aber nicht möglich.

Beweis: lies vorher.

 

Schon anfangs 1936, also kurz nach den Kaufabschlüssen, musste das flache Dach des einen Gebäudes und später des Büros vollständig erneuert und die Satteldächer zum größten Teil repariert werden, da es an vielen Stellen hereinregnete.

 

Die Front des Hauses war sehr ausbesserungsbedürftig. Viele Fenster mussten erneuert werden, da die Fensterrahmen vollständig morsch waren.

 

Der zweite Stock (erste Etage) des alten Hauses bestand damals aus unübersichtlichen dunklen und verwahrlosten Räumen. Verschiedene decken Balken dieser Räume waren vollständig baufällig und mussten durch neue ersetzt werden.

 

Im Wohnhaus mussten die Trägerbalken in der früheren Küche, weil sie morsch waren, durch neue ersetzt werden.

Beweis: wie vorher

 

Es war eben in dem seit 1860 bestehenden Geschäftshaus vieles für alt wird und morsch geworden. Auch das Warenlager war zum größten Teil der für alt sind. Es waren viele Ladenhüter auf dem Warenlager, die später nur unter Preis verkauft werden konnten.

Beweis: Zeugnisse der Fräulein Katharina Praum und Jochem.

 

Der angesetzte Wert für das Warenlager war zu hoch gegriffen worden

 

Wenn man einmal den Gesamtkaufpreis von 236 Reichsmark gefolgt aufteilt, so ergibt sich folgendes Bild:

a) gemäß eines Gutachtens des Architekten Rudolf Schneider in seinem Wendel vom 5. Juli 1935 über die Lage und den Wert der Kaufhausgrundstücke Luisen- und Hospitalstraße der Firma S. Daniel hatten diese Grundstücke einen Wert von 127.245 Reichsmark

b) nach den Geschäftsunterlagen der Firma hatte das Warenlager einen Wert von 113.000 Reichsmark

c) nach den Geschäftsunterlagen der Firma Daniel hatte der Beklagte aus denen in seinem Besitz befindlichen Geschäftsbüchern an Außenständen sechsten 50.033 Reichsmark festgestellt

d) der Wert der gesamten Einrichtung kann unter Berücksichtigung der brauchbaren Einrichtungsgegenstände mit 4000 Reichsmark angegeben werden

 

Es ergibt sich so nach als Gesamtwert der Objekte:

Grundbesitz 127.245 Reichsmark

Warenlager  113.000 Reichsmark

Außenstände         56.033 Reichsmark

Einrichtung   4000 Reichsmark

(Gesamt)    300.278 Reichsmark.

 

Hiervon müssen die 36.000 Reichsmark in Abzug gebracht werden, welche der Beklagte nach dem privatschriftlichen Vertrag vom 7. November 1935 der damals noch nicht bezahlte Warenschulden bezahlt hat, da er sonst einen Teil des Warenlagers doppelt bezahlt hätte.

 

Als Gesamtwert der verkauften Objekte ergibt sich sonach im wesentlichen aufgrund der eigenen Geschäftsunterlagen der Kläger ein Gesamtwert des Objekts in Höhe von 264.278 Reichsmark.

 

Dabei ist noch nicht berücksichtigt, das doch wahrscheinlich das den Klägern erstattete Gutachten des Architekten im Hinblick auf den beabsichtigten Verkauf den Wert des Grundbesitzes auf den höchst möglichst schätzbaren Betrag angegeben hat, um den Klägern eine Grundlage für die Forderung eines möglichst hohen Kaufpreises zu geben.

 

Weiter ist nicht berücksichtigt, das die vielen Ladenhüter des jahrzehntelang geführten Geschäftes, insbesondere an Damenkonfektion und im Stofflager ohne weiteres im Wert von 113.000 Reichsmark also um 30.000 Reichsmark zu hoch erscheinen lassen.

 

Durch die Notwendigkeit des Verkaufs der Ladenhüter unter Preis und überhaupt durch die Gebundenheit an die teuer bezahlten alten Bestände krankt auch das Geschäft des Beklagten in der ersten Zeit in seiner Entwicklung.

 

Hätte der Beklagte statt das alte Lager mit zu erwerben, die dafür aufgewandten kaufkräftigen baren Geldmittel benutzen können, ein neues Sortier des Warenlager zu kaufen, sollte sich sein Geschäft von Anfang an viel flotter entwickeln können.

 

Ist so nach der gezahlte Kaufpreis für die gesamten Objekt an sich schon recht hoch bemessen gewesen, so muss noch ein weitere Gesichtspunkt beachtet werden, der den zu erzielenden Kaufpreis auch gedrückt hätte, wenn die Kläger nicht Verkaufslustige gewesen wären, die Verfolgungsmaßnahmen unterworfen waren.

Wie der Inhalt der abgeschlossenen Verträge zeigt, waren die Veräußerer Kaufmann Milian Daniel und die Eheleute Bonem persönlich, als zwecks Veräußerung des Kaufhauses kauflustige gesucht wurden, bereits nach Jerusalem emigriert. Wenn aber ein verkaufslustiger durch Zufuhr ist verziehen vom Ort des zu verkaufenden Objektes zeigt, das er nunmehr für alle Fälle verkaufen muss, so drückt er damit selbst seien zu erzielenden Kaufpreis. Dieser Gesichtspunkt darf nicht außer acht gelassen werden. Er hat mit der Tatsache, das die Kläger Personen sind, die Verfolgungsmaßnahmen unterworfen gewesen wären, nichts zu tun, wenn alle Kläger hätten damals unter dem Schutze des römischen Abkommens an der Saar in Ruhe selbst noch der Verkauf vornehmen und dann nach Abschluss des Verkaufes abweisen können.

 

Nach allem war der Kaufpreis von 206. 30.000 Reichsmark unter Berücksichtigung der gesamten oben angeführten Umstände und unter Beachtung der unten noch zu schillernden Zeitalters und der Geschäftslage in St. Wendel ein durchaus gerechter Preis, ja sogar ein hoher Preis, den jeder andere, Verfolgungsmaßnahmen nicht unterworfener Verkaufs lustige für das Objekt einschließlich des Firmenwertes, den das Unternehmen in den Händen einer Person gehabt hätte, die Verfolgungsmaßnahmen aus den Gründen des Art. 1 nicht unterworfen war, anzunehmen bereit gewesen wäre.

