Denkschrift über Stellung von Landmiliz durch die Bürgerschaft von St. Wendel
Pro Memoria
St. Wendel war Von allen 4 Seiten her, gleich den Vornemsten Ertzstiftischen Städten befreyet, und ist derselben BeVorab noch niemahl zugemuthet worden, bey sehr öfters durch das gantze Land Verordneten auszügen Junger Manschaft zu der Churfürstlichen Kayserlichen, oder des Reichs militar=diensten ihre Kinder gleich den bauren herzugeben, wie dan bekanntlich St. Wendel diese freyheit auch in dem Vorgewesenen letzteren Krieg unVerlätzt beybehalten hat.
Dem Vernehmen nach will man ihr auch dieselbe fürs zukünftige belasen, aber auf den neuerlich beliebten Land=aushub nicht erstrecken, sondern da soll der Von Churfürstlicher Hochpreislicher Regierung fästgestalte Satz zur unbeschränckten allgemeinen Regul dienen: es seynen alle diejenige nebenstädte ohne ausnahm dem ausschub unterworffen, die nicht im wirklichen Besitz sind die Ertz Stiftische LandTäge durch ihre Deputirten zu besuchen.
Entweder kombt es auf die willkürliche macht des Landesherren an die unterthanen ohne unterscheid zu einer Sache anzuhalten, Von der sie sonst frey gewesen, oder aber es muß dabey auf derenselben hergebrachte uralte befugnüßen, und den besitz eines Jeden der bedacht genommen werden.
Stehet die Sache in des Landesfürsten beliebiger willkühr, so mag wohl Höchst derselbe, oder seine nachgeordnete Regierung nach gefallen Verordnen, und sich bey Vollziehung eines gefaßten entschlusses nach neuerlich fästgestelten universal-sätzen richten, nicht aber auch in dem anderen fall; sondern da hätten keine willkürliche Regulen Platz, weil sie ohne Kränkung dieses, oder jenes wohl hergebrachten besonderen freyheiten, folglich mit der billigkeit, und den gegenseithigen Pflichten des Regenten einen Jeden bey seinen rechten zu schützen nicht bestehen könten.
Wollte man also die frage, wer Von den Verschiedenen Ständen deren unterthanen dem Landausschuss unter worffen seyn, als eine solche betrachten, die der Landesherr ohne rücksicht auf das alte herkommen willkürlich entscheiden möge, so hat Regimen Electorale unbedencklich eine selbstgefällige universal=Regul machen können, und kann deren nachträglich andere fäststellen, ohne daß jemand dagegen sich beschwären mögte; dan wo eine Verfügung Von des Regenten libers arbitrio abhanget, darf sich der unterthan auf kein hergebrachte befugnus beziehen, noch über die Verlätzung einer freyheit klagen, die ihme nur so lang gebühret, als lang es dem Landesherren gefallet ihme dieselbe zu belassen.
Auf solche Art nun würde die Churfürstliche Hochpreißliche Regierung die ausnahm dem Land=militzen auszug alle augenblick näher Einschränken, und noch heuthe diesen anderen allgemeinen satz belieben können: es sollten demselben in zukunft alle bürgers Kinder ohne unterscheid in allen haubt- und neben Städten unterworfen seyen.
Wie aber dieses allzuweith gehen würde, und nicht zu vermuthen ist, das ein Landesherr seine unterthanen nach einer solch=unbegräntzter willkühr behandelen wolle, so fließet aus dem Vorangemerckten die natürliche folge Von selbst, daß Von Churfürstl. Hochpreislicher Regierung nicht abgefangen habe einen selbst beliebigen allgemeinen Satz zu bestimmen, und daß dieser nur so weith bestehen könne, als nicht (?) derselbe mit dem herkommen, und deren unterthanen freyheiten Verträglich zu seyn behaubtet werden könte.
Ob nun aber dem also seye, wird sich aus folgenden darüber mit unterthänigster VerEhrung angestelten Betrachtungen unschwähr beurtheilen laßen.
Es ist aus der Reichs- und des Ertzstifts geschicht Voraus bekannt, daß die Städte ihre Vorrechte lang zu Vor besessen haben, ehe man noch Von ordentlichen Land=ständen und Landtägen gewußt hat; so haben demnach die Städte ihre freyheiten dem recht die erst im 16ten Jahrhundert entstandene Landtäge zu besuchen nicht zu Verdancken, sonderen man hat sie Vielmehr ad Comitia nebst den Ämbteren beruffen müßen, weil, die jedem Reichsstand zu aufbringung der Türckensteur, Röhmer monathen, und ander dergleichen allgemeinen auflaagen verstattete Collectation deren unterthanen auf keine andere arth zu bewerckstelligen möglich gewesen.
