Schriftzug
18. Jahrhundert -> 1795 Archäologische und historische Betrachtungen im nördlichen Saarland

Samuel Christoph Wagener (* 11. April 1763 in Sandau (Elbe); † 12. Januar 1845 in Potsdam) war ein deutscher lutherischer, aufklärerischer Theologe und der Berliner Aufklärung nahestehender Schriftsteller.

 

 

Über die Pfalz am Rhein und deren Nachbarschaft.

Besonders in Hinsicht auf den gegenwärtigen Krieg, auf Naturschönheiten, Kultur und Alterthümer.

Von einem Beobachter, welcher die Feldzüge der verbündeten deutschen Heere gegen die Neufranken mitmacht.

 

 

Erstes Bändchen.

Brandenburg

in der Leichschen Buchhandlung. 1795.

 

Seite 21ff

Zweiter Brief.

 

Inhalt.

Ägyptischer Opferplatz in Deutschland – Bardengötze Arssum - Römischer Tempel der Diane - Katholischer Götze Wendel – Tholei – Heidenköpfe - Römische Heerstraße – Varuswald – Durchgrabener Todtenhügel - Beschreibung des darunter entdeckten Grabmales - Alterthümer unweit Saarlibre – und bei Saarbrück - Venustempel bei Saargemünde - Goldene Münze von Kaiser Nero – Ungewöhnliche Römerurnen – Spitzsäule bei St. Ingbert.

 

Kantonirungsquartier bei Zweibrück.

November 1793.

 

Mein Brief aus dem traurigen Lager bei Dutweiler enthielt die Begebenheiten unserer neuesten Kriegsgeschichte: in dem gegenwärtigen will ich nun einen Blick in die Vergangenheit thun, und Sie, bester Freund! Mit einigen hier noch sichtbaren Werke der ältesten uns bekannten Bewohner dieser Gegenden bekannt machen. Sie wissen, wie sehr ich Freund von Alterthümern aller Art bin, und verzeihen daher auch gewiss gerne einmal sehr uninteressanten Geschwätzigkeit dieses Briefes.

 

Eins der merkwürdigsten Altertumsstücke der Saargegenden ist unstrittig ein bei dem Dorfe Schwarzwerden zwischen Sankt Wendel und Kusel gelegener Felsen, den der gemeine Mann hier aus hergebrachter Gewohnheit das Grab Noa zu nennen pflegt. Er ragt aus der Erde mit einer glatten und senkrechten Fläche hervor, auf welcher eine Art Nische mit halberhabener Bildhauerarbeit eingehauen ist. Die sinnbildliche Vorstellung dieses uralten Kunstwerks bestehet hauptsächlich aus einem unbändigen Stiere, auf welchem ein Knabe reitet. Rund um dasselbe näher stehen Hyeroglyphen, z.B. Adler, Krokodill u. s. w. Lesbarere Inschriften sind, außer den Buchstaben: C. A. P., nichts daran.

 

Wem fällt bei diesem Stiere nicht Gott Apis ein? Aber wie ist es möglich, ägyptischen Gottesdienst auf deutschen Grund und Boden verpflanzt zu sehen - auf welchem zwar römische Eroberungssucht, aber nie ägyptische Könige, ihren Herscherzepter schwungen?

 

Professor Schöpflin - dieser große Altertumskenner – liefert in seinem geographisch historischen Werke Alsatia illustrata einen treuen Kupferstich von dem Allegorien dieses Felsens. Er vermutet nicht ohne viele Wahrscheinlichkeit, dass die thebaische Legion, welche ihren ägyptischen Gottesdienst auch im Solde der Römer beibehielt, und nebst mehreren anderen römischen Legionen, bald nach Christus Geburt, in diesen Gegenden hausete, vor diesem Felsen ihren Opferplatz gehabt habe.

