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18. Jahrhundert -> 1786 Einer der ersten Protestanten in St. Wendel

1786 Einer der ersten Protestanten in St. Wendel

 

Im Jahre 1784 verabschiedete der Trierer Kurfürst das sog. Toleranzedikt, nach dem ab sofort neben den Katholiken und manchen immer wieder mal temporär geduldeten Juden auch Protestanten sich im Kurtrierischen niederlassen durften - unter gewissen Bedingungen: ihr Gewerbe mußte einen Profit abwerfen, d.h. sie mußten Steuern bezahlen, und ihre Pfarrer durften nur in Zivil erscheinen.

Einen der ersten Protestanten, der sich in St. Wendel niederließ, war der Schönfärber Johann Psotta, der aus Neusohl in Oberungarn und in den 1770ern nach Ottweiler gekommen war. Dort hatte er am 5. Oktober 1780 die dort ansässige Anna Maria Waltzinger geheiratet und war mit ihr und den beiden Söhnen Johann Andreas und Christian Friedrich 1786 nach St. Wendel übergesiedelt. Johann Andreas übernahm später das Geschäft seines Vaters in St. Wendel, während der jüngste Sohn mit seiner Familie Ende der 1830er in die USA auswanderte (+ 1870 in Philadelphia, Pennsylvania)

Am 24. September 1786 wandte sich der St. Wendeler Amtmann Gatterman an seinen Vorgesetzten, den Trierer Kurfürsten Clemens Wenceslaus, und bat um Rat, was er mit dem neuzugezogenen Psotta in Hinsicht auf dessen Religion anstellen sollte:


„St. Wendel d 24t 9ber 1786

Hochwürdigster Erzbischof, Durchlauchtigster Kurfürst, Gnädigster Kurfürst und Herr

Johann Psotta, Schön Färber seines Handwerks wurde Vermög gnädigsten Dekrets vom 23ten Merz laufd. Jahrs dahier beigehend von Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht in die Zahl der Unterthanen gnädigst aufgenommen, derselbe hat sich seit einiger Zeit in hiesiger Stadt häuslich niedergelassen, und wünscht zu wissen, in wie weit ihm die Ausübung der protestantischen Religion, welcher Er zugethan ist, gestattet seye, welches mich Veranlasset höchstdieselbe und die gnädigste Erklärung, und Weissung in Unterthänigkeit zu bitten, 

mit schuldigster Verehrung ersterbend
Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht unterthänigst treugehorsamster
Gatterman“

Die Antwort erfolgt nicht wirklich postwendend:

„Von wegen Sr Kurfürstlichen Durchlaucht zu Trier dem Amt St. Wendel auf seinen erstatteten Bericht in Betref des Schönfärbers Johan Psotta pto Religionsausübung hierdurch anzufügen: Er habe den Psotta nach denen hier beiliegenden höchsten Vorschriften in Betref des Handelsmanns Böcking von dahier zu Vorbescheiden, und zu behandeln.
Koblenz in C(astro) E(hrenbreitstein) den 12ten Decemb. 1786
Ex Mandato
J.L. Schaeffer“

Gefolgt von dem, was drei Jahre zuvor in Sachen Richard Böcking entschieden worden ist, als das Toleranzedikt noch relativ neu war:

„Jn Betref der Protestantischen Religions=Ausübung im Hohen Erzstift Trier
Extractus Protocolli Regiminis, de dato Coblenz den 4. Nov 1783

Jn Trarbach Richard Böcking pto der Handlungsfreiheit in Coblenz p.

Legebatur dessen unthgste bittschrift cum Cl(ementissi)mo Decreto de 31. mit dem Befehl, dem Supplicanten also bald anzufügen: daß S. Kurf. Durchlaucht demselben gnädigst gestatten, sich in der Stadt Coblenz oder dem Thal Ehrenbreitstein mit seiner Handlung niederzulassen, und obwohlen Hochdieselbe noch zur Zeit bedenken hatten, demselben das Bürgerrecht angedeihen zu lasen, so solle er dennoch eine denen Bürgern ähnliche Freyheit zu geniesen haben.

Seine Kurfürstliche Durchlaucht wollen demselben auch gnädigst gestatten, seine Kinder durch einen Geistlichen seiner Religion taufen und unterrichten zu lasen, auch in Sterbfällen sich und die seinigen an einen seiner Religion zugethanen Ort beerdigen zu lasen.

Jedoch solte der protestantische Geistliche in keiner geistlichen Kleidung offentlich erscheinen, und den katholischen Pastor die gewöhnliche Jura stolae entrichtet werden; Uebrigens aber hätte derselbe von seinem Handel, und Gewerb, wie die Inländische Handelsleuthe eine billige, und proportionirte Abgabe zu entrichten. Wo dann schließlich wegen der Aufnahm des Supplicanten bei seiner Niederlasung dem Stadtmagistrat das nötige von der Regierung anzufügen ist.

Fiat hiernach Decretum ad Supplicem dem Handelsmann Böcking.

Churfürstlich Trierische Regierungs Canzley“

Das würde ich gerne wissen: was der protestantische Pfarrer damals gedacht haben muß, als er erfuhr, daß zum einen er in Zivil erscheinen, zum anderen sein katholischer Kollege die Stolgebühren einkassieren konnte.


Quelle: Pfarrarchiv St. Wendel, B28, S. 179 - 183.
Herzlichen Dank an Frau Dr. Stitz für die Unterstützung.

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