Haben nun aber die Städte ihre Vormacht durch die Beruffung zu den Landtägen nicht erworben, so können sie dieselbe auch dadurch nicht Verlohren haben, daß man in der Folge diese, oder Jene dazu ferner nicht beschieden hat.
Solle etwa diese Verfügung denjenigen zur Bestrafung dienen, welche ad Comitia geladen worden, dabey aber aus ungehorsam nicht erschienen wären, so müßte doch Vorher untersucht werden, ob ihnen dieses sträfliche ausbleiben mit grund der wahrheit beygemessen werden könne?
In der Thaht kann man dasselbe wenigstens der Stadt St. Wendel nicht zuschulden legen, welche, wie sie in ihrer ausführlichen letzteren Remonstration unt(erthänig)st dargethan, alle Landtage ohne Ausnahme bis auf die zeithen Churfürsten Johan Hugo hochseeligen andenckens beständig fort besuchet hat, und derowegen nicht zu Vermuthen ist, daß sich daVon selbst werde ausgeschlossen haben.
Von höchst gedachtem Churfürsten findet sich in Repositura des OberErtzstiftischen
weltlichen Directorii ein universal Rescript, daß zu erspahrung denen Kösten die Landtäge hinführo in minore Numero abgehalten werden sollen. Hier äußeret sich die Wahre ursach deren hiernächst nicht mehr Von seithen St. Wendel beschehenen Deputationen und ware es demnach die größte unbilligkeit die Stadt St. Wendel aus dem alleinigen Beweggrund in der folge nicht mehr beschielten Landtägen ihrer freyheiten zu Verlustigen, folglich nicht nur à Jure Deputandi ad comitia, sonderen auch Von Jenen Vorzügen auszuschließen, die man dermahl als eine folge sothaner Juris Deputandi zu betrachten scheinet.
Schon oben hat man erinneret, daß St. Wendel Von den ordentlichen miltar militzen auszügen noch immer frey gewesen. In Betracht der Landesherrlichen folge hat man demnach das recht die Landtäge zu besuchen nicht zum grund der entscheidung gelegt, deme die freyheit im größeren Zugestanden wird, dem sollte sie auch im Kleineren nicht Versaget werden. ein Landausschuss ist Ja auch in der That andedrs nichts, als eine Pflanzschuhl Junger mannschafft um sich derselben im nothfall gegen feindliche anfälle bedienen zu können. Ihre Kriegs articulen zeigen, daß sie als ordentliche Soldaten alle pflichten auf sich haben, und daß sie Von dem regulirten Regiment haubtsächlich nur durch den mangel des Soldes, und der uniforme unter schieden seyen.
Es ist wahr, daß es in dem Ertzstift Verfallene Landstädt giebt, die dermahl bey Zu Tag und nachts zeiten eingeschlossenen Thoren den Dörferen sehr ähnlich sehen. St. Wendel hingegen hat nebst deme, daß sie die LandTäge Vor allen anderen bis auf die Zeithen Churfürsten Johan Hugo immerfort besiehet, und sich dabey besonders Verdienstlich gemacht hat, noch dieses zum voraus. Daß ihre Bürgerschaft, wie Jene zu Trier, und Coblentz durchgehends in Handwercks, und Handelsleuthen bestehet, daß sie ihre gute Ringmauer hat, und ihre Thoren bey Tag, und nacht ordentlich bewachen muß, mithin mit einem zweyfachen last, nämlich der Bewachung ihrer eygenen Pforten, und den Diensten des Landausschusses der Billigkeit nach nicht beschwähret werden sollte.
Bey dem Überschlag, was die zum Landausschuss gezogene Städte in der Zahl der mannschaft beytragen, sollte sich wohl diese besonders nach Abzug deren ohnehin von dem Dienst eximirten Handwercks, und sich auf die handelschaft legenden Bürgers Söhnen überhaubt Kaum auf 50 Köpf betragen; ist es derowegen der Sach wohl werth diesertwegen die bürger ihres Vornembsten Vorrechtes zu entsätzen, und dieselbe sambt ihren Söhnen mit dem geringsten Bauren in eine Claß zu stellen.
Soll gleichwohl endlich doch eingangs gedachter allgemeiner Satz allem obigen ungeachtet bestehen bleiben, so fanget es doch Von ihrer Churfürsten gnaden lediglich ab. Die Stadt St. Wendel in den Besitz den Landtag zu besuchen gnädigst wiederum einzusätzen, und selbst die gerechtigkeit, als die alleinige richtschnur aller höchst dero preißwürdigsten Handlungen scheinet diese wiederherstellung zu erforderen.
Quelle: Stadtarchiv Trier, Nachlaß Max Müller, Kiste Nr. 12