Kriegsgefangene
von Stephen E. Ambrose
Einer der gefährlichsten Augenblicke für einen Soldaten im Europa des Zweiten Weltkrieges kam dann, wenn er entschied, daß er nicht mehr länger kämpfen wollte oder konnte. Er warf seine Waffe weg und hob die Hände oder eine weiße Fahne - manchmal ganz allein, manchmal in einer Gruppe, manchmal in Kompaniestärke oder noch größer - und gab sich damit in die Hände eines bewaffneten feindlichen Soldaten, den er noch einen Moment vorher umzubringen wollte und der sich normalerweise im Kampfrausch befand. Seine Chancen, erschossen zu werden, waren sehr hoch. Sie blieben hoch, bis er sicher in einem Kriegsgefangenenlager weit hinter der Front angekommen war.
Die meisten Männer, die sich an ihre Waffe klammerten, bis sie keine Munition mehr hatten und kurz davor standen, überrannt zu werden, bevor sie die Hände hoben und "Kamerad" riefen, schafften es nicht in den Status "Kriegsgefangener". Der Trick der Deutschen, unbewaffnete Männer auf Patrouille zu schicken, so daß sie sagen konnten, sie hätten sich ergeben wollen, falls man sie schnappte, machte es für den einzelnen Deutschen schwierig und gefährlich, sich zu ergeben, da die amerikanischen G.I.s alle Deutschen erschossen, die sie zwischen den Frontlinien fanden. Die Deutschen waren im gleichen Grade gnadenlos.
Die Kriegsverbrecher-Akten von SHAEF [Supreme Headquarters of Allied Expeditionary Forces = Oberstes Hauptquartier der Allierten Einsatzstreitkräfte] stecken voll mit solchen Vorgängen: "Fall 6-123, Company B, 394th Infantry. Nahe Losheim [in den Ardennen] umstellten die Deutschen am 17. Dezember ein amerikanisches Platoon. Die GIs zeigten die weiße Fahne, aber deutsche Panzer überrannten trotzdem ihre Stellungen, begruben mehrere Männer in ihren Schützenlöchern und schossen in die Stellungen hinein. Etwa 22 Männer konnten sich ergeben. Die Deutschen führten sie zu einer nahen Wiese und schossen alle nieder. Nur der Sanitäter konnte entkommen."
"Fall 6-156. Zeuge: Private Andrew S. Protz. Bei Honsefeld zeigten fünf amerikanischen Soldaten die weiße Flagge und traten vor. Die Deutschen eröffneten das Feuer, töteten vier und verwundeten einen, worauf ein deutscher Panzer gnadenlos den Verwundeten überrollte, als er um Hilfe rief."
Private Edward Webber vom 47th Infantry Regiment beschrieb ein grausiges Ereignis, das aber vermutlich nicht einmalig war. Er stieß auf einen beschädigten deutschen Panzer vor. Die Besatzung hatte das Feuer mit ihrem Maschinengewehr eingestellt, die Luke geöffnet und winkte mit einer weißen Flagge. Webber und seine Kameraden bewegten sich vorwärts. Das Maschinengewehr begann wieder zu feuern - vermutlich durch einen jungen Fanatiker, der sich nicht mit dem Rest ergeben wollte. Webbers Trupp feuerte zurück. Webber sagte aus: "Die Besatzung wand sich einer nach dem anderen aus der Bodenluke. Sie schrieen laut "Nicht schießen! Nicht schießen!" Aber jetzt waren wir in zügelloser Rage. Die Besatzung wurde auf den Knien nebeneinander aufgereiht, und ein aufgebrachter Soldat trat hinter sie und schoß jedem in den Hinterkopf. Der letzte, der sterben sollte, war ein junger, blondhaariger Teenager, der auf seinen Knie vor und zurück wippte, laut schrie und sich vor Angst in die Hosen pißte. Er hatte Fotos von seiner Familie vor sich auf dem Boden ausgebreitet. Trotzdem erhielt er einen Schuß in den Hinterkopf und sackte nach vorne wie ein Sack Kartoffeln."
Sergeant Zane Schlemmer von der 82. Airborne behandelte Kriegsgefangene anders. "Wir hatten einen intensiven Haß auf alles entwickelt, was deutsch war", schreibt er in seinen Memoiren. "Ganz besonders unzufrieden waren wir damit, sie als Kriegsgefangene nach hinten zu schicken. Wir mußten hier vorne bleiben und waren eifersüchtig auf jeden, der nach hinten durfte, wo er geschützt war und es warm hatte. Deshalb schnitten wir ihnen immer mit unseren Springermessern die Gürtel durch und die Knöpfe der Hosen ab, so daß sie sich stets die Hosen festhalten mußten, damit sie nicht runterrutschten. Das war sehr demütigend für sie, besonders für die Offiziere."
Sowohl die Amerikaner als auch die Deutschen hatten das Schießen auf unbewaffnete Gefangene geächtet. Aber beide Seiten taten es regelmäßig, obwohl es nie zu Prozessen gegen Männer kam, denen man das Erschießen von Gefangenen nachweisen konnte. Es war eine Sache, bei der jeder zustimmte, daß sie nicht diskutiert werden sollte, und keine Aufzeichnungen wurden geführt. Deshalb gibt es darüber nur Erzählungen.
