Schriftzug

Die Tagebücher, Band 1

 

Die Reise nach Ostasien auf dem Transportdampfer Patricia.

 

Nikolaus Peter Hermann Dörrenbächer

2. Kompanie O. M D.

Ausreise III. Seebataillion 3.K.

 

Sonntag, den 11. Januar 1914.

Morgens wurden die Bordkisten und Kleidersäcke gepackt und nachmittags war Transport derselben zum Schuppen der Hamburg-Amerika-Linie. Abends feierten wir Abschied.

 

Montag, den 12. Januar 1914.

Um 5 Uhr hatten wir Wecken; zum letzten Male auf deutschem Boden. Nachdem wir uns etwas gestärkt, machten wir uns klar zur Reise. Unter kräftigem "Hurra" nahmen wir Abschied von der Matr. Art. der IV. A. Nach Anstimmung des von unserem Kameraden Muns gedichteten Kugelbake-Lied verließen wir das Fort Kugelbake [s. Anh.] und rückten zur Seedeichskaserne. Von hier aus ging es zum Hafen, begleitet von der Kapelle des III. Seebataillion, welche das bekannte Abschiedslied "Muss i denn zum Städtele hinaus" spielte. Als wir am Hafen ankamen, lag die Patricia schon an der Mole. Wir verstauten sofort unser Gepäck. Inzwischen hatte sich eine große Menschenmenge am Hafen eingefunden, welche die Abfahrt des Dampfers abwartete. Gegen drei Uhr erschien der Kommandant der Stadt Cuxhaven an Bord. Er hielt eine kurze Ansprache und wünschte uns eine glückliche Reise. Als der Stadtkommandant die Patricia verließ, wurden die Anker gelichtet und die Musikkapelle spielte "Deutschland, Deutschland über alles". Alsbald fing die Schraube an zu arbeiten, und unter Klängen der Musik "Muss i denn zum Städtele hinaus" verließen wir den Hafen. Die über tausendköpfige Menschenmenge winkte uns den letzten Gruß. Bald entschwand Cuxhaven aus unseren Augen, und gegen 5 1/2 Uhr passierten wir die Insel Helgoland.

 

Dienstag, den 13. Januar 1914.

Wir befanden uns auf hoher See und sahen weiter nichts als Himmel und Wasser. Nachmittags vier Uhr kamen wir in den Kanal von Dover-Calais zwischen England und Frankreich. Auf Backbordseite sahen wir Calais (französische Küste) mit seinem Leuchtturm und auf Steuerbordseite den englischen Kriegshafen Dover. Hier sahen wir das gestrandete Segelschiff "Preußen" liegen [s. Anh.]. Wir fuhren weiter an der englischen Küste entlang.

 

Mittwoch, den 14. Januar 1914.

Gegen 7 Uhr morgens passierten wir Cherbourg. Nachmittags sahen wir den französischen Kriegshafen Brest sowie ein Torpedoboot=Geschwader der französischen Flotte. Von den Häfen Southampton und Portsmouth sah man, da es inzwischen schon dunkel geworden war, nur die Lichter. Ein Stück weiter sahen wir die Insel, wo im Jahre 1878 der Große Kurfürst gestrandet ist.

[s. Anh.]

 

Abends kamen wir in den Golf von Biskaya (Atlantischer Ozean). Hier war die See ziemlich unruhig, und die Seekrankheit machte sich bemerkbar: reihenweise standen sie an der Reling und gaben den Inhalt ihres Magens den tobenden Wellen preis. In der Nacht näherten wir uns mehr der französischen Küste.

 

Donnerstag, den 15. Januar 1914.

Am Morgen begegneten wir drei englischen Linienschiffen sowie verschiedenen Handelsdampfern. Gegen Abend halb 8 Uhr sahen wir den Leuchtturm von Cap Finisterre, welches die Nordwestecke Spaniens ist.

 

Freitag, den 16. Januar 1914.

Im Laufe der Nacht hatten wir dem Golf von Biskaya durchfahren und befanden uns des Morgens im Ozean. Vormittags sahen wir in weiter Ferne die Küste Spaniens. Mittags waren im Ozean verschiedene Felsblöcke zu sehen. Nachmittags passierten wir in nächster Nähe in die Küste von Portugal. Man konnte vieles genau erkennen. Auf einem hohen Felsen sah man in romantischer Lage ein Schloß und an der Küste einen Leuchtturm. Außerdem sah man in der Ferne Portugals Hauptstadt, Lissabon. Mitten im Meere sahen wir einige zerklüftete Felseninseln. Gegen 5 Uhr entschwand alles unserem Blick mit Ausnahme von Himmel und Wasser. Im Ozean sahen wir viele Delphine. Abends sahen wir Lichter von vorbeifahrenden Schiffen.

 

Samstag, den 17. Januar 1914.

Am Morgen kam wieder die Küste von Spanien in Sicht. Gegen Mittag gelangten wir in die Straße von Gibraltar. Auf Steuerbordseite sah man die Küste von Afrika (Marokko), große Gebirge mit Ruinen und viele Kreidefelsen. In einem Tale sahen wir die spanische Hafenstadt Tanger. Ein Backbordseite erblickten wir die große, fast uneinnehmbare Festung Gibraltar. Die Festung liegt auf einem hohen Felsen, welcher in das Meer hinausragt. Nachdem wir die Straße von Gibraltar passiert, kamen wir in das mittelländische Meer.

 

Sonntag, den 18. Januar 1914.

Wir befanden uns im Mittelländischen Meer. Gegen 9 Uhr erblickten wir in der Ferne die afrikanische Küste. Bis gegen Mittag waren wir derselben näher gekommen. Den ganzen Nachmittag blieb sie in Sicht. Steile Berge mit üppigen Wäldern und grüne Täler wechselten dauernd ab. Sogar eine Karawane konnten wir deutlich erkennen. Am Abend sichteten wir einen Leuchtturm. Um 11 Uhr abends passierten wir Algier, die Hauptstadt von Algerien (Fremdenlegion)

 

Montag, den 19. Januar 1914.

Morgens sahen wir die afrikanische Küste nur noch in weiter Ferne und bis zum Nachmittag war sie vollständig unseren Blicken entschwunden. Wir passierten einen Dampfer der Hansa-Linie.

 

Dienstag, den 20. Januar 1914.

Gegen 10 Uhr morgens passierten wir die italienische Insel Pendularia (Insel für italienische Verbrecher) [s. Anh.].

 

Gegen Abend sahen wir die Lichter von Malta, der ersten Haltestation auf unserer Reise. Gegen 10 Uhr fuhren wir langsam in den Hafen ein, und bald lagen wir still. Um 12 Uhr nachts war Löhnung und zwar englisches Geld (Schilling).

 

Mittwoch, den 21. Januar 1914.

Um 4 Uhr morgens war Wecken. Nach dem Frühstück Klarmachen zum An-Land-gehen. Von 8 Uhr an wurden wir gruppenweise mittels kleinen Dampfbooten übergesetzt. La Valetta ist die Stadt, welche wir besuchten.

 

Sie ist eine englische Festung mit 40.000 Einwohnern, meist Italienern, circa 10.000 Mann englisches Militär. Die Stadt liegt terassenförmig auf einem Berg. Die Straßen sind meistens eng, in der Stadt herrscht ein reges Leben und Treiben, überall Händler und Händlerinnen, die ihre Waren feilbieten. Italiener ziehen mit Ziegen in den Straßen umher und verkaufen ihre Milch. Die Frauen tragen arabische Tracht. Sehr sehenswert sind die Kathedrale und die Todenkopfhalle. In letzterer sind tausende von Schädeln und Knochen aufbewahrt. In den Restaurants gab es den bekannten Maltawein.

 

Nachdem wir uns einen kleinen Schwips gekauft, gingen wir um halb 12 wieder an Bord. Jetzt kam die nächste Gruppe an Land, welche um halb 6 Uhr zurückkehrte. Um sechs Uhr hieß es „Anker auf“, und wir fuhren unserem nächsten Ziele zu mit dem Gefühl im Herzen einiger Stunden tadellosem Amüsemang.

 

Donnerstag, den 22. Januar 1914

Nichts von Bedeutung. Himmel und Wasser.

 

Freitag, den 23. Januar 1914.

Nichts von Bedeutung.

 

Samstag, den 24. Januar 1914.

Am Tage nichts von Bedeutung. Gegen Abend erblickten wir den Leuchtturm und die Lichter von Port-Said. Gegen 8 Uhr fuhren wir in den Hafen ein. Kaum lag die Patricia vor Anker, als auch schon die Eingeborenen ihre Waren feil boten. Hauptartikel waren die berühmten Simon-Arzt-Zigaretten. [s. Anh.]

 

Das Feilschen und Handeln, welches sich teils an Bord, teils von den Kähnen aus vollzog, dauerte die ganze Nacht. An Land kamen wir nicht. Nachdem die Patricia einen Scheinwerfer an Bord genommen hatte, setzten wir unsere Reise am Sonntag, den 25. Januar 1914 frühmorgens um halb 4 Uhr fort. Jetzt kamen wir in den von Lesseps erbauten Suez-Kanal. Derselbe trennt Afrika von Asien. Der Kanal ist ungefähr 80 Meter breit und 160 Kilometer lang. Die Fahrt durch denselben ging sehr langsam. Auf der afrikanischen Seite läuft eine Eisenbahn längs des Kanals, welche Port-Said mit Suez verbindet. Mit Ausnahme einiger Bahn- und Schiffsstationen erblickt man nur die Sandwüste. Im Kanal begegneten uns verschiedene Dampfer, unter anderem auch die Königin Louise vom Norddeutschen Lloyd, welche von einer Australienreise zurückkehrte. [s. Anh.]

 

Abends acht Uhr kamen wir nach Suez. Bei der Ankunft spielte die Kapelle "Heil dir im Siegerkranz" und "Deutschland, Deutschland über alles". Auch hier kamen wieder Händler mit ihren Kähnen, welche ihre Waren feil boten. Nachdem der Scheinwerfer abgegeben, setzten wir unsere Reise nach 1 1/2 stündigem Aufenthalt um halb 10 Uhr fort. Die ganze Fahrt durch den Kanal dauerte 18 Stunden.

 

[Leider geht das Tagebuch hier nicht weiter. Es handelt sich vermutlich um einen nicht vollendeten Nachtrag.]

 

 

Mobilmachung

 

Tientsin, 29. Juli 1914.

 

Auf Citywache: Es war gerade Mittagszeit, als wir unser Essen von einem Boten vor unserer Wachstube, wegen der großen Hitze, die in Tientsin im Monat Juli herrscht, hingesetzt bekamen. Ich lag auf meinem Holzbette und wurde anstatt zum Essen auf einmal mit dem Worte "Mobilmachung" geweckt, also waren meine Kameraden in der schönen Heimat schon kriegsbereit und über die Grenze in Feindesland eingerückt. Wir ließen den Eiergulasch usw. stehen, packten unsere Tornister und alle Munition, luden sie auf Rikschas, und so ging es in großen Schritten von unserer Citystation, die uns als Wachviertel von Tientsin (China) zugedacht war, wo gerade meine Kompanie K2 die Wache besetzte. Es war dieses meine erste Citywache. Als Wachhabender war bei mir Herr Unteroffizier Kornetzky, dann Seesoldat Quabeck, Seesoldat Josef Kohlhep", Seesoldat Häuser, Seesoldat Friedrich Müller und ich.

 

Die Wache bei Herrn Dorpmüller besetzte Seesoldat Böning - Herr Dorpmüller war ein Deutscher, welcher an der chinesischen Eisenbahn als Schiffsingenieur angestellt war und über ein schönes Vermögen verfügte. [s. Anh.]

 

So ging es dann von der City in großer Hitze und durch die Menschenmengen der Chinesen bis zur Straßenbahn, wo wir eine Strecke fuhren und dann zu Fuß in einer guten Stunde durch und durch in Schweiß gebadet im Lager ankamen. Hier herrschte schon die größte Tätigkeit: es wurden die besten Garnituren schon in Empfang genommen und die eigenen Sachen eingepackt. Nun war ein Ein- und Auspacken den ganzen Tag.

 

Am Abend wurden wir über unsere Lage aufgeklärt, und um 9 Uhr ging es in größter Ruhe mit schwer gepacktem Tornister aus Tientsin raus nach einer Nebenstation "Tschentungschuang", um den anderen internationalen Truppen keinen weiteren Anlaß zu einer etwaigen Aufwiegelung zu geben - wieso wir auf einmal ziemlich unbemerkt von Tientsin verschwunden waren und unbewacht in Tsingtau sein konnten, um im nötigen Falle alle unsere Kraft Ostasiens zusammen zu haben. Das Einladen hatte noch manche Beschwerde. Es überraschte uns ein starker Regen, und um ein Uhr ging es dann, nachdem wir alle Pferde, Maschinengewehre, Proviantwagen usw. eingeladen hatten, von Tschentungschuang ab, und mancher dachte über das nomadische Leben, das wir als Soldat führen in China, nach und dann, was wohl noch kommen mag usw.

 

Auf der Fahrt nach Tsingtau

 

So ging es dann vier Tage an manchen Stationen vorbei, wo wir auf etlichen von Deutschen noch köstlich bewirtet und unter "Hurra-Rufen" empfangen wurden, unter noch allerhand sonstigen Erlebnissen Tsingtau zu. Wir machten auf einer Vorstation von Tsingtau halt und stiegen bei einem schrecklichen Regen in "Syfang" aus. [s. Anh.]

 

Es ging nun im größten Stillschweigen und innerer Aufregung, die gar jedem von uns Soldaten in der ersten Kriegssituation eigen war, dem Lager der M.A.R. 5. zu, und wir gelangten um ein Uhr dort an. Wir waren mit der K1 und K2 O.M.D. von Tientsin zusammen hier angelangt.

 

 

 

In Syfang angekommen

 

Wir empfingen hier dann noch gleich Essnäpfe und bekamen auch noch was zu futtern, denn auf der Reise war die allgemeine Kost knapp und wir alle hatten Kohldampf. Hier traf ich beim Essnapfempfang unter einer spassigen Situation einen Landsmann, der gerade am Eingange vom Lager auf Posten stand. Es war August Schaadt von Namborn, St. Wendel. Ich durfte aber nicht mit ihm sprechen wegen unseres Feldwebels - wie freut man sich, wenn man hier in China einen so nahen Landsmann trifft.

 

Wir von der K2 kamen etwas abseits vom Lager in Baracken, wo wir am anderen Morgen um 5 Uhr wieder rausgingen, in unsere nassen Kleider schlüpften und dann auf der Bahn unsere Kleidersäcke holten. Danach kleideten wir uns um, tranken Kaffee und wurden corporalschaftschaftsweise zusammengelegt. Nach zwei Tagen kam dann auch die 3. Kompanie, O.M.D., zu uns, wo ich wieder meine Landsleute Jakob Koenig und Christian Dörr traf, die mit mir eingetreten waren, und es wurden wieder die alten Liedchen, die wir in Cuxhaven einander gelernt hatten, gesungen und vieles von der Heimat erzählt.

 

Hier waren wir circa 10-12 Tage. Von Anfang an wurde nicht viel Dienst gemacht als Gewehrreinigen und -zielen und etwas Exerzieren. Dann machten wir Spaziergänge in Hemdsärmeln, um die Gegend etwas kennen zu lernen. Gegen Ende bekamen wir noch Wache im Lager der M.A.R. und auch Tsingtau. Meine erste Wache im Lager war nach einer Patrouille mit Gefreiter Müller Robert, Seesoldat Becker, Seesoldat Häuser und Seesoldat Enlitz. Von dieser Wache zurück kam ich direkt mit nach Tsingtau auf Wache und stand zwei Nächte an der Deutschen Bank als Doppelposten. Wir waren hier bald zwei Tage und mußten dann zu Fuß drei Stunden laufen, bis wir in Syfang ankamen, denn wir wurden von K1 verspätet abgelöst und konnten so die Bahn nicht mehr benutzen.

 

Am anderen Tage standen wir wieder als Hauptwache:

 

Wachhabender: Sergeant Wolter,

Gefreiter Bickel, Seesoldat Willi Leist, Gefreiter Karl Vogel, Seesoldat Fritz Müller, Seesoldat Holet, Seesoldat Kahlhopf, dann Seesoldat Josef Schiegel, Seesoldat Jakob Andernach, Seesoldat Johann von Rißwyk, Seesoldat Häuser, Seesoldat Satori, Seesoldat Alfred Grabeck und ich.

 

Unsere allgemeine Gedanken waren, daß wir hier in Tsingtau am sichersten waren, aber wir sollten uns getäuscht haben. Mancher hatte sich nach Hause gewünscht, um mitzukämpfen, es wurde uns aber auch das gegönnt. Auf einmal hieß es: Japan hat an uns gestellt am 15. August ein Ultimatum, Tsingtau bis zum 22. des Monats zu räumen. Die Antwort unseres Gouverneurs war: "Wenn Sie es haben wollten, möchten sie es sich holen". Hierauf gaben sie eine Frist bis zum 15. September.

 

Nun verließen wir Syfang. Es ging ins Vorgelände, und wir kamen nach langen Marsch in "Litsun" an, in ein großes Gefängnis der Chinesen, und wurden hier einquartiert.

 

Die Überschwemmung

 

Unser Einmarsch hielten wir mit dem schönen Lied "O Deutschland hoch in Ehren". Wir wurden dann auf die einzelnen Zellen verteilt, legt das Gepäck ab, erholten uns dann mal ein wenig. Es war denn auch hier schrecklich heiß und konnten 40 Grad Hitze in der Sonne verzeichnen. Uns war also zur Aufgabe gemacht worden, den Feind zu täuschen, ihm Verluste beizubringen, ihn auszuspionieren, um ihm so den Vormarsch zu erschweren. Es ging darum, Tag für Tag ins Gelände auf die Berge des allmächtigen "Huschang"-Gebirges, um Stellungen, Scheinstellungen, Wege, Deckungen usw. zu bauen. Es waren dies sehr anstrengende Tage bei der großen Hitze, und dann hieß es mit einer Feldflasche Kaffee aushalten, denn der Durst war immer allgemein.

