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Allerlei -> Das Kreuz auf dem Litermont

In Hoc Signo Vinces.

Über die Herkunft des Litermont-Kreuzes

 

von Roland Geiger und Dr. Roland Thewes

 

 

Ungefähr in der Mitte des heutigen Saarlandes zwischen den Orten Düppenweiler im Westen, Hüttersdorf im Osten und Nalbach im Süden erhebt sich der breite Bergrücken des Litermonts. Seine höchste Stelle bildet ein kleines Plateau in 414 Metern Höhe, deren südlicher Rand steil ins Nalbacher Tal hinabfällt.

 

Hier steht an exponierter Stelle hoch über dem Tal seit über 150 Jahren ein schmiedeeisernes Metallkreuz, fest verankert in einem Sockel aus Sandstein, das Litermontkreuz.

 

Über seinen Ursprung existiert nicht ein handfester Beweis. Handfest, d.h. in Form eines Dokumentes. Mündlich überliefert über mehrere Generationen hinweg haben sich zwei Geschichten zweier Familien. Sie stammen beide nicht aus Nalbach, sondern dem nahegelegenen Piesbach. Sie berichten vom angeblichen Ursprung des Kreuzes, wenn auch nicht vom Sockel. Der soll nämlich noch älter sein.

 

Die Nachfahren des Piesbacher Schmieds Johann Becker, der von 1826 bis 1914 lebte, sagen, ihr Vorfahr habe 1852 in seiner Schmiede an der heutigen Hauptstraße im Auftrag der Pfarrei Nalbach und/oder des damaligen Pfarrers, Dr. Kaspar Ramers, das Kreuz geschmiedet und oben auf dem Berg im Sandsteinsockel verankert. Die Herkunft des Corpus aus Terrakotta (1994 durch einen Bronze-Corpus ersetzt) wird nicht überliefert. Eine kleine Anekdote untermauert diese Augenzeugenaussage aus dritter Hand. Als Entlohnung seien 150 Taler vereinbart worden, und der Pfarrer bestand darauf, daß der Schmied das Geld nachzählen solle. Becker sagte, einem Pfarrer könne man doch vertrauen, worauf der Pfarrer lachte und meinte, man könne niemandem trauen. Prompt habe beim Nachzählen ein Taler gefehlt, den der Pfarrer dann schmunzelnd hinzuzählte.

 

 

 

Die alte, liebevoll renovierte Schmiede der Familie Becker in der Hauptstraße.

 

Auch in der zweiten Geschichte ist der Hersteller des Kreuzes ein Schmied aus Piesbach. Denn entgegen der landläufigen Meinung gab es dort in jener Zeit zwei Schmiedewerkstätten. Diese zweite lag nicht an der Dorfstraße, sondern tiefer im Dorf drin "im Alten Garten", heutige Rosengartenstraße. Dort wohnte der Schmied Peter Weyand (1818-1875).

 

Das Gebäude, in dem sich seine Schmiede befand, ist ebenfalls noch vorhanden. Es wird heute als Wohnhaus benutzt: Rosengartenstraße 11. Weyands Wohnhaus (heute Rosengartenstraße 22) wie auch die Schmiede sind im Urhandriß von 1844 im Katasteramt Saarlouis zu sehen. Nach diesen Plänen gehört das Haus noch Peters Eltern, dem Ackerer Jakob Weyand und seiner Ehefrau Margarethe Lauer (1800-1862). Erst nach Jakobs Tod im Jahre 1865 ging es auf den Sohn Peter (1818-1875) und seine Ehefrau Barbara Reichert über.

 

Peter hatte das Schmiedehandwerk gelernt und sich in der heutigen Rosengartenstraße seine eigene Schmiede eingerichtet. Von seinen neun Kindern erreichten nur sechs das Erwachsenenalter, und von diesen sechs heiraten nur drei Töchter, die anderen ? zwei Mädchen und ein Junge ? blieben ledig. Die mittelste der drei Töchter, Anna, heiratete 1885 den Ackerer Johann Thewes aus Kirchhof, dem aber kein hohes Alter beschieden war. Am 15. Mai 1900 erlag er einem Herzschlag.

 

Für seine Witwe Anna wurde es sehr schwer, ihre fünf Kinder zu versorgen (ihr ältester Sohn Peter war mit drei Jahren 1891 verstorben). Deshalb nahm sie gern das Angebot ihres jüngeren Bruders Peter Weyand junior an, der versprach, sich zusammen mit seiner ebenfalls ledigen Schwester Elisabeth um Annas jüngsten, den sieben Jahre alten Johann Matthias Thewes, zu kümmern. Der Onkel Pitt sorgte als Schmied und Nebenerwerbslandwirt bestens für den erforderlichen Unterhalt; seine Schwester Elise führte den Haushalt. Beim Schmied Weyand gingen in Piesbach viele Leute ein und aus. Der Onkel hatte nämlich außer seinem hervorragenden handwerklichen Geschick auch noch etwas im Kopf und wußte in allen Lebenslagen Rat. In Piesbach nannte man ihn deshalb den "Allesmächer".