Ich habe mehr als 1000 Kriegsveteranen befragt. Nur einer von ihnen hat mir gesagt, er habe einen Gefangenen erschossen, und er fügte hinzu, obwohl er Gewissensbisse deswegen habe, würde er es wieder tun. Vielleicht etwa ein Drittel aller Veteranen, mit denen ich gesprochen habe, wiesen auf Vorfälle hin, bei denen sie sahen, wie andere GIs auf unbewaffnete deutsche Gefangene mit erhobenen Händen geschossen hatten. Die generelle Meinung dazu drückte Lieutenant Tom Gibson von der 101st Airborne aus, der mir en detail von der Ermordung von zehn deutschen Kriegsgefangenen durch einen Offizier der amerikanischen Fallschirmjäger erzählte - er erschoß sie, während sie unter Bewachung einen Graben aushoben. Gibson kommentierte: "Ich glaube sicher, daß nur ein Soldat, der gekämpft hat, das Recht besitzt, einen anderen Kampfsoldaten zu beurteilen. Nur er weiß, wie schwer es ist, den Verstand nicht zu verlieren, seinen Dienst zu tun und mit einem Minimum an verbleibender Ehre zu überleben. Du mußt lernen, anderen zu vergeben - und auch dir selbst - für einige der Dinge, die du getan hast."
Für die Flugzeugbesatzungen, die über Deutschland abspringen mußten, kam der gefährlichste Augenblick, wenn sie auf dem Boden ankamen. Wenn örtliche Zivilisten sie in die Finger bekamen, bevor das Militär hinzukam, dann griffen erstere die Amerikaner mit Steinen, Mistgabeln und Jagdwaffen an. Viele wurden von haßerfüllten oder verärgerten Nicht-Kombattanten getötet.
Während der Kämpfe im November 1944 kam Lieutenant Fussells Infantriezug zu einem tiefen Krater in einem Wald, wo ein Zug deutscher Soldaten, fünfzehn bis zwanzig Männer, zusammensaßen. "Man sah, daß sie sich ergeben wollten - die meisten hatten Tränen in den Augen aus Angst und Verzweiflung, aber das wurde von den Männern, die am Rand standen, völlig ignoriert", schrieb Fussell später. Als die Deutschen die Hände hoben, begannen Fussells Männer "zu lachen und zu heulen. Sie schrieen 'Cowboy' und 'good-old-boy' und schossen lachend in den Krater hinein, bis jeder einzelne Mann dort unten tot war ... Wenn ein Körper noch einmal zuckte oder sich bewegte, schossen sie noch einmal drauf. Jeder empfand eine tiefe Befriedigung, und der Vorfall wurde in eine humorvolle Erzählung umgebaut und im folgenden Winter immer wieder an den Lagerfeuern erzählt."
Sergeant Robert Jamison, 90th Infantry Division, erinnert sich an ein Ereignis während der Ardennenoffensive: "Wir stoppten einen deutschen Panzer mit unseren Panzerfäusten und holten zwei Mann der Besatzung heraus. Einer hatte eine schlimme Verletzung am Bein. So ein Drecksack von Lieutenant fragte ihn nach seiner Einheit, und er verweigerte die Antwort. Der Lieutenant stieß ihn zur Tür hinaus und schoß ihm in den Rücken. Das war der Moment, wo ich ganz, ganz nahe dran war, einen unserer eigenen Männer zu erschießen."
Captain Charles Stockwell lag in Stellung nahe Elsenborn Ridge: "Wir hatten einen jungen Gefreiten, einen netten Kerl, grad 19 Jahre alt, dessen beide Brüder in der Normandie gefallen waren. Das machte ihn zu einem Teufel, was Deutsche betraf. Er tötete jeden, den er erwischte, Gefangene eingeschlossen. Es kam einem Todesurteil gleich, wenn wir einen Gefangenen mit Junior nach hinten schickten."
Einmal während der Ardennenoffensive stand Stockwell mit dem Batallionskommandeur außerhalb des Gefechtsstandes. Der Kommandeur brauchte jemanden, der eine Meldung zu einer der Kompanien bringen sollte. Er rief Junior zu sich und erteilte ihm den Auftrag. "Junior lief die Straße hinab. Ein Deutscher, der sich 72 Stunden lang in einem der Häuser verborgen hatte, erschien - die Hände auf dem Kopf - in der Haustür, verbeugte sich, lächelte: "Kamerad! Kamerad!" Junior wurde nicht einmal langsamer, er zog einfach seine Pistole und schoß dem Mann ins Gesicht, als er vorbeilief. Der Kommandeur fluchte und warf seinen Helm auf den Boden; Junior hatte wieder zugeschlagen."
Die meisten dieser Mordgeschichten sind nicht so kaltblütig; normalerweile handeln sie von Männern, die an der Front kämpften, unmittelbar nach einem Feuergefecht, bei dem sie gesehen hatten, wie Kameraden getötet wurden. Auf amerikanischer Seite kam es so gut wie nie vor, daß Offiziere einen direkten Befehl erteilten, daß Gefangene zu erschießen seien. Unter den Fallschirmjägern, die am D-Day absprangen, geht das Gerücht, es sollten laut Befehl von General Gavin (oder Ridgway oder Taylor) "keine Gefangenen" gemacht werden, aber ich habe bisher keine schriftlichen Beweise für einen solchen Befehl gesehen, und tatsächlich machten die Fallschirmjäger am 6. Juni viele Gefangene. Es gibt einen schriftlichen Befehl des Hauptquartiers des 328th Infantry Regiment vom 21. Dezember 1944, worin steht: "SS-Truppen oder Fallschirmjäger werden nicht gefangengenommen, sondern sofort erschossen!"