 

Hierbei wurden wir manchmal von schweren Regengüssen heimgesucht, wo wir manchmal durch fünf bis sechs Flüsse, teils 100 Meter breit, unter Lebensgefahr und nur in Gruppenkolonnen Arm in Arm durchgehen konnten, und doch machte man noch manchen Ulk dabei. Dann waren wir in der Regenzeit, die hier in China Wochen lang anhält, ohne aufzuhören. Wenn es dann zwei Stunden regnet, werden Flüsse, in denen vorher kein Tropfen Wasser mehr war, so voll und reißend, daß sie übertreten, Äcker, Häuser usw. mitreißen und den sonstigen Verkehr teils unmöglich machen, denn all das Wasser von den Gebirgen kommt ja noch dazu und für uns, die wir dies zum ersten Male sehen, kommt das ganz wild vor; sobald es aber wieder auf hört, ist das Wasser in 3-4 Stunden auch wieder verschwunden. Wenn wir so durch und durch naß mit Tornister manchmal todmüde nach unserem Gefängnis kamen, sorgte aber auch unser Hauptmann wieder dafür, daß wir einen guten Quark und auch sehr gutes Essen bekamen, aber mager waren wir alle geworden und besonders die Dicken und Großen. Gegen Ende in Litsun wurde dann auch die Radfahrerabteilung in Gang gesetzt, wohin ich später kommandiert wurde. Wenn wir bei schwerem Regen im Lager waren, wurden wir auch von unseren Offizieren in der zu Hause stehenden Kriegslage instruiert und bekamen den Anfang und den Fortgang in politischer Auffassung vorgetragen und durch wen Japan auf uns gehetzt wurde, dem wir früher in nächstenliebender Weise im Militärischen usw. Instanzen behüflich waren und den Hauptgrundstein legten zum jetzigen Soldaten usw. Nun kam auf einmal was ganz Überraschendes, eine gewisse Sintflut über uns, und wir hätten damals beinahe eine Kompanie verloren.

 

Es ging mal wieder an zu regnen. Wir mußten auf den Boden und Dach unseres Gefängnisses flüchten, denn das Wasser war in unseren Räumen zu hoch gestiegen. Drei Kompanien wohnten in einem großen Chinesentempel, welchen sie unter größter Lebensgefahr am Schlusse verlassen mußten, indem sie Gewehre und Turnister wegwerfen mußten und die letzten durch gute Schwimmer gerettet werden konnten, so auch mein Landsmann Christian Doerr. Sie flüchteten auf den nächsten Berg, teils nackt im nassen Khakizeug und so weiter. Es war dies an 4./5. September 1914, wo die meisten umliegenden Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden. Von unseren zwei Kompanien fanden drei Kameraden beim Transport durch den Fluß den Tod nach einer erschreckenden Szene; es waren dies Seesoldat Edmund Breuer, Seesoldat Karl Hurnicky und Seesoldat Leopold Imhoff.

 

Wir mußten zusehen, wie sie ertranken, weil Durchschwimmen oder Leinen zu werfen durch die kolossale Strömung mit den größten Anstrengungen nicht möglich war. Es tat uns dies allen leid, denn wir alle dachten uns an der Kameraden Stelle und dann einen solchen Tode in so weiter Ferne von Eltern und Geschwister unterliegen zu müssen. Zwei wurden dann später tot angeschwemmt an einer anderen Stelle aufgefunden, aber von dem einen Kamerad - Breuer - fehlt bis heut noch jede Spur.

 

Am Morgen des 5. September um vier Uhr war dann das Wasser wieder gesunken, aber die mitleiderregenden Bilder sind kaum zu beschreiben, denn das Jammern der Chinesen um Kinder und Hab und Gut jetzt ohne Lebensmittel, ohne Kleider, Häuser usw. war traurig anzusehen. Wir gaben ihnen Feldzwieback und halfen anderwärts, die Not etwas zu lindern. Kurz nach diesen schrecklichen Erlebnissen rückten wir dann jeden Tag nach den Tsangkauer Höhen, um dort unsere Hauptstellungen auszuheben, denn hier sollte unsere Kompanie dem Feind hauptsächlich Verluste beibringen. Die 1. Kompanie, O.M.D., nahm Stellung in der Schatzukan"-Bucht, und 2. Kompanie O.M.D. blieb in der Litsungegend.

 

Nach einem Aufmarsch nach Tsangkan bekam ich einmal abends einen Schlaganfall, wo ich ein Fieber von 40 Grad erreichte. Durch Anstrengung in der Hitze wurde dies zurückgeführt. Denn unser Weg dauerte hin und her bei gutem Marsche vier Stunden, und auf Umwegen und großem Durst kam wir ermüdet ins Gefängniss. Auch hier mußten wir abwechselnd mit K3. Doppelposten am Ende des Dorfes stehen. Dann mußten wir zu 8 Mann in die Nähe von Linthing über Tsangkan weg auf Verdacht ziehen, bis wir mit der Kompanie ganz nach Tsangkan kamen. Unteroffizier Klein, Franz Müller, Ferdinand Andernach, Gefreiter Karst und ich kamen einen Tag vorher nach Tsangkan und sorgten für eine Küche, Unterkunft und so weiter. Die Kompanie kam nachher in Eisenbahnwagen, und die Radfahrer kamen in die frühere Wirtschaft "Erhohlung", wo wir noch Bier und sonstige Getränke antrafen. Ich war von da ab zu den Radfahrern kommandiert.

 

In Tsangkan. Die Vorpostengefechte.

 

Wir fünf Mann lagen im kleinen Wartesaal drei Tage. Die letzten Tage in Litsun war ich mit noch einem Teil der Kompanie mit der Pionierabteilung vom III. Seebataillion zum Brückensprengen der Chantsunbahn kommandiert worden. Da waren Eisenbahndämme von beinahe 100 Meter Länge von der Überschwemmung weggespült und ringsum wieder nichts als Wasser, auch waren wir wieder zu dieser Arbeit an einen großen Regentag geraten. Wir sprengten da gut 10 Brücken, und leid tat es uns, wenn wir die schönen deutschen Arbeiten zu vernichten mußten. Während dieser Zeit waren die Japaner schon im Anmarsch und in Sonku teilweise gelandet.

 

Die 5 Mann auf dem Bahnhof mußten nun als erste Wache von unserer Kompanie nach Conthabon, wo am nämlichen Tage als erster Verwundeter Tromp. Unteroffzier Schulze angeritten kam. Es lag hier in einem Tempel ein Reitertrupp der 5. Kompanie, dem wir als Wache zukommandiert wurden. Hier traf ich dann Schütte wieder und Weidmann, die bei den Reitern waren, zwei Tage nachher auch Christoph Mayer aus Kugelbake (Cuxhaven).

 

Am zweiten Tage, 16., erhielten wir unsere Feuertaufe von den Japanern. Es machten morgens vier japanische Patrouillenreiter in einer Entfernung von stark 1000 Meter halt und schossen ganz kalt auf uns. Wir natürlich machten gleich einen Sprung aus dem Tempel ins Gelände und feuerten drauflos, was nur ging. Sie saßen dann auf und ergriffen die Flucht. Wir gingen noch eine große Strecke vor, dann erhielten wir von rechts vom Dorfe Linthing Feuer und gingen aber zurück, und jeder erzählte und wollte besser wissen, wie die japanischen Kugeln eigentlich pfiffen. Sie schossen sehr schlecht, immer zu hoch.

 

Des Nachts stellten wir Doppelposten circa 200 Meter von unserem Tempel weg in der Nähe des Peischoho-Flusses nicht weit vom feindlichen Doppelposten. Im Tage konnten wir uns gegenseitig beschießen. Wir hatten unseren Posten auf einem Baum. Hier waren Ferdinand Müller und ich fast eine ganze Woche und hatten jeden Tag ein Gefecht.

 

Am 18. September Morgens wurde ein Kamerad vom III. Seebataillion namens Schulze verwundet; gegen Mittag fiel dann ein Reserveleutnant, Herr Freiherr von Riedesel. Wir brachten ihn nach fester Verteidigung auf Gewehren nach hier und auf Bambusstangen zu unserem Tempel. Es waren da auf 130 japanische Reiter im Dorfe Linthing gegen uns in Stellung gegangen, die wir aber mit 30 Mann zum Dorf hinausschlugen und das Dorf wieder säuberten. Die Japaner hatten gar noch einen Tempel besetzt, und es war schwer, ran zu kommen, denn durch den breiten Fluss, wo man dem anderen half, daß er nicht im Flußsand stecken blieb, war es uns nicht leicht geworden.

 

Dieses Gefecht dauerte von morgens 9 Uhr bis nachmittags um vier Uhr. Gegen Abend bekamen wir Meldung von unserer Chinesenpolizei (Spione), daß die Japaner des Nachts den Tempel mit Artillerie befeuern wollten, worauf wir uns mit allem 400 Meter zurück zogen und die Radfahrer 200 Meter weiter vor auf Vorposten lagen. Die Pferde und sonstige Lage wurden auf dem nächsten Berg untergebracht. Nun fing es um 10 Uhr an zu regnen, was das Zeug hielt, und wir lagen rechts und links vom Weg im Graben und dann in Khakizeug, und mancher wäre in der Nacht bald umgeklappt vor Kälte. Ferdinand Müller und ich machten ruhiges Gewehrstrecken und hielten uns so etwas warm. Aber die Japaner wurden uns gewahr und griffen in der Nacht nicht an. Wir hatten abends noch Verstärkung bekommen von unseren Radfahrern der Kompanie, die aber am Morgen wieder abzogen. Bei Tagesanbruch gingen wir dann schleichend mit aufgepflanzten Seitengewehr wieder in unseren Tempel, nachdem wir Handgranaten feuerten. Die unterste Batterie stand unten links vom Berge, und das machte manchem Spaß. Am Abend kamen die Japaner in großen Sturmkolonnen an, wo viele an den gelegten Minen ihren Tod fanden. Wir hielten uns etliche Stunden, mußten uns aber am Abend doch zurückziehen wegen der großen Übermacht, und mit Schmerz dachten wir an unsere schönen Stellungen, woran so mancher Schweißtropfen hing.

 

Wir zogen uns zurück bis nach Tsangkan an die Wirtschaft Erholung, lagen dann gar die ganze Nacht in Schützenlinie in Verbindung mit der 3. Kompanie O.M.D. bis Litsun. Gegen Morgen mußten wir uns wieder zurückziehen, denn die 1. Kompanie O.M.D. war nach günstigen Gefechten schon weiter zurückgedrängt worden und somithin die Gefahr für uns bestand, womöglich abgeschnitten zu werden. Wir gingen zurück bis Schwithingkon, wo wir unsere Fahrräder wegstellten und dann wieder links auf der Anhöhe schnell Stellungen im freien Felde bauten und wieder in Verbindung traten mit K3 O.M.D. und einen Teil der Pionierkompanie, III. Seebataillion, wo Feldwebel Keib und Sergeant Becker dabei waren. Links von uns stand eine Batterie von drei Geschützen der aktiven Batterie. Es war dies am 27. September, wo die Maschinengewehre in Stärke von zwei Zügen (pro Zug zwei Maschinengewehre) von III. Seebataillion auf dem Wege nach Litsun von Tsangkan aus die Japaner in Kolonnen weggemäht hatten, denn die Japaner hatten einen Zug von Herrn Leutnant Gaul, 4. Kompanie, III. Seebataillion, bald eingeschlossen. Aber die Japaner zwischen dem zurückgebliebenen Zug und den Maschinengewehren wurden fast alle niedergemäht  und lagen in Gruppenkolonnen tot auf der Erde im Litsun-Fluß, und manches hurra wurde da laut.

 

Wir wechselten nochmals unsere Stellung an dem Tag und machten eine halbe Schwenkung nach rechts rückwärts, gingen nachmittags dann aber zurück wieder durch das Dorf Schwithinkau, wo wir noch unseren Durst stillten, bis auf die Höhe links vom Kuschang, wo wir ein gutes Mittagessen bekamen und rechts und links vom Wege wieder ausruhten. Auch sahen wir zum ersten Male wieder Tsingtau nach so langer Zeit. Nach dem Essen kam unsere Kompanie nach rechts ziemlich am Fuße des Kuschanys, über dem Dorf <s>Kutauci</s>, wo schon sehr gute Stellungen gebaut waren. Über uns standen drei schwere Geschütze der M.A.R., die während der kommenden Nacht und am kommenden Morgen blind feuerten, daß uns die Ohren wehtaten. Die Batterie wurde schwer beschossen, und die feindlichen Granaten platzten über unseren Köpfen, aber auch hier wurde keiner von uns verwundet. Am Mittag des 28. September zogen wir uns in Sprüngen von Stellung zu Stellung zurück, wo dann auch die M.A.R. die Geschütze gesprengt hatten. Es ging dann durch das Dorf Hutanei, dann durch Ciansyfang, dann durch Syfang nach Tsingtau zu. Hier waren unsere Kompanien beinah abgeschnitten worden, denn die Japaner waren links von uns ein gutes Stück vor, sahen uns aber nicht, und wir gingen im größten Schritt durch die ersten Drahthindernisse, teils mit Gepäck, teils ohne, am Infanteriewerk 5 vorbei bis zum Moltkeplatz, wo wir zu Mittag aßen. Dann kamen wir in die Bismarckkaserne sehr schmutzig und müde und sahen dann auch wieder seit Juli ein Bett.

 

In Tsingtau am 28. September 1914.

Hier blieben wir bis zum 30. September, und hier traf ich auch wieder die alten Coporalschaftskollegen, auch Landmann Weyandund auch Gebhardt und andere und haben wir auch noch manchen gehoben in der Kantine. Wir empfingen auch unsere Kleidersäcke, die während der ganzen Zeit hier aufbewahrt wurden. Am 30. kamen wir in der Deutschlandstraße in Privathäuser und wohnten möbliert. Am 1. Oktober ging ich mit Herrn Feldwebel Rüdger und Ferdinand Müller zu den Moltkebaracken, holten Werkzeug und gingen zum Infanteriewerk 5. Wir machten dort noch etliche Bohlenverschläge zur Verschanzung. Am 2. Oktober bauten Gefreiter Schlotterbeck von Saarbrücken und ich zwei Öfen in den Bahnhof (großer Hafen), um Essen zu kochen.

 

Meine Verwundung um 2./3. Oktober 1914

Nachtausfall auf Schwang-schuany.

 

Wir saßen abends gerade beim Nachtessen, wo auf einmal der Befehl kam, in einer Stunde fertig zu sein in blauem Zeug, jeder 120 Patronen. Die Spiegel an unseren Letevkas [s. Anh.] sowie auch die Golfbord der Unteroffiziere mußten wir losreißen, um ja der Nacht zu ähneln. Wir legten unser Essen beiseite, holten unser Blauzeug hervor und machten uns fertig. Um 9 Uhr sollten wir schon unsere Quartiere verlassen haben.

 

Um 8 1/2 Uhr mußten wir antreten, und unser Herr Hauptmann hielt uns folgende Ansprache:

 

„Uns ist heute die Aufgabe gestellt, einen Nachtangriff auf den Schwang-schuany zu machen. Es ist uns gemeldet, daß 160 Japaner hinter dem Berge liegen, die die ganze Zeit Tsingtau und unser Elektrizitätswerk beunruhigen. Wir, O.M.D. 1., 2. und 3. Kompanie sind nun schon ein ganzes Häuflein "deutsche" Soldaten, und ich hoffe, daß wir einen ganzen Trupp Gefangene mitbringen, und ich hoffe, daß Ihr mir fest zuhaut und langsam nachkrümbt!“ (?)

 

Unser Hauptmann hatte auch seinen Schirm von der Khakimütze abgemacht und sah direkt aus wie ein Kamerad von uns. Ich wurde dann auch ausgesucht zu der Gruppe, die unserem Herrn Hauptmann zur Verfügung stand, und so ging es im leisesten Gespräche und großer Ruhe unter den allerhand Gedanken mit der Pfeife im Mund längs der Straße rechts und links unseren Zielen zu. In Taitnang-Schuäng (dem ersten Dorfe vor Tsingtau) lösten wir uns auf, und in den Kompanien gingen wir teilweise vor, um nicht in so großen Trupps gesehen zu werden, bis vor unser Drahthindernis (Blockhaus 8). Dann schwärmten wir in den Kompanien nach links und rechts, und so ging es langsam den Berg hinauf. Die Artillerie feuerte nun kräftig über unsere Köpfe, worauf auch die feindliche kräftig erwiderte, und nun bekamen wir Infanteriefeuer. Wir gingen dann zum Sturm über, und schon gleich hörte man nur mehr Schreien, Schießen und japanische und deutsche Kommandorufe, und es sah recht erschaudernd aus beim hellen Mondenscheine. Dann stürzten wir drauf zu mit gefälltem Gewehr und aufgepflanzt.

 

Zwischen den kleinen Tannenbäumen, mit denen der ganze Berg besetzt war, lagen die feindlichen Schützengräben, und man hörte nur Maschinengewehre, Hilferufe und Granaten. Hier und da sah man noch einen in die Luft springen, um gleich darauf zu sterben, denn es gab meistens Bauch- und Brustschüsse, und mancher mußte dem deutschen Bajonett, auch dem feindlichen unterliegen. Wir acht Mann um Herrn Hauptmann trafen nicht auf so starken Widerstand und kamen so schneller vor. Wir kamen auf die andere Seite des Berges und hatten so durchgebrochen, kamen so an einen steilen Abhang, den Herr Hauptmann sich nicht so steil vorstellte und so nach einem Fehlgriff den Abhang runter fiel und wir zu noch vier Mann direkt nach und unten sonsten die Japaner, aber los, was das Zeug hielt. Als wir unten landeten, sah sich Herr Hauptmann um und sagte recht feierlich mit gezogenem Degen: "Na! Ihr paar Männikens. Jetzt sind wir durch, komme, was komme“, und so eilte er uns voran bis zur zweiten Dorfstraße.

 

Wo er plötzlich stehen blieb und sagte "Na, wollen wir hurra rufen“, und er hat es noch nicht gesagt, da brüllten wir fünf Männikens „hurra“, daß wir die ganze Lage, in der wir waren, vergaßen und heute meine ich noch, daß ich noch niemals so „hurra“ brüllte und noch gehört habe.