 

Die damalige Wirtschaftslage war, ganz allgemein gesehen, alles andere als rosig. Es gab im Deutschen Reich, dem das Saarland seit 1. März 1935 angeschlossen war, noch viele Millionen von Arbeitslosen, so dass die Kaufkraft der Verbraucher gering war. Die Experimente wirtschaftlicher Art zur Verbesserung der Wirtschaftslage, die im Reich vorgenommen wurden, wurden ganz besonders von Kaufleuten, Wirtschaftlern und Bankiers sehr skeptisch aufgenommen.

 

Kein Mensch wusste damals, ob man nicht im Jahr 1936 wieder auf denselben Stand wirtschaftlicher Depression zurückgeworfen sein würde, wie ihn das Jahr 19.2.1930 aufgezeigt hat.

 

Damals bot die Firma in ihrer Reklame Herren sonntags Anzüge, schwarz-weiß gestreift, zu 19,75 Reichsmark an. Bei dieser Wirtschaftslage und Einschätzung der zukünftigen Entwicklung war der Kauf des streitigen Objekts zum Preis von 206. 30 Reichsmark ein außerordentlich großes Risiko nicht nur für den Beklagten, sondern auch für seine Familienangehörigen, die neben ihm der rechtlichen Bank für die Gewährung des zum Kauf erforderlichen Kredits, wie oben dargelegt, mit ihrem ganzen Vermögen Sicherheit leisten mussten.

 

Auch stand das Geschäft der Kläger im November 1935 nicht mehr so konkurrenzlos in St. Wendel dar, wie noch einige Jahre zuvor. Es war als starke und leistungsfähige Konkurrenz die Firma Fritz Kammer entstandenen und ein großer Teil alter Kundschaft der Kläger hatte sich in andere Geschäfte wie Houy und Ecker verlaufen.

 

Alle diese Risiken mögen auch das Passagekaufhaus an die Firma des Berliner Bezirk des mitveranlasst haben, den Kauf nicht zuzusagen, obwohl ihnen doch sicher die geltende so Verfügung standen.

In dem Zustand, in welchem das gesamte Objekt vom Beklagten übernommen worden war, hätte sich das Geschäft auf die Dauer mit Aussicht auf Erfolg auch nicht weiterführen lassen. Im Laufe der Zeit musste der Beklagte alle schon dargelegten Statthaftigkeit erneuern und Mängel beseitigen lassen.

 

Die Inneneinrichtung des Ladens mit Ausnahme der noch brauchbaren Einrichtung der Schuhabteilung, die nur verbessert zu werden brauchte wurde vollständig erneuert, das Büro würde neu eingerichtet, die erwähnte Dacherneuerung und die Ausrüstung der Front sowie die Erneuerung der morschen Fensterrahmen wurde vorgenommen. Die Beleuchtung war so schlecht und ungenügend, das alle Geschäftsräume mit einer neuen Beleuchtung versehen werden mussten.

 

Im Jahre 1937 oder 1938 hat der Beklagte das Nachbarhaus erworben, so dass es ihm nur mehr möglich geworden war, für eine moderne, allen Gesundheitserfordernissen genügende Toilettenanlage mit drei Toiletten und Waschgelegenheit für das Personal zu sorgen. Es wurden 45 Spinde für die Angestellten erworben, die Garderobenzwecken dienen. In dem neu erworbenen Haus Luisenstraße 6 wurde für den Aufenthalt des Personals ein Aufenthaltsraum sowie eine eingerichtete Küche zu dessen Benutzung erstellt.

 

Die Schaufensteranlage wurde vergrößert und verbessert. Die verwahrlosten Räume der I. Etage wurden so erneuert und ausgebaut, das eine erstklassige Damenkleiderabteilung geschaffen wurde im Wohnhaus wurde eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen, auch neben der Erneuerung der Trägerbalken in der früheren Küche ein neues, modernes Badezimmer erstellt. Die außerordentlich umfassenden Wiederinstandsetzungsarbeiten und Verbesserungsaufwendungen haben einen großen Teil des Gewinns der seit der Übernahme des Geschäfts verflossenen Jahre verzehrt.

 

Der Beklagte dafür ohne überheblich zu sein behaupten, dass es nur seiner Person, die 16 Jahre lang in innigen Konnex mit der Gesamt Käuferschaft des Wirtschaftsgebiete St. Wendel stand, zu verdanken ist, das sich stark nach unten neigende Kurve der Entwicklung des einst so angesehenen Daniel'schen Geschäftes abgebremst und der Betrieb wieder zu stolzer Höhe empor geführt wurde.

 

Der Beklagte war bis zum Ende des Jahres 1935 zusammen mit seinem Onkel Josef Stierinhaber zweier gutgehender Kolonialwarengeschäfte in St. Wendel, am Dom und in der Bahnhofstraße. In diesen Geschäften wurden 22 Personen beschäftigt und eine jährliche Reingewinn von 140.000 Fr. gleich 23.333 Reichsmark (eine Reichsmark gleich sechs Franken) erzielt. Diese beiden Geschäfte, die größten ihrer Art in Wirtschaftsgebiete im Wendel, haben der Beklagte und sein Onkel an die Firma Jakob Maurer der 10.500 Reichsmark laut Kaufvertrag vom 30.11.1935 verkauft, um sich persönlich und finanziell ganz dem neu erworbenen Kaufhaus wirken zu können.

 

In dem erwähnten Kaufpreis war die gesamte neuartige Einrichtung mit modernen Schnellwaagen, einer neuen modernen Kühlanlage und einem Auto enthalten. Die Geschäfte waren reine Goldgruben, deren Übernahme kein Risiko bedeutete, da sie in höchster Blüte standen und über einen Riesenkundenkreis verfügten.

 

Ein solches Unternehmen aufgeben zu müssen, um mit schwerer Schuldenlast beladen ein total veraltetes Geschäft weiterzuführen, war ein weiteres Stück des großen Risikos, welches der Beklagte mit dem Erwerb des Geschäftsunternehmens der Kläger eingegangen war. Der Beklagte hatte wahrhaftig den höchsten Preis für das Unternehmen der Kläger gegeben, der für dieses Geschäft auch dann nur äußerst zu erzielen gewesen wäre, wenn die Veräußerer nicht Verfolgungsmaßnahmen unterworfen gewesen wären.

