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Geschichte(n) -> Gedanken zum Wendalinusmarkt

Heiliger Wendelin, Hirt und Abt ?"

 

- Gedanken zum St. Wendeler Wendalinusmarkt -

 

Mancher Besucher wundert sich etwas über diesen Satz, der über dem Eingang zur Sakristei im Chor der Wendalinusbasilika geschrieben steht, vor allem natürlich über die drei Punkte dahinter. Sie stehen für etwas nicht Gesagtes oder auch noch nicht Gesagtes. Sie stehen als Platzhalter für das, was der Leser sich dort hinwünscht. Die Schrift dort an der Wand ist weder uralt, wie man vermuten möchte, noch von der Intention her (also der Absicht, die dahintersteckt) das, was man unter "fromm" versteht, jedenfalls nicht im engeren Sinne.

 

Älter als 30 Jahre ist die Schrift nämlich nicht, und das punkt-punkt-punkt steht für etwas relativ Profanes ? so scheint es auf den ersten Blick: "Heiliger Wendelin, Hirt und Abt, mach, daß es mit dem Wetter klappt!" Ach, blöd, werden jetzt einige denken, was soll das denn?

 

 

Nun, das mit dem Wetter soll "klappen", d.h. es soll während der Markttage nicht regnen, sonst "klappt" der Markt nämlich auch nicht. Denn wenn das mit dem Wetter nicht "klappt", dann kommen kaum Leute, die etwas einkaufen und ihr Geld hier lassen und nebenbei noch die Kirche besuchen und eine Kerze anzünden und auch hier etwas Geld in den Opferstock werfen. Und Geld brauchen wir immer, auch und gerade in der Kirche. Für die Reparaturen, für die Renovierungen, für die Pflege, für Neuanschaffungen und so fort.

 

Ja, werden Sie jetzt sagen, dieser Satz steht vielleicht erst seit 30 Jahren an der Wand, aber der ist ja schon viel älter. Geld haben sie immer schon gebraucht und haben immer schon dafür gesorgt, daß die Kasse klingelt. Nur gab es früher einmal eine Zeit, als man auf die Unbilden des Wetters wesentlich mehr geachtet hat. Und sich dagegen wappnete.<s></s>

 

Auf wikipedia finden wir auf der Seite über St. Wendel folgende Angaben: "Einen dritten Bereich bildete eine kleine Kirche, ?über dem Grab des Wendalinus?, die wahrscheinlich dort stand, wo sich heute die Magdalenenkapelle befindet. Erst im 9. oder frühen 10. Jahrhundert entstand eine Kirche am Standort der heutigen Basilika, in die im Laufe des 11. Jahrhundert die Reliquien des hl. Wendalinus gebracht wurden und zu der am Wendelstag im Oktober gewallfahrtet wurde. Parallel zur Wallfahrt entstand der Wendelsmarkt, der zentrale Markt der gesamten Umgebung für Vieh, Kleidung und Gebrauchsgegenstände."

 

Wikipedia lebt davon, daß jeder, der etwas weiß oder zu wissen meint, dies dort hinschreiben darf, wenn er weiß, wie das geht. Der erste Satz zum Beispiel ist reine Spekulation, der zweite strotzt vor sachlich falschen Angaben. Wir wissen nicht, wann der Vorgängerbau der heutigen Basilika erbaut wurde; es gibt nicht einen Hinweis darauf. Und ebensowenig wissen wir, wann und wie oft insgesamt der heilige Wendelin zwischen der Magdalenenkapelle und der Wendelskirche hin- und hergetragen wurde. Die Wallfahrt jedenfalls fand nicht nur Ende Oktober, sondern auch zu anderen Terminen statt, z.B. an Pfingsten. Bleibt der dritte Satz, der es sich hinsichtlich der Entstehung des Marktes etwas einfach macht. Ganz so einfach war es nämlich nicht.

 

Um einen Markt abzuhalten, bedurfte es der Erlaubnis der vorgesetzten Behörde. Das gilt heute übrigens immer noch. In der Zeit, in der die Entstehung des Wendelsmarktes angenommen wird, also irgendwann nach dem Jahr 1000, aber vor 1300, unterstand St. Wendel der Gerichtsbarkeit der Vögte von Verdun. Aus dieser Zeit ist uns relativ wenig bekannt. Okay, okay, wir wissen so gut wie gar nichts. Allerdings auch nicht, ob es damals bereits einen Markt gab. Den ersten Hinweis darauf finden wir nämlich erst Mitte des 15. Jahrhunderts. Wie meinen Sie? Ich habe das Stadtrecht vergessen?

 

Hm, okay, stimmt. Die Geschichte mit dem vermeintlichen Stadtrecht geht so: 1332 schenkte Kaiser Ludwig der Bayer dem Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg das Privileg, das Frankfurter Stadtrecht auf 29 in der Verleihungsurkunde genannte Orte, Plätze, Städte, Kapellen und Burgen anzuwenden. Eine davon war St. Wendel. Das müssen Sie sich schon beim Lesen auf der Zunge zergehen lassen: Der Kaiser verleiht nicht einem dieser Orte das Stadtrecht, sondern gibt dem Trierer Erzbischof das Recht, aus dem Gesetzesbündel "Frankfurter Stadtrecht" das herauszunehmen, was er gerade für einen dieser 29 Orte braucht, und es diesem zukommen zu lassen. Definitiv ist St. Wendel damals nicht Stadt geworden, egal, was wer auch immer darüber schreibt oder geschrieben haben mag. Ebensowenig wissen wir, wann St. Wendel sein Marktrecht erhalten hat. Das muß in den folgenden hundert Jahren geschehen sein.