 

Wir waren dies: Herr Hauptmann, Herr Feldwebel Rüdger, Seesoldat Richter, Seesoldat Lieber und ich. Nun legten wir uns rechts und links auf die Erde und hatten vor, dem Feinde beim eventuellen Rückzuge ein gehöriges einzuwischen. Auf unser Hurra-Brüllen wurde es bei uns etwas stiller, aber gleich desto wütender wurde das Geschieße. Mit einem Mal hörte ich was hinter uns sprechen und meldete es auch gleich meinem Hauptmann. Er schickte mich zurück; ich kam nach 10 Minuten wieder, meldete, es wäre weiter zurück. Die Luft um uns war aber nicht sauber, und Lieber und mich schickte dann unser Herr Hauptmann, nachdem ich mich freiwillig gemeldet hatte, die nämliche Strecke zurück mit der Aufgabe, wenn wir glücklich durchkämen, unseren Maschinengewehren mitzuteilen, daß wir paar Männikens mitten unter die Japaner geraten wären und somit die Sturmlinie durchbrochen hätten. Nun gingen wir sprungweise längs der Straße vor, einmal kriechend, dann laufend hin und her um die Chinesenbunker unter dem schwersten Salvenfeuer. Denn manchmal mußten wir zwischen großen Häuserlücken durch, und so kam der schöne Mondschein dem Feinde sehr gut zustatten, aber es ging unverletzt voran. Nun waren wir bald am Ende des Dorfes, wo ich auf einmal halt machte und zu Kamerad Lieber sagte: „Hast du nichts gehört?“ Nein, sagte er, aber zugleich sagte auch er: „Jetzt habe ich auch etwas gehört, schräg rechts vorwärts.“

 

Ich sprang, gleich nachdem ich etwas zurückgekrochen war, auf die andere Seite der Straße und sah zugleich 50 Meter vor mir ein Loch voll Japaner sitzen, die aber in entgegengesetzter Richtung lauschten. Ich feuerte gleich in den Haufen drei Schüsse, und nach lautem Aufschrei sprangen noch etliche aus dem Loch raus und ergriffen die Flucht. Ich lief drauflos bis beinahe an das Loch, wo noch drei Mann rauskriechen wollten, die anscheinend schon was abgekriegt hatten. Einer fiel anscheinend wieder zurück, denn ich sah nur gleich mehr die zwei, wo schon einer auf mich anlegte, ich ihm aber zuvor kam und er das Gewehr fallen ließ, sich noch umdrehte und hinfiel. Aber im selben Moment hatte der andere auf mich geschossen, und ich fühlte an mein Gesicht, und mein Unterkiefer war weg, sah mich da um nach Lieber, der zurück gelaufen war und mir zuguckte von einem Strohhaufen aus. Es war mir gleich, als käme ein starker Wind in mein Gesicht und ein Wasserstrahl. Ich machte dann noch zwei Schritte, war nämlich im Laufen, und legte mich wieder. Ich bekam da Schmerzen mit dem Kopfe. Zu den ausgerückten Japanern fing ich an zu strampeln mit Händen und Füßen, und da dachte ich an den Tod - zum ersten Male meines Lebens. Ich rückte mich immer zurecht, damit sie mich nur mehr in den Kopf treffen sollten, denn die sahen mich sicher hinlegen. Sie schossen mit Salven auf mich, aber alle Kugeln gingen zu hoch. Nur bekam ich noch fünf kleinere Wunden am rechten Arm von Querschlägern.

 

Dann änderten sich wieder meine Schmerzen, die ungeheuer waren, und ich verhielt mich einen Moment ruhig, um noch über mein Leben, Angehörigen, die lieben Eltern und Geschwister zu denken, auch meine einstige Liebe usw. und um dann mit Gottbefohlen sterben zu können. Besonders dachte ich an die zerstörte Freude meines Vaters, der mich so alles studieren ließ und wie er mich anschaute, als er mir die Hand gab beim heimatlichen Abschied. Ich sah ihn innerlich weinen und in gedrückter Haltung mit dem Gedanken an seinen ältesten Sohn und seine erste Hilfe, dann sah ich wie meine liebe kleine Mutter die Nachricht von mir traf, wie sie sich im Familienkreise darüber trösteten und nur Gutes von mir berichteten und meine manche auch schlechte Vergehen nicht nannten und so vieles andere mehr. Ich befühlte mich überall und war durch und durch voll Blut. So lag ich eine Weile. Es war um mich ruhiger, und ich hatte auch nicht viel Schmerzen, und es stieg da der Gedanke in mir auf, daß ich es vielleicht zwingen könnte, und ich probierte aufzustehen. Ich kam bis zum Sitzen, fiel aber sogleich wieder zurück. Nun dachte ich, es ist aus, aber hatte trotzdem gar keine Schmerzen. Ich fühlte mich nur matt, und das ganze Geschieße und das immer währende Maschinengewehrgeknatter kam mir vor wie eine gedachte Schlacht. Das Geknatter hörte sich an wie ein Uhrmacherladen. Dann dachte ich, hier kannst Du nicht so liegen bleiben, Du mußt doch aufkommen und kam wieder zum Sitzen und auch zum Knien. Es wurde mir was leichter, und ich kam zum Stehen. Ich holte noch meine Flinte und ging nun den nämlichen Weg, denn ich gekommen war, schleichend zurück.

 

Ich war circa 200 Meter wieder unter schwerem Feuer unterwegs, als ich auf einmal jemand über die Straße laufen sah, der in meine Richtung ankam. Ich hielt mich im Schatten und lauschte, und da hörte ich deutsche Stimmen und sah auch schon, daß es meine noch drei Kameraden waren. So sprang ich auf die Straße und lief ihnen entgegen mit aufgehobenem Gewehr. Ich konnte keinen Laut sprechen. Als erster kam Herr Feldwebel Rüdger auf mich losgesprungen und sprach für sich: „Er lebt noch!“. Auch kamen Herr Hauptmann Richter und Lieber ganz erstaunt, letzterer noch am meisten. Er war nämlich weggelaufen mit der Meldung, ich wäre verwundet und gefangengenommen. Ich hatte nun einen schrecklichen Durst, hatte eine Feldflasche schon probiert, dann hat mir Herr Feldwebel seine Flasche eingeschüttet. Aber ich habe von alledem nichts gespürt, denn meine Zunge war ein Stück abgeschossen, zugleich dick geworden, und dann lief alles am Hals wieder raus, weil kein Mundboden mehr da war.

 

Unter allerhand Tröstungen führten sie mich dann durch das Japanerfeuer, Herr Feldwebel am linken Arm und Fritz Lieber am rechten Arm. Unserem Herrn Hauptmann gab ich mein Gewehr, er ging mit Richter hinten mit. Wir kamen glücklich bis wieder oben zum Berg, wo man mich dann noch eine Strecke führte. Dann in manchen Rawinen wollte ich mich hinsetzen, aber Herr Feldwebel ließ es nicht zu, weil er die Gefahr kannte und ich ihm heute noch einen Teil meiner Rettung zuschreiben kann. Unten am Wege kamen zwei Krankenwärter, Wiese und Franke von meiner Kompanie, und gingen eine Strecke des Weges mit, als auf einmal unsere Scheinwerfer uns gerade beleuchteten und wieder wie Regen die feindlichen Kugeln um uns einschlugen. Mir machte es natürlich keine Angst mehr, aber Krankenwärter Wiese ließ mich los und lief links in Deckung. Nun sah ich ein, daß mein Kamerad, der mich noch am rechten Arm hatte, mit mir in Gefahr und doch noch unverwundet war. So nahm ich ihn denn am Arm, und die beiden machten dann marsch-marsch bis ins Blockhaus, von dem wir noch gut 300 Meter entfernt waren. Auf dem Wege begegnete mir noch Oberleutnant Schedler, dann noch mein derzeitiger Unteroffizier Bieber. Gleich nach mir wurden auch Seesoldat Kaden und Seesoldat Andernach nebeneinander verwundet, und diese riefen noch, als ich mit Herrn Feldwebel Rüdger und Lieber in ihrer Nähe vorbeikam, einer den anderen um Hilfe und wurden dann auch gleich zurückgetragen; jedoch Kamerad Andernach, ein direkt zu mir guter Freund, mit dem ich noch auf meiner schönen Urlaubsfahrt in Bremen und auf der weiteren Fahrt und so auch in Tientsin so manche Stunde in heimatlichen Gesprächen zusammen war, fand schon über dem Transport zum Blockhaus den Tod; er hatte einen Unterleibsschuß und hatte nicht viel Schmerzen kurz vor seinem ewigen Schlaf.

 

Ich kam nun im Blockhaus an und war aber so erschöpft, daß ich mich vor dem Blockhause schnell noch hinsetzen mußte und die Kameraden mit traurigen Blicken mich ansahen und zum Teil weggingen, weil sie die Verwundung nicht sehen konnten. Dann wurde ich nach einer Weile ins Blockhaus geführt, wo ich denn eine Zeit lang warten mußte, bis ein Arzt kam. Unterdessen brachten sie auch meinen Landsmann Schlotterbeck, mit dem ich den ganzen Tag zusammen war, mit einer Beinverwundung und Feldwebel Rüdger ihm den ersten Verband anlegte. Er sagte noch zum Feldwebel, weil er dachte, ich hörte es nicht: "Weh! Mein Bein ist bloß halb so schlimm, wenn ich den armen Teufel betrachte", worauf Herr Feldwebel zu ihm sagte, er sollte ruhig sein.

 

Gleich darauf kam dann einer unserer Arzt von Tientsin, denn der Sanitätsarzt wußte nicht, wie er mich verbinden sollte. Er gab mir nur zu trinken, wovon ich aber als nichts bekam, was ich aber auch nicht sagen konnte, denn sprechen konnte ich kein einziges verständliches Wort. Nun sah denn der Arzt mit einem Erschrecken meine Wunde und machte mir den Kragen auf. Ich sagte ihm durch Andeutung, daß ich auch am Arm was habe. Und da schnitten sie mir den Arm auf, und da war mir der ganze Oberarm verschossen und eine Wunde von 25 Zentimeter lang in der Längsrichtung des Armes zu der Brust zu direkt über der Muskulatur unter dem Schultergelenk, wo sie mir gleich das Tuch heraus machten und sonstige Geschosstücke und den Arm dann verbanden. Aber am Gesicht konnte er nichts verbinden, denn ich hatte nur mehr ein halbes Gesicht. Das Stück Kieferknochen auf der rechten Seite, auf welchem noch zwei lose Zähne standen, war direkt herumgedreht und stand direkt am Ohre nach außen heraus, und die Gesichtshaut hing zerfetzt rechts und links zurückgeschürft herunter, und man sah nur eine voll Blut große Öffnung am Kopfe, wo man nur noch die Nase und Augen darüber sehen konnte und mich somit noch kannte, daß ich auch mal ein Gesicht hier hatte.

 

So führte man mich dann durch das nächste Drahtverhau in ein Auto, wo es mit rasenden Tempo ins Prinz-Heinrich-Lazarett ging. Wir machten da halt, und ich ging rechts heraus und Sanitätskrankenträger Franke links. Ich lief direkt in den Vorraum, wo ich an der Wand einen großen Wandspiegel sah und ich direkt darauf zu lief, und ich selbst war gerührt und sprang wie ein Wilder vom Spiegel weg, wo mich dann gleich Franke mit aller Gewalt faßte und ging dann durch die Reihe von Krankenschwestern und Wärtern, welche teilweise, als sie mich sahen, sich umdrehten und weinten, denn ich war als der erste so schwer verwundet in Tsingtau ins Lazarett gekommen und war auch per Telefon angemeldet gewesen.

 

So kam ich dann im Operationssaal an, wo ich gleich ausgekleidet wurde und ich die vier Ärzte, die mich nachher operierten, stehenließ und auf den Operationstisch sprang und mich lang gestreckt hinlegte, worauf Herr Oberstabsarzt Wolf noch sagte, "der eine Kerl ist's Leben leidig", was ich aber hörte und dachte gerade, weil ich doch wieder unter Deutschen war, das Gegenteil. Denn ich war immer bei dem bestem Bewusstsein und kann mir heute noch nicht erklären, daß ich über allzu große Schmerzen nicht sagen kann.

 

Nun ging's dann zum Operieren. Es nahmen an der Operation teil:

 

Herr Oberstabsarzt Wolf, Herr Stabsarzt „Schulze Jena“, Herr Stabsarzt Doktor Birt, Herr Assistenzarzt von Heßberg und Sanitätsfeldwebel Birmann und Frau Dunkel von Shanghai. Ich konnte nicht chloroformiert werden, bekam 5 Spritzen und mußte so schreckliche Schmerzen beim Abschneiden der zerfetzten Haut, beim Rumdrehen des Stück Kiefers und dann beim Reinigen und Nähen der Wunde ertragen. Ich ging nach der Operation selbst auf die Tragbahre und wurde in den Schwerkrankensaal gebracht, wo ich schon andere verwundete Kameraden antraf. Die erste Nacht schlief ich gut, aber blieb nachher die meisten Nächte schlaflos.

 

Es lagen hier im Schwerkrankensaal: (Kaiserin Elisabeth)

Matrose „Rodvci“, Unteroffizier „Zahnzinger“, III. Seebataillion, Reservist „Burgunder“, Gefreiter Josef Kohlhepp von meiner Kompanie, welcher schon drei Wochen vorher im Vorgelände bei Tsangkan auf einem Baume verwundet wurde. Ferner Sergeant Ebelz vom K1, O.M.D., neben mir Seesoldat Rust O.M.D., Seesoldat Kaden. Etwas später kam Seesoldat Burgardt, welcher aber starb. Nach ihm kam noch Waffenmeister Lange schwer verwundet, der einzige Tsingtauer, welcher von der Fliegerbombe indirekt in einem Schuppen verwundet wurde. Denn hatte noch der Feind 6 Doppeldecker bei sich, welche manchmal bei ihren Flügen über unseren Stellungen, so auch Tsangkanerhöhen, in großer Gefahr wieder umkehren mußten, denn manche Salve sowie auch die Tsingtaubatterien von uns brachten den Flieger in manche schwere Lage und somit die ganzen Flieger ihre Bomben ziellos werfen mußten und somit unbedeutenden Schaden anrichteten.

 

Nach meiner ersten Nacht kamen noch manche Tage, in denen ich bald vor Verzweiflung nahe war und abgemagert bin, wie nur ein Mensch abmagern kann. Es wurde uns Verwundeten die beste Pflege zuteil, aber in meine Lage konnten sich meine Pflegerinnen und Ärzte nicht reindenken. Wenn ich zum Beispiel mit meiner rechten oder linken andeuten wollte, daß ich mal was schreiben möchte (konnte ja nicht sprechen), so sagten alle, "Sie können später nach hause schreiben", und ich wollte doch nur aufschreiben, daß ich noch nicht sprechen, aber doch noch was schreiben konnte, und dann, daß ich von dem Citronenwasser-Tee, Milch, Bouillon usw. bis jetzt noch nichts in den Leib bekommen habe. Die Schwester gab alles mit einem Löffel ein, aber das lief immer wieder zum Hals unten heraus in den großen Verband. Ich hatte da noch eine Öffnung behalten, weil doch das ganze Kinn weg war und da die Haut fehlte, was allmählich von selbst zuwachsen sollte und meine Operation nur eine provisorische sein sollte. So lag ich dann drei Tage und immer mit dem schrecklichen Durst vom Schusse her. Wenn ich dann als wieder mal zeigte, daß ich schreiben wollte, meinten sie teilweise, ich wäre nicht ganz bei Besinnung, und sagten, ich komme gleich, aber es kam niemand und bekam dann wieder den alten Trost, "Sie können später noch schreiben". Aber ich mußte doch wieder trotz meiner allergrößten Schmerzen ruhig mich verhalten, weil sie alles dies doch nur zum tatsächlichen Trost sagen - nur meine Bitte legten sie sich verkehrt aus.

 

Am dritten Tage kam eine neue Schwester, welche mir das Fieber messen wollte und neben meinem Lager auch in das Büchlein schrieb. Nun, dachte ich, mußt Du mal vorsichtig zu Werke gehen, vielleicht kannst du bei der das Büchlein bekommen und kommst doch endlich dazu, mal was aufschreiben. Und tatsächlich ging es, wo ich mal wieder leicht auf meine vorige Bitte, die ich recht oberflächlich stellte, als wenn ich mal mein Fieber sehen wollte - und dann, als ich mal das in meiner Hand hatte, hielt ich fest, und sie mußte mir dann auch den Bleistift geben. Jetzt lachte mir das Herz, und ich dachte, ich wäre wieder halb gesund.

 

Ich schrieb dann: "Liebe Schwester! Kann doch nicht sprechen will bloß was schreiben und wünsche dazu Papier und Bleistift. Nachhause will ich noch nicht schreiben". Und sie las mit, wie ich schrieb, sah mich recht traurig an und erfüllte sofort meinen Wunsch. Nun kam sie mit den anderen Schwestern und anderen Ärzten, und nun alle baten sie mich um Entschuldigung, daß sie mir den Wunsch nicht am ersten Tage erfüllten und sie die Idee verfolgten, ich wollte nach hause schreiben. Sie gab mir ein Büchlein, und alle waren gespannt, was ich schreiben würde.

 

Ich schrieb nun:" Liebe Schwester! Habe die vergangenen drei Tage von alledem, was sie mir an Getränken eingegeben hat, nichts bekommen, denn alles läuft in den Verband durch das am Halse gebliebene Loch. Ferner: Ich wurde durch eine Gewehrkugel verwundet.“ Denn alle Ärzte und alle meinten, ich wäre durch einen Querschläger oder Maschinenkanone verwundet und so alles mehr, und dann auch ganz nah in gebückter Haltung, wodurch sie sich auch erklären konnten, daß es am Arm, Brust und Kinn ein und derselbe Schuß sein konnte. Jetzt ging dann ein Gemurmel los, und manche Behauptung wurde ihnen somit nichtig, welche ich doch vorher alle hörte, aber nichts sprechen konnte und wegen eventueller Aufregung auch nicht andeuten durfte. Nun kam denn ein Glasröhrchen nach dem anderen usw., aber ich konnte nicht anziehen weder noch blasen, auch war meine Zunge ganz geschwollen, ein Stück war ab. Dann war mein Mund, der groß aufstand, nicht verschließbar. Nun lag ich wieder eine Nacht.

 

Am anderen Tage morgens früh ging eine Schwester mit Namen Bertholda, welche im Leichtkrankensaale beschäftigt war, vorbei an meinem Bette mit einer Tasse mit einem langen Schnabel daran. Als ich diese sah, rief ich sie an durch Andeutung, und gleich darauf kam sie. Ich schrieb wieder: „Liebe Schwester! Wenn ich vielleicht so eine Tasse bekommen könnte, wie die Sie eben hatten, und dann an den Schnabel einen Schlauch!“ Ja, sagte sie gleich, und bekam dann mein neues Instrument und direkt was darin. Nun stand wieder mein Bett rings um von Schwestern, und ich fing durch den Schlauch an zu trinken, da lachte ich und trank und lachte wieder, zum ersten Male seit vier Tagen was zum Trinken. Nun war mein Ernährungsapperat erfunden, und ich trank noch mindestens zwei Liter auf einmal. Und nun war die größte Freude bei unserer khl. Schwester zu sehen. Auch waren sein Teil Tsingtauer Frauen, welche nicht weggereist waren wegen dem Kriege, auch in Krankenpflegedienste eingetreten und haben auch teilweise ihrer angenommen Pflicht genügt und darunter etliche direkt mit Nächstenliebe, trotzdem es meistens Offiziersfrauen waren und solche Arbeit ihnen ungewohnt waren.

