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Saarländer zogen in den Urwald
Ein Beitrag zur Brasilienauswanderung vor 135 Jahren
Von Hansheinz Keller, Deuselbach

 
Geschichte und Landschaft, August 1963, Nummer 36
Heimatbeilage der Saarbrücker Zeitung
 
Der nachstehende Bericht ist ein Vorabdruck aus dem in diesen Tagen erscheinenden Buche „Neue Heimat Brasilien". Sein Verfasser ist geborener Saarbrücker. Hansheinz Keller war seit langem mit der Materialsammlung über die Auswanderung Deutscher nach Brasilien beschäftigt; er hat zu diesem Zweck vor zwei Jahren selbst eine Studien- und Vortragsreise in das südamerikanische Land unternommen. Der Höhepunkt der deutschen Einwanderung fällt in die Zeit des Kaisers Dom Pedro II. (1831-1889); den Anstoß zur Herbeiziehung Deutscher gab die habsburgische Gattin Pedros I., Leopoldina. Der schon unter diesem Kaiser mit der Anwerbung deutscher Kolonisten beauftragte Hamburger Major Dr. Schäffer spielte bei den Einwanderungs. geschäften eine umstrittene Rolle. Er war an der Gründung der Kolonien Leopoldina und Frankental in Bahia beteiligt und starb später an Alkoholvergiftung als Hilfskatechet bei den Botokuten am Rio Doce. Er war der erste, der deutsche Kolonisten nach dem Süden schickte.
Bis 1830 kamen insgesamt 1823 Einwanderer aus Deutschland in Südbrasilien an, die sich zum Teil in der entstehenden Stadt Sao Leopoldo, zum größeren Teil aber in dem nördlich dieser Stadt gelegenen Urwald ansiedelten. In Deutschland liefen die Zeitungen Sturm gegen die Werbemethoden des Dr. Schäffer, und da die brasilianische Regierung in der Folge die von den Anwerbern versprochenen Unterstützungen und Hilfen nicht einhielt, wurde die Auswanderung nach Brasilien teilweise sogar verboten. Um 1830 trat ein Stillstand ein. Später lebte die Einwanderungsbewegung wieder auf. Zwischen 1845 und 1853 waren es wieder 2600 Einwanderer im Süden, doch ist eine genaue Zahl hier schwierig anzugeben, da nun schon die private Kolonisierung eingesetzt hatte. Diese ersten Einwanderer hatten kein leichtes Leben. Sie kämpften nicht nur gegen den dichten, undurchdringlichen Urwald, sondern auch gegen wilde Tiere, Schlangen, Insekten und die Indianer, durch deren Überfälle mehrere Kolonisten getötet wurden. Doch mit unverdrossenem Mut, mit zähem Fleiß und großer Ausdauer nahmen die Neuankömmlinge den Kampf mit allen Widerwärtigkeiten auf, und schon bald entstanden freundliche Gehöfte, blühende Dörfer und fortschrittliche Städte.
Zu den ersten Gründungen deutscher Einwanderer gehört auch die Stadt Novo Hamburgo. Wo die schon vor der Einwanderung bestehende Straße nach dem Inneren eine Abzweigung nach Dois Irmaos hat, ließen sich einige Geschäftsleute nieder, die die Erzeugnisse der Kolonisten aufkauften und nach der Hauptstadt Porto Alegre absetzten und andererseits die Kolonisten mit Bedarfsgütern versorgten. So entstand hier schon bald ein blühendes Dorf, das die Kolonisten „Hamburger Berg" nannten, da es auf einem Hügel lag und die Kaufleute eingewanderte Hamburger waren. Schon 1857 wurde das Dorf Pfarrsitz, und 1876 verband die erste Eisenbahn in Rio Grande do Sul die Hauptstadt mit dem aufblühenden Ort. Die Endstation lag am Fuße des „Hamburger Berg" man nannte sie „Novo Hamburgo", also Neu-Hamburg. Neben der Handelstätigkeit hatte sich aber schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine rege Industrie entwickelt. Im besonderen waren es Ledererzeugnisse, Sättel und Zuggeschirre, Lederpantoffeln, die man „Schlappen" nannte, die ein wichtiger. Exportartikel waren und in Hausindustrie hergestellt wurden. Gründer der Lederindustrie in Novo Hamburgo war der im Jahre 1797 aus dem Rheinland eingewanderte Nikolaus Becker.
Unter den in den Jahren 1824 bis 1829 eingewanderten Deutschen waren viele Auswanderer aus dem Hunsrück und dem Saarland. Der verdienstvolle Forscher, Major Pedry, dessen Vorfahre aus Theley (Saar) einwanderte, und der auch ein Buch über Novo Hamburgo geschrieben hat, stellte mir eine Liste zur Verfügung, die allerdings nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.