 

Auch wenn man den privatschriftlichen Vertrag der Parteien vom 7. November 1935 liest, so spürt man geradezu, das aus ihm der Geist einer versöhnlichen Übereinkunft spricht, und man kann nicht den Eindruck erhalten, als wenn hier der Käufer den Verkäufer übervorteilt hätte. Das sind unter Nummer 2. mitverkauft eine Reihe von privaten Gebrauchsgegenständen und der Hund Arry. Kein Hundeliebhaber überlässt seinem Hund denjenigen, von dem her den Eindruck hat, das er in übervorteilt hat. Er schenkte in diesem Falle seinen Hund lieber einem anderen. Auch Nummer 5) des Vertrages lässt nicht den Schluss zu, als hätte der Beklagte in Vvertragsschließenden bestanden, sonst könnte der Käufer nicht Herrn Hans Eppstein bis zum 1. Mai 2019 der sechsten 30 gegen ein festes Gehalt von monatlich 500 Reichsmark netto mit dem Recht, waren zum Einkaufspreis zu entnehmen, zu einer Zeit angestellt haben, in welcher der Umgang mit Juden den Beklagten große Nachteile hätte bringen können. Tatsächlich habe der Beklagte und seine Familie nach dem Kaufabschluss mit der Familie Eppstein in engem Familienverkehr gestanden, was auch aus Nr. 7 des Vertrages zu schließen ist.

 

Die heutige Firma Anton Stier GmbH ist wahrlich nicht mehr vergleichbar mit dem vom Beklagten übernommenen Geschäft der Kläger. Dieses Ergebnis emsiger Lebensarbeit des Beklagten, sein Lebenswerk.

 

Die Beklagten erteilen sie mit den Klägern die Auskunft, das der in der Klage aufgeführte Grundbesitz noch vorhanden ist, das aber von den beweglichen Gegenständen nur noch vorhanden sind:

1 Kassenschrank

1 elektrischer Rechenmaschine

1 kleiner Handrechenmaschine und die Regale der Schuhabteilung.

 

Diese Auskünfte erteilt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dazu,

 

Rechtsanwalte Dres, Krämer und Weich

 

 

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Rechtsanwälte

Gustav Levy und Dr. Heinau

Saarbrücken

28. April 1950

 

An das Landgericht, Restitutionskammer

Saarbrücken

 

Y 388/49

Termin 11.5.1950

 

Schriftsatz

in Sachen Daniel gegen Stier

 

Zu dem Vorbringen in der Beantwortung, deren nicht ausdrücklich zugestandener Inhalt bestritten wird, sei folgendes erwidert:

 

I.

Die Klägerin, deren Aktivlegitimation die Beklagten anzweifeln, ist die Witwe des Kaufmanns Hermann Bonem und gehört mit diesem gemäß dem Akt vom 7. November 1935 zu den Vertragsschließenden. Hermann Bonem hatte außer seiner Witwe einen Sohn, Dr. Paul Bonem, Arzt in Jerusalem, hinterlassen. Dieser ist zwei Jahre nach seinem Vater verstorben. Ein Erbschein wird nachgereicht werden.

 

II.

In sachlicher Hinsicht tragen die Beklagten im eingehenden Darlegungen vor, das die Voraussetzungen der Verordnung Nummer 120 in Verbindung mit § 4 des saarl. Ausf.Ges. Vom 30.6.1949 vorliegend nicht gegeben seien.

 

a) zu der Frage, ob ein unmittelbar gegen die Person gerichtet erzwangen die Verkäufer zur Veräußerung benötigt hätte, haben die Beklagten schon deshalb keine Stellung genommen, weil zur Zeit der Klageerhebung am 28. März 1949 mangels Notwendigkeit hierzu noch nichts vorgetragen war. Nach dieser Richtung hin sei einstweilen noch folgendes bemerkt:

 

Bevor die Kläger die Heimat verließen, waren bereits Überfälle auf Erich Daniel ausgeführt worden. Auch hatte er Drohbriefe, die in das "Aufgehängtwerden" ankündigten, erhalten. In der Nacht vom 12. auf 13. Januar 1935 wurden die Scheiben des Geschäftes eingeschlagen und droht Zettel in den eingeschlossenen Fenstern zurückgelassen. Um Erich Eppstein noch besonders zu kennzeichnen, war er im "Saarkumpel" als Mitinhaber der "Saarpost" genannt worden.

 

b= es ist Methode geworden, die Situation der verfolgten, insbesondere der rassisch verfolgten bis zur Abstimmung als ungefährdet hinzustellen. Die Beklagten gehen darüber hinaus, indem sie sogar behaupten, die Kläger hätten ruhig auch nach der Abstimmung bis zur Durchführung des Verkaufes im Lande bleiben können. Die Sicherungen, die aufgrund des römischen Abkommens geschaffen waren, hätten in den vollen Schutz gewährleistet. Es ist unmöglich, auf diese Bemerkung einzugehen, da ihre Unrichtigkeit notorisch ist. Dieser Ansicht kann auch nur von denjenigen geäußert werden, der völlig ahnungslos und ohne Kenntnis den Ereignissen gegenübergestanden hat.

 

Die Beklagten erheben den Einwand, das der von ihnen gezahlte Kaufpreis den gerechten Preis dargestellt habe. Sie glauben diesen Beweis führen zu können. Es darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, das der Beklagte, Anton Steger, der Erwerber der Häuser und des Geschäftes, früher eine andere Einsicht bekundet hat. So schrieb er selbst unter dem 29. Juli 1945 an die Eheleute Milian Daniel nach Jerusalem in einem Brief, indem er im wesentlichen den bezahlten Preis zu rechtfertigen versucht:

 

"Wenn ich nun heute, nach 11 Jahren, wie die Frage vorlege, ob ich seinerzeit einen guten oder schlechten Kauf gemacht habe, so kann nicht offen gestehen, das ist ein guter Kauf war. Ich bin der Auffassung, nachdem ich die Entwicklung nun rückblickend betrachten kann, dass ein gerechter Preis einige 10.000 DM höher gelegen hätte. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich Herrn Stern gegenüber sofort und ohne Vorbehalt zu Verhandlungen bereit erklärte.

