Essen 26. Nov. 1830
Lieber Bruder!
Hiermit erhälst du dann die Versteinerungen die ich vergangenen Sommer gesammelt habe. Ich habe sie vor den Ferien nicht schicken wollen, weil ich hoffte, sie während derselben noch zu vermehren, nach den Ferien bin ich noch nicht früher dazu gekommen, die beßten Exemplare aus dem großen Wuste, den ich hatte zusammenschleppen lassen herauszusondern, sie einigermassen zu ordnen, und den Brief zu schreiben der sie begleiten sollte.
Es sind im Ganzen 55 Nummern wovon beiliegend das Verzeichnis – weniger, als man bei dem großen Kasten erwarten dürfte; aber er war einmal fertig, die Versteinerungen waren gepackt, und so ließ ich ihn wie er war. Die Versteinerungen wurden beinahe alle in einer einzigen Wurzelgaube gefunden. Ich habe an mehreren Orten nach suchen lassen, aber nirgends im Vergleich zu diesen ersten viel gefunden. Dieser ist dagegen so reich, daß man in einem halben Tage einen ganzen Kornb bekommen kann. Schon seit 12 Jahren wird von einzelnen da gesucht, vergangenen Sommer hat das Bergamt mehrere Körbe voll nach Berlin geschickt, immer wird gleich viel gefunden. Schade, daß nun die Nachgrabungen wahrscheinlich ein Ende nehmen; denn auf der einen Seite stehen Häuser, und auf der anderen ein Weg unter dem man nicht weggraben kann; und wollte man diese Hindernisse überspringen und da hinter fortfahren, so wäre man gezwungen, 8-10 Fuß Lehm auszuwerfen, was neben den Entschädigungskosten der Landeigenthümer zu theuer werden würde. Du erhälst so ziemlich alle Arten, welche hier vorkommen. Austern und Korallen giebt es unsägliche; Ammoniten, Turbiniten, und Turriliten wenige; Nautiliten sehr wenige. Ich habe mit Hilfe der Peterfacten-Abbildungen von Goldfush und nach der Angabe des Mineralogen Herrn Sack von Bonn, der mehrere Tage hier war und vielleicht der tüchtigste Kenner der hiesigen Peterfacten ist, geordnet, und sie werden dahier ziemlich richtig benannt sein. Nur die Austern haben keine Namen, weil H. Sack sie nicht bestimmt anzugeben wußte und sie im Goldfuss auch noch nicht sind; ebenfalls sind No 1 und 2 sind bestimmt genug sondirt, was mir erst auffiel, als die Zettelchen schon angeklebt waren. Dieser H. Sack ist ein merkwürdiger Mann. Neffe des bekannten Staatsbeamten gleiches Namens, und ziemlich vermögend, widmete er sich dem Bergwesen und kam als Eleve vor etwa 12 Jahren in hiesige Gegenden. Man legte ihm rücksichtlich siener Karriere viele Hindernisse in den Weg, und veranlaßte ihn dadurch dieselbe ganz aufzugeben; er widmete sich von nun an ganz seiner Lieblingsneigung, der Mineralogie. Mit einem gewissen Instinkt begabt, Mineralien und Fossilien aller Art zu suchen, zu erkennen und zu sammeln, durchstöberte er alle Kabinette, durch kroch er alle westphälische Höhlen.
So gelang es ihm dann, daß er ohne bedeutende Geschäfte von Hauße sich eine Mineralien-Sammlung von 40 000 Exemplaren, eine Sammlung von Peterfacten von 25 000 Exemplaren, selbst eine nicht unbedeutende Muschal- und sogar Münz-Sammlung anerschafft hat. Er wohnt seit 6 Jahren in Bonn, und wird nächsten Sommer seinen Wohnort nach Halle verlegen. Ich habe ihn in diesen Tagen kennen lernen, und verdanke seinem kurzen Umgang sehr viel, so wie ich ihm für die Bereitwilligkeit meine Mineralien und Peterfakten zu ordnen sehr viel Dank schuldig bin. Er wird Ostern nach Trier kommen und hat mir versprochen, dich zu besuchen. Auffalend an ihm war mir auch seine Abneigung gegen Noeggerath, den er nicht als Mineralogen gelten ließ und höchst dreist nannte, die Arbeiten der anderen zu benutzen und als die seinigen auszugeben; und besonders interessant waren mir auch seine Unterhaltungen über die fossilen Knochen, die er im Bett der Lippe und in der Sunderichs=Höhle fast von allen größeren Thieren heißesten und kältesten Zonen auffand.