Die Namen folgender saarländischer Einwanderer sind dieser Liste entnommen:
(Die Schreibweise der Familiennamen mag hier und da Fehler enthalten; diejenige der Ortsnamen ist, wo sie fehlerhaft war, berichtigt)

Jacob Fröner , kath., St. Wendel, am 22. Mai 1829, mit Schiff „Olbers" nach Dois Irmaos;
[Korrektur: Fröner reiste mit den 200 Kuseler „heimlichen“ Auswanderern über Holland auf dem Unglücksschiff Helena en Maria, ist in Holland registriert! siehe „Segelschiff Caecilia – Legende und Wirklichkeit“ von F.Hüttenberger u. D.Schauren, 2021. / oder auch: „Schlepper, Nepper und Migrantenfänger“ zum Download auf:
https://www.martiusstaden.org.br/IMSConteudo.aspx?codigo=28]

Georg Jacob Fuchs , ev., Niederlinxweiler, am 18. März 1829, mit „Olbers" nach Dois Irmaos;

Johann Hanauer, Wiebelskirchen, am 18. März 1829, mit „Olbers" nach Sao Jose Hortensio;

Heinrich Helfenstein, ev., Thallichtenberg/St. Wendel, 24. Mai 1829, mit „Friedrich Adler" nach Dois Irmaos;
[Korrektur: Helfenstein war einer der „heimlichen“ Auswanderer auf dem Unglücksschiff  Helena en Maria, ist in Holland registriert! S. das Buch „Segelschiff Caecilia – Legende unnd Wirklichkeit“ von F.Hüttenberger u. D.Schauren, 2021.]

Michel Junge s, kath., Dietzbach-Saarlouis, am 3. März 1829, mit „Olbers" nach Sao Jose Hortensio;

Peter Kappel, ev., Saarbrücken, am 9. Mai 1829, mit „Olbers" nach Novo Hamburgo;

Jacob Kunzler , kath., Willingen/ Saarlouis, (wahrscheinlich Dillingen/Saarlouis) am 18. März 1829, mit „Olbers" nach Bom Jardin;

Johann Lauermann, Wadern, 4. Februar 1827, nach Bom Jardin;

Johann Petri, Theley, am 9. Mai 1829 nach Dois Irmaos;

Schmeer, ev., Bischmisheim, am 18. März 1829 mit „Olbers" nach Campo

Peter Kappel, ev.,'Saarbrücken, 9. Mai 1829, mit „Olbers" nach Novo Hamburgo;

Jacob Kunzler, kath, Willingen/ Saarlouis, (wahrscheinlich Dillingen/Saarlouis) am 18. März 1829, mit „Olbers" nach Bom Jardin:

Johann Lauermann, Wadern, 4. Februar 1827, nach Bom Jardin;

Johann Petri, Theley, am 9. Mai 1829 nach Dois Irmaos;

Leonhard Voltz, Niederlinxweiler, am 18. März 1829, mit „Olbers" nach Campo Bom.