 

Im Schwerkrankensaale waren dies: Fräulein Burgenthaler, Frau Doktor Lehmann, Frau Krause, Frau Oberleutnant von Hasenfelz, Fräulein Renecke (Gouvernante), Frau Doktor Mens.

Im Leichtkrankensaale: Fräulein Krause, Frau Doktor Mens, Frau     ? und noch einige (Namen vergessen).

 

Die Hauptpflege und die Allerehrenwertest wurde uns von drei khl. Schwestern zu Teil, welche ununterbrochen von morgens bis abends tätig waren. Dann war noch eine gute Schwester von (Sambuls) mit Namen Frau Dunkel von Shangai.

 

Nachts schlief ich dann jetzt nur mehr stundenweise, mußte immer auf dem Rücken liegen. Und des Nachts hörte ich dann immer dem schrecklichen Kanonendonner zu. Auch unsere Batterien, so „Tschamiaa“ 15.|, „Punktkuppe“ 15.|, „Iltisberg“ 15.|, „Bismarckberg“ 4|28 2|24, Tsingtaubatterie 15.|, „Hutschinhuck“ [Huitschuenhuk] 24.| u. 15 „Junisan“ [Yunuisan], und eine Batterie am Artilleriehoff 15.|, dann die österreichische Batterie bei „Taitmysthang“ 10,5| feuerten heftig dazwischen.

 

Am 1. November haben dann die Japaner Tsingtau direkt beschossen, und manches Haus wurde zerschossen, aber es war für die Munition, welche die Japaner geschossen hatten, kein löbliches Resultat. Ich war dann schon in den Leichtkrankensaal gekommen und öfter zum Zahnarzt Scholze gewesen, und hier machte mir Herr Zahnarzt Scholze von Shanghai immer manche Schmerzen, weil das Einpassen einer Prothese schwierig war, da die noch stehenden Unterkieferknochen immer das Bestreben hatten, im Munde zusammen zu gehen, weshalb auch eine Prothese nötig war. Nach den ersten drei Wochen war meine Zunge schon heil, das Gesicht wieder niedergeschlagen, und ich konnte wieder allmählich sprechen und brauchte im Leichtkrankensaal nichts mehr aufzuschreiben. Im Leichtkrankensaal lernte ich noch einen Landsmann kennen, einen Reservist mit Namen Jenewein aus Neunkirchen, welche aber schon etwa 15 Jahre in Ostasien war.

 

Dann lagen noch bei mir Gefreiter Josef Kohlhepp, K2 O.M.D., Seesoldat Lorenz Ketterlin, K1 O.M.D., Unteroffizier Wießwässer, Unteroffizier Friedrich Zanzinger, Kriegsfreiwillige Buchard, Hermann Heinrich Johann Unkel, Burgunder, Gefreiter Lorenz Albrecht und noch einige.

 

In den beiden letzten Wochen vor dem Sturm hatten wir noch dreimal kinemathographische Vorführungen, wobei die noch anwesenden Zivilisten von Tsingtau auch zum großen Teil zugegen waren und die Ärzte und sonstige Offiziere. Wir lagen da im Bette, und es gab manchmal andere Gedanken. Auch hatten mich öfters unser Oberstleutnant, unsere Kompanie-Leutnants und auch der Gouverneur besucht. Am dritten Tag nach meiner Verwundung bekam ich von unserer Kompanie einen großen schönen Blumenstrauß, welcher mir Herr Feldwebel Karl Rüdger überbrachte und mich auch als Gefreiten gratulierte.

 

Der Fall Tsingtaus am 7. November

 

Am 1. November schlugen nun die ersten Schrappnellkugeln in unseren Krankensaal, worauf wir in die Kellerräume transportiert wurden und ziemlich bombensicher untergebracht waren. Des Nachts war dann noch der lange Gang, welcher längs den Räumen führte, von Frauen und Kindern angefüllt wegen dem großen Bombardemang. So lagen wir unter den schrecklichsten Qualen eine Woche in diesen finsteren Räumen. Nun kamen dann noch manche schwer verwundet in dieser schrecklichen Woche, so Feldartillerist Pörschke, III. S.B, Hoboist Arthur Köppen, Feldwebel Ulrich, und dann lernte ich auch Sergeant Goll und Feldwebel Heidel kennen, welche kurz nach mir verwundet eingebracht wurden.

 

Am 7. November morgens um 6 1/2 Uhr wurde die weiße Flagge gehisst, womit die armen Kameraden draußen in ihren Stellungen, welche die „allererdenkensten“ Dinge erlebt hatten, in den letzten Tagen erlöst waren, die im Schlamm und Wasser gestanden bis an die Kniee. Dann waren die meisten Werke dem Erdboden gleich geschossen, denn unseren Batterien war die Munition ausgegangen und somithin der Feind sein ganzes Artilleriefeuer auf unsere Stellungen und Werke verlegte. Auch hatten einige große japanische Schlachtschiffe ihre 30,5 Zentimeter noch zu uns geschickt, welche ganz erheblich aufräumten und gegen die unsere kleinen Schiffe, so Kanonenboot Jaguar, Fischer, Iltis, Torpedoboot L.40 und kleine Kreuzer Kaiserin Elisabeth (Österreich) nicht ankämpfen konnten und auch hier es an Munition fehlte. Iltis wurde dann zeitig versenkt, darauf Fischer und Jaguar. Letzterer half uns noch tüchtig von See aus beim Rückzuge von den Tangkaner Höhen, so auch L.40, welches noch die Blockade durchbrochen, mehrere japanische große Kreuzer kriegsunbrauchbar gemacht hatte und später an der chinesischen Küste gestrandet ist, wo alle Mann mit heiler Haut davon gekommen waren. Kurz vor dem Sturme wurden alle Schiffe gesprengt und die Besatzung im Infanteriewerk verwendet. Von See aus wurden wir am 28. Oktober zum 1. Male beschossen.

 

Wir Verwundeten kamen wieder in den großen Saal, und gleich darauf wehte auf jedem Haus unseres schönen Tsingtaus die japanische Flagge. Es wurden dann noch manche vom Sturm verwundete Kameraden eingebracht. Auch verlegten sich die ersten japanischen Soldaten aufs Plündern, zogen Frauen und Feldwebeln Ringe und Schmucksachen aus, und mancher brave und verwundete Kamerad wurde noch mit dem Schanzspaten völlig totgeschlagen und totgeschossen, auch wenn sie die Waffen schon weggeworfen hatten. Aber die japanischen Offiziere waren anständig, und viele japanische Soldaten, welche über dem Plündern angetroffen wurden, ließen sie direkt erschießen. Auch wurde eine Truppe von 60 Mann, welche auf dem Adlernest eine von uns sicher gedachte Stellung innehatte (Prinz-Heinrich-Berge) und sich mit Proviant für etliche Monate versorgte, Mitte Oktober doch vom Feinde überwältigt. Durch zu große Übermacht sowie auch durch die feindliche Artillerie wurden sie gezwungen, sich zu übergeben. Nun lagen wir nicht mehr lange im  Prinz-Heinrich-Hotel, denn die Japaner beanspruchten den Saal für ihre Kranken, die nach dem Sturm auch schon bei uns gebracht wurden. Wir kamen ins Hauptlazarett, wo ich noch manchen Schwerverwundeten antraf.

 

Die Schwerverwundeten waren:

Feldwebel Wodatz, Unteroffizier Menglinghausen, Seesoldat Bauer, ich, Kriegseinjähriger Schulze, Garken, Kaden, Sergeant Goll, Seesoldat Esser, Matrose Gottlieber (Kaiserin Elisabeth), Seesoldat Anstatz, Gefreiter Albrecht, Reservist Lorenz, Matrose Droll, Matrose Franz, Matrose Flach, Matrose Richter, Matrose Franz Piastovsky, dem später auch der Arm abgenommen wurde. Die Schwestern leben noch zwei Tage bei uns, dann kamen sie weg, und wir wurden vom japanischen Sanitätspersonal gepflegt. Unsere Verpflegung erwarteten wir nicht so, aber es fehlten doch unsere Schwestern.

 

Es kamen dann noch zu uns: Unteroffizier B. Ketelsen, Unteroffizier R. Hinei, Matrose Behrens, welcher kurz nach Weihnachten starb, dann Seesoldat Schmidt aus Saarbrücken, August Iffly, O.M.D., auch lernte ich noch Obmtr. Art. Valentin Neubert.

Von Antgany war mir im Lazarett sehr zugetan und erfüllte mir manchen Wunsch, weil ich noch im Bette lag, nach ihm tat dies Hoboist Arthur Köppen, welcher später nach Tientsin kam mit dem Roten Kreuz. Die Sanitätsgäste, die um mich und die Kameraden waren, hießen: Zappelmeyer, Harion, Moog, Rußt und Rost.

 

Im Lazarett bekam ich dann auch schon jeden Tag weiches Essen, jeden Tag zwei Stück Dosen gute Milch. Ich stand dann auch bald auf, und kurz vor Weihnachten war ich ständig auf. Wir wurden noch manchmal von unseren früheren Krankenschwestern besucht, so auch von Zivilisten aus Tsingtau. So allmählich kam Weihnachten, und wir noch circa 70 Kranke hatten uns alle auf einem Wunschzettel unterzeichnen müssen. Am 24. Dezember nachmittags wurde dann unser Pavillon II schön geschmückt, in der Mitte durch stand Tisch an Tisch weiß gedeckt. Darauf lag ein Berg auf Tellern für jeden einzelnen, Gebäck, Schokolade, Apfelsinen usw., ferner bekam ein jeder sein Gewünschtes und teilweise je vier Dollar. Die Schwerkranken bekamen pro Mann eine Flasche Wein.

 

Wir versammelten uns alle in diesem Pavillon, und Herr Oberpfarrer Winter hielt eine sehr schöne Ansprache, denn es war kolossal schwer, eine einigermaße Weihnachtsstimmung zu erhalten, und dann lagen noch rund um uns sehr schwer kranke Kameraden. Vor uns standen das japanische Rote Kreuz und dann kleine Kinder. Letztere sangen dann in ihrer unschuldigen Weise die ihnen von Herrn Oberpfarrer Winter eingeübten Weihnachtslieder in so rührender Weise, daß uns fast allen die Tränen nicht erspart blieben, und es waren dies, trotz dem schweren Schicksale, indem die große Welt doch stand, meine so wie auch der Kameraden vielleicht schönste Weihnachten.

 

Wir sangen zusammen das schöne Lied " Stille Nacht, heilige Nacht" unter dem feierlichen Glanz des Christbaumes und den vielen Lichtern, die direkt künstlerisch neben unseren Liebesgaben emporflackerten, und nach einer nochmaligen Ansprache von Seiten des Herrn Oberpfarrers ging es dann zur Verteilung der Geschenke über. Auch hatte uns das japanische Rote Kreuz mit netten Geschenken und Wünschen bedacht, was auch viel zur guten Stimmung beitrug. So hatte denn der Christmann uns über Erwarten beschert, und wir dankten es auch unseren Spendern von Tsingtau, indem wir ihnen dies im Herzen nachtragen werden.

 

Ich war nun beinahe einer traurigen Stimmung nahe, denn ich konnte von all dem vielen Kuchen, Gebäck und so weiter nichts essen. Nur ließ ich mir die Flasche Wein gut munden, auch machte mir eine Briefmappe sowie Briefpapier und ein Büchlein von Tsingtau, welche mir noch zum Geschenke ward, große Freude. (Was machten nur die Kameraden in der Heimat?) So ging man ins neue Jahr, wo wir Katholischen von dem Missionspfarrer in einer Messe im Gefangenenlager an alles Gute und Böse ermahnt wurden und in unserem Gebet nur den Sieg in der Heimat erflehten und nach einer schönen Predigt er den Sieg in Gottes Hände legte. Nun ward es 1915 geworden.

 

Ich schrieb nun auch an meine Eltern, wieder einmal meiner einst Treuen, und es wurde so 22. Januar, wo wir nach Japan zum Transport bestimmt waren. Wir wurden morgens zum kleinen Hafen geführt und nach schwerem Abschiede von den anwesenden Tsingtauer Frauen, denn auch wurden alle Landsturmleute mit uns eingeschifft, und so manche Träne wurde laut, denn wie wird es ihnen gehen ohne männliche Hilfe unter den Japanern usw. Am 24. kamen wir in Maje, einem japanischen Hafen, an. Hier lud unser Schiff Kohlen, auch machte die allgemeine Emsigkeit des Japaners sowie das Land und Anlage ihrer Aufenthaltsstätten einen ziemlich guten Eindruck auf uns. Die kleinen Häuschen auf und an den Bergen standen so richtig im Einvernehmen mit dem Japaner, und man dachte sich was echt Romantisches unter den Landschaften, an denen man vorbeikam. Gegen Abend des Tages ging es dann weiter zwischen dem schönen Inseln durch, aus denen hauptsächlich Japan besteht. Am 26. kamen wir nach Hiroshima, wo die Munition, welche die Japaner von Tsingtau mitbrachten, teilweise ausgeladen wurde. Auch dieser Hafen war sehr heimlich zu nennen, und allmählich sagten wir uns doch, daß der Japaner doch vor dem Chinesen ist, denn mit dem Chinesen zieht man gerne, wenn man bloß in China war, den Japaner im Vergleich.

 

Am 27. Januar - Kaisers Geburtstag - morgens in der Früh kamen wir in Kobe an, um 11 Uhr in Osaka, unserem Bestimmungsort. Auf der fünftägigen Reise zur See habe ich nun manchmal Hunger gelitten. Ich aß zwei Büchsen Ölsardinen, etwas Wurst und trank zwei Büchsen Milch. Wir sollten als Verwundete transportiert werden, aber wir lagen wie Heringe zusammen auf Strohmatten, und zwei Decken dienten als Überlage, und so tat einem mancher verwundete Kamerad leid, denn die Kälte erzeugte manchen Rückfall. Der Kameraden Kost war Reis und Reis und wieder Reis, wobei wir mit zwei Holzstäbchen essen lernten. Wir waren zu 44 Verwundeten und circa 90 Zivilisten, auch noch etliche gesundete Kameraden. So waren wir in Japan (Osaka) angekommen.

 

Als unser Dampfer anlegte, sammelten sich eine Menge Japaner an, und es ergaben sich die erdenkenswertesten Bilder. Wir Verwundete kamen zuerst ein Land, wurden mehrmals kontrolliert, und eine Menge Offiziere und sonstige japanische Beamte waren zur Stelle. Wir wurden in die Straßenbahn gesetzt, und so ging es 1 1/2 Stunden durch die Stadt, und überall wurden wir von den Zivilisten neugierig, aber doch entgegenkommend erwartet. Osaka lernten wir als eine ganz fortschreitende und interessante Stadt kennen, und die eigentümliche Pracht, die Wohnungen, Kaufläden u.s.w. waren sehr interessant für uns zu nennen. Die an Bord anwesenden Zivilisten und gesundeten Kameraden kamen in ein extra Gefangenenheim, zwei Stunden weg von uns. Wir kamen nach einmaligem Umsteigen und noch einer Strecke zu Fuß in ein Lazarett. Der Anblick unserer neuen Stätte machte einen guten Eindruck auf uns, und unsere Aufnahme als Gefangene war entgegenkommend. Wir 44 Mann kamen in zwei Holzbaracken, die direkt hintereinander stehen und rund um frei und eingeschlossen durch einen Zaun und eine Mauer sind. Unsere Sachen wurden dann zu uns gefahren. Nun mußten wir unsere Kleider ablegen und bekamen einen dicken Japaner Kranken-chany und dazu eine weiße Mütze, und es wurde beim Anlegen mancher in der für uns komischen Kleidung Witze gemacht. Unsere Schuhe mußten wir gleich ausziehen und immer auf Strümpfen laufen. Die Herren Offiziere, die zu drei Mann waren, lagen auf einem Zimmer, so auch die Unteroffiziere und Mannschaften. Hier sahen wir auch viele verwundete Japaner und Offiziere. Wir wurden nun auf unsere Wunden untersucht und fanden eine ganz gute Behandlung, denn es sind teilweise sehr gute Ärzte vorhanden. Nun wurden wir noch manchmal aufgeschrieben und bekamen allerhand Vorschriften vorgelesen, zu denen sie sich Dolmetschern bedienten und höherer Offiziere, von denen manche mehrere Jahre in Deutschland studierten.

 

Die allgemeine Kost war anfangs reichlich, aber meistens nach japanischer Art, und so kamen die ganzen Porzellanessnäpfe, in denen wir immer Essen bekamen, manchmal zurück. Später wurde es besser, und wir mußten Kost und Entgegenkommen im allgemeinen gut nennen. Ich mußte manchmal wieder Hunger leiden, denn was extra für mich, was vielleicht gut gemeint war, war schlechter wie sonst was, und half mir dann durch meine Milch, welche ich mir mitgenommen hatte, und Brot usw. etwas. Später verlangte ich Mannschaftsessen und machte dieses nach meinem Belieben zurecht. Nun wurden auch jeden Tag Operationen gemacht, und man mußte einsehen, daß die Ärzte sich bemühten, jeden so viel wie möglich herzustellen. Um unsere Baracken standen immer Doppelposten. Wir standen des Morgens um 6 Uhr auf, und des Abends um 9 Uhr gingen wir zu Bett.

 

Die Offiziere hießen:

1. Herr Kapitän Bodekke (Jaguar)

2. Herr Hauptmann Fschencher, O.M.D., K1

3. Herr Leutnant Rollhausen (Reserveleutnant)

 

Unteroffiziere:

4. Oberfeldwebel Ulrich

5. Sergt Goll

6. Sergt Juhn

7. Unteroffizier der Reserve Ketelsen

8. Ilinei (Reservist)

9. Hasenbein

später beim letzten Transport

10. Feldwebel Wodarz, auch

11. Unteroffizier Knapp O.M.D. K2 und

12. Unteroffizier Prefenbach

 

Mannschaften: Pav. I

13. Einjähriger Albrecht Gefreiter

14. Einjhr. Schulze

15. Kriegsfr. Franz Hastett

16. Seesoldat Raden

17. Seesoldat Iffly

18. Seesoldat Anstatz

19. Seesoldat Agyptyen

20. Matrose Hilmer

21. Gefreiter  Oschler Res.

22. Matrose Weißhaar

23. Matrose Piastovsky

24. Seesoldat Fast

24.Seesoldat Bungartz

26. Gefreiter Kleingunder

27. Seesoldat Mieß

28. Gefreiter Dörrenbächer

29. Gefreiter Seidel (Res)

30.Seesoldat Ewertz

31. Matrose Sötich (magenkrank)

32. Gefreiter Esser

33. Seesoldat Schlosser (Ruhr und Magen)

 

Pav II.

