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Nachforschungen

 

Die Kapelle ist verschwunden; sie lebt nur noch als Erinnerung weiter. Eine alte Frau aus Alsfassen, die im Jahre 1900 mit 93 Jahren gestorben ist, soll bis zu ihrem Tod noch jede Woche dorthin gepilgert sein, um zu beten. Um 1925 soll ein Bauer einen Pflug zerbrochen haben, als Mauerresten hängen blieb. Anfang 1934 wird man in St. Wendel durch Knochenfunde auf die Kapelle aufmerksam und schickt eine Meldung an die Kommission für Kultus in Saarbrücken. Ein Bauamtmann namens Riedel besucht daraufhin das Gelände und fertigt einen Bericht an. Er läßt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch Arbeitslose die Außenmauern freilegen.

 

Als 1936 die Kasernen gebaut werden, müssen alle Grundbesitzer im heutigen Konversionsgelände ihre Ländereien verkaufen. Im Jahre 1937 graben die heimatkundlich interessierten angehenden Pastöre Litz und Stabler aus Alsfassen im Bereich der Kapelle. Im gleichen Jahr wird die erste topographische Karte 1:5.000 herausgegeben. Auf der Karte ist die Kapelle an der richtigen Stelle als Ruine eingetragen.

 

 

 

 

Deutsche Grundkarte, 1:5.000, Ausgabe 1936,

basierend auf einem Luftbild der Hansa Luftbild GmbH von 1934

 

 

 

 

Das Schiff ist ein Quadrat von acht zu acht Metern, wobei die Dicke der Mauer von 70 cm mitgerechnet ist, so daß die Größe des Innenraumes ungefähr 7 mal 7 Meter betrug. Die Apsis ist nicht rund, sondern aus geraden Mauerteilen gebaut, so daß sie sternförmig wirkt. Das Schiff wird von drei paar Strebepfeilern flankiert, der Chorteil von zweien gestützt. Die Strebepfleiler haben eine Dicke von 85 cm und eine Breite von 1,40 Meter, also recht stattliche Ausmaße.

 

Auf der Westseite, wo die Abschlußmauer eine Dicke von 1,50 m hat, sind die Seitenmauern beide in gerader Richtung fortgesetzt. Strebepfeiler sind hier jedoch nicht mehr vorhanden, so daß ich zur Annahme kam, daß, genau wie es heute noch bei der Wendelskapelle ist, hier ein kleiner ummauerter Vorraum vor dem Eingang bestand. Noch wahrscheinlicher ist hier der "ummauerte Freiplatz", den Max Müller nennt, und der als Marktplatz und Friedhof diente. Die Steine, die zum Bau der Kapelle verwandt wurden, sind mächtige Quadersteine. Diejenigen, die als Fundamentsteine unter der Erde liegen, sind nicht behauen.

 

 

 

 

An anderer Stelle fährt er fort:

 

"Vor einigen Jahren fand man beim Pflügen einen Porzellanchristus, der wahrscheinlich von einem Grabkreuz stammte. Ich machte nun neuerdings eine interessante Entdeckung. Unter dem Brandschutt, der mit Humuserde vermischt ist, fand ich nebeneinanderliegend die Reste von drei menschlichen Skeletten, und zwar im Innern der Kapelle, in der Südwestecke, in einer Tiefe von einem halben Meter. Noch sehr gut sind Oberschenkel und Kieferknochen erhalten, mit Zähnen, die beweisen, daß es junge Leute gewesen sein müssen. Ich glaube, behaupten zu können, daß es sich um die sächsischen Soldaten handelte, die 1796 hier begraben wurden."

 

 

 

 

1953 wird das französische Munitionsdepot angelegt. Dabei wird die innere Ringstraße angelegt, die die Munitionshäuschen versorgt (ist heute Teil des Rundwanderweges) Diese führt langweg durch den Friedhof und über die Kapelle.

 

 

 

 

 

Senkrecht-Luftbild des französischen Munitionsdepots aus dem Jahre 1961 (vorderer Teil). Die Kapelle lag in der Bildmitte unter der Straße zwischen den beiden Munitionshäuschen.