 

Daß sein Vater Peter Weyand, wie er Schmied in Piesbach, im Jahre 1852 mit der Anfertigung des Litermontkreuzes beauftragt worden war, war in der Umgebung und natürlich auch in Piesbach allen bekannt. Im Jahre 1852 wurde es auf den Litermont gebracht und dort aufgestellt, und viele Menschen aus nah und fern, groß und klein waren da. Selbst Johann Matthias Mutter Anna, gerade erst ein paar Monate alt, wurde von seiner Großmutter den steilen Weg hinauf zum Gipfel getragen. Sein Onkel Pitt erzählte dem Jungen diese Geschichte ein ums andere Mal, und natürlich vor allem, daß Pitts Vater, der Schmied, für seine ganze Arbeit nicht einen roten Heller erhalten habe. Kein Wunder, daß wir in den Pfarrechnungen heute nichts mehr darüber finden J, aber darüber später mehr. Es scheint, als habe sich Onkel Pitts Klugheit auf seinen Ziehsohn Johann Matthias Thewes übertragen, denn der wurde später Oberlehrer auf der Piesbacher Schule.

 

 

 

 

Das Haus Rosengartenstraße 11, in dem sich Weyands Schmiede befand.

 

 

 

Die Ortslage Piesbach auf Basis des Urhandrisses von 1844.

 

Die Zeichnung wurde dem Familienbuch Nalbacherthal entnommen. Der Plan ist geostet, d.h. Osten liegt "oben". Die Beckersche Schmiede befindet sich am oberen Rand rechts der Mitte, das kleine Gebäude links der Straße  Nr. 38 "im Buschgarten". Die Weyandsche Schmiede liegt in der unteren Bildmitte im "Alten Garten", Nr. 7.

 

Lange Zeit existierten beide Geschichten friedlich nebeneinander und waren auch unter den Familien des Ortes bekannt. Zwar widersprachen sie sich grundsätzlich, doch scheint es deswegen nie zum Streit gekommen zu sein. Als im Jahre 2002 das 150-jährige Bestehen des Kreuzes gefeiert werden sollte, machte sich der "Förderverein Optische Telegrafenstation", der eine ebensolche Station auf dem Plateau nahe des Kreuzes auf Gemeindegrund nachgebaut hatte, daran, eine Chronik des Nalbacher Wahrzeichens zu erstellen und vorzulegen. Auf eine entsprechende Anfrage in der Bevölkerung meldeten sich aber nur die Nachfahren der Familie Becker. Das liegt u.a. daran, daß die Weyandschen Nachkommen nicht mehr in Piesbach leben und sie der Aufruf deshalb wohl nicht erreichte.

 

 

 

 

In beiden Geschichten ist die Pfarrei Nalbach der Auftraggeber. Und das ist seltsam, denn in den alten Kirchenakten der Pfarrei, die sich heute im Bistumsarchiv Trier befinden, wird das Kreuz mit keiner Silbe erwähnt. 150 Taler waren damals ein ziemlicher Batzen Geld, der auf jeden Fall in der jährlichen Kirchenrechnung auftauchen müßte. Tut er aber nicht, weder in den fünf Jahren davor noch den zehn Jahren nach 1852. Die Rechnungen sind systematisch auf Formularen aufgebaut, zählen das Mobiliar- wie das Grundstückseigentum auf, geben das Salär des Pfarrers ebenso wieder wie alle Einnahmen aus Grundstücksvermietungen und den Opferstöcken sowie die Ausgaben gleich welcher Art. Alles stimmig auf Heller und Pfennig. Und nie ein Wort über das Litermont-Kreuz.

 

 

 

 

Deckblatt der Kirchenabrechnung der Pfarrkirche zu Nalbach im Kreise Saarlouis für das Rechnungsjahr 1852. Das Original wird im Bestand "Pfarrei Nalbach" im Bistumsarchiv Trier aufbewahrt.

 

Auf der südlichen Seite des Sockels, die dem Tal zugewendet ist, liest man in relativ ungelenken Lettern die Worte:

 

"Hanc Crucem anno 1852 erexit et anno 1902 renovavit parochia Nalbach".

 

 

 

 

Das Kreuz wurde also 1852 errichtet und im Jahre 1902 renoviert ? im Auftrag der Pfarrgemeinde Nalbach. Auch über diese Renovierung, die ja bezahlt worden sein muß, gibt es in den Rechnungsbüchern der Pfarrei Nalbach im Bistumsarchiv Trier keine Angaben. Die Bücher sind da, aber es steht über das Kreuz wiederum nichts drin. Weitere Unterlagen sind wohl nicht vorhanden, da es im Pfarrhaus Nalbach in früheren Jahren einen Brand gegeben haben muß, in dem alle dort vorhandenen Unterlagen zerstört wurden. Aber die Nalbacher Unterlagen können nur Doppel der Trierer Unterlagen gewesen sein, das heißt, dort war nichts enthalten, was nicht auch in der Trierer Ausgabe steht.