 

Ohne eine Verpflichtung anzuerkennen, bin ich bereit, ein Abkommen mit Ihnen über eine Nachzahlung zu treffen, deren Höhe bestimmt ist von dem beim Kauf 1935 erzielten, später aber erst festzustellenden Preisvorteil einerseits und andererseits von den dem Geschäft verbliebenen Möglichkeiten. Das Geschäft hat zwar in den vergangenen Jahren gute Gewinne abgeworfen, aber der Staat hat auf der anderen Seite alles weggesteuert, besonders während der letzten sieben Jahre. Ein großer Teil des Gewinnes musste zu unaufschiebbaren Betriebsverbesserungen aufgewandt werden. So ergibt sich für den Betrieb kein besonders günstiges Bild, besonders deshalb, weil auch Kriegsverluste nicht zu vermeiden war.

 

Der Betrieb hat keine nennenswerten Vorräte mehr und noch rund 100.000 Reichsmark Bankschulden. Das Kapitalvermögen beträgt circa 307.000 Reichsmark.

 

Wenn ich mich trotzdem bereit erkläre, 50.000 Reichsmark, also rund ein Sechstel meines heutigen Kapitalvermögens, zur Ausgleichung an den vollkommen gerechten Kaufpreis zu zahlen, so mögen sie daraus ersehen, wie viel mir an einer freundschaftlichen Lösung und Beseitigung einer eventuell bestehenden Disharmonie gelegen ist.

 

Ein obiges Angebot halte ich mich für die Dauer von zwei Monaten vom heutigen Tage an, gebunden. (...)"

 

Wenn nun die Beklagten heute sich auf einen anderen Standpunkt stellen und die Erkenntnis des Beklagten verleugnen sollen, so erklärt sich dies aus den allgemeinen zu beobachtenden Bestreben, den Wert der aufgrund der Arisierung übernommenen Objekte möglichst zu bagatellisieren und allerlei Mängel hervorzuheben, die den Eindruck erwecken sollen, als sei ein angemessener Preis, Jahr, wie es die Beklagten im vorliegenden Fall in Überbetonung der von Ihnen jetzt für förderlich gehaltenen Haltung tun, ein Überpreis bezahlt worden. Mit diesem Bestreben schon sogleich mit dem oben zitierten Schreiben vom 29. Juli 1945 in scharfem Gegensatz. Im übrigen ist es den Klägern ein leichtes, das Vorbringen der beweispflichtigen Beklagten von vornherein zu widerlegen.

 

c) es ist unerheblich, zu welchem betrage die Kläger an andere Interessenten das Geschäft am 4. Oktober 1935 zum Kauf angeboten haben. Das einzig bemerkenswerte wäre, das der Betrag damals noch um 50.000 Reichsmark über dem bei den Beklagten erzielten Preis lag.

 

Das die Beklagte den Kaufpreis von 206. 30.000 Reichsmark in bar bezahlen konnte, hat seinen Grund darin, das in die Partei die Genehmigung zu kaufen erteilte und die Arbeitsfront die Mittel zur Verfügung gestellt hat, während er selbst über eigene größere Mittel nicht verfügte. Wenn dabei der Beklagte bei dem Wettbewerb um das Unternehmen den Sieg davontrug, so deshalb, weil er mit der Unterstützung der Partei die Genehmigung zur Übernahme und die Mittel hierzu erhielt. Die Beklagten - wobei auch neben dem ursprünglichen Erwerber Anton Steger, dessen Onkel und jetziger Teilhaber Josef Stier in Betracht kommt - setzen auseinander, da sie nur gegen weit gehende hypotheksarischer Sicherungen und Übernahme von Bürgschaften den fraglichen Kredit eingeräumt erhalten hätten, eine Tatsache, die nicht ganz in Einklang zu bringen ist zudem an anderer Stelle betonten persönlichen Kredit, den der Beklagte genossen hatte.

 

Der Beklagte trägt vor, um das klägerische Unternehmen zu erwerben, hätte er das mit dem Onkel und jetziger Teilhaber, Josef Stier, geführte hervorragende Kolonialwarengeschäft, das eine Goldgrube gewesen sei, verkaufen müssen. Wie damit in Einklang zu bringen sein soll, das für Waren und wertvolle Einrichtung dieses Geschäft unter Berücksichtigung des Geschäftsüberganges nur ein Betrag von 10.500 Reichsmark erlöst worden sei, bleibt ein Rätsel. Aber aus der angeführten Summe erhält zugleich, wie gering die Mittel gewesen sind, die der Beklagte persönlich einzusetzen hatte, als er, übrigens einige Wochen nach dem Erwerb des klägerischen Unternehmens, zum Verkauf des Kolonialwarengeschäftes geschritten sein will. Der geringe Erlös spielt ja überhaupt keine Rolle bei der Finanzierung des uns interessierenden Kaufes.

 

Der Beklagte bestreitet, das er die Mittel von der Partei zur Verfügung gestellt erhalten habe und das es die Partei gewesen sei, die ihm, den Lebensmittelfachmann, ohne jegliche Branchekenntnisse in den Geschäftszweig der Firma Daniel, in die Lage versetzt habe, vor anderen Bewerbern das Unternehmen zu erhalten.

 

"Nur um der Wahrheit die Ehre zu geben" (so heißt es auf Blatt vier oben des gegnerischen Schriftsatzes) wird dem Gericht ein Artikel einer der St. Wendler Zeitungen vom 11. November 1935 vorgelegt, der also wenige Tage nach dem Abschluss des Kaufvertrages veröffentlicht worden ist (Abschrift der den Beklagten in Anlage erteilt) aus diesem Artikel ergibt sich das Gegenteil der klägerischen Behauptungen ganz eindeutig. Dieser Artikel zeigt aber nicht nur, welche starke Förderung der Beklagte, der sich jetzt darauf beruft, er sei zu jener Zeit der Parteien noch nicht beigetreten gewesen, seitens der Partei und ihrer Organisationen genossen hat, dass "Herr Stier der Arbeitsfront für ihre Mithilfe und ihrer Arbeit bei der Übernahme der Firma" seinen Dank aussprechen musste. Er rückt auch die Bedeutung des übernommenen Unternehmens in das gebührende Licht. Wenn selbst die Vertreter der Partei sich genötigt sahen, in jener Zeit der völligen Verwirrung der moralischen Begriffe unter der leeren unwahrhaftigen Phraseologie das Werk von zwei Generationen der Firma Daniel-Bonem so zu grübeln, so werden alle Verkleinerungsversuche der Beklagten scheitern müssen. Wie die Beklagten auf die Konkurrenz hinweisen, wie insbesondere die Firma Kammer, vormals Wolf & Sohn, und Houy, so sei bemerkt, dass diese Konkurrenz schon vorher bestand und doch nicht ausschloss, dass sich die Firma Daniel fortlaufend im Aufstieg befand und ihren Umsatz steigerte.