Außerdem wanderten ein:
Jakob Schwingel (Oberlinxweiler),
Wilhelm Maurer (Bischmisheim),
Mathias Maurer (Bischmisheim),
Peter Becker (Wiebelskirchen),
Jakob Schmidt (Eisen),
Thome (St. Wendel)
Philipp Elicker (Niederlinxweiler),
Johann Friedrich Böbion (Niederlinxweiler)

[Im Originalartikel wird der letztgenannte „Böbion“ als „Löbian“ gelesen.
Heirat am 28.1.1799 in Oberlinxweiler mit Maria Katharina, T.v.Martin Küster.
Freundlicher Hinweis von Friedrich Hüttenberger, Zweibrücken, am 29. Februar 2024]
 
Einen interessanten Einblick in die Zeit der Auswanderung und Kolonisation vermittelt der folgende Brief eines Saarauswanderers:
„Von der Colonie Sanct Leopoldo, ohnweit der Stadt Porto Alegro in der Provinz Rio Grande de Sul im Kaiserreich Brasilien, geschrieben am Sonntag dem 21sten April im Jahre 1833
An meinen bis zum Tode treu geliebten Schwiegersohn Jakob Lind und der so herzlich geliebten Tochter Louise in Niederlinksweiler von Johann Friedrich Löbian von Niederlinksweiler. Meine aus ganzer Seele geliebten Kinder! Und Ihr alle meine Werthgeschätzten Geschwister, Freunde, Anverwandten und Bekannten!
 
Die Gnade Gottes des Vaters, die Liebe Jesu Christi und die ,Gemeinschaft des Heilgen Geistes wolle Euch mit Euren lieben Kindern beschützt und beschirmt, gesegnet und mit der besten Gesundheit und Wohlstand beglückt und erfreut haben in den beynahe 5 Jahren daß ich Euch mit meinen 2 Töchtern und Schwiegersohn verließ um einen besseren Lebensaufenthalt nächst 5000 Stunden weit über das Weltmeer zu bereisen, möchten doch meine tausenfachen Herzinniglichen Grüße Euch mit diesem Briefe erreichen! mögten Gottes Segen wie des Vaters Segen ferner mit Euch seyn! mögtet ihr doch mein und meiner Töchter und meiner Schwieger Söhne gute Gesundheit und gute Umstände lesen, mögtet Ihr unserer nach weiter Ferne stets gedacht und für uns wie für Euch Gott angerufen haben! mögte ich auch bald mal von Euch einen Brief empfangen o dann wäre ich mit den Meinigen ganz beglückt; und wenn ich Nachricht von Euch allen die Ihr in diesem Briefe gegrüßt seyd erhielte das es Euch nach Wunsch geht und Ihr mich noch immer gedacht habt o dann so würde ich mit Freuden dem Grabe entgegen gehn, dann in einer besseren Welt wird Gott mich mit denen wieder zusammen führen die wohl schwerlich mehr meine Arme auf Erden umfangen, meine Augen noch einmal sehn und meine Lippen küssen werden!
 
