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Gastfreundschaft

Im Dezember 1982 nahm ich an einer dreiwöchigen Reise nach Ägypten teil, organisiert vom Jugendherbergswerk. Wir besuchten Kairo und die großen Pyramiden, das Tal der Könige bei Luxor und den großen Staudamm bei Assuan. Den heiligen Abend verbrachten wir in einer Jugendherberge in Suez am Roten Meer.

Am letzten Tag - es war der 27. Dezember 1982 - unternahmen wir zu viert einen Ausflug zur Knickpyramide von Dashur, die 30 km südlich von Kairo am Rande der Wüste liegt. Unterwegs trafen wir noch einen Engländer, der das gleiche Ziel hatte. Wir erreichten die Pyramide nie, weil sie damals mitten in einem militärischen Sperrgebiet lag. Die Männer im Jeep, die uns anhielten, bedeuteten uns höflich, aber energisch, umzukehren. Wir stapften durch den heißen Sand zurück, überquerten erneut die hohe Sanddüne und stiegen ins Niltal hinab. Am Fuß der Düne führte uns unser Weg durch eine kleine Siedlung. Ein paar quaderförmige Steinhäuser, davor eine Art Garten, gesäumt von niedrigen Steinmauern am Weg.

Mittendrin beschlossen wir, Rast zu machen. Wir setzten uns auf eine Mauer und packten unsere Lunchpakete aus, die wir vom Hotel morgens erhalten hatten. Kaum saßen wir, da ging im Haus hinter uns die Tür auf, und ein Mann kam wild gestikulierend auf uns zu. Er sprach arabisch, und wir verstanden kein Wort, aber er strahlte übers ganze Gesicht und forderte uns mit vielen Gesten und vielen Worten auf, ins Haus zu kommen. Dort mußten wir auf dem Boden auf Kissen Platz nehmen, und sofort kamen einige Kinder und brachten Wasser und Tee und die obligatorischen Fladenbrote. In einem Topf dampfte eine klare Suppe, und der Hausherr forderte uns auf, davon zu kosten. Da fiel mir ein, daß zum Lunchpaket kleine Päckchen mit gesalzenen Chips gehörten, mit denen man die Suppe bereichern konnte. Die Kinder, die ruhig etwas vom Tisch entfernt saßen, bekamen große Augen, und natürlich boten wir ihnen die Leckereien an; wir hatten ja mehr als genug davon. Eine Geste, die bei uns zum guten Ton gehört.

Unser Gastgeber sah das ganz anders.
Ein lautes Wort, und die Kinder verstummten.
Eine höfliche, dankende, aber gleichzeitig ablehnende Geste an uns.
Und wieder die Aufforderung, uns zu bedienen.

Das Verhalten des Mannes hat mich damals tief beeindruckt und tut es heute noch. Sein Ehrgefühl und seine Verbundenheit zu seiner Tradition, die absolut war und keinerlei Gegengabe erlaubte, selbst nicht Geschenke oder Aufmerksamkeiten an seine Kinder.

Es gibt keine Fotos von unserem Besuch, und seinen Namen habe ich nicht erfahren. Aber seine Gastfreundschaft werde ich nie vergessen

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