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2022: ’séss Faasenachd

Heute morgen ist der Sonntagmorgen anders als sonst ein Sonntagmorgen. Normalerweise stehe ich auf, wanke ins Erdgeschoß ins Bad und in die Dusche, um ein halbwegs vorzeigbares Exemplar der Gattung homo sapiens zu werden. Heute ist das nicht so - im Gegenteil. Ich schlüpfe mit dem Schlafzeuge (Tshirt und Hose) in meine Klamotten, die sich gestern schon auf die Waschmaschine freuten, nicht nur um meinen Körpergeruch loszuwerden (aber auch), putze mir die Zähne, damit der Kaffee und das Sonntagshörnchen nach Kaffee und Sonntagshörnchen schmecken und nicht wie - egal, malen Sie es sich aus, nehmen Sie den Spruch mit der Achselhöhle der Marktfrau, aber lassen Sie Grethe Weiser außen vor, bei dem Spruch mit dieser Dame geht’s um eine andere Körperpartie.

Heute backen wir „Faasekischelscha“. Keine wirklich richtigen, sondern unsere speziellen. Genannt Apfelkrapfen. Nach diesem Rezept:

Hefe 30 Gramm
Milch ¼ Liter
Zucker 40 Gramm
Mehl 500 Gramm
Salz 1 Prise
Sanella (Margarine) 60 Gramm
die abgeriebene Schale einer Zitrone
Äpfel 3
Biskin (Fett) zum Fritieren

Erst kommt der Teig an die Reihe - die zerbröselte Hefe wird mit gesiebtem Mehl (dadurch werden die Krapfen schön fluffig), Milch, Salz, Margarine, Zitronenschale und Zucker zusammengerührt, am besten mit Knethaken. Der Teig kommt in eine Peng-Schüssel und 30 Minuten auf die warme Heizung.

[Die klassische "Plop" oder "Peng"-Schüssel, die dank dem Sicherheitsverschluss auch perfekt zum Mitnehmen geeignet ist. Genau dieser Verschluss hat der Schüssel seinen Namen gegeben, da ein angesetzter Hefeteig den Deckel aufdrückt, sobald er genügend "gegangen" ist.]

In der Zwischenzeit werden die Äpfel geschält und in möglichst kleine - ich nenne sie mal Rechtecke zerschnitten, obwohl sie alle möglichen Formen haben, nur nicht rechteckig, klein halt und nicht zermatscht. Ich würde ja gern den Zwiebelzerkleinerer nehmen, aber bei dem geht der Zwiebelgeruch nicht mehr raus. Nee, dann lieber Handarbeit.

Es hat „peng“ gemacht, jetzt kommen die zerkleinerten Äpfel dazu. Wieder mit dem Knethaken, bis alles gut verrührt ist und das Ganze so aussieht, als müßte es so aussehen. Wieder kommt das Gemisch in der Schüssel auf die Heizung, 15 Minuten Ruhezeit.

Jetzt wird’s geruchthaltig. Auf dem Ofen steht der Topf, in dem wir das zerteilte Fett verflüssigen und zum Sieden bringen. Alle Türen der Küche werden verschlossen, im Eßzimmer nebendran brennen alle Kerzen. Die Haustür steht sperrangelweit auf, auch die Tür zum Balkon und dort alle Fenster. Die Dunstabzugshaube steht auf Vollgas - irgendetwas haben wir vergessen, irgendetwas haben wir vergessen, irgendetwas … ich komme nicht drauf. Die Luft in der Küche beginnt heftig nach flüssigem Fett zu riechen, und unsere Klamotten saugen den Geruch gern auf - nein, nicht weil sie sich freuen, mal nach was anderem zu stinken als nach uns, nein, sie tun das, weil sie so geschaffen sind. Die Waschmaschine im Keller summt glücklich vor sich hin, sie weiß, daß ihre große Zeit bald kommen wird.

Irgendetwas haben wir vergessen. Ich komme nicht drauf.

Das Fett ist heiß. Anne nimmt die uralte Schöpfkelle aus Aluminium ihrer Oma (Helene John, Jahrgang 1908). Die ist nicht geschlossen, sondern besteht aus mehreren großen Löchern mit Gestell drumherum. Äußerst praktisches Teil; obwohl wir sie ins heiße Fett tauchen, wird sie oben am Griff nicht heiß (äh, das ist dann doch Aluminium, oder?).

Die ersten fünf Portionen kommen in den Topf, bleiben ein paar Minuten drin und wandern dann nach ausgiebiger Begutachtung und Beratschlagung auf direktem Weg in die grüne Bio-Abfalltonne. Das war nix. Das Fett war viel zu heiß. Es hat eine pechschwarze Kruste gebildet, sonst nix. Also den Topf runter vom Herd, ein paar Minuten gewartet, dann probieren wir das nochmal. Jetzt klappts.