 

Ein in Beziehung auf die Götterlehre der alten Deutschen nicht weniger rätselhaftes Altertumsstück ist das in dem zweibrückischen Dorfe Waldmohr – zwischen Kussel und Homburg - an der Ecke eines Bauernhauses eingemauerte Götzenbild. Es ist auf einem Sandsteine in halb erhabener Arbeit so vorgestellt, dass der Götze, bei dem man nicht errathen kann, ob er männlichen oder weiblichen Geschlechts sein soll, sich nur von hinten zeigt, indem er zugleich die Hände vor dem Gesichte hält. Lange zerbrachen sich die Altertumsforscher dieser Gegend vergebens die Köpfe, um auszuspähen, ob dieses Bild irgend eine heidnische Gottheit, und welche, es vorstellen möge. Endlich fand der zweibrückische Inspektor Ruppendahl zu Homburg - in dem alten Buche: Schauplatz der Gottheiten der alten Deutschen - einige Aufschluss hierüber. Den Abbildungen desselben zufolge stellt nämlich das erwähnte Bildniß den deutschen Götzen Arsum, vielleicht neben den diejenigen vor, den die Griechen den unbekannten Gott warten. Durch den vielleicht plattdeutschen Namen Ars=um führt, möchte der Eimolog fast in Versuchung gerathen, zu vermuthen, dass er von der sonderbaren Stellung des Götzen, vermöge welcher er den H… weiset, entstanden sei.

 

Auch entdeckte man vor einigen Jahren in dem Bergwald des nämlichen Dorfes Waldmoor bei dem Ausgraben eines  Baumstammes die Grundmauern und anderweitigen Überbleibsel eines ehemaligen heidnischen Opfertempels. Ungeachtet man nirgend näher eine Inschrift an demselben vorfand, ergab sich doch aus mehreren Umständen, dass er der Göttinn Diane geheiligt gewesen sein muss. Denn man fand unter andern in einer der dem Tempel angehangenen Kammern noch eine Menge halbverweseter Hirschgeweihe - wahrscheinlich die Reste der  dieser Göttinn dargebrachten Opfer.

 

Ferner ist hier das zweibrückische Städtchen Tholey ohnweit Saarlibre wegen seiner verschiedenen Alterthümer merkwürdig. Als ein Freund derselben machte ich blos in dieser Hinsicht eine eigene Reise dahin und fand mich reichlich dafür belohnt. Die hiesige Abtei hält man für die älteste in der umliegenden Gegend. Sie wurde nach Aussage der Urkunden schon im sechsten Jahrhunderte gestiftet. Der heilige Wendel - ein entlaufener schwedischer Königssohn und religiöser Schwärmer - wurde bei Trier im strengsten Inkognito Schweinehirt, dann Mönch und Art zu Tholei und endlich, wie sichs gebürte, ein Heiliger. Ihm dankt die Mönchsstadt Sankt Wendel und deren wunderthätige reich beschenkte, und noch immer fleißig heimgesuchte Wallfahrtkapelle, Dasein und Reichthum. Seine irdischen Überreste werden daselbst in einem silbernen Sarge aufbewahrt, nach welchem nun wohl bald selbst die gottesvergessenen Franzosen wallfahrten werden. Die katholische Christenheit aus dem Trierischen und der ganzen umliegenden Gegend stellt nun schon seit eilf Jahrhunderten zahlreiche Wallfahrten nach den Knochen des Heiligen an, denen Dummheit und Pfafferei älterer und neuerer Zeiten eine Menge Wunder angedichtet haben. So albern sie auch sein mögen, so werden sie doch im skandalösen Jahrzehnt des hellen Jahrhunderts noch geglaubt.

 

Einst trieb Sankt Wendel, da er s.v. noch Schweinehirt war, seine Herde des Abends nicht etwa nach altem Herkommen auf der alltäglichen Straße gewöhnlicher Hirten in das Dorf seines Herrn zurück - nein! der beliebten Kürze wegen, wählte er die Straße unserer Blanchards, und fuhr mit Säuen und Konsorten durch die Lüfte in den Schweinestall zurück. (siehe: Schicksale, Thaten und Wunder des h. Wendel. Trier, 1788).