34. Gefreiter Böhme (Res)

35. Seesoldat Stuhlsatz (Gsch)

36. Seesoldat Zettel

37. Matrose Gellach (Gschl)

38. Matrose Wied

39. Seesoldat Lau

40. Seesoldat Garken

41. Matrose Reißwerk

42. Matrose Sturm

43. Matrose Laugenick (Gschl)

44. Matrose Damele

45. Nugy

46. Damokus (Kaiserin Elisabeth)

 

Es kamen aus dem Gefangenenheim dazu:

47. Unteroffizier Wehrda

48. Obermaat Klinger

49. Obermatrose Voigt

50. Matrose Kirft

 

Beim letzten Transport kamen:

51. Matrose Bürger

52. Obermatrose Droll

53. Matrose Flach

54. Matrose Franz

55. Matrose Richter

56. Seesoldat Müller

 

Sonst Kranke

57. Herr Reimers

58. Feldwebel Liepfeld

59. Obermatrose Baumgärtner

60. Oberseesoldat Odenthal

61. Matrose Raimir

 

Wir wurden manchmal von höheren japanischen Offizieren besucht, auch vom Gouverneur, welcher Abschied nahm, und von dem neuen, der an dessen Stelle kam. Wie es ungefähr zu Hause stand, wußten wir bloß durch englische Zeitungen und Chinablatt, worauf man den allerdollsten Sachen gegenüberstand und somit nichts genaues in Erfahrung brachte. Anfangs durften wir beliebig schreiben, aber nun mußten wir im Monat nur mehr zwei Briefe oder Karten schreiben. Ich unterhielt mich schriftlich mit unserem Herrn Hauptmann, welcher auch hier im Gefangenenheim war, Herr Hauptmann "Florian" O.M.D. Auch schrieb ich Herrn Oberstleutnant Cuhlo, welche mir alle wieder antworteten. Ferner Seesoldat Heck, Seesoldat König, Seesoldat Döerr, Seesoldat Willi Leist, Obermatrose Neubert, Matrose August Schaadt, Gefreiter Robert Müller, Hoboist Arthur Käppen, welcher mit dem Sanitätspersonal nach Tientsin kam und mir auch meine Fotografie am 20. März zuschickte.

 

Ich habe nach der Heimat geschrieben - an meine Eltern zwei Briefe, Eva Ried (Trier), Emma Trompeter, Mariechen Bergmann, Lina Gießelmann, Willi Seebald, in Tsingtau nach dem Sturm an meine Eltern, Willi Seebald, Familie Klein, Lisa Seebald, Emma Matschke, Familie Schach (Burbach).

 

Im Monat Februar machte ich zu Ehren meiner Eltern zur silbernen Hochzeit folgendes Gedicht:

 

Andenken an meine Eltern

zur silbernen Hochzeit

 

Bin soweit im fernen Asien

denk an Euch zur jeden Zeit

wünsch Euch dieß: so Gott will

zur silbern Hochzeit.

 

Ich wünsche Euch aus ganzem Herzen,

Euch zu diesem großen Tag,

nimer Kummer keine Schmerzen

Komme was da kommen mag.

 

Möge Gott euch lang erhalten

nimmer walten lassen Not

möge Gott euch stehts verhelfen

wie die Kinder auch um's täglich Brot

.

Weil ich nun aus weiter Ferne

dieß aus meinem Herzen schrieb

sollte die hieraus stehts ersehen

wer euch in der Ferne liebt.

 

Euer Kola.

 

Tsingtau, im Februar 1915.

 

Ich gab unserem japanischen Dolmetscher in Tsingtau am 11. Januar folgendes Gedicht, welches ich ihm selbst dichtete, und jedem der Verwundeten eins abgeben sollte, weil er sich diese als Andenken aufbewahren wollte, er aber anscheinend die allgemeine Stimmung von uns haben wollte.

 

Gedicht

 

Als Deutscher schreibe ich diese Zeilen

und denk mit Schmerz ans Vaterland

wie muss ich hier so müßig weilen

Wo's fest zu Hause geht Hand in Hand.

 

Fern sitzt ich hier in Chinalande

und opferte auch gern mein Blut.

Und weh’ dem Feinde der's wird wagen,

nur rütteln wollt an deutschem Mut.

 

Ich kämpfte gern mit dem Japaner,

weil dieser sich im Felde zeigt,

jedoch schön England als Chikaner

nach Hilfe geht von Reich zu Reich.

 

Der Russe sollt die Welt erzwingen

mit Frankreich in den Himmel schwimmen

doch Petrus an der Türe spricht!

Gott verläßt den Deutschen nicht.

 

Tsingtau, den 11. Januar 1915

Gefr. Nic. Dörrenbächer

2. Komp. O.M.D.

 

 

 

 

 

Als Einlage dichtete ich im

Lazarett folgendes Gedicht dem ich

als Inhalt gab wie folgt in Einleitung.

 

Was ich dachte in der Nacht vom

2. auf 3. Oktober beim Nacht=

gefecht gegen die Japaner auf dem

Schwanschuang, als ich mit dem Tode ringend

an meine Lieben in der Heimat dachte, die

Gedanken meiner Angehörigen sah und

meine einstige Liebe wieder vor

Augen führte und dann Gott erge=

ben sterben wollte, aber doch schwer

verwundet durch besondere Vorsehung

vom Tode gerettet wurde und

wieder teilweise genesen

ward und dann über's wei=

te Meer in die Gefangen=

schaft kam.

 

 

Japan, im Februar 1915

Nic. Dörrenbächer

2. Komp O.M.D.

 

 

Ich dichtete den ersten Teil zum Andenken an ein Mädchen, welches mir zur Zeit mehr war, als ich ihm sagen wollte und ich heute, nach so viel erlebten Ereignissen immer mich nur zu ihm denken kann. Mancher schöne Traum brachte mich in die liebe Nähe und sehe auch manchmal meinen letzten Abschied von ihr und möchte heute gerne ihre Gedanken lesen, ob oder wie sie von mir zu der großen schweren Zeit denkt - ob sie bleibt im Berufe, was sie beim letzten Abschiede von mir war und wie sie meine Gedanken und Benehmen ihr gegenüber sich klar werden ließ - ferner ob sie darüber nachdachte, wie ihre neue Stellung auf mich einwirkte, oder welchen heimischen Schmerz sie mir bereitete und in dieser Stimmung übers große Meer von der schönen Heimat Abschied nahm.

 

Ich setzte dieses vor am 28. III. 1915

Kola Dörrenbächer

 

Gedicht

 

Da nun alle Kameraden

Schreiben an des Liebchens Ort,

Jedoch ich's nur an Elltern und Soldaten

weil ich nicht weiß ob Liebe dort.

 

Ich dachte auch an’s falsche Lieb,

weil ich Sie hatt sehr gerne;

doch nur zur Tröstung ich dieß schrieb,

und in so weiter Ferne.

 

Ich kannte nun zur Zeit einen Lieb

es war mein erstes Mägdelein

doch das Geschick mich von Ihr rief

es sollt mir nicht beschieden sein.

 

Es war die schönste Zeit des Lebens

in der ich eine Stadt gekannt

vergessen will ich's doch vergebens,

sie liegt zu schön am Moselstrand.

Doch wollt ich wär's wie dazu mal

als wir uns heimlich trafen

so könnt ich ruhig allemal

zur schwersten Zeit gut schlafen.

 

Ich kann mir nur ein Ausflug denken

der mir so Herzens nahe ging

weil Du da voll und ganz vertrauend

so treu an meiner Seite hingst.

 

Noch manchmal schien der Mond ganz helle

wo wir zusammen Arm in Arm

und in Gedanken und Moselwellen

fanden wir die Welt mit Glück umgarnt

 

Es kam dann nun die erste Trennung

wo es hieß auf Wiedersehen

trotzdem raubst manchem die Gesinnung

doch einmal mußt es doch gescheh'n.

 

Auch diese Trennung sollte nicht

zu unserer Liebeszeiten

wir dachten beid' an Liebespflicht

man muß es eben leiden.

 

Nun im Geschäft des Vaters

erfüllt’ mich meine Pflicht

als älster Sohn und Rater

hab ich mit Stolz genügt.

 

Dieß war der Eltern und mein Stolz

und ließ mir's auch nicht nehmen

doch als Vergnügen nahm ich Sport

es blieb halt nur ein Sehnen

.

Nun kam ein froh und schlechter Tag

wo wir uns wieder trafen

es traf mich mit gewalt'gem Schlag

als angeklagt ich mußt's halt tragen.

Auch dieser Tag er bracht mir Freud

wo ich mit Lieb und Freund

uns gegenseitig Herzeleid

auch damals blieb nicht ungesäumt.

 

Schon wieder kam die Stund zum Scheiden

in schnellem Schritt ging es zur Bahn

was konnte uns aber übrig bleiben

es ist einmal der Liebe Gram.

 

Und wieder schrieben wir uns zärtlich

wie's dieß nur könn'n Geliebte tun

doch manchem wurd's schon verderblich

denn weite Lieb wird selten ruh'n.

 

Den Ernst des Lebens hat ich erfaßt

und ich der ält're war von zehn.

Mein Vater krank bloß halb geraßt

mein Streben war fest bei zu stehn.

 

Aus diesem Grund ging manch Versprechen

das für mein einzig Lieb bestimmt

mußt manches wieder brieflich brechen

Mein Lieb dacht' wie's die Welt jetzt nimmt.

 

Dieß merkt ich wohl an manchen Briefen

den wen'ger Karten gaben viel

was da sich für Gedanken grüßten

es stand mir manchmal's Herze still.

 

Ich ließ denn dieß trotzdem nicht merken

besuchte Sie aber's war zu spät

es konnte immer besser werden

wo dacht ich je daß sowas geht.

 

Es war zur schönen Fasnachtszeit

die ich mir so einzig dachte

doch je vergessen das liegt weit

enttäuscht war ich was die mir brachte.

 

Mein Lieb sah ich in anderen Händen

wo noch am Mittag Aug in Aug

noch sprach mit Ihr bei stillen Wänden

am Abend doch ich sah's war aus.

 

Dieß tat mir weh und schnitt ins Herz

und ging zu jenem Ort

wo ich geliebt nicht dacht' an Schmerz

doch Ruhe fand ich auch nicht dort.

 

Ich mußt nun scheiden aus der Stadt

wo Liebe, Ernst Enttäuschung wohnet

am Abend spät fuhr ich noch ab

von da wo was verborgen thronet.

 

So kann dann nur eines Menschen Dank

der viel zu ernst durchs Leben geht

der nicht von Falschheit spricht noch Dank

nur einzig für's Gerechte lebt.

 

Hir ist denn drauf ein Jahr vergangen

ich aber öfters schreiben mußt

sie hatte einst mein Herz gefangen

kein Zweifel es war zielbewußt.

 

Ich schrieb drum manchmal ein Schreiben

wie ich es so kann

daß ich ihr stehts ein Freund wollt’ bleiben

mein ganzes volles Leben lang.

 

Die große Welt mir schien sie leer

Mein Mädchen gab's für mich

ich liebte sie zu hoch und heer

Drum spottet mancher über mich

Doch mein Empfinden ist nicht oft

hat manchem stand gehalten

aber eins das hätt ich nie gehofft

daß sie's Geschäft verließ um zu Zerspalten.

 

 Nun kam ich dann zum Militär

in letzter Must'rung mußt dich fort

und alle Kameraden doch nur wär?

Bekam kein einzig Liebeswort.

 

Um meim Versprechen nachzukommen

daß ich als Freund mich Ihr gegeben

mußt ich dann ruhig unbesonnen

ein Zeichen von mir geben.

 

Eine and're Stadt wurd' nun Adresse

Sie liegt an Mosel und am Rhein

es kam dann nun was ich erhoffte

ein stimmungsbringend Briefelein.

 

Sie schrieb mir nur auch wo sie war

und daß Sie Freundschaft ehrte

und sandte mir zu diesem Jahr

ein Bild was mich doch freute.

 

Aber auf das Bild ich weiß nicht recht

ich weiß nicht wie mir war

nicht gut und aber auch nicht schlecht

doch etwas wird mir niemals klar.

 

Nun kam die schöne Weihnachtszeit

und Urlaub wurd’ empfangen

besucht’ Sie zuerst und war bereit

zu gegeben was Sie macht verlangen.

 

Doch schwer enttäuscht wie ich doch war

daß Sie in keinem Putzgeschäft

meine Ahnung immer wurde klar

wer hat’ Sie nur hierher bewegt.

 

Ich sprach nicht wenig und dachte mir

und hatte innere Freude

was früher niemals lag in Ihr

mußt ich empfinden heute.

Auch wenn ich nur ne Stund' allein

hät mit ihr sprechen können

vielleicht konnte vieles anders sein

vielleicht ging auch's versöhnen.

 

Drum ging ich wieder ruhig fort

mit Gram in meinem Herzen

zu Haus sprach ich davon kein Wort

aber innerlich - wer sah die Schmerzen

 

Im Januar da ging es weg

nach China mußt ich fahren

ich folgte einem hohen Zweck

des Reiches Ehr' zu wahren.

 

Fern von dem lieben Heimatland

wollt' dienen ich dem Vaterland

Treu bis zum letzten Tage

das wurde meine Klage.

 

Ich dachte oft auf hoher See

was nun mein Liebchen singt

ob Sie von Kummer Freud ob Weh

ob's wirklich war was um mich ringt.

 

So ging es fort durch's rote Meer

bis an die große Tsingtaubucht

wo die Kameraden hoch und her

ein jeder einen Landsmann sucht.

 

Doch Tsingtau war mein Bleiben nicht

ich sollt' nach Tiensin kommen

und dort der hohen Ehrenpflicht

ich China nach zu kommen.

 

Hier ging es Anfangs drüber drein

wir wurden erst Soldaten

doch ein Gedanke ward stets mein

wer wird dieß wieder raten?

In Gedanken ging ich mit Ihr schlafen

und mein Erwecken galt meist Ihr

über Träume brauchte ich nie zu klagen

ich kam nun einmal nicht von Ihr.

 

Ein schönes Bild das war die Zierte

das neben mir mein Spind geschmückt

ich viel vergessend und voll Begierde

hab's Herz recht dankend nah’ gedrückt

 

Dieß alles wußte Evchen nicht

wie ich Sie einstens nannte

Sie sieht jetzt andern ins Gesicht

und nicht nach Chinalanden.

 

Nun kam aus Deutschlands weiten Gauen

auch hier an uns den Krieg heran

drum darum frisch auf Gott vertrauend

gingen wir den neuen Weg hinan.

 

Es ging nach jenem Stückchen Erde

was für uns Tsingtau wird genannt

da abzuwarten was nun werde

bis da auf einmal Japan kam

 

Dann ging es in das große Feld

als Deutsche uns zu zeigen

wir gaben manchmal Versengeld

doch Zweie müßen 30 weigen.

 

Nun kam für mich ne Todesstunde

wo ich nach allen Lieben hing

bekam 'ne grausam große Wunde

man fuhr mich drauf nach Tsingtau hin.

 

Ich hatte einen Kieferschuß

zugleich an Brust und Arm

ich faßte mir dann ein Entschluss

wie's alte Deutsche oft gethan.

 

So lag ich lange noch darnieder

hab zwischen Himmel und Erd geschwebt

und reckte oft die matten Glieder

es hat’ mich ein Gedanke stets belebt.

 

Ich lag dann nun vom zweiten Zehnten

bis Weihnachten bald fest im Bett

aber heilen wird die Wunde nimmer

sie liegt zu weit vom rechten Fleck.

 

Doch an Kameraden heimwärts denkend

hab ich moch doch schon oft getrößt

Wie werden die vom Feind geschändet

wie wird da manche Seel erlößt.

 

Nach dem dann Tsingtau eingenommen

am 7. Elften morgens Früh

und die Japaner in Collounen

so einmarschiert nach langer Müh’.

 

Wie manches jung Soldatenblut

liegt hier in kühler Erde

wie mancher starb mit Heldenmut

auf daß es leicht ihm werde.

 

Nun ging's in vielen Raten

in die Gefangenschaft

wie mancher wurde erschöpft mit Spaten

auch durch die Kugel hingerafft.

 

 

 

 

Es kam dann eins der schönsten Feste

es wurde gerade nun ein Jahr

wo mich die Braut so schwer verletzte

doch dießmal es ein and’rer war.

 

Doch Weihnachten das muß ich sagen

die hätt sich keiner so gedacht

bedacht wurden wir mit Liebesgaben

und so uns etwas leicht gemacht.

 

Wir lagen meistens schwer verwundet

als Rest noch vom Seebatailon

ich sah’ wieß' den Kameraden mundet

jedoch ich mußt was and'res thun.

 

Noch eins dieß trifft auch die Verpflegung

die uns als Kranke wurd’ zu Teil

da muß ich drei der Schwestern loben

ein anderer Teil ging aber hinten drein.

 

Es waren auch etliche gute Leut'

die auch sich Mühe gaben

doch manche nur zum Zeitvertreib

ihrer angenommenen Pflicht entsprachen.

 

Auch war Japans Verpflegung

mit Schwestern für uns gut

denn mancher kam auf Besserung

wie das solch' Hilfe thut.

 

Wie mancher hatte Schmerzen

dann gleich 'ne Schwester kam

Sie sprach jetzt kommt "Masage"

wer will zuerst nun ran.

 

"Nun könnten Sie" so sprach die Schwester

der Kranke "warten Sie" dann sprach sich

"hier! irasi" da ist's viel besser

"und sonst japanisch" wurd' geklagt.

 

Nun kam auch nicht nach Japans Landen

am 22. Zweiten ging’s an Bord

ich mit noch 44 Kranken

sahen somit manchen schönen Ort.

 

Zu erster Nacht auf hoher See

träumt mir von Mosel und vom Rhein

es kam mir ein so komisch Weh'

ich fand ein Mädchen ganz allein.

 

Auf einmal hieß es dann Osaka

am Kaisergeburtstag morgens wars

wie mancher dacht' an Mutter Pappa

und an das nächste neue Jahr.

 

Es ging dann mit der Straßenbahn

Durch die lange große Riesenstadt

bis vors Garnisonlazarett ging es hinan

die Bürger wurden's sehn nicht satt.

 

Hier lebten wir dann in solch' Häusern

die ganz und gar auß Holz gebaut

von Anfang ging die Sach ganz heiter

doch später wurden Klagen laut.

 

Man kriegte nämlich keine Zeitung

kein Telegramm vom Kriegsschauplatz

kein Essen richtig keine Löhnung

und sahen auch kein Kaffeesatz!