Der Grund für diesen Befehl war das Malmédy-Massaker. Dieser Vorfall ereignete sich am 17. Dezember. Die B-Batterie, 285th Field Artillery Oberservation Battalion, 7th US Armored Division (Panzerdivision), verlegte nach Süden Richtung St. Vith, als Peipers vordere Einheiten außerhalb von Malmedy auf sie stießen. Peiper fuhr mitten in die Kolonne hinein, schoß wild um sich und versetzte sie in vollständige Verwirrung. GIs verließen voller Panik ihre Fahrzeuge und sprangen in die Gräben oder versuchten, zum nahen Wald zu laufen. Peiper befahl, sie zu umzingeln, und fuhr weiter.
Es ist nicht klar, ob Peiper einen direkten Befehl erteilte, die Gefangenen zu erschießen oder nicht. Es ist bekannt, daß er ein Adjutant von Heinrich Himmler gewesen war und als Batallionskommandeur in Russland zwei Dörfer niedergebrannt und alle Einwohner umgebracht hatte. Die SS-Truppen, die er in den Ardennen befehligte, waren Veteranen der Ostfront, wo die Erschießung von Kriegsgefangenen an der Tagesordnung war. Hitler hatte einen Befehl herausgegeben, wonach den deutschen Truppen in den Ardennen eine Welle des Terrors und der Furcht voraneilen und keine menschlichen Hemmungen gezeigt werden sollten. Dies kam zum ersten Mal ans Tageslicht, als Lieutenant Colonel George Mabry, einer der Helden von Utah-Beach am D-Day, berichtete, daß sein Batallion einen deutschen Oberst gefangengenommen habe, der Hitlers schriftlichen Befehl bei sich getragen hätte.
Während der ersten vier Tage der Schlacht in den Ardennen, als seine Panzer auf dem Vormarsch waren, ermordete Peipers Kommando etwa 350 amerikanische Kriegsgefangene und mindestens 100 unbewaffnete belgische Zivilisten. Aber Peiper war beim Malmédy-Massaker nicht anwesend, als etwa 150 GIs der B-Batterie zusammengetrieben wurden. Eine zweite Panzerkolonne kam hinzu. Die Deutschen parkten einen Panzer an jedem Ende eines schneebedeckten Feldes nahe des Waldes. Ein Kommandofahrzeug fuhr vor. Der deutsche Offizier stieg aus, zog seine Pistole, zielte bedachtsam auf einen amerikanischen Sanitätsoffizier, der in der ersten Reihe der Kriegsgefangenen stand, und erschoß ihn. Als der Arzt fiel, erschoß der Deutsche einen Offizier direkt neben ihm. Dann eröffneten die Panzer mit ihren Maschinenkanonen das Feuer auf die Kriegsgefangenen.
Private Homer Ford war einer der Gefangenen. Er sagte später aus: "Sie begannen, uns mit Maschinengewehr-Feuer, mit Pistolen und allem möglichen zu beschießen. Jeder ließ sich hinfallen. Dann kamen sie mit Pistolen und Gewehren hinzu, erschossen diejenigen, die noch atmeten, und schlugen anderen mit den Gewehrkolben auf den Kopf. Ich wurde in den Arm getroffen, und von den vier Männern, die mit mir entkamen, war einem in die Wange, einem ins Bein und einem anderen in die Beine geschossen worden." Männer liefen zu den Wäldern, und viele schafften es. Von den 150 Kriegsgefangenen überlebten 70.
Nach den Standards, die der Zweite Weltkrieg setzte, war es kein schlimmes Massaker. Und Hugh Coles Fazit in seiner offiziellen Geschichte der Ardennenoffensive lautet: "Soweit das festgestellt werden kann, waren die Peiper-Morde die einzigen organisierten und befohlenen Morde an Kriegsgefangenen beider Seiten während der Schlacht in den Ardennen." Aber die Kaltblütigkeit des Malmédy-Greuels schickte eine Art elektrischen Schock durch das gesamte amerikanische Heer. Die Toten wurden ein paar Stunden nach der Tat durch eine Patrouille entdeckt. Cole merkte an, "daß die Geschwindigkeit, mit der die Nachricht über das Malmédy-Massaker die amerikanischen Truppen an der Front erreichte, erstaunlich war." Bis zum Einbruch der Nacht hatte die Nachricht, daß die Deutschen amerikanischen Kriegsgefangenen erschießen würden, jedes Schützenloch erreicht - entlang der ganzen 100 Kilometer langen Front. Dies hatte zwei Auswirkungen: zum einen, daß viele SS-Soldaten, die sich ergaben, erschossen wurden; zum anderen, daß viele G.I.s, die mit dem Gedanken spielten, sich zu ergeben, ihre Meinung änderten.
Das Malmédy-Massaker schien für viele Amerikaner das perfekte Beispiel für die Brutalität der Nazis zu sein. Nach dem Krieg war es der Anlaß zu intensiven Verhören vor dem US-Militär-Tribunal in Dachau. 73 ehemalige Mitglieder von Peipers SS-Kommando wurden verhört. 43 wurden zum Tode verurteilt, 22 zu lebenslanger Haft, Peiper eingeschlossen, und acht zu zehn Jahren Gefängnis. Viele Urteile wurden bestätigt; aber niemand wurde das volle Strafmaß zuteil.