 

Das hat mir der Bauleiter der damaligen Maßnahme während eines Interviews erzählt. Er bezog sich dabei auf eine ältere Baumaßnahme aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg in Schwarzerden. Dort war er auf römische Relikte gestoßen, hatte sofort angehalten und dem Vorgänger des Konservatoramtes Bescheid gegeben. Als deren Maßnahme durch war, saß er auf der verlorenen Zeit und allen Kosten. Als ihm 1957 sein Vorarbeiter meldete, man sei auf Ruinen gestoßen, fuhr er hinunter, schickte seine Leute nach hause, setzte sich in den Bagger und räumte alles weg.

 

Eine Meldung an das Konservatoramt über Funde, z.B. Knochen, erfolgt nicht. Das Munitionsdepot wird mit einem Zaun umgeben. Als es 1989 aufgelassen wird, reißt man die Munitionsbaracken wieder ab. Der Verbreiterung der Ringstraße fällt ein großer Teil des Friedhofes zum Opfer.

 

 

 

 

 

St. Anna sei Dank! Das Betreten ist nicht verboten.

Oh, hoppla, das Fotografieren auch nicht!

 


Im September 1989 begehe ich mit Hans Haupenthal erfolglos das Gelände auf der Suche nach Grenzsteinen, um den Standort der Kapelle bestimmen zu können. Bei einem Sonntagsspaziergang im darauffolgenden Frühjahr finden wir eine große Anzahl menschlicher Knochen im Hang und im Abflußgraben.

 

 

 

 

Zusammen mit Ralf Backes aus Winterbach beginnt eine intensive Suche - sowohl nach Unterlagen als auch nach Relikten, nachdem wir von der französischen Garnison die Zugangsgenehmigung erhalten haben. So werden z.B. die Geröllhaufen am rechten Rand der Ringstraße untersucht, wenn auch mit magerem Ergebnis, ein paar Knochensplitter, bunte Scherben, Glas, viele Schieferplättchen vermutlich vom Dach. Da die Baumaßnahmen trotz Intervention beim Finanzbauamt in Saarbrücken bzw. Bauamt St. Wendel weiter fortgesetzt werden, gehen viele Relikte verloren, z.B. Steine mit Steinmetzzeichen.

 

 

 

 

Weniger seelischer Beistand als harte Knochenarbeit ist gefragt: Christoph Eckert nach der Aushebung des später "verschwundenen" Quaders

  

 

 

Beim Alsfassener Pfarrfest im Juli 1990 stellen wir spontan unsere Ergebnisse vor und stoßen auf reges Interesse und viele Leute, die die Grundmauern gesehen haben und auch dort waren.

 

Aber ein paar Besuche mit Leuten (z.B. Annemarie und Rosa Strube aus Alsfassen), die selbst die Mauern vor Augen haben, zeigen, daß eine Suche fast aussichtlos ist, da das Terrain sich zu sehr verändert hat.

 

 

 

 

Annemarie Strube in situ:

"Hier habe ich meinen Eltern immer mit dem Vieh geholfen. Und die Annenkapelle lag genau ... äh ..."

 


Gerade dieser Stein mit sehr schönen Steinmetzzeichen wird zwei Tage später mit einem Auto von der Fundstelle entfernt. Er ist nie wieder aufgetaucht.

 

 

 

 

Im Oktober 1990 werden die Abraumhalden rechts der Straße geplättet, der Straßengraben links ausgebaggert, alle Steine, die noch vorhanden sind, werden auf den Plätzen der ehemaligen MunHäuschen zugeschüttet. Mitarbeiter des Staatlichen Konservatoramtes besuchen mit uns das Gelände, doch sie versprechen sich von einer Grabung nichts.

 

Unsere Ausstellung im Mia-Münster-Haus in St. Wendel mit originalgetreuem Nachbau der Grundmauern der Kapelle wird ein großer Erfolg.

 

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