 

Nein, der Beklagte beurteilt seine Stellung der Partei gegenüber gar zu bescheiden. Er war immerhin schon der Beachtung wert, als früherer Vorsitzender der deutschen Front, Ortsgruppe St. Wendel, und war auch in Bundesverband in Vorstand. Zur Tagung am Ehrenbreitstein im August 1934 hatte er eine ganze Reihe Freifahrten gespendet. Darüber hatte die Volksstimme bereits schon einmal berichtet, ohne das dies je widerrufen worden wäre.

 

Aber andererseits soll nicht verkannt werden und unerwähnt bleiben, das in persönlicher Hinsicht der Beklagte sich anständig und keineswegs unlauter gezeigt hat. Im Zeichen der Arisierung hatte er, wie ungezählte andere, das getan, was ihm unter den bestehenden Umständen von seinem Interesse aus vorteilhafter erschien, und er ist nicht schlecht dabei gefahren. Nur wäre zu wünschen, dass diese Erkenntnis jetzt nicht mehr von dem Beklagten verschleiert würde.

 

d) die Beklagten versuchen statt dessen darzutun, warum sie zu viel oder mindestens den gerechten Preis bezahlt hätten.

 

Die Spezifikation auf Platz sieben des gegnerischen Schriftsatzes schließt mit einem Gesamtbetrag von 300.278 Reismarkt ab. Unstreitig hat der Beklagte nur 246.000 heißt bezahlt. Trotzdem vertreten die Beklagten den Standpunkt, dieser Betrag sei noch zu hoch gewesen. Sie führen dabei folgendes an:

 

1) der Grundbesitz sei gemäß einem Gutachten des Architekten Rudolf Schneider vom 5.7.1935 mit 127.245 Reichsmark bewertet worden. Die Beklagten greifen nicht eigentlich diese Schätzung an, meine nur, es sei wohl der Hoechst mögliche Betrag angegeben worden. Die Beklagten wissen heute nicht mehr, auf wessen Veranlassung das Gutachten damals erstattet worden ist. Doch dies sollte jedermann wissen, das der Sachverständiger nur unter Berücksichtigung der einem jüdischen Hauseigentümer und Geschäftsinhaber gebotenen Verwertungsmöglichkeiten und der im Geschäftsbereich der Hypothekenbank in Saarbrücken für 1906 und 30 (saarländische Wirtschaftszeitung Nummer 27, 41. Jahrgang, 1936 Seite 558) betonten "Grundstücksverschleuderung im Saargebiet nach der Abstimmung 1935/36" eine Taxe erstellen konnte und dass dabei ein Sachverständiger (selbst wenn er nicht Anhänger der nationalsozialistischen Irrelehren gewesen sein sollte) der Stimmung im Ort und den Wünschen der Parteiinstanzen Rechnung tragen musste, ob er wollte oder nicht, zumal bei der Durchführung der Arisierung des jüdischen Besitzes.

 

Es ist schon bezeichnend, dass die Beklagten die ganze Häuserflucht der Firma mit 107 20.000 Reichsmark angerechnet zu hoch finden, während sie den Wert eines abgelegenen Wohnhauses des Herrn Josef Stier in der Kapellenstraße in St. Wendel mit 80.000 Reichsmark beziffern. Über den wirklichen Wert des Grundbesitzes werden wir uns an anderer Stelle äußern.

 

2. sodann führen die Beklagten den Wert des Warenlagers auf mit 113.000 Reichsmark.

Sie bringen davon 36.000 Reichsmark in Abzug, die der Beklagte vertragsgemäß an Warengläubiger zu zahlen übernahm. Es bleiben also noch 77.000 Reichsmark an Wert des Bestandes, die die Kläger ihrerseits bereits gezahlt hatten. Um diesen Betrag zu hoch erscheinen zu lassen, ergehen sich die Beklagten in einer abschätzigen Kritik des vorhandenen Warenlagers. Um eine Vorstellung davon zu haben, mit welcher Rechtfertigung dies geschieht, sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, das laut der noch in Händen der Beklagten befindlichen Statistik der Bestand des Warenlagers am 31. Dezember 1934 sich auf 2 1/4 Millionen Frs belief, also auf nahezu 400.000 Reichsmark. Im übrigen kommen wir auch auf diese Frage in anderem Zusammenhang zurück.

 

3. die Höhe der Außenstände geben die Beklagten mit 56.033 Reichsmark an. Sie sind ebenfalls dem Beklagten zugute gekommen, ohne dass die Beklagten einen nennenswerten Ausfall zu behaupten wagen oder darzutun versuchen.

 

4. den Wert der Einrichtung geben die Beklagten einen mit 4000 Reichsmark. Auch diese Bewertung ist nicht gerechtfertigt.

 

Aber bei all diesen Versuchen, das Kaufobjekt herabzumindern, kommen die Beklagten doch noch zu einem Gesamtwert von 264.278 Reichsmark.

 

Freilich versuchen sie von dem Warenlager als dann noch als "Ladenhüter"den Betrag von 30.000 Reichsmark herunter zu drücken, um dann zu einem Ergebnis zu gelangen, das ziemlich genau dem bezahlten Kaufpreis entspricht.

 

e) in dieser künstlich aufgemachten, niedrigen Berechnung ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten der Geschäftswert in gar keiner Weise wertmäßig berücksichtigt. Zwar glauben die Beklagten, im Hinblick auf den privatschriftlichen Vertrag vom 7. November 1935 auf Blatt vier oben, den gegenteiligen Schluss ziehen zu dürfen. In der Tat stellen die beiden Verträge außer Frage, dass mit den Häusern und ihrer Einrichtung auch der gesamte Geschäftswert auf dem Beklagten übergehen, die Einrichtung, die Waren, die Außenstände und überhaupt aller aktiven und die Firma mit Kundschaft selbst. Aber gerade dies beweist, was ja auch durch die Spezifikation auf Blatt sieben oben bestätigt wird, das dem Geschäftswert in gar keiner Weise wertmäßig Rechnung getragen worden ist.