Mit meinen 2 Töchtern Henriette Katharina und Maria Katharina und dem Tochtermann Friedrich Werkle bin ich von Bremen ab mit dem Schiff „Albers" 3 Tage vor Michaelis 1828 in die hohe See eingesegelt, von 783 auf dem Schiffe sich befindenden, sind 33 Kinder gestorben, 42 geboren; auch 7 Frauen raubte der Tod. Nur einmal hatten wir Sturm und schweres Gewitter, der aber 10 Tage dauerte, darnach hatten wir eine heitere wohl beschwerliche aber nicht gefährliche See und Meeres Fahrt! 3 Tage vor dem Weihnachts Fest 1828 sind wir aus dem Schiff aufs Land gestiegen bey Rio de Janeiro in Armaßon; der überall zugegende Gott hatte uns frisch und gesund erhalten! 3 Wochen nach Weihnachten verheyrathete sich meine Tochter Henriette Katharina mit Jakob Adamy von Schrnidthackenbach bey Kirn an der Nahe; sie wurden in der Englischen Kirche in Rio de Janeiro von einem Englischen Pfarrer kopuliert; 8 Tage nach ihrer Hochzeit schenkte Gott meiner Tochter Katharina einen jungen Sohn. Dem Jakob Adamy seine Mutter, sein Bruder mit 5 Kindern und seine Schwester sind mit uns gesund und wohl angekommen, es ist keine kleines Wagstück über 3 Seen, die Nordsee, die Spanische See und den Atlantischen Ocean die Reise nach einem anderen Welttheil zu unternehmen! 4 Wodien nach der Verbindung meiner Tochter Henriette Kathrina starb die Mutter meines Schwiegersohnes Jakob Adamy in Armaßon. Dort wir uns 14 Wochen lang aufhalten bis zum 10ten März 1829, mit einem Portugieser Schi' machten wir die Fahrt frey bis nach Porto Alegro, und von da bis nach de Neuen Stadt Sanct Leopoldo auf diese letzten Seereise nahm Gott das Kin( meiner Tochter Katharina welches in Ar maßon geboren war, wieder zu sich!
 
Mein Schwiegersohn Friedrich Werkle starb in Porto Alegro im Hospital; schon in Armaßon war er krank geworden. Obgleich er in Porto Alegro recht gut verpflegt wurde und die Doktoren sehr bemühten seyn Leben zu erhalte, so hatte es Gott doch anders über ihn beschlossen! — Auch meine 2 Töchter wurden auf der letzten Reise von Tödlicher Krankheit überfallen, womit sie ein ganz Viertel Jahr behaftet waren, Der Allgüte Gott erhielt sie mir; doch waren sie schwer krank so sehr, das keins dem andern einen Trunk Wasser reichen konnte! — Ich und mein Schwiegersohn Jakob Adamy waren weder auf dem Wasser noch auf dem Lande alle: nicht mal eine Stunde krank.
 
Den 10ten May 1829 kamen wir in diesem von Gott mit reichlicher Fruchtbarkeit gesegneten Lande in dem alles immer grünt und blühet glücklich an; bey Georg Schirmer von Wald Laubersheim bey Bingen kamen wir zu wohnen; bey denen es uns an allen Lebensmitteln nicht mangelte; Gott führte uns zu recht Leuten! die meinen kranken Töchtern aufwarteten wie ihre Eigenen Kinder! —im Monat August 1829 verehelichte sich meine Tochter Katharina wieder mit dem Sohn aus dem Hause, mit Philipp Schirmer; im Monat Oktober 1829 habe ich mit meinem Schwieger Sohn Jakob  Adamy unsere Kolonie angetreten, diese unsere Kolonie oder Landes Eigenthum ist gelegen im Urwalde in den 48 Kilonien hat sie die Nr. 46 und liegt in der Pikade Rio di Fiktoria, wir haben sie für 20 Thaler gekauft; ein hiesiger Thaler hat den Werth von 6 Franken!
 