 

Wir durften doch nach Hause schreiben

wie's uns auch geht in Japan jetzt

doch mußte alles offen bleiben

sonst hätt's doch manches abgesetzt.

 

Da dachten manchmal wir an Heimat

an Elltern Brüder Freund und mehr

auch Rußland England gerad dem Schlappsack

dem halten wir wer weiß was her.

 

Ich dachte wie mancher an die „Liebe"

vielleicht gebrochen durch den Krieg

an manche die sich jetzt erst bindet

an manche die begraben liegt.

 

Wie mancher hier im Chinalande

der fest zu Haus auf Lieb gebaut

als Krüppel kommt nach Heimatlanden

was wird nun sagen seine Braut.

 

Doch schön und brav wird's jeder nennen

wenn da die Liebe sich erst zeigt

dieß müßt man steht’s das höchste nennen

ein solcher kommt nicht andres gleich.

 

Auch ich weiß nicht wie es steht

weil vieles sich geändert hat

auch eine hat für mich gelebt

weit fort in einer M>oselstadt.

 

Jetzt schließe ich mit diesem Wunsche

das unser großes deutsches Reich

im Hinblick seinem Herrschertume

kein zweites gibt daß diesem gleicht.

 

Schluß

 

(Japan) Osaka, den 4. Februar

1915

Gefr. Kola Dörrenbächer

 

 

 

Ostern 1915 in Japan

am 4. April 1915

 

Am Morgen um 5 1/2 Uhr wurden wir geweckt. Unser Herr Hauptmann Fschencher machte uns eine kleine Freude, in dem er Eier im Garten verstecken ließ, und wir suchten dann so mit einer großen Osterfreude. Darauf tranken wir unseren Tee, und somit war unser Ostertag gekommen. Um 10 Uhr bekamen wir dann Liebesgaben von Fräulein Maria Dorpmüller, mit der ich schon längere Zeit im Briefverkehr stand und wir hatten somit auch eine ganz gute Stimmung auf Ostern. Am Tage vorher wurden wir alle mit Liebesgaben bedacht, so an japanischen Hausschlappen, Taschentücher von einigen Frauen von Kobe, was welches durch Herrn Ersatzreservist Hasteth (einjähriger Freiwilliger) bewerkstelligt wurde. Ich bedankte mich persönlich bei Frau Dorpmüller im Auftrage meiner Kameraden durch einen Brief, dem ich auch noch etliche Wünsche bezgl. meiner Kameraden beigelegte und somit einem Schreiber von seiten Fräulein Dorpmüller antwortete. Fr. Dorpmüller war die Schwester des Oberingenieurs Dorpmüller, welcher an der Tientsin Puko Bahn der höchste Beamte war und über ein großes Vermögen zu verfügen hatte. Wir standen im Frieden bei seinem Hause in Tientsin (Citystation) Wache und kannten ihn und Frl. Dorpmüller als sehr nette Leute. Er trug viel bei zu den Geldsendungen und Liebesgaben, die uns O.M.D. in der Gefangenschaft zum Teil wurden. Ich kam dann durch ein Dankschreiben mit Frl. Dorpmüller in briefliche Unterhaltung und konnte dadurch meinen Kameraden viel Gutes tun, und wurde dadurch sehr beliebt bei meinen Kameraden. Sie erhielt meinen ersten Brief am 8. Februar 1915. Am 22. Mai schrieb sie mir einen sehr schönen Brief. Ich antwortete auf Ostern, wobei ich die Liste mit meinen noch 42 Kameraden ihr einsandte und zugleich mich anschließend bedankte für die uns gemachte Osterfreude.

 

Am 5. April - montags - erhielt ich von Fr. Dorpmüller ein Paket mit Kuchen und Taschentüchern, wobei die Kameraden Ägyptyen, Iffly, Kaden auch mitbedacht wurrden und herzlich dankend den Ostergruß aufnahmen. Seesoldat Kaden war schon im Gefangenenheim, und ich schickte ihm seinen Teil und drei Taschentücher und ein Paar Strümpfe durch Seesoldat Karl Schlosser, welcher zusammen mit Seesoldat Müller, K1 O.M.D., und Odenthal, III. Seebataillion, als gesund am 6. April ins Gefangenenheim entlassen wurde.

 

Ich erhielt eine Karte von Schwester Gretchen, die erste seit Juli an Post von zuhause.

 

Am Mittwoch dem 7. April erhielt ich einen Brief von zu Hause mit der Fotografie von Hermann als Soldat. Ich hatte eine riesige Freude auf das unschuldige Soldatengesicht und zeigte es auch allen Kameraden. Er war sehr gut getroffen, aber ich bekam doch einen heimlichen Schreck, als ich mir solch einen schönen jungen Bruder in dem großen Krieg dachte und sah ihn als Krüppel oder vielleicht nie mehr in der Heimat wieder, und vor Freude hätte ich ihn mögen an mich drücken; als erster von meinen Angehörigen in Fotografie nach meiner schweren Wunde ihn zu sehen - währendessen kann ihn dasselbe schon zum Geschick sein, aber wie leid würde es mir tun, ihn nie wieder zu sehen. Zum Andenken an ihn verfertigte ich hier in Gefangenschaft ein Bild, wobei ich meine Fotografie und die Hermanns nebeneinander einrahmte. Doch wie leid tat es mir, daß es meinen Angehörigen und lieben Eltern nicht gelungen ist, sein Geschick in der Familie nicht zu verhindern und so meine undankbare Schwester in ihrer Unerfahrenheit besonders auch mich so gekränkt hat. Ich sage mir auch, daß es mir leid tat, daß ich nicht zu Hause war, um vielleicht mit guten Worten meine Schwester zu warnen und die Gründe nie kennen gelernt hätte, weil es doch den Eltern nicht immer so möglich ist, mit den Kindern sich zu unterhalten, in manchen Fällen, wie es vielleicht ich hätte tun können. Ich sah dann auch ein, daß diese Familienbegebenheit weit hinter der meines Onkels Bernhard bezüglich Emma und Gottlieb liegt und unser Familienstolz gebrochen worden ist, worauf ich mich immer berief, wenn mir so manche Gelegenheit auch geboten war, nicht zu vergessen. Aber obwohl ich manchen Disput mit Vater und Mutter hatte, mein Herz weilte immer geschäftig, um es hoch zu bringen, in Gedanken, meinen Eltern später ein sorgenfreies Leben zu schaffen und ihnen somit zu danken für das an uns getane. Diese Gedanken hatte ich alle wieder, wie ich den Brief las, und ich hätte weinen mögen, als ich es las, und so gutmütig meinen Bruder als Soldat sah. Ich dachte an sein Gemüt, das ich immer nur gut nennen, und denke mir, daß er nichts mehr daran machen konnte, um das zu verhindern, was die arme Schwester in ihren unüberlegten jugendlichen St. Wendeler Gedanken machte und nicht mehr an Vater, Mutter und Geschwister dachte. Sie schrieb mir niemals während meiner Dienstzeit, nicht von ihrem Unglück und nichts von Hochzeit usw., was mich sehr kränkte und es mir zu Herzen machte, es ihr nie zu verzeihen. Ich wünsche darum heute wieder von Herzen, daß es doch meinen Eltern gut gehen möge, der liebe Gott meinen lieben Bruder vom Tode fernhält, daß er mir hilft, wenn wir einen guten Weltfrieden erwarten dürfen und somit den noch anderen sieben Geschwistern und den lieben Eltern ein nochmaliges derartiges Ereignis ersparen und sie in Freuden an uns Kindern ferner noch recht lange leben mögen. Ich wünsche dies aus ganzem Herzen, und es ist mir wieder besser ums Herz, und ich werde versuchen, den Unglücksschlag zu überdenken, und bitte die Eltern um Verzeihung für meine Geschwister und wünsche Ella, daß es ihr doch gut gehen möge. Ich schließe mein Buch heute Abend mit heimatlichen Gedanken. Auf Wiedersehen.

 

Am Freitag den 9. April erhielt ich von Fräulein Maria Dorpmüller 4,92 Yen durch die Ostasiatische Bank und einen Brief, wonach etliche Familien sich je einen Schwerkranken ausgesucht hatten und auch zugleich Iffly, Ägyptyen, Kaden mit Geld unterstützten. Und meine Kameraden hatten eine allgemeine Freude.

 

Auf diesen Brief dankte ich am 12. April, wobei ich die Quittung nach Kobe sandte und einen großen Brief an meine Eltern, zuerst zu meiner Schwester Kätchen in Cöln, Eulengarten 15.

 

Am 14. April Dienstag erhielten ein jeder von uns Verwundeten an Liebesgaben 4,50 Yen laut einer Sammlung von „Menschen" für die deutschen Gefangenen in Japan. Es war dieser Tag ein allgemeiner Freudentag für einen jeden von uns. Ich mußte in den letzten Wochen je zweimal in der Woche zum Zahnarzt. Es sollte mir eine bessere Prothese gemacht werden. Ich bekam beim ersten Male ein Stück Zahn, welches verkrüppelt stehen geblieben war, ausgezogen und hatte dabei fürchterliche Schmerzen, weil der Kieferrest doch total lose war; bekam dann aus dem nächsten Zahn den Nerv rausgeholt, und es wurde ein Loch geschaffen, um die mir zugedachte bessere Prothese zu befestigen.

 

Am 15. April erhielten die Kameraden, welche zum III. Seebataillion gehörten, wieder 68 Cent durch die Musikkapelle vom III. SB, welche zur Zeit in Tienstin war und zum Wohle der Gefangenen Konzerte veranstaltete.

 

Ich erhielt auch von zuhause - Maria Bergmann - einen Brief, welcher sehr überraschend auf mich wirkte und mir viel Freude machte (abgesandt am 4. III. 1915).

 

Bekam auch einen Brief von Freund Arthur Köppen (Hoboist) von Peking, wonach unsere Sachen in Tientsin gut sollen aufgehoben sein und er Knoppe schreiben wollte, daß er mir etliche Wünsche bezüglich Jam usw. erfüllen wollte, und er bat mich um Ansichtskarten von Japan, hier Osaka.

 

Bekam heute mitgeteilt durch unseren Dolmetscher, daß die Japaner mir einen ganz neuen Ersatz für den Unterkiefer verfertigen wollen, aber unter der Bedingung, daß ich es bezahlte, was ich annahm. Der Kieferanschluß sollte mir aus Gold gemacht werden, und als Befestigung hauptsächlich vom linken Teil und am rechten losen Teil sollte eine Saugklammer angebracht werden. Der Vorschlag gefiel mir, und es freute mich, doch auch bald mal was Richtiges essen zu können.

 

Am 21. April gingen Gefreiter Esser, Obermatrose Seidel und Matrose Sturm als gesund ins Gefangenenheim.

 

Am 22. April bekam ich ein Goldröhrchen eingesetzt, erlernte auch das Schachspiel. Des Abends massierte ich, was ich schon lange machte, Sergeant Holl, welcher vor kurzem gefallen war, aber doch wieder auf Besserung ist.

 

Freitag, den 23. April 1915

Ich bekam heute eine Karte von der Heimat von Bruder Paulchen. Bekam auch den Kimono, den ich mir am 21. April bestellte, wofür ich 1,85 Yen bezahlte, und eine Seidenbinde für 1,55 Yen. Es gab auch an diesem Tage Liebesgaben, so Schinken, Wurst, Jyam, Käse, Schokolade. Am Abend ging ich, nachdem ich meinen Stubendienst von dem Tage beendigt, zur Massage.

 

Sonntag den 23 April 1915.

Ich bekam einen Brief von Paul Knospe, ferner einen Brief von Fräulein Hilde Wedde von Tientsin, worin sie sich mir als Unterstützerin anbot und eine rege Teilnahme an meinem Geschick, so auch meiner Kameraden, in sehr freundlicher Weise zu erkennen gab. Sie lernte mich kennen durch Fräulein Dorpmüller im Frauenverein Tientsin.

Wir bekamen auch ein jeder 1,50 Yen als Liebesgaben.

 

Montag 26. April 1915

Ich beantworte Frl.  Weddes Brief durch eine Karte, weil es meine letzte war, die ich schreiben durfte. Auch schrieb ich eine Karte an Arthur Koeppen, Hoboist in Tientsin.

 

Dienstag 27. April 1915

Wir bekamen heute japanische Liebesgaben.

 

Mittwoch 28. April

Es gingen heute Lanzering und Damakas und Unteroffizier Hasenbein ins Gefangenenheim als gesund.

Es war ein großer Regentag.

 

Samstag, den 1. Mai 1915.

Nichts Neues, sehr schönes Wetter

 

Samstag, den 2. Mai 1915

Ich schrieb einen Brief an Frl. Wedde bei Frau von Hanecken in Tientsin und dankte auch für die gekommenen Moskitonetze an dem Tage.

 

Montag, den 3. Mai 15.

Wir bekamen 8 Yen durch Simmern und Schuckert aus Deutschland als Liebesgaben und sandte auch den Brief an Frl. Wedde in Tientsin ab. Es wurde heute Hermann Hastedh entlassen.

 

Dienstag, den 4. Mai 15.

Ich bekam einen Brief von Fräulein Dorpmüller und eine Karte von Fritz Müller (aus Trier).

 

Donnerstag, den 6. Mai 15

ich bekam einen Brief von Maria Bergmann, aber sehr kurz.

 

Freitag, den 7. Mai 15.

Bekam heute ein Paket (Moskitonetze) vom Frauenverein, einen Brief von Fräulein Dorpmüller mit Liste und eine Karte von Eva aus Koblenz mit Ostergrüßen (Adresse Altengraben 14).

Ferner von Herrn Heinrich Philippi, Holzhandlung, Zimmergeschäft, mit der Frage nach Artilleriemaat Karl Luther aus Ottweiler.

Es war dies ein sehr schöner Tag und die viele Post machte viele Freude, und besonders von Eva. Ich kaufte mir einen Lederkoffer für 3,50 Yen.

 

Am 8. Mai, Samstag, 15.

Ich bekam ein Paket vom Frauenverein Tientsin mit Rassierapparat, Seife, Rasiermesser (für Gaken: Rasiermesser, Seife, Riemen, Pinsel und Schere).

 

Sonntag, den 9. Mai 15.

Am Morgen wurde ich sehr unfreundlich von Vize-Feldwebel Ulrich wegen Ehrenbezeugung angefahren (im Lazarett als schwer verwundet). Er war ein Mann, der uns Verwundeten manch unangenehmen Tag machen wollte und sogar einem Kameraden (Bürger), dem Ehrenbezeugung gar nicht möglich war, da er an zwei Krücken sich nur fortbewegen konnte, auf einen "Guten Morgen"-Gruß überhaupt nichts erwiderte, ihn vielmehr recht undeutsch, ehrverletzend anschaute, so daß es jedem anderen Kameraden rühren mußte auf seine Schilderung bezüglich des Falles. Mich wollte er an diesem Tag Herrn Hauptmann Tschentscher melden. Die anderen Korporale hingegen waren sehr freundlich und lebten im kameradschaftlichstem Benehmen mit uns, wenn wir auch bloß Seesoldaten waren bzw. Gefreite.

 

Montag den 10. Mai 1915.

Ich wurde heute 24 Jahre alt. Es war ein sehr schöner Tag, so schrieb ich eine Karte an Eva. Auch heute hat Herr Feldwebel Ulrich aus absolut keinem Grund einen Kameraden angefahren und uns Verwundete, zu denen auch noch ein einjähriger freiwilliger Reservist und ein älterer Landwehrmann namens Schulze und Sechseler gehörte, als gemeines Pack tituliert, worauf auch Herr Sergeant Goll ihm große Vorwürfe machte, über sein kameradschaftliches Benehmen als Deutscher. Zur Feier des Tages stiftete Herr Schulze zwei Flaschen Wein, und so war mein 24. vollendetes Lebensjahr trotz meiner Wunde doch ein segenreicher Tag.

 

Mittwoch, den 12. Mai 1915.

Es kamen am Morgen Herr Kapitän Bodecke wieder ins Lazarett und Seesoldat Richter aus meiner Kompanie. Letztere brachte mir einen Brief mit von Karl Schlosser, Fritz Müller (Trier), Willy Kaden und Ernst Esser. Hier lag noch ein Schreiben bei von Fritz Lieber. Ernst Esser schrieb mir doch einen Brief, den ich nie vergessen werde, wobei er mir an Kleinigkeiten im Betrage von 3,07 Yen geliehen haben will, ich mich darauf überhaupt nicht besinnen kann und auch meine anwesenden Kameraden sprachlos waren über eine solche Verleumdung, wie man es schon als erwachsener Mensch nennen muß.

 

Ich bekam auch noch einen Brief von Frl. Dorpmüller mit den noch fehlenden Namen der ersten Liste, wobei sie mir noch mitteilte, daß Frau von Hanecken in Tientsin sich meiner angenommen hätte.

 

Donnerstag, 13. Mai 1915.

Himmelfahrt.

Schönes Wetter, sonst wie immer.

 

Freitag, den 14. Mai 1915.

Wir bekamen wieder 2,50 Yen (durch Simon und Schuckert) von Deutschland als Liebesgaben.

 

Ich war auch heute wieder beim Zahnarzt. Ich verbrannte mir durch Streichholzanzünden die linke Hand.

 

Samstag, den 15. Mai 1915.

Ich bekam heute ein Paket mit Zigarren und Zigaretten von Frl. Wedde von Tientsin, es machte mir dies viele Freude.

Auch war ich heute wieder beim Zahnarzt.

 

Sonntag den 16. Mai 1915.

Ich verfertigte an diesem Tag eine Liste (bis 16. Mai 1915) für Frl. Dorpmüller über den Empfang unserer Liebesgaben b.z.w. Geld und schrieb einen Brief an sie.

 

Montag, dem 17. Mai 1915.

Heute bekam ich meine Fotografien, welche ich nach einem alten Bilde machen ließ in Osaka. Das waren 6 Bilder für 1,90 Yen.

Ich sandte ein Bild als Dankbarkeit mit einem Briefe und der Liste an Fräulein Dorpmüller. Ich sandte auch eine Karte an Fräulein Wedde in Tientsin, ferner eine Karte an den Frauenverein, dann ein Kistchen mit Moskitonetz, Seife, Strümpfe, Taschentücher, eine Büchse Yam, Zigarren, Zigaretten, ein Brief und eine Postkarten-Fotografie meinem Freund Willy Leist in Shidzuoka, Japan.

 

Dienstag, den 18. Mai 1915.