 

Die Firma S. Daniel ist im Jahre 1860 von Herrn Samuel Daniel begründet worden, der damals aus Amerika zurückkam. Es standen ihm damals zur Wahl: die Korn'sche Ecke in Saarbrücken, eine Beteiligung an einer Kohlengrube und der Erwerb des Stammhauses in St. Wendel. Er hatte sich zuletzt um entschieden und hat dann langsam das Unternehmen aufgebaut. In Abständen hat er ein Haus nach dem anderen gekauft, angegliedert und umgestaltet. Zur zeit des Machtantritt durch Hitler bestand folgende Rangfolge der Geschäftshäuser im Saarland:

1. Kaufhaus Gebr. Sinn in Saarbrücken

2. E. Weil-Söhne, in Saarbrücken

4. Passage- Kaufhaus in Saarbrücken

4. Josef Levy Witwe in Neunkirchen

5. S. Daniel in St. Wendel.

 

Von allen größeren Objekten, die im Saarland verkauft wurden, war der vorliegende Verkauf bei weitem der ungünstigste. Der Erwerb des Nachbarhauses durch den Beklagten erfolgte aufgrund des Vorkaufsrechts, das zu Gunsten der Firma S. Daniel eingetragen war.

 

Die Beklagten führen Weitschweifweg an, was sie im Laufe der Jahre an Verbesserungen hätten ausführen lassen, sowie sie durch den Gewinnen in dem Geschäft in die Lage versetzt worden, von dem Vorkaufsrecht hinsichtlich des Hauses Blaumeier Gebrauch zu machen. So konnten sie aus einem Teil des Gewinns auch die selbstverständlichen Erneuerungen und Verbesserungen vornehmen. Alles, was sie als ihr Werk Einführung, so geringfügig ist auch sein mag, abgeschafft aus verdienten Geldern, wie sie ja selbst zu geben. Das trifft also nicht die Substanz, sondern nur den erzielten Gewinn, den die Beklagten nur im Saarland behalten zu dürfen in der glücklichen Lage sind, da Anton Stier beim Erwerb nicht unlauter gehandelt hatte. Was damit erstellt worden ist, ist aber Zuwachs oder Zubehör geworden und teilt somit das Schicksal des Ganzen.

 

Am 1. Januar 1935 bitte die Firma S. Daniel auf ein Bestehen von 3/4 Jahrhundert. Jeder Sachverständige wird bekunden, dass dieser enorme Geschäftswert den Wert der übernommenen materiellen Werte überstieg.

 

Der bloße Bestand an materiellen Werten errechnet sich nach den Aufzeichnungen der Kläger nach ihrer Auswanderung wie folgt:

a) an Immobilien nach bilanzmäßigen Abschreibungen     800.000 Frs

b) Warenlager                                      802.302 Frs

c) Mobilien                                           40.000 Frs

d) Debitoren                                        753.878,32 Frs

e) Kassenbestand                                83.472,17 Frs

(Gesamt)                                            2.479.652,49 Frs

ab Kreditoren                                       17.879,90 Frs

(Gesamt)                                            2.461.772,50 Frs

 

= Damals 410.295,43 Reichsmark

 

1. die Beklagten mögen die Bilanzen vorlegen, die ihnen die Kläger überlassen haben. Es wird sich daraus ergeben, in welch bedeutendem Umfang Abschreibungen vorgenommen worden sind. In der langen Zeit des Bestehens der Firma beliefen sich die gesetzmäßig zulässigen Abschreibungen auf mindestens 250.000 Reichsmark.

 

In der Aufstellung des Prokuristen der Beklagten, Herrn Heu, der selbst zur Zeit das Geschäft in seine Hände zu bekommen versuchte, ist angegeben, dass im Jahre 1934 jedem der beiden Inhaber einen Gewinn von 188.567 Frs = 31.427,911 DM gutgeschrieben wurden. Das bedeutet also, dass trotz aller Unterdrückungsmethoden zu jener Zeit das Geschäft immer noch einen beträchtlichen Gewinn abwarf.

 

Für ein Unternehmen der fraglichen Art ist ein Geschäftswert anzunehmen in Höhe von mindestens 250.000 Reichsmark, das heißt, also mehr als die ganze Summe ausmacht, die der Beklagte an die Klägerin überhaupt bezahlt hat.

 

2. der Grundstückswert, von dem in den Bilanzen die steuerlichen Abschreibungen regelmäßig vorgenommen wurden, belief sich in Wirklichkeit auf mindestens 200.000 Reichsmark. Es handelt sich um Grundbesitz in der besten Geschäftslage mit circa 100 m Frontlänge. Sein Wert übersteigt ohnedies stets den Betrag, der nach den Abschreibungen verbleibt, wie denn in größeren Unternehmen die Gepflogenheit besteht, Grundstücke, Maschinen und Inventar nach und nach fast ganz abzuschreiben.

 

Das Dach musste jedes Jahr repariert werden. Die Front wurde jedes Jahr im Öl gestrichen. Die Fenster im alten Haus waren durch Schreiner Liell repariert worden und bei Übernahme vollkommen in Ordnung.

 

Beweis: Schreiner Liell als Zeuge.

 

Die Beklagten machen bezüglich des Zustandes der Räume und Einrichtungen eine Reihe von Mängeln geltend. Diese Beanstandungen sind fast ausnahmslos unbegründet. Es waren zwei Toiletten vorhanden, eine für Damen neben der Eisentür, eine zweite für die Herren im Anbau neben der Kalkulation. Die Herren waren aber meistens zu bequem, sich dorthin zu begeben. Als bei einer Personalversammlung der Sohn Erich Daniel mit Strafe bedrohte, erklärte Herr Henkes: "Na, den alten Tanten tun wir nichts."

 

Dritte und Tische waren genug vorhanden. Im Privatkontor waren je ein Schreibtisch für Herrn Heu und Herrn Erich Daniel, ferner zwei Schreibmaschinentische mit den dazugehörenden Rolltschränken und noch mehrere sonstige Schreibtische.

 

Die Einrichtung wird als vor altert gescholten. Im Kurzwarenlager, wie im Stumpflager befanden sich Glastheken. Für Modewaren, Herrenwäsche jeder Art waren ebenfalls modernste Glastheken vorhanden, alle von der großen Verkaufsorganisation KATAG in Bielefeld geliefert. Die Glasthekenn kosteten pro Stück je 500 Reichsmark. Dazu waren Einrichtungen mit Spiegeln, Tischen, Regalen und Büroeinrichtung, wie schon zuvor geschildert, reichlich vorhanden. Die Heizung war mit Messingbekleidung der Radiatoren in der Privatwohnung versehen. Nähmaschinen und Werkstattutensilien waren für die Näherei vorhanden. Die Schaufenstergegenstände bestanden in Wachsfiguren und Büsten. Auch war ein Kassenschrank vorhanden. Die Beleuchtung war gut. Es gab in jeder Abteilung so genannte Tageslichtlampen, die ebenfalls durch die KATAG bezogen worden waren.