Die Krapfen tropfen auf dem ausgelegten Küchenrollenpapier etwas ab, bevor ich sie mit spitzen Fingern greife und in einem Schüsselchen in Zucker wende. So rum, dann so rum, hier noch ein bißchen, und da fehlt auch noch was. Dann aus dem Schüsselchen in die alte blaue Emailleschüssel, die auch noch aus Omas Beständen stammt. Sie ist am Rand etwas abgestoßen, hat aber genau die richtige Größe, um vielseitig verwendbar zu sein. Zum Anrühren, zum Waschen, zum Putzen, um was aus dem Haus zu tragen, was schwappt und man dort nicht haben will. Okay, lassen Sie uns nicht weiter darüber nachdenken. Die Schüssel ist doppelt so alt wie ich und die meisten, die dieses lesen - Mann, könnte die Geschichten erzählen. Nur gut, daß sie es nicht kann.

Die zweite Ladung wird und wird nicht braun, also drehen wir die Hitze wieder etwas auf. Das flüssige Fett wird heißer, der Nebel in der Küche dichter, schon packts die Dunstabzugshaube nicht mehr, da fällt mir siedend heiß, nein, nicht das Fett aufn Fuß, sondern ein, was wir vergessen haben. Der Blick zuckt hoch in die obere Ecke der Küche, der Arm will auch zucken, aber die moderne Technik ist viel schneller.
Wijuwijuwijuwijuwijuwiju … Jerres, das heult schneller als ich denken kann. Wijuwijuwijuwijuwijuwiju - „ja, ist ja gut, Du [S.V.] Exkrementding [was ich nicht wirklich sage, aber ich wollte das Wort „Scheiße“ aus diesem Artikelchen draußen lassen].“ Das „Ding“ hat eine richtige Bezeichnung und heißt „Rauchmelder“ und funktioniert perfekt. Wenn sein Detektor (oder so) nämlich Rauch (oder so) von bestimmter Dichte (oder so) registriert (oder so), dann versucht es, uns zu warnen. Es beginnt, wie wild zu blinken und zu „wijuwijuwijuwijuwijuwiju“en. Das Blöde ist, so einfach läßt es sich nicht abschalten. Ich reiße es von der Wand, wo seine Hinterseite mit einem Magneten an der Wand klebt (oder so), drücke auf den Knopf auf der Vorderseite, wobei mir in dem Moment ob früherer Erfahrungen einfällt, daß das nix bringt, entferne die Hinterseite, fummele die Batterie raus und ziehe sie von der Halterung ab. Das Wijuwijuwijuwijuwijuwiju hört abrupt auf. Die ganze Aktion dauert weniger als fünf Sekunden, bringt mich aber dermaßen in Rage, weil das Exkrementding halt nie will, wie ich will, daß ich die ganze Chose [sprich: Schoose, hat nix mit Exkrement zu tun] in meinem „Büro“ in den Mülleimer für die gelbe Tonne schmeiße und prompt dort vergesse. Übermorgen werde ich ihn in besagter Tonne entleeren und überübermorgen in derselben wieder suchen. Die Rückseite mit dem Magneten wird auf ewig verschollen bleiben. Aber das ist Zukunftsmusik.

Die nächste Ladung ist fertig, wird gezuckert und kommt auf den Haufen in die Schüssel. Guck mal, der sieht wie ein Kamel aus … Kamel? Mich erinnert es eher an die Tintenfische, die uns die Fischer damals in Spanien gezeigt und demonstriert haben, was man damit alles anstellen kann - z.B. das Innere nach außen zu stülpfen. Würg. … So sieht doch kein Kamel aus. … Nein, das andere. … Ja, da ist der Kopf, der Höcker ist gut zu erkennen. Also ein Dromedar, kein Trampeltier. Die Klassifizierung lasse ich unausgesprochen, weil ich aus Erfahrung weiß, daß dann immer ein Kommentar kommt, bei dem ich den Kürzeren ziehe. Apropos „kurz“ - die Beine sind etwas kurz. Nun gut, ein bißchen Schwund ist immer.

Aber guuuuutschmecken tun die Krapfen, egal, wie sie aussehen.

Vergangenes Jahr haben wir noch das Faasenachtslied dabei intoniert resp. hab ichs mit der Flöte versucht zu begleiten. Das Lied kennen S’e?

|: ’séss Faasenachd, ’séss Faasenachd,
die Kischelscha genn gebackd :|
ónn wenn mäi Módda kää Kischelscha backd
dann stegge ma se énn de Faasesack,
’séss Faasenachd, ’séss Faasenachd,
die Kischelscha genn gebackd.

Geiles Lied, nicht nur musikalisch notenmäßig, sondern auch kulturell-historisch-soziologisch. Hab zwar keine Ahnung, was der „Faasesack“ ist - klar, ein Sack, aber was hat der mit Fasching zu tun. Der Nikolaus hat einen Sack aufm Buckel, da holt er was raus, aber Nikolaus ist drei Monate her. Wo kommt also der Sack her?

Egal, Hauptsach: die Kischelscha genn gebackd.

Roland Geiger an Faasenachtssonntag 2022

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