 

Leider geben die anderen Inschriften im Sockel keinen Hinweis, der eine zeitliche Bestimmung möglich macht. "O Crux ave" ist ein altes Lied aus dem sechsten Jahrhundert nach Christus, in dem das Kreuz als Zeichen des Sieges Jesu Christi über Sünde, Tod und Teufel angefleht wird, den Menschen Beistand zu leisten.

 

O Crux ave, spes unica                          O Kreuz, sei gegrüßt, Du einzige

Hoc passionis tempore                           Hoffnung in dieser Leidenszeit

Piis adauge iustitiam                              Stärke den Frommen die Gerechtigkeit

Reisque dona veniam.                            Und gib den Sündern Verzeihung

 

Dazu paßt der Sinnspruch "in hoc signo vinces."auf der östlichen Seite des Sockels: "In diesem Zeichen werdet ihr siegen!", denn auch damit ist das Kreuz gemeint.

 

 

 

Auf der Nordseite wird ebenfalls auf das christliche Symbol Bezug genommen, diesmal in Deutsch: "Im Kreuz ist Heil".

 

 

 

 

Eine Erinnerung kann es aber gar nicht geben, denn Margarethe von Litermont ist eine Sagengestalt. Ihre Existenz läßt sich historisch nicht nachweisen. Der Legende nach soll sie als Witwe in einer Burg auf dem Litermont gewohnt haben und sehr gottesfürchtig gewesen sein. Als ihr Sohn Maldix am Sonntagmorgen bei der Jagd verunglückte, soll sie gesagt haben: "Besser mein Sohn ist gestorben, als dass ich das heilige Amt versäumt hätte". Eine schaurige und traurige Geschichte. Nicht unbedingt jemand, an den man sich erinnern wollte. Oder doch?

 


Wem gehört das Litermontkreuz?

 

Wem gehört denn nun das Kreuz? Der Pfarrei wohl nicht. Das hat das Amt für kirchliche Denkmalpflege in Trier bestätigt. Denn wenn das Kreuz der Pfarrei gehören würde, müßte es in ihren Akten Niederschlag gefunden haben. Patrick Lauer, Bürgermeister der Gemeinde Nalbach, hat in einem Schreiben vom 1. Juni 2007 bestätigt, daß die die Pfarrei nicht Eigentümer des Kreuzes sein kann. Hier gilt das alte Prinzip "Boden zieht an". Das heißt: Steht ein Bau gleich welcher Art auf einem Grundstück, ohne daß hinsichtlich dieses Baues eine besondere Regelung zwischen Ersteller und Grundstückseigentümer getroffen wurde (z.B. in Form eines Erbpachtvertrages), dann wird der Grundstückseigentümer auch Eigentümer des Baues.

 

Das gilt auch für das Litermontkreuz. Das Hochplateau, auf dem sich das Kreuz befindet, gehört zu einer riesigen Parzelle der Gemarkung Nalbach, Flur 06 Nr. 218/6. Deren Eigentümer ist die Zivilgemeinde Nalbach und "daraus folgend auch Eigentümer aller darauf befindlichen Bauten. Hierzu fällt insbesondere auch das Kreuz am Litermont, zumal der Gemeinde diesbezüglich kein Gestattungsvertrag oder sonstiger Vertrag vorliegt."

 

 

 

Diese Regelung galt auch schon im 19. Jahrhundert, also zur Zeit der mutmaßlichen Errichtung des Kreuzes. "Mutmaßlich" deshalb, weil die Inschrift auf dem Sandsteinsockel nicht aus dem 19., sondern aus dem 20. Jahrhundert stammt. Sie wurde erst 1902 bei der Renovierung von Kreuz und Sockel angebracht. Fragt sich, welche Beschriftung dort vorher zu lesen war.

 

"Fragt sich" ist eine Redewendung, die gerade in Zusammenhang mit dem Litermontkreuz oft auftaucht.

 

In diesem Zusammenhang mag auch interessant sein, warum das Litermontkreuz bis heute in den offiziellen Katasterunterlagen keinen Eingang gefunden hat. In den Wanderkarten findet man es an Ort und Stelle, aber aber nicht in den offiziellen Katasterunterlagen. Die vier Kreuze am steilen Weg hinauf zum Plateau ? Stationen eines Kreuzwegs, aus Holz gefertigt und viel jünger - sind in diesen Plänen enthalten. Und ebenso ganz offiziell in den Unterlagen des Amts für kirchliche Denkmalpflege in Trier.

 

 

 

Eines der vier Wallfahrtskreuze am Weg hinauf zum Litermont.

 

Es ist immer erstaunlich, wieviel wir über unsere Vergangenheit zu wissen glauben ? und wie wenig im Detail übrig bleibt. Die Geschichte des Litermont-Kreuzes ist dafür ein gutes Beispiel. Leider.

 

 

 

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