Die amerikanische Vergeltung für Malmédy haben wir schon bei der Behandlung von SS-Gefangenen gesehen, die in die Hände von G.I.s fielen. Private Frank Brumbaugh von der 82nd Airborne erinnert sich, daß er zum Ort des Malmédy-Massakers wanderte. "G.I.s und einige Kriegsgefangene waren draußen auf dem Feld. Sie gruben die steifgefrorenen Leichen der ermordeten amerikanischen Soldaten aus dem Schnee, eingefroren in grotesken Positionen mit Armen und Beinen in alle Richtungen verrenkt."
Etwa eine Stunde später sah er einige Fallschirmjäger, die einen Haufen Deutscher bei sich hatten, die entweder amerikanische Fallschirmjägerstiefel oder Stiefel amerikanischer Infanteristen trugen, die sie augenscheinlich gefangenen, verwundeten oder toten Amerikanern gestohlen hatten. Die amerikanischen Fallschirmjäger erschossen die Deutschen, die Infanteristenstiefel trugen, ohne viel Federlesens und gaben als Grund an, wenn sie sie von verwundeten oder gefangenen G.I.s genommen hatten, dann hätte das für diese schwere Verletzungen oder den Tod bedeutet, denn der Schnee war tief, und es war bitter kalt.
"Die deutschen Gefangenen, die US-Fallschirmjäger-Stiefel trugen, mußten die Stiefel und ihre Socken ausziehen, ihre Hosen bis über die Knie hin aufrollen und im Schnee herummarschieren, bis ihre Füße völlig erfroren waren und sie weder den Stich eines Messers fühlen noch laufen konnten." Die Gefangenen wurden dann in die Feldlazarette geschickt, wo man ihnen beide Füße amputieren mußte.
Brumbaugh kommentierte: "Ich vermute, man könnte das eine Grausamkeit nennen, aber ich dachte damals, es sei eine brutale, aber effektive Art, die Deutschen eine wertvolle und notwendige Lektion zu lehren, nämlich, daß man sich nicht mit Fallschirmjägern anlegen sollte!"
Während der ersten Tage in den Ardennen gab es mehrere bizarre Vorfälle, in die Gefangene verwickelt waren. Lieutenant Walter Melford, ein ehemaliger ASTPler, der sein Offizierspatent erhalten hatte, kurz bevor er nach Europa geschickt wurde, war deutschstämmig. Er war in den Mitt-Dreißigern mit seiner Familie nach Amerika ausgewandert und in Brooklyn aufgewachsen. Er gehörte zur Aufklärungstruppe und war von beiden Seiten aus in einer gefährlichen Position. Als seine Einheit umzingelt wurde und sein Colonel sich ergeben wollte, besprach sich Melford mit vier anderen deutschstämmigen G.I.s. Sie waren sich einig, daß sie sich nicht ergeben konnten, und hauten ab. Als sie einer amerikanischen Patrouille über den Weg liefen, rief Melford: "Wir sin Amerikaners!" Die Antwort lautete: "Hände hoch!", und die fünf Männer mit deutschem Akzent in amerikanischer Uniform wurden alle verhaftet. Melford erzählte einem Militärpolizisten, er stamme aus Brooklyn. Wer denn dort als "short-stop" für die Dodgers spiele? Melford wußte es nicht. Er brauchte ein paar Tage, um seine Identität sicher zu beweisen.
Zwei Monate später war Melford bei einer Panzereinheit, die den Ruhrpott angriff. Die amerikanischen Panzer lockten in einer großen Fabrik ein deutsches Batallion in die Falle. Der kommandierende amerikanische Kommandeur wandte sich an Melford. "Es geht schneller und einfacher, wenn du mit diesen Jungs sprichst und sie zum Aufgeben überredest!" Melford baute zwei Lautsprecher auf einem Panzer auf und rumpelte damit nach vorn. "Ihr seid vollkommen umzingelt ..." rief er. Ein paar hundert Deutsche kamen heraus, weiße Fahnen schwenkend. Der amerikanische Kommandeur wies Melford an, sie in ein vorher befreites russisches Kriegsgefangenenlager zu eskortieren. "Ich wies sie an, sich in vier langen Reihen zu formieren. Und als ich da oben saß mit dem Mikrofon in der Hand, erteilte ich den Befehl: "Vorwärts marsch!" und brachte sie geradewegs in das Lager. Es war echt toll!"
Ein unbekannter Deutscher löste das Problem des Ergebens mit ein bißchen Phantasie und einer Portion Glück. Der 20-jährige Sergeant James Pemberton von der 103rd Division führte eine nächtliche Patrouille nahe Mühlhausen an. Er ging mit seinen neun Männern los. Auf dem Rückweg zählte er noch einmal durch und kam auf zehn. "Ich hatte ein Problem, aber ich sagte nichts, weil ich dachte, ich weiß es ja und kann jetzt eh nichts dagegen machen. Als wir zurück im Gefechtsstand waren und in einem beleuchteten Raum, hielt ich mein Gewehr bereit, und der Kraut begann zu schreien 'Kamerad, Kamerad!' Er trug weder Waffen noch sonst etwas. Er war auf Wache gewesen, hatte uns gehört und entschied sich, daß er genug vom Krieg hatte. Also schloß er sich meinem Trupp an und wurde ein Kriegsgefangener!"
Die Deutschen nahmen zum ersten Mal amerikanische Kriegsgefangene in größerer Anzahl in den ersten Tagen der Ardennenoffensive, etwa 20.000 Mann (insgesamt nahmen die Deutschen 30.000 GIs und 26.000 Flieger in Nordwest-Europa gefangen). Der größte Brocken kam am 19. Dezember, als sich zwei Regimenter der 106th Division ergaben. Mit 7.500 Mann war das die größte Massenaufgabe im Krieg gegen Deutschland.