 

Die Küche war gerade völlig neue durch Edith Eppstein geändert worden. Das hat anscheinend noch nicht einmal den Ansprüchen des Beklagten genügt. Die gesamte Einrichtung, wie sie bestand und übernommen wurde, beziffern die Kläger mit 15.000 Reichsmark.

 

3. auch hinsichtlich des Warenlagers fehlt es nicht an Kritik. Es ergibt sich aber, dass der Beklagte für die Ware nur das bezahlt hat, was an Verbindlichkeiten, d.h. an offenen Rechnungen noch vorhanden war, während er alle übrigen waren pauschal und eingeschlossen in den Gesamtpreis mit erhielt. Dabei beziffert er selbst das Warenlager auf 113.000 Reichsmark, von dem er dann, wie schon erwähnt, 30.000 Reichsmark als angebliche Ladenhüter in Abzug bringen möchte. Auch dafür gibt er scheinbare Beispiele an. Wir haben bereits erwähnt, dass sich laut Statistik der Bestand des Warenlagers am 31. Dezember 1934 auf 2 1/4 Millionen Frs, d.h. auf nahezu 400.000 Reichsmark belief. Die Warenstatistik wurde nur von Herrn Heu und Herrn Erich Daniel geführt.

 

Es ist eine Erfindung der Beklagten, dass das Warenlager veraltet gewesen sei. Die Zeugin mögen sich darüber äußern, wie die einzelnen Etikette ausgezeichnet waren. 1932blau, 1933 Rot, 1934 Grün.

 

Damenkonfektion und Kleiderstoffe hatten keine blauen Etiketten mehr, da alle Waren verkauft worden.

 

Die Zeugin Praum wird darüber Auskunft geben können, wie das Musselinlager gesäubert worden war. Sie waren nach Preislage gestaffelt, die Verkäuferinnen erhielten je nach Zahl der verkauften Meter eine Prämie. Dabei handelte es sich selbstredend um Waren aus der Fortsetzung. Nach circa drei Wochen war keinen Meter mehr vorhanden. In der Damenkonfektion wurde ein entsprechendes System von Herrn Bonem angewandt. Freilich hatte keine der benannten Zeuginnen in der damaligen Zeit dort gearbeitet. Wenn vier Wochen nach Saisonbeginn, also Ende Oktober bis Anfang November, ein modernes Stück oder ein Stoff nicht gezogen hatte, wurden sofort Prämien ausgesetzt und nach weiteren 2-3 Wochen war der Bestand so stark reduziert, dass vor dem Ausverkauf noch mit geringem Gewinn wie verkauft werden konnte. Auf diese Weise wurde das Lager stets modern gehalten, und Ladenhüter blieben nicht zurück.

 

4.) Die Aussenstände beliefen sich zur Zeit der Übernahme auf circa   600.000 Frs

= 100.000 Reichsmark. Wenn man davon 20 % als dubios abziehen wollte, so bleiben immer noch 80.000 Reichsmark übrig. Die Beklagten setzen davon 56.033 Reichsmark in Anrechnung.

 

f) Die Kläger errechnen danach die von den Beklagten übernommenen Werte wie folgt an:

                                                                                               Reichsmark

an den Fonds du Commerce mit mindestens                             250.000

den großen Grundbesitz mit mindestens                                   200.000

den Wert des Warenlagers mit                                                  113.000

die Einrichtung mit                                                                    15.000

die Außenstände, gemäß den Angaben der Beklagten mit           56.033

(Gesamt)                                                                                634.033

 

Das ist eine vorsichtige Berechnung, die hinter dem Ansatz der Kläger noch zurückbleibt und deren Erhöhung vorbehalten bleiben muss. Man vergleiche damit die von den Beklagten geleistete Zahlung von 236.000 Reichsmark, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, in welchem Ausmaße die Veräußerer in ihrer Zwangslage durch die getroffene Regelung geschädigt worden sind.

 

g) Heute besitzt der Beklagte das Kaufhaus "S. Daniel in St. Wendel", ferner das "Neunkircher Kaufhaus", ferner hin ein Textil- und Herren- und Damenkonfektionsgeschäft sowie das Kaufhaus "Anton Stier" in Idar Oberstein, ebenfalls ein Textilgeschäft, das er aus jüdischen Händen im Jahre 1937 oder 1938 erworben hat. Der Beklagten hat also der Erwerb wunderbare Vorstädte tragen.

 

Auf Blatt 12 des gegnerischen Schriftsatzes reklamiert der Beklagte das Unternehmen als "sein Lebenswerk". Die Firma der Kläger bestand, wie bereits erwähnt, seit 1860. Sie war das Lebenswerk zweier Generationen, der Familien Daniel-Bonem. Der Beklagte glaubt seinerseits, dass in 12 Jahren ein Lebenswerk aufgebaut hat und sieht darin eine Rechtfertigung dafür, dass ihm alles als zu Recht erworben bleiben müsse. Die mühevolle, zähe Arbeit und der Aufbau Schritt für Schritt von einem kleinen zu einem Unternehmen von größter Bedeutung und größtem Ansehen, das Werk von zwei Generationen, scheint in den Augen der Beklagten demgegenüber keine Rolle zu spielen und kein Anrecht auf Wiedererlangung zu geben.

 

Rechtsanwälte

Gustav Levy u. Dr. Heinau

 

 

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Kaufhaus Anton Stier eröffnet

vormals S. Daniel

(ba) St. Wendel, 11. November 1935. Das Kaufhaus Anton Stier, das gestern Vormittag 9 Uhr für den allgemeinen Publikumsverkehr seine Pforten öffnete, veranstaltet der um 8 Uhr eine kurze Eröffnungsfeier, an der neben den Gefolgschaftsmitgliedern auch eine Anzahl geladener Gäste teilnahm. Die einzelnen Abteilungen waren festlich geschmückt. Ein großes Bild des Führers war mit Blumen umrankt. Die Fahne des deutschen Volkes und der nationalsozialistischen Erhebung zeigte den Besuchern an, dass von nun an in diesen Räumen der Geist der neuen Zeit herrschen wird.

