Ein Brief an die Bahn
Sehr geehrte Damen und Herren,
am Freitag, 20.12.2024, fuhr ich mit meiner Frau Anne mit dem RE 29508 nach Saarbrücken, wo wir uns um 11 Uhr im Staatstheater die Aufführung „Der Zauberer von Oz“ anschauten. Es wurde ein schöner Tag. Naja, so hatten wir es geplant.
Auf unserer Eintrittskarte für das Theater stand, daß wir zur Hin- und Rückfahrt die Systeme der SaarVV benutzen durften - ab vier Stunden vor Vorstellungsbeginn bis Betriebsschein im gesamten saarVV-Netz (Busse und Bahnen 2. Klasse Nahverkehr) - das Ticket war im Preis mit drin. Das sparte uns die Spritkosten von St. Wendel nach Saarbrücken und die teuren Parkgebühren dortselbst.
Um 20 nach neun fuhren wir mit meinem Auto zum Bahnhof in St. Wendel und parkten auf einem öffentlichen, kostenfreien Parkplatz in unmittelbarer Nähe. Auf dem Bahnsteig 2 war es recht zugig, aber das war der einzige Zug, der sich dort sehen ließ. Die Anzeige über dem Aufgang, durch den wir den Bahnsteig betreten hatten, zeigte digital „2.14“, vermutlich eine Uhrzeit, was mich irritierte, weil die Anzeige auf Bahnsteig 1 „9.31“ zeigte. Nun gut.
Auf Gleis 3 wartete die Regionalbahn ebenfalls auf den Regionalexpreß, der uns nach Saarbrücken befördern sollte. Allein - der kam nicht. Die Bahnsteig-1-„Uhr“ zählte die Minuten ab, um 9.36 war klar, der hat Verspätung. Um 9.39 Uhr wurde es uns zu kalt, und wir betraten die Regionalbahn, um dort auf den RE zu warten. Dort saß eine andere Reisende und unterhielt sich mit einer dritten, und so erfuhren wir, daß der RE ausfällt und wir stattdessen die Bummelbahn nehmen sollten.
Wie? Eine Ansage am Bahnsteig? Nee, gab es keine.
Die Tür ging auf, ein älterer Herr mit Mantel und Schal stieg ein. Ich fragte ihn, ob noch wer aufm Bahnsteig sei. Er grummelte etwas und sah mich verständnislos an. Ich erinnerte mich zweier Männer, die auf der Sitzgruppe gesessen hatten. Also öffnete ich die Tür, um sie zu warnen. Sie sprangen auf, und wir drehten uns zur Regionalbahn zurück, deren Tür gleich wieder zugegangen war. Ich wollte auf den Knopf drücken, da fuhr die Regionalbahn los.
Meine Frau schaute mich von innen entgeistert an, und ich guckte dem Zug nach, mit dem meine Frau und mein Hut Richtung Saarbrücken entschwanden. Ich ließ meinem Frust freien Lauf und schrie, was ich von der Deutschen Bahn, ihrem Organisationsablauf, besonders ihren Mitarbeitern, besonders denen hier auf dem Bahnhof St. Wendel, besonders dem Zugführer der abgefahrenen Bahn gerade in dem Moment hielt. Nun gut, das war nicht viel, aber mir fielen viele Worte dazu ein, die ich recht laut artikulierte, daß so gar die arme Socke drüben im Hauptgebäude das hörte, der aus einem mir unerfindlichen Grund dort sitzt - ich weiß, daß er in den Zugverkehr nicht eingreifen und noch nicht mal eine Ansage machen kann. Ich sah nur seinen Kopf und vermutete hinter den Fensterscheiben dort seinen Blick, mit dem er meinen Tanz auf dem Bahnsteig beobachtete.
Ich lief durch den Bahnhof zum Auto und sprang dort hinein, durchquerte die Stadt nach Süden bis zur B41, um dort die Verfolgung des Zuges aufzunehmen. Hoffnung gab mir, daß er an jeder Station eine oder zwei Minuten halten mußte. Das Ding steht bei mir immer auf lautlos, was ich mit zwei spitzen Fingern änderte. Ich passierte Oberlinxweiler, kein Zug. Hinter der Oberlinxweiler Pforte kam der weite Bogen, der am Haltepunkt Niederlinxweiler endet, kein Zug. Unter der Brücke bei Niederlinxweiler rief meine Frau. Sie sei in Niederlinxweiler ausgestiegen. Ich fuhr die Abfahrt runter, durchquerte den Ort und nahm sie in der Ortsmitte auf.
Sie sagte, sie wäre ja in Oberlinxweiler ausgestiegen, als der Zug dort hielt, aber die Türen haben sich nicht öffnen lassen. Sie kannte das System, wußte, daß man den Knopf drücken muß, aber der Zug hielt, die Tür blieb zu, der Zug fuhr weiter. Als sie sich Niederlinxweiler näherten, sei ein Mann hinzugekommen, und als der Zug hielt, drückten sie wie wild beide auf den Knopf, bis die Tür endlich aufging und sie aussteigen konnte.
Wir fuhren also weiter nach Saarbrücken und parkten im Parkhaus unterhalb des Schlosses, wofür wir heute mittag nach der Vorstellung 13,50 Euro Parkgebühr bezahlten.
Dazu kommen die Fahrtkosten vom Bahnhof in St. Wendel nach Saarbrücken zum Parkhaus Talstraße 38 und wieder zurück nach St. Wendel. Lt. google maps sind das 2 x 42,8 km = 85,6 km. Bei einer Pauschale von 30 Cent pro gefahrenem Kilometer ergeben sich 25,68 km.
Macht zusammen 39,18 Euro. Bitte überweisen Sie diesen Betrag auf mein im Beschwerdeformular genannten Konto.
Bitte richten Sie dem Zugführer des RB73 (12840) meine besten Grüße für ein frohes Fest aus und meine Empfehlung des Besuchs der ein oder anderen betrieblichen Veranstaltung, in der es um Mitdenken in Ausnahmefällen geht. Ich nehme an, daß er wußte, daß der RE nicht fahren würde. Da hätte er ja mal auf die Idee kommen können, seinen Kopf aus dem Fenster seines Führerstandes zu strecken und den Leuten auf dem Bahnsteig mitzuteilen, sie möchten einsteigen, der RE fällt aus, er führe gleich ab. Ist viel verlangt, ich weiß.
Bene Vale.
Roland Geiger