Am Abend vorher wurde ich in den Offizierspavillon gerufen, wo noch keiner von uns Verwundeten war. Als ich in den Saal eintrat, traf ich annähernd 30 Offiziere, die teilweise an einer langen Tafel, welche sich 30 Zentimeter über dem Boden erhob, worauf Tee, Kuchen und Flaschen standen, und teilweise an einer deutschen Spieluhr saßen und letztere nicht zum Spielen brachten. Ich wurde nun zu diesem Zwecke gerufen und sollte das Ding in Gang setzen. Nun sprangen alle Offiziere um mich, und ich konstatierte, daß es an der Feder liegen kann, doch zu meinem größten Spaß sah ich, wie sie alle probieren wollten, die Platte einzusetzen. Sie legten zuerst die verkehrte Seite nach außen, und dann fanden sie nicht, wie die Platte eigentlich gehen sollte, daß sie spielte. Es fragte mich der Generalsarzt, welcher gut Deutsch sprach und drei Jahre in Deutschland studiert hatte: Wo ist denn der mittlere Stift für die Platte? Denn sie hatten die Platte über den Hebel gelegt, der sonst die Platte einspannt und niederhält.

 

Da mußte ich doch lachen, drückte auf das Seitenhebelchen am Überleger und hob den Hebel hoch, da machten sie alle wie aus einem Munde " Ah!" - Und ich bekam da allgemeines Lob, und es sagte mir dann der Generalsarzt, ich möchte am kommenden Morgen die Spieluhr mir mal näher ansehen und möchte probieren, ob ich sie instandsetzen kann. Darauf verbeugten sich alle, und ich wünschte eine gute Nacht und verließ unter Begleitung eines Dieners den Saal.

 

Nun am heutigen Tage reparierte ich die Spieluhr, und alle zeigten große Freude, daß das Ding im Gange war. Nachmittags war ich wieder beim Zahnarzt, welcher einen Abdruck vom Oberkiefer holte.

 

Mittwoch, den 19. Mai 1915.

Heute war ich wieder beim Zahnarzt.

Es war wieder sonst ein langweiliger Tag. Wir warteten alle auf Post, und so ging der Tag wieder durch Schachspielen, Dame und Kartenlegen um.

 

Donnerstag, den 20. Mai 1915.

Es kam heute Herr Wachtmeister Lange von Tsingtau, welche der einzige Deutsche war, der beim Falle Tsingtaus durch eine Fliegerbombe schwer verletzt wurde. Es war ihm das linke Bein bis kurz unterm Gesäß abgenommen. Er brachte einen großen Schließkorb voll Liebesgaben mit, die unter uns Verwundeten verteilt wurden und bei allergrößter Freude begrüßten wir Tabak, Zigaretten, Schmalz und noch sonstige für uns wertvolle Sachen in der Gefangenschaft. Es trug zur Sammlung dieser Sachen hauptsächlich Frl. Luther von Tsingtau bei, die durch ihre Tätigkeit und Anteilnahme an allen Verwundeten einen sehr guten Namen machte.

Es hieß, am heutigen Tage soll Ypern in Westgalizien gefallen sein, und die Russen hätten schwere Verluste erlitten.

 

Freitag, den 21. Mai 1915.

War heute wieder beim Zahnarzt.

 

Am heutigen Tage gegen Abend bekamen wir die Meldung durch die Japaner: Italien hätte an Deutschland und Österreich den Krieg erklärt. Wir waren auf diese Meldung alle sehr erregt und erbittert gegen die Italiener, und es wurden die undenklichsten Verschwörungen über ihn ausgesprochen, und wir dachten alle an unsere armen Kameraden und Angehörigen. (Wie wird dies enden?)

 

Samstag, den 22. Mai 1915.

Wieder war ich beim Zahnarzt, und wir machten auch gründlich unsere Baracke heute rein und wollten so Pfingsten etwas freundlicher gestalten.

 

Pfingsten. Den 23. Mai 1915.

Es war heute ein sehr schöner Tag. Wir standen alle um halb 6 Uhr auf. Es wurde zur Feier des Tages ein guter Kaffee getrunken, den wir uns selbst kochten, und aßen etwas Kuchen und Schinken dazu, den wir tags zuvor von Kobe gestiftet bekamen. Um 10 Uhr wurde nochmals gefrühstückt, und gegen 11 Uhr aßen wir eine gute Erbsensuppe mit Speck. Um 12 Uhr gab es Mittagessen, Wurst mit kalten Kartoffeln, die wir nicht aßen, weil kein Hunger vorhanden war. Um zwei Uhr wurde wieder Kaffee gekocht, und ich trank einen guten Kakao. Dann machten wir ruhige Tanzreigen, Piratenmarsch in den verschiedensten Gestaltungen und sangen allerhand patriotische Lieder, und so verliefen die Pfingsten trotz unserem kleinen Zusammensein und in der Gefangenschaft sehr gemütlich.

 

Montag, den 24. Mai 1915.

Es war heute wieder Postabgabetag. Ich sandte meinen Landsleuten August Heck und Jakob König einem jeden eine Karte, die mir in sehr schönen Briefen ihre Anteilnahme an meiner Verwundung zu erkennen gaben. Des Nachmittags war ich wieder zum Zahnarzt. Auch kam heute die Meldung, daß jetzt am 24. Mai Italien an Deutschland und Österreich den Krieg erklärt habe.

 

Dienstag, den 25. Mai 1915.

Heute nichts besonderes.

 

Mittwoch, den 26. Mai 1915

Es gingen heute als gesund ins Gefangenenheim Herr Hauptmann Tschencher, Joseph Egyptien und Oberfeldwebel Ullrich. Jedoch tags zuvor kam Herr Leutnant der Reserve Zimmermann hier ins Lazarett. Auch schenkte ich  Joseph Egyptien eine neue Fotografie zum Andenken und gab ihm drei Briefe mit für Karl Schlosser, Fritz Lieber und Willy Kaden. Es kam heute die Rede auf die Dienstuntauglichen, und wir freuten uns schon, eventuell die Heimat baldigst zu sehen.

Heute lieh ich von August Iffly 1 Yen.

 

Donnerstag, den 27. Mai 1915.

Wir hatten heute Besuch von einem Pfarrer von Kiats in Japan mit Namen Schiller. Er war der erste Zivilist, den wir seit Tsingtau sehen konnten. Er brachte uns manche gute Nachricht, auch, daß die Deutschen bei Pryemipl (?) wieder 22.000 Russen gefangen genommen haben.

Ich bekam nachmittags zwei Feldpostkarten von Deutschland, eine von Fräulein Emma Trompeter und von Herrn Gymnasiumoberlehrer Colbus.

Ich freute mich riesig darauf. Denn wer nach so langer Zeit hier im fernen Ostasien an einen denkt, der war auch immer ein guter Freund und wohlgesinnt.

Meine Ausgabe heute waren 42 Cent für Speck und 18 Cent Zigaretten.

 

Freitag, den 28. Mai 1915.

Am frühen Morgen ging Kamerad Alfons Bürger weg ins Gefangenenheim. Er war mit einer der Schwerverwundetsten von Tsingtau; er hatte 8 Schüsse, auch einen durch die Mitte des Geschlechtsteils. Ihm blieb nur das linke Bein 4 Zentimeter kürzer. Er hatte seine Verwundung auch mit großer Geduld und Humor getragen. Er wurde, trotzdem er kaum laufen konnte, von zwei japanischen Posten begleitet, wobei einer aufgepflanzt neben ihm her ging.

 

Samstag, den 29. Mai 1915.

Ich schrieb mittags auf dem Büro, ging dann zum Zahnarzt und bekam heute meine Prothese, aber die war noch nicht ganz fertig - ich sollte mal ein wenig mich wieder daran gewöhnen. Des Abends spielte in unserer Nähe eine japanische Regimentsmusik, aber meist deutsche Melodien, so Märsche und sonstige Sachen, es klang leidlich, denn das Hauptinstrument war die dicke Trommel.

 

Sonntag, den 30. Mai 1915.

Ich bekam heute ein Paket von Fräulein Wedde, Tientsin, mit Unterwäsche, 6 Hemden und 9 Unterhosen, 6 paar Strümpfe, ein Paar Strumpfhalter, Rasierapparat, Pinsel, Seife, Seifennapf und Kracher (?) im Werte von insgesamt 35 Yen.

 

Ferner erhielt ich einen Brief aus der Heimat von Kola Dörrenbächer, welcher mich auch sehr freute. Auch schrieb ich einen Brief an Eva Ried mit Fotografie und dem Bemerken, letztere weiter an meine Eltern zu senden und versprach ihr, auf ihren nächsten Brief eine Fotografie zu senden.

 

Montag, den 31. Mai 1915.

Am Morgen gab ich den Brief mit Fotografie an Eva auf dem japanischen Büro ab. Ich schrieb auch eine Karte an Fräulein Wedde und bedankte mich für das letzte Paket vom 30. Mai.

 

Dienstag, den 1. Juni 1915.

Es war heute ein sehr schöner Tag. Des Nachmittags war ich beim Zahnarzt. Ich kaufte mir auch zwei japanische Feller (?) für 70 Cent, wo für mir Kamerad Garken das Geld gab.

 

Mittwoch, den 2. Juni 1915.

Um 5 Uhr mußten wir aufstehen. Um 12 Uhr gab es Post. Ich bekam einen schönen Brief von der katholischen Schwester aus Tsingtau mit Namen "Angelmaria", meine erste Verpflegerin als Verwundeter.

 

Ferner bekam ich von Maria Bergmann einen schönen Brief, wobei ich wußte, daß jedenfalls mein kleines Schwesterchen Rina zur Kommunion gekommen war und hätte gerne gesehen, wenn ich es von meinen Angehörigen schon erfahren hätte.

 

Vom Lager bekam ich einen Brief von Kamerad Esser, welcher mir mitteilte, daß der Rechnungsbrief die Andeutung unserer Geheimschrift war, die wir uns gegenseitig ausmachten. Ich fühlte mich beschämt, daß ich gleich nach Empfang seines vorhergehenden Briefes schlecht von ihm dachte und mich somit übertrumpft hatte im Scharfsinn und ziehe darum meine diesbezüglichen Gedanken, welche ich schon vorher im Tagebuche ausdrückte, vielmals zurück. Ich gab heute noch meinem Landsmann August einen Rasierapparat mit Pinsel und Seife, welche ich von Fräulein Wedde bekommen hatte. Er gab mir ohne Verlangen 1 Yen.

 

Donnerstag, den 3. Juni 1915.

Ich bekam heute einen Brief von Willi Leist mit noch einer Karte vom Januar. Des Nachmittags war ich wieder zum Zahnarzt und gab meine Prothese ab und soll kommenden Freitag nächster Woche sie wieder bekommen mit Zähnen.

 

Freitag, den 4. Juni 1915, und Samstag.

Heute machten wir Quartierreinigen. Es gingen heute auch Franz Naqy (von Kaiserin Elisabeth) und Herr Reimers aus Tsingtau ins Gefangenenheim.

 

Ich gab Ersterem folgenden Brief in Form eines Witzgedichtes mit an Kamerad Alfons Bürger.

 

Mein lieber Freund und Kupferstecher.

Auch England wird almählich frescher.

Ein letzter Brief hat uns gefallen,

Drum hoch mein Alfons, laß es knallen.

der Franz dahier hat großen Schmerz.

Er kommt jetzt zu Euch das ist kein Scherz.

Es hört jetzt auf mit der Masage,

Mit blendi, schissen und Curache.

Der Garken und der Iffly san,

die kommen nächstesmal schon ran.

 

Auch ich der Bomele und der Fest,

bilden sicherlich auch nicht den Rest.

Man hat ja immer Drückeberger,

Es kommt dazu auch Alfons Bürger.

Du mit Deim Fuß ich mit der Schness.

Und dann der Garken ganz gewess.

Parademarsch, Kolonn in Züigen,

das war Doch manch fidel Vergnügen.

Das ganz Regiment hat Har am Sack,

Mit Bambusbesen tateloß im Tackt,

Die dicke Trommel nah - weißt Bescheid,

Doch hört's jetzt auf mit Fröhlichkeit.

 

Denn Eure Alt aus Peking China,

Der paßt nicht mehr daß hiesig Klima.

Denn gestern war sie in Japan,

Um ihrem Alten adieu zu san.

Es hört jetzt auf mit den Paketen,

Die denkt, - könnt mich im --- lecken.

Der Garken, Du, daß gibt Blesier,

Garken hinten nach, und weinen sehr.

Daß macht mir Spaß, ich könnt bald blatzen.

Der August, und ich wir zieh'n die Batzen.

Du warst zuerst, weißt - mit Dem Essen.

Jetzt doch hört's auf, wir Drei jetzt fressen.

Das Bier, der Tscha, Bouillon mit Ei,

Daß stauen wir allein wir Drei.

 

Ich soll Dich grüßen vom Gouverneur,

Daß die Alt jetzt fort - bedauert er.

Ihr armen Säcke, Du und Garken,

Die können jetzt noch lange warten.

Zuerst komm ich, so denkt Die ach

Und dann wirst Du und Hein! gefragt.

Daß schad Euch nichts, so mußt es kommen,

Weil großartig Ihr Exellenz genommen.

Drum merkt Euch stehts, was ich Euch sage,

Man muß die Naß nie zu hoch trage.

Bleib zu Haus, ernähr Dich redlich,

Auch 618 meint das nämlich.

Der Scholer, Schulze, Meies, Lange und Lau,

Die stimmen bei, mit mord's-Radau.

Sie lassen Dich grüßen und freuen sich sehr,

auch hält der Imperator her.

Der Negerknabe, Pensilvanien und ich

sprochen viele Grüße und kussen Dich.

Dein Freund

Gefr. Kola Dörrenbächer.

 

Sonntag, den 6. Juni 1915.

Nichts besonderes. Ich schrieb einen Brief für August Iffly und eine Karte, ferner zwei Briefe für Mk. Comele.

 

Montag, den 17. Juni 1915.

Es war heute Postabgabetag. Sandte eine Karte an meine Eltern. Tags zuvor sandte ich einen Brief an Herrn F.H. Kola Runge (Hilfsfondverein) und bat um 20 Yen für mein Gebiß und Prothese, welche ich bezahlen mußte. Ich wurde heute wieder in den ersten Pavillon verlegt. Tags zuvor bekamen wir auch die Nachricht, daß Pryemyal (?) gefallen ist und so wieder in unseren Händen war. Es gingen heute Seesoldat Heinrich Garken und August Iffly ins Lager mit großer Freude, denn es gab hier kein gutes europäisches Essen, und dann wurden wir viel kommandiert von den einzelnen Feldwebeln, und auch Gäste taten ihr möglichstes, uns irgendwie zu drücken u.s.w.

 

Dienstag den 8. Juni 1915.

Heute war ich beim Zahnarzt

 

Mittwoch, den 9. Juni 1915

Es kam heute Obermaat Ernst Weißbard ins Gefangenenlager. Es war ein regnerischer Tag. Wir spannten heute auch unsere Moskitonetze auf. Wir hatten ein jeder sich 4 Bambusstöcke für 12 cent 1,60 lang gekauft und so befestigt. Bekam einen Brief von Alfons Bürger und 1 Yen von Herrn Hauptmann.

 

Donnerstag, den 10. Juni 1915.

Ich schlief bis 8 Uhr. Wurde dann auf das Büro gerufen und bekam 20 Yen von der deutsch-asiatischen Bank durch Herrn F.H. Runge vom Hilfsfondverein für mein Gebiß. Wir bekamen heute auch die japanischen Moskitonetze. Wir durften unsere Moskitonetze nicht abmachen, weil wir einen sehr eigensinnigen japanischen Feldwebelleutnant hatten. Es wurden uns in letzter Zeit die Tage immer drückender gemacht. Wir wurden schikaniert, wo es nur ging. Nachmittag hatten wir baden.

 

Freitag den 11. Juni 1915.

Ich sandte heute eine Quittung auf die 20 Yen an Herrn Dr. H. Neugebauer in Kobe. Heute bekam ich auch eine Feldpostkarte von Lina Giesselmann aus der Heimat mit Gruß von Herrn Oberlehrer Colbus. Ferner aus dem Lager kam ich einen Brief von Alfons Bürger, Heinrich Garken und Karl Schlosser mit dem Vorschlag, bald in ihrem Kreise zu erscheinen.

 

Samstag, den 12. Juni 1915.

Heute bekam ich mein Gebiß (Prothese mit Zähnen). Gleich konnte ich fast nicht sprechen, und gegen Abend hatte ich auch Schmerzen, so daß ich es ausziehen mußte.

 

Sonntag, den 13. Juni 15.

Heute habe ich mir Bilder aus der Woche gemacht, um im Lager die Wand zu dekorieren.

 

Montag, dem 14. Juni 15.

Ich schrieb eine Karte an Herrn Heinrich Philippi, Ottweiler, worin ich ihm mitteilte, daß Artilleriemaat Karl Luther aus Ottweiler, Gäßlingsstraße 60, bei Tsingtau am 5. 6. gefallen ist. Ferner sandte ich eine Karte an meine Eltern mit der Bitte, an meinen Kameraden Fritz Ramin in Freiburg zu schreiben, daß er bei mir ist und verwundet ist. Ferner sandte ich eine Karte an Herrn Sergeant Heidfeld und bat ihn um einen Khakianzug.

Heute machten wir unseren Pavillon mit festen Schrubbern sauber. Ich wurde am Operationssaal viermal fotografiert (mit Zähnen, ohne Zähne, Mund zu und Mund auf). Am Morgen bekamen wir unsere Kleidersäcke zum Lüften der Sachen.

 

Dienstag den 15. Juni 15.

Heute ging Kamerad Mathias Domele ins Lager (ein Österreicher). Nachmittags bekamen wir vom Lazarett ein Paar Strümpfe, ein Stück Seife, ein Notizbuch, zwei Nadeln, Zwirn und Papier zum Naseputzen. Ich machte aus Zeitvertreib Bilder fürs Lager in die Zimmer. Gegen Abend gaben wir wieder unsere Kleidersäcke ab.

 

Mittwoch den 16. Juni 15

Nachmittags war ich wieder beim Zahnarzt, wobei er mir nochmals Gipsabdrücke holte vom Unterkiefer und etwas nacharbeitete an meiner Prothese. Vom heutigen Tage mußten wir Verwundeten Fenster putzen und im Garten und vor den Baracken die Laufbretter schrubben, wobei uns manche verletzende Rede und Wörter von Seiten der Japaner trafen. Auch die zwei Herren Sergeanten Goll und Jahn mußten putzen, nachdem Sergeant Goll manche Auseinandersetzung mit dem Dolmetscher und dem Feldwebelleutnant des Lazaretts hatte. Auch wurde Kamerad Ewertz sehr gemein beim Schlafen geweckt vom Feldwebelleutnant. Es wurden uns überhaupt in letzter Zeit viele Unannehmlichkeiten gemacht, und wir wurden recht unfreundlich behandelt. Mehrere Kameraden waren noch nicht geheilt und verabschiedeten sich schon ins Lager, weil es kaum mehr zum Aushalten war, so auch im Essen usw.