 

Der Inhaber der Firma und Betriebsführer Anton Stier begrüßte mit herzlichen Worten alle erschienenen. Insbesondere hieß er den Kreiswalter der DAF, Woll, den Kreisbetriebsgemeinschaftswalter der Abteilung Handel, Herrn Pfeiffer, den Vertreter der Kreisleitung der NSDAP, Pg. Leibenguth an die Vertreter der Presse willkommen. Herr Stier dankte dann zunächst der Arbeitsfront für ihre Mithilfe und ihre Arbeit bei der Übernahme der Firma. Er versprach mit seiner ganzen Gefolgschaft stets treue Mitglieder der DAF zu sein. Er werde bestrebt sein, mit seinen ganzen Kräften dafür sich einzusetzen, dass der Betrieb wieder in die Höhe komme. Der Betrieb werde in Zukunft nach n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n   G r u n d s ä t z e n   g e f ü h r t. Das sei Arbeit im Sinne wahrer Volksgemeinschaft. Das sei richtiger Dienst am Kunden und damit am Volke und der Nation.

 

Kreiswalter Woll richtete dann beherzigenswerte Worte an den Betriebsführer und die Gefolgschaft. Er erinnerte Herrn Stier daran, dass er ein Unternehmen übernommen habe, das das größte im Kreise St. Wendel sei. Dieses Unternehmen wieder so zu gestalten und so auf die Höhe zu bringen, wie es einst war, solle sein Bestreben sein, ebenso wie das der Gefolgschaft. Kreiswalter Woll erinnerte dann daran, welche Sorgen und welche schwere Zeit die Angestellten und Gefolgschaftsmitglieder in gesicherten. Die Arbeitsfront habe während dieser ganzen Zeit sich bemüht, die Frage der Übernahme so zu lösen, das sämtliche Gefolgschaftsmitgliedern ihrer Arbeitsstätte und ihr Brot behielten. Das sei nun gelungen, und er habe die Hoffnung, dass in einigen Monaten vielleicht auch die, die bereits ausscheiden mussten, wieder in den Betrieb eingegliedert werden könnten.

 

Kreiswalter Woll appellierte dann an die Gefolgschaft, als Betriebsgemeinschaft zusammen in Leid und Freud zu arbeiten und zu schaffen, um den Betrieb umzubringen. Vom Betriebsführer bis zum kleinsten Angestellten müsse ein einheitliches Streben und wollen vorhanden sein. Alle müssten zusammenhalten. Der Betriebsführer aber solle seiner Gefolgschaft ein wahrer Betriebsführer sein, ein Vater. Es gebe wohl Paragraphen, nach denen man führen könne, aber in einem Betriebe, wo diese Paragraphen, allein sie Schnur seien, könne sich wahre Gemeinschaft nicht entwickeln. Es müsse das Verständnis und die Liebe dazukommen. Gleicherweise müssen auch die Gefolgschaftsmitgliedern im gleichen Sinne ihrer Arbeit zu richten. Dann werde dies so gestaltete Betriebsgemeinschaft eine wirkliche Gemeinschaft, aus der die Volksgemeinschaft heraus wachsen, denn wir seien verpflichtet zu dieser Volksgemeinschaft, soviel wir können und was an uns liegt, beizutragen!

 

Die Gefolgschaft sei verpflichtet, den Betriebsführer die Treue, die Deutschen Treue zu halten! Der Betriebsführer aber nehme die Pflicht auf sich, für das soziale Wohl der Gefolgschaft zu sorgen.

 

Herr Stier dankte Kreiswalter Woll für seine Worte und versprach, mit seiner Gefolgschaft eine wirkliche und vorbildliche Betriebsgemeinschaft zu bilden. Mit einem dreifachen Sieg=Heil auf den Führer des Reiches, dem wir alle dienen, beendete er die schlichte Feier.

 

 

 

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Öffentliche Sitzung der Restitutionskammer des Landgerichts

Y 388/49

 

Saarbrücken, den 11. Mai 1950.

 

Gegenwärtig:

Landgerichtsdirektor Dr. Lohrscheid als Vorsitzender

 

Landgerichtsrat Petto

Landgerichtsrat Dr. Kretschmer als beisitzende Richter

 

Justizangestellte Mechnich als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.

 

In dem Rechtsstreit

1.) des Kaufmanns Milian Daniel, Jerusalem,

2.) der Witwe Hermann Bonem, Delphina geborene Daniel, Jerusalem,

3.) der Ehefrau Edith Stein geborene Daniel, Jerusalem,

                               Kläger,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Gustav Levy und Dr. Heinau

in Saarbrücken -

 

gegen

 

1. den Kaufmann Anton Stier, St. Wendel, Luisenstraße 2,

2. die Firma Anton Stier, Gesellschaft mit beschränkter Haftung St. Wendel, vertreten durch den Geschäftsführer: Kaufmann Anton Stier,

                             Beklagte,

erschienen bei Aufruf der Sache

1.) für die Kläger Rechtsanwalt Gustav Levy

2.) für die Beklagten Rechtsanwalt Dr. Krämer

 

Die Parteien schließen folgenden Vergleich:

 

Die Beklagten zahlen als Gesamtschuldner an die Kläger als Gesamtgläubiger zu Händen des Herrn Kurt Stern in Lebach 8.000.000 ffrcs. (In Worten: Acht Millionen Franken) in Monatsraten von je 165.000 ffrcs, beginnend am 10.6.1950 fällig jeweils am 10. der folgenden Monate.

Demgegenüber verzichten die Kläger auf alle Restitutionsansprüche an die Beklagten.

Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Die Kläger verpflichten sich für die Dauer von 25 Jahren im Kreise St. Wendel kein Textil- und Schuhgeschäft zu errichten.

Die Parteien beantragen die Bestätigung dieses Vergleichs.

Die Kläger erkennen an, das die Beklagten sich bei Erwerb loyal verhalten haben.

               v.u.g.

               B.u.V.

der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000.000 ffrcs (in Worten: Zwanzig Millionen Franken) festgesetzt.

 

(Unterschriften, nicht lesbar)

 

Beschluss.

 

Der vorstehende Vergleich wird gemäß Art. 19 der Verordnung Nummer 120 bestätigt. Die Beklagten sind als gutgläubiger Erwerber zur Abführung nicht verpflichtet.

 

Saarbrücken, den 11. Mai 1950

 

Der Vorsitzende der Restitutionskammer des Landgerichts

 

(Unterschrift)

 

 

 

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