 

An der Abteikirche Tholei steht in erhabener Steinschrift folgendes Chronodistichon in Bezug auf den Bauernkrieg des Jahres 1525:

 

CaptVs . erat . gaLLVs.

CoeVnt. CVM. rVre. Cohortes

 

Das Städtchen Tholei gehörte kurz vor dem Ausbruche der Revolution noch zu Frankreich, und wurde durch einen der französische Minister, der Geld brauchte, an Zweibrücken verschachert. Daher vielleicht die Geneigtheit der Einwohner zu jeder Art von Widersetzlichkeit; und daher das preußische Exekutionskommando, das zur Aufrechterhaltung der guten Ordnung hier steht. Der Ort liegt am Fuße eines sehr steilen und hohen Berges – die Schauenburg genannt. Ehemals stand ein sehr vestes römisches Kastel auf dem selben. Die Spuren dieser Bevestigung sind noch unverkennbar, und ohne lange zu suchen, fand ich mit dem Führer, den ich mitgenommen hatte, in dem Schutte eine kupferne und eine kleine silberne Münze mit einem sehr deutlichen Brustbilde und den Namen des Kaisers Domitianus Augustus. Sie kupfernen werden sehr häufig gefunden, und hier fast allenthalben ausgepflügt. Man nannte sie gewöhnlich Heideköpfe, ungeachtet ihrer wenig.

 

Von dieser erhabenen Schauenburg herab beherrscht das Auge eine ungemein schöne und weitläufige Gegend. Bei hellem Wetter sieht man nicht blos Saarlibre, sondern auch die 18 Stunden entlegene Bergveste Bitsch. Auf dem jetzt eingestürzten Wartethurm will man sogar die Rheinschifffahrt beobachtet haben, ungeachtet Mainz selbst in gerader Richtung gegen 30 Stunden entfernt ist.

 

Von dieser ehemaligen Burg herab sind noch die Überbleibsel einer römischen Kunststraße sichtbar. Sie führt nach dem eine Viertelstunde davon gelegenen, hier sogenannten Varuswalde. Dieser Wald liegt auf der Fläche eines Bergrückens, den sich Römer Varus einst zum bevestigten Winterlager gewählt hatte. Auf dem Schutte der ehemaligen Bevestigung uns auf den dicken Grundmauern der Lagergebäude stehen jetzt ziemlich dicke und hohe Buchen. Die mehresten römischen Münzen, welche man hier findet, führen Lucilla Imperatrix zur Umschrift, woraus erhellet, daß nicht Quintilius Varus, sondern Riccio Varus hier im Lager stand, und dem jetzigen Walde den Namen gab.

 

Etwa 1000 Schritte von diesem Lager bemerkte ich jenseits eines Thales am sanften Abhange des gegenübergelegenen Berges zwei gleichförmige ahnsehnliche Hügel, welche daselbst absichtlich aufgeworfen zu sein schienen. Wahrscheinlich Todtenhügel, dacht ich, oder Gräber der ehemaligen Inhaber dieser Gegenden. Ihre ungewöhnliche Größe ließ auch vermuthen, dass sie die Asche ausgezeichneter Männer, vielleicht römischer Legionenanführer, in sich schlösse. Herr Lieutenant von H…!, der hier auf Kommando stürmt, und nicht weniger Freund der Alterthümer ist, weiß ich selbst,  entschloss sich, diesem Fache der Wissenschaften einige Goldstücke zu opfern, und mehrere Arbeiter zum Durchgraben des einen Hügels anzunehmen. Der ganze kleine Berg bestand aus Lette – einer fetten Tonerde. Erst nach Verlauf von mehreren Tagen hatten die Arbeiter denselben in zwei verschiedenen Richtungen durchschnitten. Beim Werkräumen des Tons aus der Mitte des Hügels stießen wir in einer beträchtlichen Tiefe auf eine große Fläche von behauenen Quadratsteinen, deren jeder die Dicke eines Werkschues hatte, und wovon die mehresten 5 Fuß lang und halb so breit waren. Wir hielten diese Fläche anfangs für das Fundament eines Begräbnisses; da wir aber durchaus nichts als Lette auf derselben fanden, sahen wir wohl, dass sie vielmehr der Deckel desselben sein müsse. Es kostete den Tagelöhnern nicht wenig Mühe, diese Standfläche einzuräumen. Die Steinquadrate waren sehr vest in und neben einander gefuget, und jedes einzelne Muster erst mit allen eisernen Keilen gesprengt und dann mit dem Brechwerkzeuge mühsam herausgehoben werden.

