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Unsere Herzogin.

 

Sie haben die Statue der kleinen Frau gesehen, oben auf der Treppe des Rathauses 1 in St. Wendel? Sie stellt die Herzogin Luise dar, die ab 1826 in St. Wendel im Exil lebte. Ich habe zwar über die vorhandenen Bilder eine schlanke, gut aussehende, junge Frau vor Augen, aber das sind ja auch meine Augen, und jeder sieht das wohl ein bißchen anders.

 

 

 

 

 

Der gute Herzog Ernst von Coburg kam irgendwann auf die Idee, eine eigene Dynastie zu gründen: aus Ernst III sollte Ernst I werden. Er befragte seine Berater, was man denn da tun könnte. ?Ei, dazu braucht Ihr Kinder!? ? ?Oooh?, war die Antwort, ?Kinder hab ich genug. Schaut Euch mal die ganzen unehelichen Kinder im Herzogtum an, die Hälft? ist locker von mir.? ? ?Äh, nein, ähm, legitim müssen sie schon sein?? ? ?Legitim? Üüüh, dann muß ich ja heiraten. Och kommt, ich bin jetzt 36. Wer will mich denn bzw. wen will ich denn?? ? ?Ei mir gugge mòh.? ? Sie ?guggten? mal und fanden Dorothea Louise Paulina Charlotta Friedrika Augusta von Sachsen (das ist die Dame aus Metall). Sie brachte vier große Vorzüge mit: sie war hübsch, jung, naiv und hatte einen richtig schönen großen Haufen Geld. Die ideale Braut. Man traf sich und war sofort schwer verliebt. So dauerte es nicht lange, bis die Hochzeitsglocken läuteten. Binnen zwei Jahren (zumindest die biologischen Fristen einhaltend) brachte Luise nacheinander zwei Söhne zur Welt, Ernst und Albert. Zumindest Ernst junior ist definitiv von Ernst senior, bei Albert ist man sich da nicht mehr so sicher. Jedenfalls verlor Ernst senior nach der Geburt von Albert jegliches Interesse an seiner Ehefrau. Er widmete sich wieder seiner alten Leidenschaft, dem Jagen, bevorzugt zweibeiniges Wild. Luise, seine Ehefrau, die brav zuhause auf ihn wartete, war vielleicht naiv, aber nicht dumm. Sie roch den Braten schnell und stellte ihn zur Rede. Das konnte er nun gar nicht vertragen, schließlich war er ja der Herzog. Es kam zur Trennung. Die Herzogin wurde auf Schloß Rosenau, ein paar Berge von Coburg entfernt, kaltgestellt. Aber das erwies sich immer noch als zu nah, also schickte er sie in die Diaspora resp. nach St. Wendel. Und sandte noch einen Aufpasser hinterher, einen Leutnant namens Maximilian von Hanstein. Der Rest liest sich wie in einem billigen Groschenroman. Im Frühjahr 1826 ließ sich das Herzogspaar scheiden, und schon im Herbst des gleichen Jahres heiratete Luise den von Hanstein, der kurzerhand in den Stand eines Grafen zu Pölzig berufen wurde. Das Ehepaar wohnte im Winter im Rathaus (1), im Sommer im sog. Niederweiler Gartenhaus in der Nähe des heutigen St. Wendeler Bahnhofes (1893 abgerissen). Zu Beginn des Jahres 1831 brach Luises Krankheit durch, und sie begab sich nach Paris, um sich dort auszukurieren. Aber es war schon lange zu spät, und sie starb am 31. August 1831 in Paris ganz erbärmlich an Gebärmutterhalskrebs. Ihre Leiche wurde einbalsamiert und gelangte nach heftigen Streitereien zwischen von Hanstein und ihrem Ex-Mann Ernst (mit 14-tägigem Zwischenstop in einem Gasthaus in Ottweiler) nach St. Wendel, wo sie im Gartenhaus am Bahnhof aufgebahrt wurde. Dort wurden Sarg und Leiche kurz darauf entwendet, als offensichtlich wurde, daß Ernst die Leiche nach Coburg bringen wollte. Der Sarg stand dann ein ganzes Jahr in der Wohnung des Advokaten Stephan in der Luisenstraße im Haus neben dem Kleider- und Hutgeschäft Colling. Von dort kam er nach Pfeffelbach in die evangelische Pfarrkirche und noch mal 13 Jahre später durch Intervention von Luises Söhnen zurück nach Coburg. Heute liegt sie dort im herzoglichen Mausoleum direkt neben ihrem Exmann, aber natürlich ein paar Zentimeter tiefer.

 

Warum ich Ihnen diese rührselige Klatsch-Geschichte so lang und breit erzähle? Nun, Luises älterer Sohn Ernst übernahm nach seines Vaters Tod den Laden in Coburg, sein jüngerer Bruder Albert heiratete 1840 die britische Königin Victoria. Damit ist Luise die Ururur?großmutter von Prinz Charles. Und nun ziehen Sie einmal den Vergleich zwischen Ernst und Luise und Charles und Diana. Er ein ganzes Stück älter als sie (und bis dahin keine Gelegenheit ausgelassen, sich die königlichen Hörner abzustoßen), beide schwer verliebt, Traumhochzeit, zwei Söhne, danach geht er ?nääwe-nous?. Es kommt zur Trennung und zur Scheidung. Beide Männer heiraten wieder. Okay, nicht alles daran paßt: wir haben Bilder von Ernst, und er sieht sehr gut darauf aus. Und seine zweite Frau soll eine der schönsten Frauen Europas gewesen sein. Ähm, Charles und Camilla, nun ja ?

 

Beide Ex-Frauen gehen ins Exil. Und beide sterben in Paris, beide im Krankenhaus und keine zwei Kilometer auseinander - die eine am 30., die andere am 31. August.  Ich weiß, die Parallelen sind völliger Zufall, aber es ist eine starke Geschichte.

 

 

 

 

PS: Auf der Südseite des Rathauses (zur evangelischen Kirche hin) sehen Sie zwischen den Fenstern des ersten Stocks das alte Wappen des Fürstenthums Lichtenberg, das in den 1890ern beim April von Luisens Sommerhäuschen hier angebracht wurde. Die beiden hohen Fenster links davon, dort lag früher das Schlafzimmer von Luise und Maximilian.

 

 

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