Da uns die Zeit zu lange dauerte bis daß wir eine Kolonie erhielten wir auch nicht gerne zu weit in den Wald. Hinein möchten, so handelten wir uns diese Kolonie ein, mit der wir sehr glücklich gewesen sind; es sind 2 Stunden von den Kamp oder freiem Lande aus bis nach unserer Besitzung! wir haben gutes ebenes Land und Bergiges! bey unseren Wohnungen sind klare Brunnen. Das Wasser ergießt sich in den eine Viertelstunde von unseren Gebäuden befindlichen Rio oder Fluß, der schiffbar ist bis nach der Stadt Porto Alegro, Georg Bauermann von Horn der einen Kramladen und Wirthschaft hat, der verheyrathet ist mit Non seiner Tochter Katharina hat sich jetzt ein Schiff bauen lassen, er ist der 4te Nachbar von uns; unsere Kolonie hat 100 Braßen in die Breite und 1600 in die Längen Tiefe, eine Braßen hat 71/2 Fuß!
Von allen deutschen Feld und Gartenfrüchten pflanzen wir hier, Grüne Gemüse können wir das ganze Jahr durch haben; die Maniok oder Farinen Wurzeln sind sehr angenehm, schmecken noch besser als Kartoffeln, die Wilden Wurzeln werden in den Mühlen zum feinsten Mehl gepreßt, und noch teurer als an deres Mehl verkauft; die deutschen Kartoffeln gerathen im Jahr 2 mal; man hat hier Powern eine Art Fleschen, von Geschmack wie gelbe Rüben; die meisten sind fürs Mastvieh bestimmt; Batatten sind süß schmeckende Kartoffeln; angenehmen Geschmack.
Viel Bohnen, besonders schwarze und weiße, auch von allen Farben. Reis haben wir ein halb Faß voll gesäet und 5 Malter geerndtet; der Türkische Weitzen oder das Welschkorn geräth hier häufig 2 mal im Jahr; das Zuckerrohr, aus dem auch Branntwein gebrannt wird pflanzen wir hier so dicht, als das Streitbeer-Bäumchen in dem Garten ist, den Wein Reben thun die Ameisen Vielen Schaden; Baumwolle, Oehl und Tabak wachsen beynahe gleich dem Unkraut; die Hauptpflanzungen sind in den Monaten September und Dezember! Das Korn, Gerste, Hafer, Flachs und Hanf, Erbsen und Linsen werden im Monat Juni gesäet! Das Welschkorn, die Powern und Kartoffeln gerathen in Menge 2 mal jährlich, deutsches Obst haben wir noch nicht hier, das Südobst sind Apfelsinen, Feigen, Bananen, Limonen, Pfirsiche, Feigen und Orangen Bäume, die hier viel schneller wachsen als in Deutschland die Obstbäume! Doch an vielen Stellen lassen die Ameisen die jungen Bäumchen nicht emporkommen!
Der Erdboden hier im Walde bedarf nicht der Besserung des Düngers! Die abgehauenen Baumstämme die in der Erde verfaulen und die Asche und das Laubwerk der Bäume düngen das Land; 
 
Der Wald kann noch nicht mit dem Pfluge bearbeitet werden, weil die Wurzeln der Bäume noch im Wege stehn! — unser Ackergeschirr besteht daher nur aus Axt und Hacke, — Heu brauchen wir nicht zu machen, weil es nicht wintert! Rindvieh und Pferde gehn Tag und Nacht in einer umzäunten Weide, die Kühe kommen Abends zu ihren im Stall gelassenen Kälbern nach Hause um gemolken zu werden; die Pferde sind and.' so zahm daß wenn man sie ruft sie gleich heran kommen; — wir haben 4 Kühe und 4 Kälber; 3 tragbare Rinder, einen Farrochsen, 2 Reitpferde, ein junges Füllen, Schweine mehr als genug; — die Anzahl der Hühner können wir nicht beschreiben, da wir selbst nicht wissen wieViel wir haben, indem wir sie selbst nicht zählen können; wir haben schon für 10 Thaler Hühner auf einmal verkauft; anch. aus Butter und Eier lösen wir vieles Geld! - alles können wir absetzen und zu Gelde machen schon in unserer Nachbarschaft, wir haben keinen Mangel an irgend einem Guten doch rahte ich keinem hierher zu kommen, uns deucht, es wäre noch besser in Nordamerika!
 