Privat Ernest Vermont hörte seinen Leutnant rufen "Feuer einstellen", dann "Zerstört eure Waffen!". Für Vermont "war das das schlimmste, was ich je in meinem Leben tat." Die Deutschen trieben seine Einheit zusammen und begannen, die GIs in den rückwärtigen Raum zu führen. Sie nahmen ihnen die Uhren ab, spuckten sie an und schlugen sie mit der Hand gegen die Köpfe. In einem Dorf wurde Vermont von einigen Hitlerjungen mit Steinen beworfen. "Die Demütigung, ein Kriegsgefangener zu sein, war fast mehr, als ich ertragen konnte."
Vermont hat damit ein Wort benutzt, daß auf für viele Männer der 106th zutraf. Privat Vonnegut widersetzte sich dem Befehl, sich zu ergeben. Zusammen mit drei anderen schlich er sich davon und versuchte, zu den amerikanischen Linien zurückzukehren. Groß, dünn, kein Umhang, keine Waffen, keine Schuhe. Schüsse ertönten. Die GIs sprangen in einen Graben. Nach zehn Minuten "krabbelten sie in einen Wald, so wie es die dicken, unglücklichen Säugetiere getan hatten, die sie ja auch waren." Ihr Glück ging zu Ende: Sie gingen in eine Falle und mußten sich ergeben. Aber das Glück kam zurück: Man erschoß sie nicht, sondern zwang sie, nach Osten zu marschieren. Während ihrer Wanderung stießen an jeder Straßenkreuzung eine andere Gruppe G.I.s zu ihnen. Sie bewegten sich hangabwärts - wie fließendes Wasser - ihre Zahl wuchs, als sie im Tal auf eine breite Hauptstraße einbogen. Zehntausende Amerikaner schlurften nach Osten, ihre Hände fest auf ihren Köpfen haltend. Vonnegut nannte es den "Fluß der Demütigung".
Corporal Roger Foehringer von der 99th Division wurde in eine Kaserne geführt, wo ein junger deutscher Soldat ihn verhörte. "Ich starrte ihn nur an, und er zeigte mir den (Stinke-)Finger. Sein Englisch war gut. Als erstes stieß er mir den Lauf seiner Luger in den Magen und riß mir die Hundemarken vom Hals." Dann verwickelte er Foehringer in ein Gespräch über sein Zuhause, was er vor dem Krieg getan hatte, wo er zur Schule gegangen war. "Es war kein gründliches Verhör", so empfand es Foehringer. Der Deutsche empfand es sicher ganz anders, er war sich wohl sicher, daß er alles erhalten hatte, was möglich war. Corporäle besitzen in keiner Armee der Welt viele Informationen.
Am folgenden Tag, 19. Dezember, begann für Foehringer ein Vier-Tages-Marsch. Am ersten Tag "marschierten wir an vielen Kolonnen mit deutschen Truppen, Panzern, Halbkettenfahrzeugen und Geschützen jeder vorstellbaren Art, die von Pferden gezogen wurden, vorbei." In einem Heuschober legten sie sich zur Ruhe. Zu essen gab man ihnen nicht. Am dritten Tag "rannten wir in ein Zuckerrübenfeld, daß umgepflügt worden war. Ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben eine Zuckerrübe gesehen, aber ich rannte auf das Feld hinaus und nahm mir eine, und die Deutschen schossen nicht. Und siehe da! Es gab mir Energie, Zucker und Wärme - und die Kraft weiterzugehen."
Schließlich erreichten die kriegsgefangenen G.I.s Eisenbahnschienen, wo man sie in französische Eisenbahnwaggons verlud, die die Deutschen für Viehtransporte benutzt hatten. Die Böden waren mit Mist bestreut. Die G.I.s wurden eingeschlossen, 80 bis mehr als 100 Männer pro Waggon, so eng zusammengepackt, daß es für den einzelnen weder einen Platz zum Sitzen noch viel weniger zum Liegen gab. Selbst die Toten blieben stehen. Außer gelegentlich einem Blecheimer gab es keine Einrichtungen, um sich zu erleichtern. Der Gestank war unerträglich, aber er mußte ertragen werden. Manchmal zweimal am Tag, manchmal einmal, manchmal auch überhaupt nicht, öffneten die Deutschen die Waggons und gaben den Männern Wasser. Die langen, langsamen Transportzüge boten ideale Ziele für P-47er, und die amerikanischen Piloten beharkten die nicht gekennzeichenten Waggons mit Maschinengewehrfeuer und schossen Raketen auf sie ab. Viele starben, Deutsche wie Amerikaner.
Der Pilot Lieutenant Jim McCubbin hielt sich in einem solchen Waggon auf, als zwei P-47er angriffen. Er beobachtete, wie die Bomben von den Tragflächen herabfielen. "Das gab mir ein Gefühl für das Leben in der Infanterie. Ich hatte viel mehr Angst als jemals in der Luft." Er war dankbar, daß die Deutschen einen Wagen mit einem Flakgeschütz darauf dabei hatten, mit dem das Feuer erwidert wurde. "Wenn die nicht zurückgeschossen hätten, dann wären die P-47er ein paar Mal auf uns losgegangen. Ich muß das wissen. Ich hatte es oft genug getan."
