Schriftzug

St. Wendell den 3ten January 1752

praesentibus [in Gegenwart] beeden Herrn Scheffen Blum und Feyen.

 

In Sachen

Joseph Wassenich, Gerichtsscheffen, dahier

Contra

Den Wollenknappen Eberhard, Anthon May,

Hanß Geörg Enkerich, Nicklaß Krein und

Matheiß Neumer Von St. Wendel und Altzfaßen

 

Die Tat.

 

Der Kläger zeigt an, daß die Beklagten gestern nach der Betstunde in sein Haus gekommen seien, wo sie 14 Maß Bier und einen Schoppen Branntwein tranken und Karten spielten. Als es acht Uhr abends wurde, legte er sich schlafen und sagte seiner Frau, daß sie die Gesellen um neun Uhr hinauskomplimentieren solle. Die Wirtin (Maria Elisabeth Wassenich geborene Angel) sagte ihren Gästen also um neun Uhr, daß sie das Kartenspielen nicht länger dulde und daß sie jetzt nachhause gehen sollten. Hierauf fing der Anton May furchtbar an zu fluchen: "Mord Saperment, ist man denn hier in diesem Wirtshaus nur auf unser Geld aus?" Nun gut, meinte er, sie würden nicht mehr spielen, sondern nur noch eine Stunde gesellig zusammensitzen und ein Glas Bier trinken. Und falls sie ihnen nichts mehr zu trinken gäbe, dann würde er alle Gläser und die Einrichtung zerschlagen. Gegen 12 Uhr ging die gute Frau hinauf ins eheliche Schlafzimmer und sagte ihrem schlaftrunkenen Ehemann, sie würde die Männer nicht aus dem Haus bekommen. "Sperr doch die Küchentür zu", wies er sie an, doch sie entgegnete: "Das wollte ich schon, aber die haben mir angedroht, hier alles kurz und klein zu schlagen." Wassenich zuckte mit den Schultern, drehte sich um und schlief weiter. Seine Frau ging wieder nach unten.

 

Um vier Uhr weckte sie ihn erneut: "Du mußt mir helfen, jetzt gehen die da unten schon aufeinander los. Geh runter und sieh zu, daß du die Leute aus dem Haus bekommst."

 

Wassenich fluchte, stieg in seine Hosen, rief den Knecht und seinen Sohn und ging hinunter. Als er unten in die Stube kam, schimpfte er die Gesellen aus, daß sie die ganze Nacht geblieben und nicht weggegangen seien. Und als sie immer noch nicht gehen wollten, da warf er sie einen nach dem anderen hinaus. Unter dem Vorwand, daß sie ihr getrunkenes Bier noch nicht bezahlt hätten, kamen sie dann wieder herein. Aber sie zahlten auch jetzt noch nicht, sondern fingen im Gegenteil an zu krakelen und zu fluchen, worauf dann Wassenichs Sohn und sein Knecht den Wollgesellen Eberhard ergriffen und aus dem Haus warfen. Sie wollten auch den Anton Mey rauswerfen, aber der legte sich der Länge nach auf den Boden, so daß sie ihn rausschleifen mußten. Wassenich senior stand neben dem Enckerich und schaute zu.

 

Plötzlich flog von draußen ein Stein herein und traf den Wirt voll am Kopf, wo er eine große Beule und ein tiefes Loch hinterließ. Eberhard, der mutmaßliche Täter, lief nach dem Wurf davon, worauf ihm der Knecht nachsetzte. Sie liefen um die Pfarrkirche herum und durch das Kirchgäßchen ins Dreieck, wo Eberhard vor Monzens Haus (heute Dreieck 3) stolperte und hinfiel. Der Knecht ergriff ihn sofort und hinderte ihn an der weiteren Flucht. Jetzt kamen aber andere Bürger hinzu, und der Knecht hatte Angst, daß man ihn verdächtigen würde, und deshalb ließ er Eberhard laufen.

 

Als Wassenich davon hörte, ließ er den Amtsboten und die Stadtwache rufen, die den Eberhard im Haus von Anton May, dem Wollenwebermeister, suchten. Als der Amtsbote dorthin kam, gab das Ehepaar May Frau vor, nichts von dem Gesellen zu wissen. Also durchsuchte man das Haus und fand den Eberhard in der Toilette. Er war pudelfasernackt - und die Tür war von außen verriegelt. Eberhard wurde sofort auf die Wache abgeführt.

 

 

[Anmerkungen:

Des Wollenwebermeister Mays Haus lag irgendwo in der Hospitalstraße unterhalb des Dreiecks.

 

Bezüglich des Wortes ?Toilette?: Im Originaltext finden wir hier ein interessantes Beispiel für die Moralvorstellungen des 18. Jahrhunderts, in dem die Geschichte spielt. Da heißt es: "und Endlichen auff dem S.V. Secret inwendig nackend stehend gefunden, und seye das Secret Von auswendig mit Einem Riegel Zugemacht geweßen". Secret war die damalige Bezeichnung für Toilette - natürlich auf Hoch- bzw. Amtsdeutsch. Das normale Volk wird auch Klo oder Scheißhaus gesagt haben. Aber auch das Wort "Secret" war an sich verpönt, weshalb es von den Buchstaben "S.V." begleitet wird: S.V. = salva venia = mit Verlaub. D.h. der Schreiber entschuldigt sich beim Leser für die Verwendung dieses Begriffes.]

 

=> Der Prozeß

 

Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
E-Mail:  alsfassen(at)web.de  (c)2009 hfrg.de

Diese Website durchsuchen

Suchen & Finden  
erweiterte Suche