Ein jeder Kolonist hat auch seine Handmahlmühle, doch gibt es auch jetzt mehrere Wassermahlmühlen in den 3 Haupt Waldesstraßen oder Pikaden und auf dem freien Lande; das Land ist auch viel von Portugiesen bewohnt, einige darunter haben es viele Tausenden Rindvieh und Schafe und Pferde, daß sie selbst nichttwissen wie viel! - Unsere 4 Kühe mit Kälber kosten uns 64 Thaler, die Pferde 17 Thaler; Wildes Vieh ist hier auch gar mancherlei, die Jagd ist überall frey, -
Die Wilden Schweine sind sehr oft hundertweise beysammen; - doch da wir und ein jeder Kolonist einige Hunde haben, so lassen diese die Schweine nicht in unsere Nähe kommen. Die Ameisen und die Sandflöhe sind hier das meiste Ungeziefer, doch sind diese an einigen Stellen mehr als an andern, wo wir wohnen, spüren wir wenig die Sandflöhe in den Füßen; es ist hier ein warmes Land, die Hitze des Sandes bringt die Flöhe hervor!
 
Für Menschen ist die Hitze leidlich, es ist hier nicht zu warm! Um die Weihnachtszeit ist es hier am wärmsten! Die Winterzeit die Monate Juny, July und August, darin es oftmals regnet; der Kaffee wächst nicht hier, denn es ist hier zu kalt, und doch trinken wir ihn täglich 2 auch wohl 3 mal; Fleisch essen wir alle Tage; mit Zugemüse haben wir dieselben Veränderung wie in Deutschland!
 
Das Klima dieses Landes ist gesund und das Wasser rein und wohlschmeckend; wegen der häufigen Stürme und starken Winde sind die Häuser alle nur von einem Stockwerk; wir bauen uns jetzt ein Neues Haus und decken es mit hölzernen Schindeln, denn die Ziegeleien sind zu weit von uns entfernt; das brauchbarste und kostbarste Holz, dicke und dünne Stämme zum Bauen und Möbeln sind hier, unter andern die ächten Cedern; Abgaben haben wir bisher noch nicht! Es wohnen schon 60 Jahre Portugiesen hier, die noch keine Abgaben bezahlt haben! Was die Subsidien oder die Kopfgelder angeht, so haben wir noch die von einem ganzen Jahr die halben zu fordern; auch das versprochene Vieh, Ackergeräth und dergleichen!
 
Der Kaiser von Brasilien ist schon lange aus seinem Reich! Krieg haben wir nicht, und können nicht bestimmen, wie lange es so, wie es jetzt ist, noch bleiben wird;
Im vorigen Jahr haben die Deutschen eine Neue Evangelische Kirche erbaut, sie ist von meinem Schwiegersohn Philipp Schirmer eine Viertelstunde entfernt,
eine andere Protestantische Kirche steht 2 Stunden von uns;
2 Evangelische Pfarrer sind hier die Schullehrer, haben gar keine Unterstützung von der Regierung. Von den Wilden haben wir nichts zu befürchten, weil schon so viele Deutsche hinter uns wohnen; seit der Zeit, da wir hier im Lande sind, verlohren schon 21 Deutsche groß und klein ihr Leben durch die Wilden.
Ich wohne mit meinem Schwiegersohn Jakob Adamy und meiner Tochter Henriette Katharina zusammen in einer Behausung.
Wir Leben im Vergnügen, Eintracht, Zufriedenheit, Arbeitsamkeit und Wohlergehen mit einander! So das obgleich ich den 2ten May dieses Jahres 63 Jahr alt bin, ich doch Gott bitte, mich, wenns ihm gefällt und mir nützlich ist, noch 20 Jahre leben zu lassen! Mit unserem freien Land Eigenthum waren wir recht glücklich, wir haben darauf zu Leben! und können noch übrige Früchte verkaufen.
Unsere Nachbarn sind Heinrich Haupert von Sien Hopsteten, Peter Ehlin und Nicolaus Ehlin von Mammichel, und Peter Reinheimer von Alten Glan;
unsere Landes Leute von Niederlinksweiler wohnen noch 2 Stunden von uns ab;
Jakob Schwingel von Oberlinksweiler wohnt 2 Stunden von uns in einer andern Walles-Pikade;
Wilhelm Maurer von Bischmisheim wohnt auch 2 Stunden von uns;
Philipp Elicker auch 2 Stunden von uns,
Mathias Maurer wohnt auf dem Kamp oder dem freien Lande 2 Stunden von uns;
Peter Becker von Wiebelskirchen wohnt auch 2 Stunden von uns; Nicolaus Alles wohnt 4 Stunden entfernt. Jakob. Schmidt von Eisen, Thomehs Tochtermann von Sankt Wendel wohnt 3 Stunden von uns.
Michael Adamy von Schmidthachenbach, der Bruder meines Tochtermannes, wohnt auf Nr. 33 in diesem 48 Kolonien, worin wir wohnen; er ist mit Frau und Kindern noch so gesund und wohl, als sie waren wie sie von Haus abreiseten; sie haben hier noch eine junge Tochter erhalten, jetzt ein halb Jahr alt, er befindet sich in eben dem guten Stande, worin auch wir Gott dafür danken.
 
