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Die Glocken der ehemaligen St. Annenkapelle

 

Viel ist von der ehemaligen St. Annenkapelle nicht übrig geblieben - ein paar Steine, ein paar Scherben und ein bißchen Schiefer. Und die beiden Glocken, die einzigen Objekte, von denen wir (ziemlich) sicher wissen, daß sie zur Kapelle gehörten, und die die Jahrhunderte überstanden.

 

Die Kirchenrechnungen im Pfarrarchiv St. Wendel geben wieder, daß die St. Annenkapelle zwei verschiedene Glocken besaß. Die erste Reparaturrechnung für die Glocke zu St. Anna erscheint in der Ausgabe-Liste des Jahres 1587: Der Glockenstrang war nicht mehr vorhanden. Die Glocke wurde repariert und wieder aufgehängt. Die ganze Aktion kostete 3 Gulden (Quelle: Kirchenrechnung KR 1587, Pfarrarchiv St. Wendel):

 

"1587

Außgab gelt wegen der kirchen St. Wendalin

Item ist die Glock Zu Sanct Anna bandloiß worden, dardurch ein schaden empfangen, dießelbig laißen beßern datun geben zu machen und wider uff zu hencken        iij gn"

 

Zwölf Jahre später, 1595, wurde wiederum ein Schaden behoben (KR 1595):

 

"Item dem Leyendecker, auß notturft, die Kirchen Thurm Zubesteigen, als den Capellen Zubehör und Zu St. Annen, die Glock anZuhangen Vor cost Und Loges         12 fl.?

 

(Der Leiendecker (der Dachdecker, der Schieferziegel verwendet) wurde beauftragt, in einer Notlage den Kirchturm der Kapelle zu besteigen und die Glocke zu St. Anna "anzuhängen", also "festzumachen")

 

Im Jahre 1597 wurde eine weitere Glocke aufgehängt (KR 1597)

 

"Außgabe Bauwgelt

Item ein Glock zu St. Annen zu hangen,

an Costen Und Loges          ii alb"

 

Um welche der beiden Glocken es sich dabei handelt, die große (Friedhof Gehweiler) aus dem Jahr 1500 oder die kleine (Kapelle Wallesweilerhof) ist heute leider nicht mehr feststellbar.

 

Über die kleine Glocke ist nicht viel bekannt. Nach Auskunft von Herrn Marx, Turmuhrmacher aus Bliesen, handelt es sich dabei um eine sogenannte Schiffsglocke, die keine Krone, sondern zwei einfache Bügel besitzt. Sie gelangte wahrscheinlich noch vor 1793 nach Bliesen, wurde dort von einem Bewohner des Wallesweilerhofes mit Nachnamen "Hans" gekauft und später in der "neuen" Kapelle auf dem Hof, die um das Jahr 1843 gebaut wurde, aufgehängt. Dort hängt sie heute noch in dem kleinen Türmchen über dem Eingang an der Westseite. Eine genaue Untersuchung dieser Glocke hat meines Wissens noch nicht stattgefunden.

 

 

 

Die St. Annenkapelle auf dem Wallesweilerhof (erbaut zwischen 1843 und 1849) hier etwa im Jahre 1962. Im Dachreiter kann man die kleine Glocke erkennen, die vorher einen guten Kilometer südöstlich geläutet wurde.

 

Mehr ist dafür über die große Glocke von 1500 bekannt. Sie kam zusammen mit dem Flügelaltar um 1800 nach Furschweiler, wo sie in einem Holzgerüst neben der Notkirche aufgehängt wurde (zu sehen auf einem Farbgemälde der Pfarrkirche in Furschweiler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich 1992 im Pfarrarchiv Furschweiler befand. 

 

 

Das Bild zeigt die neue Kirche von Furschweiler im Jahre 1828 (daß Sie sich nicht täuschen, die Pfarrkirche ist der Fachwerkbau rechts, links davon steht das Pfarrhaus). Rechts davon hängt in einem einfachen hölzernen Läutegerüst die große Glocke aus Alsfassen.

 

 

Von 1827 bis ca. 1928 hing sie in der Furschweiler Pfarrkirche und wurde dann nach Gehweiler abgegeben, wo sie als Läut- und Totenglocke bis zum Bau der St. Michaelskirche Verwendung fand. Beinahe wäre sie dem Glockenfresser "Krieg" zum Opfer gefallen, doch eine Initiative des Gehweiler Bürgermeisters Färber rettete sie. Er setzte sich mit dem Provinzialkonservator der Rheinprovinz in Bonn, Dr. Pfitzner, in Verbindung. Dieser teilte der Kreishandwerkerschaft Baumholder-Birkenfeld in Idar-Oberstein am 30.07.1942 folgende Empfehlung mit:

 

"Die einzige Glocke der oben genannten Gemeinde hat sich bei einer näheren Prüfung als besonders wertvoll herausgestellt. Sie ist ein Guss aus dem Jahre 1500 und trägt auch einen Giessernamen. Einem Antrag des Bürgermeisters Färber von Gehweiler vom 25. 7.1942, die Glocke für die Gemeinde zu erhalten, trage ich gern Rechnung, zumal die Glocke eng mit der Geschichte des Ortes verbunden ist, wie aus den Nachweisungen des Bürgermeisters unwiderleglich hervorgeht. Die Glocke stammt ursprünglich aus dem Saargebiet und hat eine bewegte Vergangenheit und Geschichte hinter sich. Ich habe keine Bedenken gegen die Belassung der Glocke in Gehweiler als Läuteglocke und bitte entsprechende Anweisungen zu geben und mich kurz zu benachrichtigen."