 

Wir fanden nun rund umher eine zweite Lage noch einmal so dicker Quadratsteine. Auch in der Mitte waren dergleichen, jedoch also gelegt, dass in zweien gegen Mittag, und parallellaufenden Gängen, die auf dem mittäglichen Ende durch einen Quergang verbunden waren, einen mit Lette ausgefüllter Raum übrig blieb. In die massiven Seiten dieser drei Gänge waren in symmetrischer Ordnung mehrere ebenfalls mit Lette angefüllte Nischen. letztere schienen zum Aufbewahren von Urnen bestimmt zu sein, welche vielleicht von einer und derselben Familie späterhin noch hinein gesetzt werden sollte, welches irgend einen Zufall verhindert haben mag. In den beiden Ecken der drei Gänge standen zwei massive Urnenbehälter mit schweren Deckeln, ebenfalls von Stein, und oben mit metallenen Ringen versehen. Der eine Behälter war leer, wenigstens versicherten die Arbeiter, die ihn während unserer Abwesenheit gefunden und eröffnet hatte, dass er leer gewesen sei. In dem anderen stand eine große Urne von feiner rother Erde – terra sigilata. - Sie war mit Knochentheilen und einer schwarzen fettigen Asche angefüllt, in welcher allerlei verustetes Eisen und Messing lag. Das, was sich am besten erhalten hatte, waren römische Armspangen, Spere, Nägel und Hufeisen. Eine Steinschrift konnten wir nirgends entdecken. Auch fand sich zu unserem Leidwesen weder eine Münze noch sonst etwas, was uns über das Alter und den Bewohner dieser kühlen Gruft nähere Auskunft hätte geben können.

 

Endlich kam noch eine dritte Lage von gehauenen Sandsteinen. Sie diente zur Grundlage, glich in allen Stücken der obersten und ruhte auf kleingeschlagenen Kieselsteinen, die wahrscheinlich in der Absicht da hingelegt wurden, damit sich durch die kleinen Zwischenräume derselben die Feuchtigkeiten ungehindert durchziehen konnten, welche von dem Bergabhange, worauf der Grabhügel steht, in das nahe Thal hinabfließen.

 

Auf dem Wege von Tholei nach Saarlibre, bei Limburg, findet man auch noch eine römischen Heerstraße, und neben derselben ähnliche, aber kleinere Grabhügel und viele römische Denksteine mit Bildhauerverzierungen und Steinschriften. Unter anderem grub man hier einen sehr schönen, vier römischen Gottheiten geheiligten Opferstein mit den Abbildungen derselben aus der Erde. Dieser Stein wird jetzt nebst mehreren anderen Alterthümern auf dem Karlsberge bei Homburg aufbewahrt. Der dortige Herr Rath Reinhard hätte sie mir gern gezeigt; allein dies war für jetzt unmöglich, weil er sie in einem der Keller des abgebrannten Schlosses hatte bringen lassen, um sie so, wenigstens vor den ersten Anfällen des Mutwillens, und namentlich von der französischen Zerstörungssucht aller Kunstwerke aus den Zeiten tyrannischer Regierungen, in Sicherheit zu bringen; und in diesen Kellern lagen sie nun noch verschüttet und bedeckt von den Trümmern des durch den Feind kürzlich eingeäscherten Fürstensitzes.

 

Mehrere der bei Limburg gefundenen Alterthümer liegen noch auf dem Amtshofe zu Tholei. Der künstlichste darunter ist ein Gedächtnisstein, welchen nach Aussage der Inschrift ein römischer Offizier namens Aviola seiner hier gestorbenen Gattinn und sich errichtet

hat. (…)

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