Private Vermont erinnert sich daran an den Beschuß durch MG-Feuer. "Die Kugeln flogen durch den Waggon und töteten viele Männer. Ich glaube, ich blieb als einziger am Leben. Die anderen wurden alle getötet oder schwer verletzt." Es war das schlimmste Erlebnis, daß jeder der Beteiligten jemals mitmachte.
Nach dem Erreichen der verschiedenen Lager in Inner- und Ostdeutschland hatten die Kriegsgefangenen ganz unterschiedliche Erlebnisse, was von der Truppengattung abhing, aus der sie kamen, ihrem Rang und am meisten von der Lagerverwaltung und den Wachen. Goering hatte eine romantische Vorstellung von den Rittern der Lüfte und einer Art Bruderschaft mit anderen Piloten; die Luftwaffe beaufsichtigte die Lager, in denen abgeschossene Flieger untergebracht waren; abgesehen von den unzureichenden Rationen ging es den Kriegsgefangenen aus den Reihen der Army Air Force relativ gut.Aber wie ein Gefangener der Luftwaffe beobachtete, "waren die deutschen Rationen gerade ausreichend genug, um das Verhungern in seiner langsamsten und unerfreulichsten Form zu ermöglichen." Lieutenant McCubbin, der P-47-Pilot, der abgeschossen worden war und das Gefangenenlager nahe Nürnberg an seinem 24. Geburtstag betrat, beschrieb die dortigen Bedingungen: "Die gute Nachricht war, daß die Suppe Erbsen enthielt. Die schlechte Nachricht war, daß mehr als die Hälfte aller Erbsen voller Würmer war. Wir hörten schon bald auf, die schlimmsten Erbsen herauszupuhlen, um die Würmer herauszuziehen, und freuten uns schließlich auf das zusätzliche Protein. Wir schliefen auf dem harten Boden in Gruppen zusammen, um die Körperhitze zu bewahren und die einzige Decke miteinander zu teilen. Wenn die Schmerzen eines Mannes unerträglich wurden, rollten wir uns alle unisono auf die andere Seite."
Für die Gefangenen war die bei weitem wichtigste Bestimmung der Genver Conventionen für Kriegsgefangene von 1929 die über die Nahrungsmittelrationen; sie bestimmte, daß sie die gleichen Rationen erhalten mußten wie die Soldaten der Macht, deren Gefangene sie waren. In den Vereinigten Staaten gab es genug zu essen, und die Bestimmung wurde eingehalten, wenn nicht sogar überschritten. In Europa mußten Prioritäten gesetzt werden, und Kriegsgefangene standen ziemlich am Ende der Liste. Nirgendwo außerhalb der Vereinigten Staaten wurden Kriegsgefangene ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt. G.I.s, die bei ihrer Gefangennahme in den Ardennen 180 Pfund gewogen hatten, wogen noch 120 oder 100 Pfund, als sie befreit wurden. Private Vermont notierte: "Ich wog 140 Pfund, als ich ins gefangen genommen wurde, und noch 92 Pfund bei meiner Entlassung." Und die GIs wurden noch wesentlich besser versorgt als die russischen Kriegsgefangenen oder die Insassen von Konzentrationslagern.
Im allgemeinen bestanden die Mahlzeiten aus Schwarzbrot und dünner Kartoffelsuppe, und das gab es zweimal am Tag. Joe Matthews vn der 106th Division erinnert sich daran, daß er manchmal "grüne Hornissen-Suppe" gab, hergestellt aus Rübenblättern und Pferdefleisch. Den Namen hatte sie von den grüngefleckten Maden, die sich in den Rübenblättern aufhielten. Unter den Kriegsgefangenen gab es heiße Diskussionen, ob man die Maden mitessen sollte. Matthews, im Zivilberuf landwirtschaftlicher Chemiker, entschied, es handele sich dabei um Protein, und aß sie.
Einfachen Infanteristen erging es noch schlimmer. Ein Sergeant berichtete, "mein Gewicht ging in vier Monaten Gefangenschaft von 135 Pfund fo 95 Pfund runter. Eine Tasse Suppe und ein Stückchen Ersatzbrot war alles, was wir pro Tag zu essen bekamen. Dabei handelte es sich um Brutalität mit System, denn einerseits waren wir auf die nächste Mahlzeit angewiesen, andererseits aber auch zu schwach zur Flucht. Ich litt an Fußbrand, Gelbsucht, Flöhen, Läusen, Ruhr, Infektionen an beiden Füßen und allgemeiner Unterernährung. ... Der einzige Unterschied zwischen einem Konzentrationslager und unserem Stalag 1 (Stalag = stationäres Lager) lag darin, daß man uns nicht mit Gas oder Gewehrkugeln umbrachte ... Ich erinnere mich bei den Deutschen an niemanden, der auch nur ein bißchen Gnade oder gar Mitleid zeigte."
Es gibt bestätigte Aussagen von Soldaten, die beobachteten, daß deutsche Offiziere und Wachen in einigen Lagern Kriegsgefangene mißhandelten oder gar umbrachten, in dem sie sie zur Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen zwangen, folterten oder ständig und sinnlos quälten. Anderseits gibt es Aussagen, daß Deutsche versuchten, in einer schwierigen Situation die beste Hilfe zu geben. Und irgendwie sind die unmenschlichen Bedingungen, unter denen viele Kriegsgefangene arbeiten mußten, eine Ironie - denn sie wurden durch die alliierte Luftwaffe verursacht. Oft genug brachte man Kriegsgefangene aus nahegelegenen Lagern in Städte, die gerade einen Bombenangriff erlebt hatten, um sie an den Aufräumungsarbeiten zu beteiligen. Auf diese Weise erlebte ein Gefreiter namens Kurt Vonnegut den Schrecken eines großen Angriffs - den auf Dresden im Februar 1945 -, was ihn veranlaßte, seinen berühmten Roman "Schlachthof Fünf" zu schreiben.