Die Ehe meiner Tochter Henriette Katharina hat der Liebe Gott mit einem Sohn gesegnet, der in der heiligen Taufe die Namen Philipp Jakob erhalten hat und Michaeli Tag dieses Jahres 2 Jahre alt wird und munter und gesund ist;
Meine andere Tochter Katharina wohnt 4 Stunden von uns, hat 2 Kinder, einen Sohn 2 1/4 Jahr alt Namens Heinrich Jakob und ein Mädchen 8 Wochen alt, Maria Katharina genannt; sind alle gesund und wohl und befinden sich auch in dem glücklichen Stande, wie wir dafür Gott ewig preisen; sie haben auch Wald wie wir, doch wohnen sie näher an dem freien Lande; die Tochter Katharina hatte keine Lust tiefer in den Wald hinein!
Meines Schwiegersohn Schwester Maria Elisabeth hat sich seit 1829 verheyratet mit Jakob Tatsch von Holzbach bey Kirchberg zu Haus und wohnt auf Nr. 21 in derselben Pikade, worin wir wohnen! — Sie hat einen jungen Sohn, ein Jahr alt;
Peter Bauer von Becherbach wohnt von uns eine kleine Stunde, er ist mit seiner jungen Frau wohl und gesund;
Jakob Barth von Schmidthachenbach wohnt 4 Stunden von uns; Gott hat ihn mit einem jungen Sohn erfreut,
Johannes Scherer und Johannes Siegel von Hachenbach wohnen vor dem Walde, der Weg geht bey ihnen zu unserm Laneseygenthum durch; diese sind auch im Wohlergehn.
Nun, mein vielgeliebter Schwieger Sohn Jakob Lind, Grüße ich Dich und meine vielgeliebte Tochter Louise Vieltausend Mal! auch meine Tochter Henriette Katharina.
Katharina und ihr Mann Grüßen mit mir Euch und Eure herzliebste Kinder;
Viele Grüße an meinen Bruder Michael sammt Frau und Kinder, an die Schwester Louisa nebst ihrem Mann und Kinder, Daniel Ney und seine Familie, an Jakob Bettinger und seine Familie, an meinen Schwager Küßler nebst Frau und Kinder viele herzliche Grüße!
 
An die ganze Küßlerische Familie in Niederlinksweiler, an Heinrich Voltz und an alle seine Geschwister nebst Frau und Kinder
An Ludwig Mühlenbacher in Maintzweiler sammt Frau und Kinder
Viele tausend Grüße an Bernhard Tilk in Berschweiler mit Familie Grüße ich vielmals freundlich,
auch meine Nachbarschaft in Niederlinksweiler,
auch meine Baase Anna Maria Schmidt in Dörrebach und ihre Kinder und Enkelchen und Ihre ganze Anverwandtschaft grüße herzlich;
Vorzüglich Grüße ich Hochachtungsvoll den Herrn Pfarrer Schmoll in Niederlinksweiler Hochwürden! sammt Frau Gemahlin und Kinder, ferner den Herrn Schullehrer Jakob Groß!
 