 

Die Glocke hing bis Mitte der 80er Jahre erst in einem kleinen Holz-, dann einem Steintürmchen neben der Schule in Gehweiler. Danach landete sie in einer Abstellkammer.

 

 

 

Der alte Glockenturm an der ehemaligen Schule in Gehweiler (Zustand: 25.03.2011)

 

 

Die Saarbrücker Zeitung Nr. 43 vom Mittwoch, 20. Februar 1985, berichtete in ihrem St. Wendeler Regionalteil:

 

"Gehweiler Ortsrat sucht würdigen Platz

Eine Glocke schlummert zwischen allerlei Gerümpel

bob. Gehweiler. Mit Bedauern stellte der Gehweiler Ortsrat (und mit ihm die Bürger) fest, daß im Investitionsprogramm der Gemeinde keine Maßnahme, die das Anbringen der historischen Glocke im Bereich des Friedhofsvorplatzes vorsieht, enthalten ist. Die bis vor zehn Jahren einzige Glocke des Ortsteiles hatte über Jahre in einem kleinen Steinbau in der hintersten Ecke des ehemaligen Gehweiler Schulhofes einen unwürdigen Ruheplatz gefunden. Nun schlummert sie über eine lange Zeit zwischen allerlei Gerümpel in einem Raum der Friedhofskapelle. ...

 

Die nun "verschlossene" Glocke, so Gehweilers Ortsvorsteher Hans Wiesen, sei ein Stück Gehweiler Geschichte. Sie habe bis zum Bau der St. Michaelskirche den rythmischen Ablauf im täglichen Zeit-geschehen bestimmt und manchen Bürger mit ihrem Klang bei seinem letzten Gang über den Leidenberg zum Furschweiler Friedhof begleitet. "Unser Wunsch geht seit Jahren darauf hinaus, für sie auf dem Gehweiler Friedhof in einem Glockenturm einen endgültigen Platz zu finden", sagt Hans Wiesen."

 

 

 

Um 1984 wurde sie trotz Gegenmaßnahmen durch eine Initiative des Gehweiler Ortsvorstehers Hans Wiesen am Gehweiler Friedhof als Totenglocke in einem Holzgerüst aufgehängt.

 

 

 

 

 

Anläßlich ihrer neuen Verwendung wurde sie durch die Eifeler Glockengießerei, Brockscheid, am 13.06.1984 untersucht (zur Verfügung gestellt von Hans Wiesen, Gehweiler):

 

?Befundbericht über Instandhaltung und Wiederläutbarmachung der unter Denkmalschutz stehenden Glocke Gehweiler

 

Unterer Durchmesser     574 mm

Höhe (ohne Krone)         480 mm

(mit Krone)                   550 mm

Gußjahr:                       1500 n. Chr.

Gießer:                        Clas von Enen

Inschrift:                      Clas von Enen gos mich MCCCCC

                                  Maria heisen ich

Gewicht:                      ca. 120 kg

Unteroktave                  f + 1

Schlagton                     f' + 14

Prime                           f' - 3

Terz C Moll                   as" + 12

Quinte                         c'' _ 3

Oberoktave                   f" + 14

Nachhall                       28 sec

 

Die Glocke ist an ihrer früheren Anschlagstelle stark angeschlagen, sie muß daher eine vollkommen neue Anschlagstelle erhalten.?

 

 

Die Inschrift der Glocke lautet in schönen Minuskeln:

 

CLAS VON ENEN GOS MICH ANNO MCCCCC MARIA HEISEN ICH

 

 

                  CLAS         VON         ENEN

 

 

 

                    ENEN         GOS         MICH

 

 

 

                   M         CCCCC

 

 

 

                CCCCC         +         MARIA

 

 

 

                MARIA         HEISEN         ICH

 

 

 

Das weist sie als ein Werk des Glockengießers Nicolaus von Ehnen aus. Ehnen liegt ca. 15 km oberhalb von Remich an der Mosel auf luxemburgischer Seite, ein kleiner, ruhiger Ort an einer der vielen Moselbiegungen. Clas von Enen wurde um 1420 geboren, lernte in Trier bei Meister Peter von Beyschen die Kunst des Glockengießens und zog gut 50 Jahre durch die Lande, wobei er an vielen Orten seine Kunstwerke hinterließ, angefangen 1451 in Riol (Mosel) bis 1501 in Rüsdorf. Die meisten seiner Glocken hießen "Maria", so wie "unsere" auch. Daß man Clas mit dem gleichzeitig tätigen Clas oder Clais von Echternach für identisch halten konnte, liegt an der irrigen Annahme, Ehnen sei ein luxemburgisches Dorf "in der Nähe von Echternach". Unglaubwürdig aber erscheint es von vornherein, daß ein und derselbe Meister sich im selben Jahr einmal Clas von Enen und ein andermal Clas von Echternach genannt haben soll.

 

Quelle:

Nikolaus Hein "Clas von Enen gos mich...", Seite 62-64,

in: "Ehnen 1852-1952", Hrsg. "Société Chorale Ste Cécile", 1952,

eingesehen im Stadtarchiv Trier

 

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