Corporal Foehringer hatte ein ähnliches Erlebnis. Im März 1945 war er in Würzburg, als die Briten die Stadt mit Brandbomben bewarfen. Man befahl ihm, in einen Keller zu steigen und später wieder hinaus, dort fühlte er "den stärksten Wind, den du jemals erlebt hast, und der ganze Himmel und die Stadt Würzburg schienen in Flammen zu stehen. Die Brandbomben hatten die Dächer der Häuser in der ganzen Stadt getroffen und in Flammen gesteckt." Die Feuer brannten sich durch die Dächer und durch die Stockwerke, die Trümmer fielen nach innen und verbrannten die Zivilisten, die in den Kellern Zuflucht gesucht hatten. Während der folgenden Woche halfen Foehringen und seine Kameraden, den Schutt wegzuräumen und die Toten wegzuschaffen.
Meistens war das Kriegsgefangenendasein im Zweiten Weltkrieg eine der schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen konnte. Ganz sicher gibt es nichts Gutes, was man darüber sagen kann. Was aber war schlimmer, als Deutscher in russischen Händen zu sein oder als Russe in deutschen Händen? Als Amerikaner in japanischen Händen oder als Pole in deutschen oder russischen Händen? Niemand kann es sagen, aber auf einer Skala des Schreckens waren alle Möglichkeiten schlimmer als die eines Amerikaners in deutschen Händen.
Als Vergleich sollten diese Werte dienen: Zwischen 34 und 38 % aller Amerikaner in japanischer Kriegsgefangenschaft starben; etwa 2/3 aller russischen Gefangenen in deutscher Hand scheinen gestorben zu sein; und der Anteil der Deutschen, die an der Ostfront gefangengenommen wurden und starben, wird auf mindestens 80 % geschätzt. Im Westen starben 0,7 % der Amerikaner in deutscher Kriegsgefangenschaft und 1 % der Deutschen in amerikanischer Hand. Um das Thema voll auszuschöpfen, wird als Lektüre der Artikel "A Question of Numbers" von Albert Crowdrey empfohlen.
Die Art, wie die U.S. Army ihre Gefangenen behandelte, ist Teil der Geschichte ihres Feldzuges in Nordwest-Europa. Die Amerikaner nahmen zum ersten Mal eine große Anzahl deutscher Kriegsgefangener - über 100.000 - in Tunesien im Mai 1943. Eisenhower beschwerte sich damals darüber, daß man ihm auf der Militärakademie West Point niemals beigebracht hatte, was man mit so vielen Gefangenen macht. Das Kriegsministerium entschied mit gesundem Menschenverstand, sie alle nach Amerika zu bringen. Man konnte sie in den Truppentransport-Schiffen unterbringen, die anderenfalls leer aus Nordafrika zurückgekehrt wären. Sie konnten auf amerikanischen Farmen arbeiten, wo man knapp an Arbeitern war.
Ich sah meine ersten deutschen Soldaten im Juni 1944 in Whitewater, Wisconsin. Sie gehörten zum deutschen Afrika Corps und sahen für einen achtjährigen Jungen furchterregend aus - groß, stark, blond, schwer arbeitend, gut diszipliniert. Der amerikanische Wachsoldat mit seiner Maschinenpistole, die er sich über die Schulter gehängt hatte, sah dagegen richtig schwächlich aus. Ich beobachtete die Deutschen, die Seite an Seite mit meiner Mutter in unserer örtlichen Konserven-Fabrik arbeiteten und die Schalen aus den gepellten Erbsen herauspflückten, und das half mir, diese Superman-Vorstellung zu vergessen. Das waren nur Bauernjungs, die taten, was Bauernjungs eben so tun.
Noch mehr Kriegsgefangene gab es bei Falaise und in den Herbstkämpfen und schließlich nach der Ardennenoffensive. Von August bis Dezember brachten die Schiffe, die junge Amerikaner zum Kampf nach Europa transportierten, junge Deutsche auf die Farmen nach Amerika. Gut 400.000 auf jeder Tour.
Im Winter 1944-45 war ein Kriegsgefangenenlager in den USA der angenehmste Platz für einen männlichen Deutschen, der zwischen 1910 und 1927 geboren wurde. Für deutsche Soldaten gab es dort Sicherheit, Schutz und ausreichend Nahrung. Sie hatten ein bequemes, ruhiges Leben - gesteigert durch die harte, körperliche Arbeit am Tage, etwas, was die meisten Deutschen lieben - und konnten Universitätskurse belegen - von englischer Literatur bis zu fortgeschrittener Mathematik; es gab Filmvorführungen, humane Wachen und eine zurückhaltende Lagerverwaltung.