 

Haberkern und Wallach definieren in ihrem famosen "Hilfswörterbuch für Historiker" das Marktrecht so: Es ist der "Inbegriff der Freiheiten und Rechte, die den Marktbesuchern eines Ortes und diesem Ort selbst als Markt vom Marktherrn (?) gewährt wurden. (?) Es gilt vielfach als Vorläufer des Stadtrechts, daher werden die beiden Ausdrücke und ihre Synonyma häufig wechselseitig gebraucht." Der Marktherr ? in der obigen Definition der König ? war bei uns der Erzbischof in Trier, in seiner weltlichen Funktion als Kurfürst Herrscher über unser Territorium.

 

 

 

 

Den ersten echten Hinweis auf einen Markt finden wir im 15. Jahrhundert in einer Urkunde, die im Pfarrarchiv aufbewahrt wird. Am Dienstag, 18. Oktober 1440 ? also eine knappe Woche vor dem potentiellen Wendelsmarkt ? schenkt Erzbischof Jakob von Trier zu Ehren des hl. Wendelin seiner Kirche in St. Wendel einen Platz vor der Kirche. Dieser Platz wird "Kaff" genannt; wir wissen nicht, was diese Bezeichnung bedeutet. Im Wörterbuch der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm wird "kaff" als "die Hülse gedroschenen Getreides" und damit als "ein Nichts", ein absolut wertloses Ding, bezeichnet, während Matthias Lexers Mittelhochdeutsches Handwörterbuch die Bedeutung als "Reliquienbehälter" und damit als Variante von "capsa" wiedergibt. Vielleicht findet es jemand mal heraus.

 

Als Grund für diese Schenkung wird nicht etwa ein bestehender Markt angegeben: "Ständig finden zahlreiche Wallfahrten von fern und nah zum Heiligtum in St. Wendel statt, und wegen dieser Wallfahrten kommen auch viele Kaufleute und Krämer in die Stadt, finden dort jedoch keine rechte Behausung, so daß sie durch Regen und Unwetter Schaden erleiden. Auf diesem genannten Platz können nun die Brudermeister von St. Wendel eine Halle als Kaufhaus zur allgemeinen Verfügung bauen, zum Nutzen und Besten der Kirche. Der Platz mit allen darauf errichteten Gebäuden oder was dort an Zinsen und Abgaben anfällt, soll künftig der Kirche von St. Wendel verbleiben, ausgenommen der gewöhnliche erzstiftische Zoll."

 

Das Kaufhaus ? mehr eine Markthalle ? ist der Vorläufer des heutigen alten Rathauses oben am Fruchtmarkt. Man sollte es sich als hochaufragendes Gebäude vorstellen, dessen Erdgeschoß aus einer großen, mindestens nach einer Seite offenen Halle besteht. Darin können die Kaufleute von außerhalb ihre Waren anbieten und verkaufen, also Markt halten. Bisher hatten sie eben keinen festen Unterstand und waren deshalb den örtlichen Händlern in ihren festen Läden gegenüber fast immer im Nachteil, vor allem jetzt im Oktober. Dabei hat der Trierer Erzbischof natürlich nicht nur an die fremden Kaufleute gedacht. Er verschafft der St. Wendeler Pfarrei dazu eine neue Einnahmequelle, denn sie dürfen die Pacht, die sie von den Kaufleuten nehmen, behalten und müssen nur den üblichen Zoll bezahlen. "Geschwächt" werden dabei die ortsansässigen Händler, da ihre Konkurrenz von außerhalb jetzt problemlosen Zutritt in die Stadt hinein erhält und ihre Konkurrenzprodukte besser und sauberer verkaufen kann. Und wir können davon ausgehen, daß der Trierer auch damals schon den gewiß nicht neuen Spruch kennt, daß nämlich Konkurrenz das Geschäft belebt.

 

 

 

Das alte Rathaus ? erbaut um 1792 ? ist der Nachfolgebau der Kaufhalle.

 

 

Der Wendelsmarkt ? und die anderen übers Jahr verteilten Märkte ? dürften um diese Zeit schon bestanden haben; d.h. eigentlich sind sie durch diese Maßnahme der Trierer erst lebensfähig geworden. Denn der Markt in einer Stadt spricht in erster Linie nicht die örtlichen Händler, sondern eben die Auswärtigen an Die kommen nur am Markttag in die Stadt, während die ortsansässigen Händler ihre Waren an fast jedem Tag anbieten und verkaufen können.

 

Damit sind und waren Markttage immer besondere Tage, denn an ihnen sah man fremde Gesichter und fremde Waren.

 

Markttage versprachen Abwechslungen.

 

Und Gelegenheiten.

 

 

PS: Mein besonderer Dank gilt meinem Freund Gerd Schmitt aus Alsfassen für einige anregende Gedanken zu meinen Gedanken und ein paar notwendigen Einhaltgebietungen, wenn mir im Überschwange der Gaul durchging. Und Dr. Sylvie Tritz aus Scheidt für den orthographischen Feinschliff.

 

Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
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