 

Donnerstag den 17. Juni 15.

Es besuchte uns heute ein Oberstleutnant der Japaner, welche im Gefangenenlager sonst kommandiert war. Auch bekamen wir heute Liebesgaben, so jeder 20 Zigarren und 10 Zigaretten von Manila, dem deutschen Club. Wir freuten uns alle sehr darauf, denn was zum Rauchen war eine große Freude. Es kam heute auch die Bestätigung von Fräulein Dorpmüller auf meine Fotografie, auch eine Karte mit Abbildung ihres Hauses.

 

Freitag den 18. Juni 15.

Das japanische Lazarett veranstaltete durch eine Kommission einen Durchgang durch alle Baracken, weil in nächster Zeit eine höhere Persönlichkeit von der japanischen Regierung (kommen sollte), und deshalb wurde alles ausgebessert und gereinigt. Wir alle staunten doch, daß die Japaner doch schon etwas von Kultur sprechen konnten und darin sehr im Wachsen waren.

 

Samstag den 19. Juni 1915.

Nichts besonderes.

 

Sonntag den 20. Juni 15

Ich bekam heute früh einen Brief von Esser und Sturm aus dem Lager. Wir alle bekamen wieder 2,50 Yen durch Simon und Schuckert.

 

Montag den 21. Juni 1915

Heute war wieder Postabgabetag. Ich schrieb einen Brief an Fräulein Wedde, Tientsin, mit dem Anbieten einer Fotografie von mir. Auch schrieb ich für Paul Lau, welcher auf einmal schweren Rückfall bekommen hatte, einen Brief an seine Eltern und eine Karte nach Tientsin an seinen Pflegevater.

 

Dienstag den 22. Juni 15.

Nachmittags mußte ich wieder zum Zahnarzt. Ich war zum letzten Male hier und sollte 20 Yen für meine Prothese zahlen, worüber ich um Überlegung bat, weil sie erst bloß 15 Yen verlangten. Darauf ging ich zum Oberstabsarzt und bat ihn um Entlassung, wobei er mir gute Besserung wünschte und meine Bitte bewilligte. Es war nämlich hier im Lazarett nimmer schön. Sie hatten kein gutes Essen, es und war sehr einsam.

 

Mittwoch den 23. Juni 15.

Ich bezahlte heute 14 Yen für meine Prothese und Zähne, wofür ich eine spezifische Rechnung bekam.

 

Donnerstag, 24. Juni 1915.

Ich bekam heute meinen Kleidersack mit dem Bemerken, daß ich am 24., also am nächsten Tage ____ [Rest des Satzes fehlt]. Ich machte meine Kleider in Ordnung. Des Nachmittags war uns gegenüber für die japanischen Soldaten eine Theateraufführung, welche sich von uns aus belacht wurde, weil die Musik zu interessant war, und das Vortragen der Gesangsstücke hatte immer sehr Ähnlichkeit mit Wilden, nimmer war es eine Melodie. Sie tanzten mit Säbeln, es trat ein Zahnakrobat auf, ferner schlug er einen Backstein mit einem Finger entzwei, auf dem Kopfe Gefäße und mit Gewichten, welche an Ketten hingen, schlug er sich auf die Brust u.s.w. Es war für uns ein richtig wildes Theater.

 

Im Gefangenenlager

 

Freitag den 25. Juni 15.

Ich stand um 5 1/2 Uhr auf, und seit langer Zeit trug ich wieder die Militärkleidung. 7 1/2 Uhr wurden wir abgeholt von zwei Posten zum Gefangenenheim. Wir wurden nun durch ganz Osaka geführt und mit vielen Augen angesehen. Es waren noch bei mir Fritz Richter und Alfred Richter. Es gab für uns sehr viele Sehenswürdigkeiten. Um 10 1/2 Uhr kamen wir im Lager an. Zuletzt - kurz vor dem Lager - fuhren wir noch ein Stück mit dem Boot. Unsere Freude war sehr groß, schon in dem Gedanken, wieder deutsche Kameraden zu sehen und anderes Leben.

 

Wir wurden auf das Büro geführt und nochmals auf unsere Verwundung untersucht. Die Kameraden standen an den Fenstern, und es war ein frohes Bewillkommen. Ich kam nun in Baracke 7, Zimmer Nr. 9, zu Lanzeniny, welcher hier in Osaka auch bei mir im Lazarett war, und Hilingmeyer und Straub. Beide letzteren waren in Tsingtau auch bei mir im Lazarett. Ich war nun vom Büro bis zu meiner Stube beinahe 1 1/2 Stunden auf dem Weg, denn es umstanden mich alle früheren Kameraden und freuten sich alle, weil ich nun auch wieder in ihrem Kreise war. Die Zimmer und die Wohnungseinrichtungen machten direkt einen märchenhaften Eindruck, und vor jedem Wohnzimmer hatten die Kameraden Bäumchen gepflanzt. Die Grenzen und Ausgänge eines jeden Bezirks waren peinlich sauber in Flaschen eingehüllt.

 

Die Betten bestanden: An beiden Seiten stellte man zwei Kisten, und darüber wurden Bambusstäbe gelegt, und man hatte somit das beste Federbett, darüber war nur recht zierlich das Moskitonetz aufgespannt. Die Zimmer waren 2,10 Meter hoch und lagen circa 80 Zentimeter über der Erde. Die Baracken stand alle auf Pfählen und waren im Holz sehr leicht und feuergefährlich gebaut.

 

Die Licht - b.z.w. Fensterseiten waren teilweise mit Papier und siebartigen Drahtgeweben beklebt und benagelt. Teilweise hatten sich die Kameraden die Zimmer tapeziert und dann mit allerhand Bildern, so auch vom Kriegsschauplatz, sehr zierlich geschmückt. Mir wurde mein Bett, als ich auf meine Baracke ankam, von den Kameraden hergerichtet, und ich brauchte mich um nichts zu bemühen. Ich machte nun von einer zur anderen Seite Besuche, und meine Freude und den freudigen Eindruck vergesse ich nie bezüglich der schönen Einrichtungen und der kameradschaftlichen Aufnahme. Es war nur ein sehr schlechter Tag, den es regnete, was das Zeug hielt. Um 10 ging ich zu Bett, denn ich war sehr müde von dem Marsch unter Aufregung. Mein Gepäck wurde uns schon um drei Uhr nach gebracht.

Auch habe ich meinen Hauptmann besucht, und er war sehr froh, als er mich wieder sah.

 

Samstag den 26. Juni 15.

Um 5 Uhr war Wecken, und um 6 Uhr war allgemeine Musterung. Ich wurde nun über all neugierig und bemitleidend angesehen von den anderen Kameraden und viel über meine Verwundung befragt. Es waren so circa 400 Mann Gefangene mit den Zivilisten von Tsingtau Nachmittag gab es als Mittagessen Gulasch, Kartoffeln mit Soße. Dieses Essen war für mich nun wieder eine ausnahmsweise große Freude, denn im Lazarett wäre ich bald verhungert, womöglich noch innerlich krank geworden. Nach dem Essen ging ich auf das Büro, und ich bekam einen Khakianzug.

 

Ich bekam nun auch einen Geldbrief von Fräulein Wedde, welche zur Zeit in Peitha-Ho im Bade war (es war dieser Ort in Friedenszeiten unser Erholungsort, wo wir Tientsiner Soldaten jedes Jahr einmal auf Urlaub kamen). Ich bekam 6 Yen.

 

Gegen Abend ging ich an die Turngeräte und probierte, ob ich noch mit meiner Verwundung etwas machen konnte, aber es ging noch ein wenig, und ich hatte bald das halbe Lager um mich rum als Zuschauer. Nicht strengte nun zum ersten Mal das Turnen sehr an, denn ich bekam schlecht Luft, und es schmerzten mich auch die stehenden Kieferteile etwas und mußte mich immer in Acht nehmen, daß mir die Prothese aus dem Munde sprang. Dann spielte ich auch an diesem Tag wieder Violine und Mandoline, welche die Hauptinstrumente waren hier im Lager. Um 9 Uhr war wieder Musterung und um 10 Uhr schlafengehen.

 

Sonntag den 27. Juni 15.

Es war heute ein sehr schöner Tag. Ich wurde nun heute wieder viel befragt wegen meiner Verwundung, und ich machte über ein Besucher bei den Kameraden usw.

 

Montag, den 28. Juni 1915.

Ich bekam von zu Hause zwei Briefe mit Fotografien von Kätchen und Ella und Mann. Die Briefe gaben mir vieles zu denken und freuten mich nicht, weil eine der anderen Vorwürfe machen wollte. Ellas Brief jedoch hat mir sehr leid getan, nur hätte ich gewünscht, sie hätte nichts über Kätchen geschrieben, weil ich Eulengarten kenne durch meine Kameraden. Es freute mich sehr, daß sie für mich betete zu meiner Genesung, der ich nie ganz entgegen sehen kann, und glaube gerne, daß sie dies aus echter Bruderliebe getan hat, weil ich weiß, daß sie trotzdem, wenn ich ihr auch nicht zugegen war, mir Gutes nach sagte und mir sehr zugetan war und manchen Zwiespalt auch wir unserem allgemeinen Pech zuzuschreiben hatten und dem großen St. Wendeler Kastengeist und ihrer Unerfahrenheit in Menschenbeurteilung. Ich danke ihr nun auf die guten Wünsche in ihrem Briefe und wünsche ihr, daß es so in ihrer kleinen Familie so gehen möchte, wie sie mir geschrieben hat. Ich habe auf ihrem Bild gesehen, daß sie noch keine echte Liebe zu ihrem Gemahl geführt hat und falschen Gedanken sich gewidmet hat in ihrer Liebeszeit mit H. Neusser. Kätchens Fotografie hat mir zu denken gegeben und die nachlässige Haltung läßt an einem so jungen Mädchen einem jungen Manne wie mir, der die große Welt ziemlich kennt, alle Stadtleben u.s.w. gesehen hat, an vieles, aber nicht an eine an der Eltern und Geschwister Stolz denken, und ich mußte sehen, daß bei ihr schon aufmerksames religiöses Denken gleich null geworden ist.

Ich schrieb nun einen Brief an meine Eltern und eine Karte an Frau Dunkel in Shanghai. Nachmittags fingen wir an unserer Stube an. Als erstes machten wir uns einen Tisch und Stühle mit einem Messer aus Bambusstäben und Kistenbrettern. Wir kauften uns Papier und sonstiges Zeug zum Schmücken.

 

Dienstag den 29. Juni 1915.

Wir arbeiteten auf der Stube. Nachmittags wurden wir untersucht.

 

Mittwoch, den 30. Juni 1915.

Um 5 Uhr war Wecken, um 6 Uhr Musterung durch die Japaner, wozu wir auf unserem großen Platz antreten mußten. Darauf tranken wir Kaffee. Um 9 Uhr tauschten wir unsere Matten um. Um 12 Uhr gab es zum Essen Kartoffeln, Fleisch und Sauce, zwei Bananen.

Am Abend gab es Cornetbeff wie. Um 9 Uhr war Musterung und 10 Uhr schlafengehen.

 

Donnerstag, den 1. Juli 1915.

Heute gab es wieder die vorgeschriebenen zwei Briefe, zwei Karten. Es gab auch tags zuvor Strohschuhe. Wir machten heute an unserer Stube weiter, indem wir mit Zeichenbogen und Bildern die Wände dekorierten. Mittags gab es Schantungkohl, des Abends Fleischkuchen mit Kartoffeln und Sauce. Nach dem Essen machten wir Schluß. Um 9 Uhr Musterung und 10 Uhr schlafengehen.

 

Freitag, den 2. Juli 1915.

Nichts besonderes. Ich bekam aus dem Lager ein Paket mit meiner Wäsche vom Waschmann. Es kam heute auch Kamerad Flach aus dem Lazarett.

 

Samstag, den 3. Juli 1915.

Heute wurde große Stubenrevision abgehalten von seiten der Japaner, und alle unsere Sachen wurden auf Waffen und Munition untersucht, wobei es sehr interessant zuging und dem einen Offizier sehr Schwierigkeiten gemacht wurde, weil er einfach unsere Sachen auf dem Boden umher streute. Es wurden Rattenfallen aufgestellt, wo er dann mit der Hand hinein griff; es wurden im Zeitungen hingehalten anstatt Bettdecken u.s.w. Nachmittags um 1 Uhr war die Revision durch den Lagerkommandant.

 

Samstag den 4. Juli 1915

Ich dankte Fräulein H. Wedde, welche zur Zeit in Peithiho (?) war, für ihre an mich gesandten 6 Yen mit einer Karte. Es war heute wieder ein sehr schöner Tag. Gegen Abend versammelten sich viele Kameraden auf meiner Stube und sangen wieder mal "Im Heimattale weit in der Fern", "Dein gedenk ich, wenn ich erwache", "Oh, wie herbe ist das Scheiden", "Wie's daheim war, find's Du's nimmer mehr" und noch sonstige Lieder. So endete der Tag bei ganz gemütliche Stimmung.

 

Montag, den 5. Juli 1915.

Es war ein rechnerischer Tag. Ich machte Kamerad Sturm und Esser die Stube.

Der Tag endete mit kriegerischen Gesprächen, wo wir unsere Erinnerungen auffrischten von Tsingtau und dem Vorgelände. Die Musterung fiel wegen dem schlechten Wetter aus.

 

Dienstag den 6. Juli 1915.

Im Morgenmusterung fiel wegen Regen aus. Sonst nichts neues.

 

Mittwoch den 7. Juli 1915.

Am Morgen fand um 10 Uhr ein sehr interessanter Musikvortrag statt. Es spielten uns ein Offizier und ein Zivilist etliche Stücke aus verschiedenen musikalischen Zusammensetzungen und Opern auf dem Piano.

 

Donnerstag den 8. Juli 1915.

Ich bekam heute einen Brief aus der Heimat von Schwesterchen Rina mit ihrem Kommunionsbild. Es machte mir große Freude, und der Inhalt des Briefes war sehr nett und freute mich sehr.

 

Es kamen heute aus dem Lazarett: Leutnant Zimmermann, Seesoldat Mieß und Hermann Vogt. Am heutigen Abend turnte ich auch zum ersten Male in der gebildeten Turnerriege (T.) mit. Es strengte mich sehr an, aber ich hatte noch nicht viel gelernt und kann keine größeren Abgänge machen. Gegen Schluß riß ich mir ein Stück Fleisch von dem Daumen und ein Stück aus der linken Hand.

 

Freitag, dem 9. Juli 1915.

Morgens übte ich mich in Anlegen von Grobdrucken und Bohlenschiftungen (?), welche ich zugleich einen Kamerad erlernte.

 

Samstag den 10 Juli 1915.

Es war heute wieder Quartierreinigen, sonst nichts neues.

 

Samstag den 11. Juli 1915.

Ich schrieb eine Karte an Eva in Koblenz, Altengraben 14.

 

Montag, dem 12. Juli 15.

Nichts besonderes, es regnete den ganzen Tag.

 

Dienstag den 13. Juli 1915.

Nichts besonderes.

 

Mittwoch, den 14. Juli 1915.

Nichts besonderes. Heute kam Fest aus dem Lazarett.

 

Donnerstag, den 14. Juli 1915.

Es war ein ausnahmsweise heißer Tag, im Schatten 42 Grad.

Des Abends war Turnen, wo ich wieder mitturnte und mein Turnen großes Staunen erregte. Denn meine Verwundung wirkte sehr auf mich beim Turnen. Am Barren jedoch konnte ich gar nicht viel machen, und es strengte mich das Handstanddrücken so an, daß ich nachlassen mußte.

 

Freitag, den 15 Juli 1915.

Es war wieder ein sehr heißer Tag. Es gab in den letzten Tagen wieder viele Heimatpost, nur ich wartete vergebens.

 

Samstag, den 16. Juli 1915.

Es war heute wieder Quartierreinigen. Um ein Uhr nachmittags war Musterung durch den Kommandanten.

Es gab wieder um 4 Uhr viele Heimatpost, aber keine für mich, was mich sehr verstimmte. Gegen Abend ging ich baden.

 

Samstag den 17. Juli 1915.

Abends vorher spielt wir noch in einer ganz gemütlichen Kapelle, dreireihige Ziehharmonika, Gitarre, zwei Violinen, ein Tambarino.

 

Heute war wieder ein sehr heißer Tag. Am Morgen bekam jeder zwei Berliner. Am Mittag gab es Schweinefleisch, Kartoffeln, Gurkensalat, Sauce und Pfirsiche. Am Abend spielte ich wieder mit in unserer Kapelle; heute kam noch ein Cello hinzu und die Teufelsgeige. Letztere war ein Instrument aus Draht, einem langen Stock Bambus und Kochgeschirr. Der Abend endete mit Ringen.

 

Montag den 18. Juli 1915.

Heute hatte Gruppe 1 Ausgang nach dem Zementfabriken. Es war heute wieder sehr heiß. Sehr viele Post gab es heute von der Heimat.

 

Dienstag den 19. Juli 1915.

Heute bekamen wir Liebesgaben, so zwei Hemden und zwei Hosen.

 

Mittwoch den 20. Juli 1915.

Heute bekamen wir das Probebild, wo wir Verwundeten alle hier in Osaka uns eine Woche vorher machen ließen. Die Kameraden waren alle sehr gut getroffen, und mir sah man an, daß etwas im Gesicht nicht in Ordnung war.

 

Mittags gab es nochmals ein jeder drei paar schwarze Strümpfe (ebenfalls Liebesgaben) von den Japanern. Am Morgen mußten wir alle am Platz zu einem Vortrag des Lagerkommandanten. Er verkündete uns, daß Ihre Ehrwürdige Majestät, die japanische Kaiserin, den Erlaß herausgegeben hat, daß jedem Verwundeten, welcher einer seiner Gliedmaßen verloren hat, von seiten der japanischen Regierung ersetzt und bezahlt werden soll.

 

Gegen Abend wurden die Turnkameraden jeder in Freiübungsstellungen fotografiert. Darauf spielten wir bis 9 Uhr in unserer Musik.

 

Zu übertragen auf Tagebuch II

Gefreiter Nikolaus Dörrenbächer

Osaka den 21. Juli 1915.

 

[wird fortgesetzt]

Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
E-Mail:  alsfassen(at)web.de  (c)2009 hfrg.de

Diese Website durchsuchen

Suchen & Finden  
erweiterte Suche