Gefreiter Josef Bischof war ein Österreicher, der im Dezember 1944 gefangengenommen wurde. Man schickte ihn nach Colorado, wo er auf Zuckerrüben- und Kartoffelfarmen arbeitete. Viele Farmer, auf deren Feldern er arbeitete, waren Deutsch-Amerikaner in der zweiten Generation, sprachen immer noch die alte Sprache und hielten an vielen ihrer alten Bräuche fest. Bischof erinnert sich: "Sie sagten uns: Nun, Jungs, wenn ihr heute hart arbeitet, hat meine Frau heute abend ein fritiertes Hühnchen vorbereitet, das gibt’s mit Kuchen und Eiskrem. Und so hängten wir uns richtig rein." Als der Krieg endete, wollte Bischof in den Vereinigten Staaten bleiben. Österreich lag in Trümmern, er hatte keine Familie, und "in Amerika durftest du so viel arbeiten, wie du wolltest". Bischof malte sich aus, daß er - jung und gesund, wie er war - nur ein paar Jahre brauchen würde, bis er sich hochgeschafft hatte, ein eigenes Haus besaß und ein eigenes Geschäft betrieb. Aber 1946 schickte man ihn und seine Kameraden nach hause.
Die Kriegsgefangenenlager waren über die ganzen Vereinigten Staaten verstreut. Üblicherweise verbrachten die Gefangenen die Tage auf den Feldern, die Nächte in Barracken, die bisher von jungen Amerikanern belegt gewesen waren, die jetzt auf dem Schiff gen Europa fuhren oder irgendwo kämpften. Die Wachen waren meist farbige Soldaten.
Es ist eine der vielen Ironien des Krieges, daß die Soldaten der Nation, die für die Reinheit der Rasse und die Weltherrschaft kämpfte, über die Art schockiert waren, wie weiße Südstaatler die Farbigen behandelten. Indigniert sagten sie, daß die Deutschen die Farbigen schon vor dem Ersten Weltkrieg in ihren Kolonien in Afrika besser behandelt hätten. Und die Farmer gaben ihnen recht, in dem sie die deutschen Kriegsgefangenen besser behandelten als ihre farbigen örtlichen Arbeiter. Auf den Baumwollfeldern lag die tägliche Mindestquote für farbige Arbeiter bei 250 Pfund, die der Kriegsgefangenen nur bei 100 Pfund.
In einem Lager in Louisiana litten die Deutschen bei der Arbeit in den Zuckerrohrfeldern schrecklich an der Hitze und der Luftfeuchtigkeit, gliederten sich aber erfolgreich in die Gesellschaft ein. Sie besuchten die Samstagabend-Vorstellungen der Kinos in der Stadt, wo sie unten saßen, während die Farbigen nur auf den Balkon durften, der speziell für Farbige reserviert war. Sie gingen ohne Eskorte aus - ein Mann mußte schon ganz schön bescheuert sein oder ein Nazi oder beides, wenn er versucht hätte zu fliehen und nach Deutschland zurückzukehren (ich weiß nur von einem, der das tat). Sie besuchten örtliche Tanzveranstaltungen, es gab einige Romanzen und sogar ein paar Heiraten.
Das System arbeitete zu jedermans Zufriedenheit. Die Frucht wurde angepflanzt, behütet, geerntet. Die Gefangenen ging es besser, als es ihnen in der Wehrmacht ergangen wäre. Die U.S. Army erreichte in Hinsicht auf die Behandlung von Kriegsgefangenen einen Rekord an Zurückhaltung und Effizienz auf einem Gebiet, auf dem alle anderen Länder - mit Ausnahme von England und Kanada - sich nur schämen können.
Im April 1945 gab es eine amerikanische Division, deren Sollstärke wiederhergestellt worden war, die aber mehr ehemalige Angehörige in deutschen Kriegsgefangenenlagern sitzen hatte als irgendeine sonstige Division der Army. Das war die 106th Infantry Division, die hastig von Rennes in Frankreich nach Deutschland verlegt wurde, um mit einer aussichtslosen Situation fertig zu werden, der Massen-Aufgabe von hunderttausenden deutscher Soldaten. Die 106th mußte auf die Gefangenen aufpassen und sich um sie kümmern. Einmal war die Division für 330.000 Männer verantwortlich. Trotz extremen Mangels an Nahrungsmitteln, Medizin und Unterkünften führte die 106th ihre Aufgabe gut aus. Von ihrem kommandierenden Offizier wurden die Männer gelobt: "Ihr überlegenes Auftreten hatte großen Einfluß auf alle Betroffenen."
Natürlich gab es Fälle von Brutalität, unnötiger Härte, viele Krankheiten und eine relativ hohe Sterberate. Als offizieller Historiker der U.S. Army erinnert uns Albert Cowdrey, daß die Lebensbedingungen in den schrecklich überbevölkerten amerikanischen Kriegsgefangenenlagern in Deutschland im Frühjahr 1945 "zu einer ernüchternden Korrektur jeder verbleibenden Illussion führen, nämlich, daß alle Unmenschlich-keit nur auf einer Seite stattfand." [Cowdrey, Albert. "A Question of Numbers", Seite 92, in Bischof and Ambrose, Eisenhower and the German POWs]: Aber die weit verbreitete Propaganda, daß die Vereinigten Staaten eine Million deutscher Kriegsgefangene einfach verhungern ließen, das ist eine infame Lüge.
Der Artikel stammt aus dem Buch "Citizen Soldiers: The U.S. Army from the Normandy Beaches to the Bulge to the Surrender of Germany June 7, 1944 - May 7, 1945" des amerikanischen Historikers Stephen E. Ambrose (1997 New York, Touchstone). Die Übersetzung des Kapitels 15 "Prisoners of War" erfolgte mit freundlicher Genehmigung von "Touchstone, an imprint of Simon & Schuster, Inc., New York".