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20. Jahrhundert -> 05.03.1934 Noch ein Brief aus China

 

Ein Brief aus China

 

Diesmal kommt mein Brief aus einer anderen Ecke Shantungs, aus dem alten Mengyngebiet. Seit Herbst dieses Jahres bin ich in dieses Gebiet versetzt und habe auch hier ein so ziemlich in seinen Außenstationen zerstörtes Gebiet vorgefunden. Auch hier haben, wie früher im Süden, in dem weiten, offenen Gebiet von Shantun, die Räuber ihr Wesen getrieben, zwar später als dort, alles gründlich zerstört. So stehe ich nun auch hier wieder vor viel Zerfall und Trümmern.

 

Im Süden war es mir in fünf Jahren gelungen, die Hauptgemeinden wieder aufzubauen; das Dank der reichlichen Unterstützung durch die Heimat, vor allem der so freundlichen Hilfe vom Missionshaus St. Wendel. Der Name St. Wendel ist daher in fast allen Gemeinden dort unter den Wohltätern der aufgebauten Kapellen zu finden … Dieser warme, starke und tiefgehende Missionsidealimus wirkt auch heute noch weiter. Möge St. Wendel ihn immer so hüten und erhalten.

 

Nun noch ein paar Worte über mein heutiges Anliegen. Hier in Mengyn habe ich an fünf zerstörte Kapellen aufzubauen. Vor allem drängt eine in einer großen Christengemeinde. Die Christengemeinde ist sogar selbst bereit, 800 Dollar beizutragen. Die Gemeinde hat sich jahrelang mit ihren 30 Familien in einer sehr baufälligen Kapelle versammeln müssen, doch jetzt droht sie ganz zusammen zu stürzen. Wegen der Unruhen konnte sie nicht schneller aufgebaut werden. Dazu haben die Räuber großen Schaden angerichtet, so dass die Christen wirtschaftlich sehr zurück gegangen sind. Die Summen, die sie jetzt trotzdem bereit sind beizutragen, fallen ihnen nicht leicht; mancher muss sie sich schwer erarbeiten. Es zeigt aber auch ihre Bereitschaft hierzu, wie ihnen ihre Kirche am Herzen liegt.

 

Doch allein können sie und ich es nicht schaffen. Die Kapelle ist 20 Meter lang zu bauen, aus Backsteinen, mit Priesterwohnung. Erst kommt gut die Auslage auf 4000 Dollar. An 3000 fehlen uns noch ganz. Immer wieder, sobald ich dort zur Sonntagsfeier  eintreffen, fragen sie mich, Priester, hast du noch nicht Geld genug? Immer wieder kann ich es nicht bejahen. Ihnen und mir würde es eine nicht geringe Freude sein, wenn ich sagen könnte, es hat sich wieder ein guter Helfer gefunden. Bauen müssen, aber nicht können, ist eine schwierige Sache. Damit St. Wendel hier ein Herz voll Eifer und Erbarmen zeigen kann, hoffe ich, daß man sich freut, wenn ich Ihnen sage, das soll die erste Wendalinuskirche hier im Osten werden. Möge der liebe Heilige dort nun recht gute und viele Helfer werben! Seine Kirche kommt ins hohe Bergland des Mengynsgebirges zu liegen. Hat also mit St. Wendel das gemeinsam, auf der Höhe zu stehen, näher dem Himmel näher zu sein.

 

Die Leute, ein gutes, gesundes Bergvolk, die auch viel Schafzucht betreiben, werden, wenn es eine Wendalinuskapelle wird, den Heiligen doppelt gern als Patron feiern und verehren. Durch seine Verehrung hier möchte ich selbst an den lieben Heiligen den Dank meines schönsten Lebensabschnittes abtragen, den ich unter seinem milden Schutze einst genießen durfte. Mir selbst aber wird das Kirchlein ein lieber Freund werden.

 

So bitte ich nun, wollen Sie gütigst für den Bau ein wenig werben. So wird St. Wendel ja vervielfältigt als Stätte der Wohnung Gottes und Schutz für hilfesuchende Menschen unter der milden Hand des lieben Heiligen Wendalinus. So muss das wohl jedem St. Wendeler freuen. Mit dankbaren Herzen grüßt

Ihr alter Schuldner

P. Wehner S.V.D.

 

Also, ein zweites, ein neues St. Wendel! Vor 1300 Jahren stand der heilige Wendalinus hier in unseren Gauen, zog betend mit seiner Herde durch unsere Felder und Wälder, predigte und brachte uns das Wort Gottes, das so tief im Herzen des Saarvolkes Wurzeln fasste. Lange ist der liebe Heilige nun tot, doch noch immer ist und bleibt er der treue Schützer der ganzen St. Wendeler.

 

Aber nicht das allein: wie er in seinem Leben die hiesige Gegend heiligte und für Christus eroberte, so wirkt er auch jetzt noch im Himmel als Missionar weiter, nicht hier, sondern weit im fernen China. Ist es nicht, als ob aus obigem Briefe der Heilige selbst um unsere Hilfe bäte? Er, der uns den heiligen Glauben brachte, er will auch, daß wir in weiterverbreiten helfen. Wie schön wäre es doch, wenn im fernen China eine zweite St. Wendalinuskirche erstünde, eine Wendalinuskapelle, zu der auch die hier die Landleute wallfahren können, um von dem lieben Heiligen Schutz und Hilfe in allen Nöten zu erleben! Der heilige Wendelin ist der Lieblingsheilige des chinesischen Landvolkes. Helfen wir darum eifrig mit durch unser Gebet vor allem, helfen aber auch durch unsere materiellen Gaben. Wenn die Zeit auch noch so schwer, katholische Opfer= und Missionsliebe wirkt auch heute noch Wunder, sie wird auch dem armen chinesischen Volke eine Wallfahrtkapelle, eine Zufluchtsstätte in allen Anliegen schenken.

 

Gaben mit dem Vermerk: Für die Wendalinuskirche, Pater Wehners, China, sendet man an das Missionsapostolat St. Wendel=Saar.

 

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[Quelle: St. Wendeler Zeitung, Nr. 54, vom 05.03.1934, eingesehen im Stadtarchiv St. Wendel]

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