Mein Schwieger Sohn Jakob Adamy Grüßet an seinen Vetter und Path Jakob Adamy in Limbach bey Meisenheim sammt Frau und Kinder und an seine Gothe Anna Elisabetha Adamys Frau Grüßet Sie herzlich.
Michael Adamy läßt seinen Schwager Michael Lang und alle seine Anverwanten Freunde und Bekannten in Limbach Grüßen,
die Schwester Maria Elisabeth läßt an Peter Adamy in Krebsweiler bey Kirn vielmals grüßen nebst dessen Frau und Kinder;
ich bitte Dich, vielgeliebter Schwieger Sohn Jakob Lind, diesen Brief an Jakob Adamy in Kimbach zu schicken!
 
Meine Tochter Katharina läßt Ihre Schwieger Mutter Maria Katharina Werkle und ihre Kinder freundlich Grüßen!
Meine Tochter Henriette Katharina grüßt an Johannes Pirro in Steinbach und frägt bey ihm an, ob er das Geschenk, was sie ihm von Bremen mit gegeben hat, für ihre Schwester Louise, nemlich einen schwarzen Tuchenen Rock, ein Paar Baumwollene Strümpfe, ein Spitzenhalsband, eine weiße Kappe, einen Silbern Finger Ring ihr überliefert hat! und der Barbara Werkle eine schwarze Hochzeitsmütze und ein rothes Sacktuch von Katharina abgegeben hat!
Als Geschenk hat er von meiner Tochter Henriette Katharina einen Thaler als Traglöhn erhalten!
An Dich meine Herzlich geliebte Tochter Louise übersende ich die Quittung der Herzoglich Sächsischen Landes Kassen über das Steig Protokoll Du sollst das Geld dafür allein erheben, ich habe es hier nicht mehr nöthig!
 
Euch allen Vielgeliebte Herzlich Werthgeschätzte Anverwante Frauen und Bekannte möge der Allmächtige Gott segnen beglücken und erfreuen in Zeit und Ewigkeit! Auch bitte mir so schnell wie möglich wieder zu schreiben und mir auch Alles Neues und Merkwürdiges zu melden und auch mir zu wissen zu tuhn, an welchem Ort sich mein Lieber Bruder Peter Löbian in Nordamerika aufhält, damit ich auch mal an den schreiben kann.
 
Mache die Adresse, wenn Du an mich schreibst, an den Kolonist Jakob Adamy, wohnhaft in den 48 Kolonien oder Picade Rio de Fiktoria Nr. 48 im Urwald auf der Kolonie Sanct Leopoldo, bey der Stadt Proto Alegro in der Provinz Rio Grande de Sul im Kaiserreich Brasilien; um den Brief muß eine Umschrift und Bittschrift mit Adresse an den Königlich Preußischen General Konsul Herrn Freyherrn Karl Wilhelm von Theremin Exellenz in Rio de Janeiro, Franco oder Postfrei bis Hamburg, dann kommt Dein Brief Gott gebe bald richtig in meine Hände!

Lebe wohl Vielgeliebeter Schwieger Sohn,
Lebe wohl Vielgeliebte Tochter sammt Deinen Lieben Kindern!
Lebet alle immer ewig recht wohl die Ihr in diesem Briefe benannt und gegrüßte seyd; sollten wir Euch auf dieser Welt nicht wieder sehen so wird es Gott im Himmel lassen geschehen; Mein Herz und Geblüt wird mir zu dick, so wünsche ich Euch allen denn noch Viel tausendmal Glück! Lebet wohl in Freuden, niemals Betrübe Euch ein Leiden; die Allgegenwärtige Dreieinigkeit sey stets Eure Hilfe und Zuflucht in der Wallfahrtszeit! Denket oft an uns, denn stets werden wir an Euch denken, und Euer Vater wird die Liebe Euch bis in sein Grab noch schenken."



Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
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