Meine Ausbeute in den Ferien war rücksichlichtlich der Versteinerungen nicht sehr groß. Von Thieren habe ich keine weiteren auftreiben können. Der Schieferthon, welcher nebst dem Sandstein alle hiesigen Kohlen=Flötze begleitet, ist voll von Pflanzenabdrücken. Ich habe ihn auf allen Zechen verglichen und habe gefunden, daß bei sämtlichen Flötzen der Schieferthon im Liegenden blos gewaltsam zerstörte und durcheinander (Seite) gemengte Pflanzen hat, wogegen sie bei sämtlichen Flötzen im hengenden ruhig und regelmäßig geschichtet sind. Aus dem Hengenden habe ich ein Stück beigefügt, es ist das breite schilfartig gefurchte. Der Kohlensandkasten enthält häufig ellenlange, dicke, deutlich gegliederte Schilfarten, und eine Art langer schuppiger Zapfen; ich habe von beidem Exemplare hinzugefügt. Auch that ich 2 deutliche andere Pflanzenabdrücke hinzu.
So viel denn von den Versteinerungen. Ich muß dir meinen Dank sagen, daß du mich auf diesen Gegenstand aufmerksam gemacht hast. Gleichzeitig, indem ich für dic gesammelt habe, habe ich auch den Grund zu einer Sammlung für das hiesige Gymnasium gelegt. Ich werde mit meinen Nachgrabungen fortfahren und besonders auch auf die Umgegend aufmerksam sein, und werde dann somit für die Erweiterung deiner Sammlung sowie der eminigen wo möglich Sorge tragen. Jn letzterer Beziehung könntest du mir vielleicht auch einmal behülflich sein, wenn du Dupletten hättest, die du nicht gebrauchtest; ich würde dich als dann sehr darum ersuchen.
Ich habe mich die Ferien damit beschäftigt, das Martscheiden und den praktischen Bergbau genau kennen zu lernen, was ich für die Bergschule so sehr nothwendig habe; habe also viel arbeiten müssen und wirklich keinen einzigen Tag Ferien gehabt. Ich bin durch den brief von meiner Schwester sehr erfreut worden, daß ihr die Unsrigen alle wohl verlassen habt, und auch du dich viel wohler fühlst wie früher; ich wünsche mir, daß ihr so gesund sein möget, wie ich es immer bin, und daß du bald dahin kommen werdest. Somit grüße ich euch alle herzlich, euer getreuer P.J. Steininger
Verzeichnis der zur sandigen Margel zu Frohenhausen bei Essen gefundenen
Versteinerungen
No
1 Austern, je 3 Stück Oberschalen (No 10, 19 St. Unterschalen (N0 1a)
2 dito, eine andere schön am Rücken aus gefurchte Art;
9 St. Oberschalen, 2 St. untere
3 dito, eine schmalere mehr gekrümmte und feiner gefurchte Art;
8 obere Schalen, und 1 untere.
4 dto, dünn, flach und rund; 7 St nebst einem Papier voll.
5 dto., ziemlich dünn und klein, halb rund, ein Papier voll Oberschalen
und 3 untere.
6 Ammonites, 2 St
7 Turilites, 1 St
8 Ammonites inflatus, 1 St
9 Nautilus, 1 St
10 Anomia pertini fermis, 1 St
11 Tubiatula, 1 St
12 Tubiatula, 2 St
13 Tubiatula, 7 St
14 Tubiatula, 11 St
15 Tubiatula, 3 St
16 Tubiatula, 4 St
17 Perten, 5 St.
18 Lima, 3 St.
19 Thecidea hieroglyhica, 21 St.
20 Thecidea radiano, 5 St.
21 Edhimus, 4 St.
22 Echimiten-Stacheln, 13 St.
23 Warzenstück eines Echimiten
24 Anomia pectini formis, 4 St.
25 Retepora? 2 St.
26 Ostrea haliothidea, 1 St.
27 Serpula, 6 St.
28 Serpula, 2 St.
29 Serpula, 3 St.
30 Cellepora escharoides, 1 St.
31 Thecidea hieroglyphica 2 St.
32 Mytilus? 3 St.
33 Durchbohrungen von Pholas? 1 St.
34 Turbo, 1 St.
35 Scyphia infundibuli formis, 6 St. und ein Papier voll
36 Ceriopora poymorpha, 9 St.
37 Cellepora escharoides, 10 St.
38 Ceriopera micropora, 11 St.
39 Ceriopera gravilis, 1 St.
40 Ceriopera cribota, 1 St.
41 Manon Pepiza, 1 St.
42 Fragos piriforme, 1 St.
43 Tragos rugesum, 2 St.
44 Ceriopera stellata, 4 St.
45 Tragos stellatum
46 Scyphia tetragona
47 Manon palvinarium
48 Scyphia furcata
49 Manon stellatum
50 Manon Peziza
51 Knochen vom Krokodil
52 Ein großer und ein kleiner Turkimit
53 Zwei in einer andern anderthalb Stunden weit entlegener
Mergelgrube gefundenen Kelemniten
54 Ein Amoniten Stück bei den Kelemniten gefunden
55 Dentalien u Cansylien aus dem Magdeburger Braunkohlen-
Sandstein von Herrn Sack
Ueberdies 7 St. Pflanzenversteinerungen aus dem hiesigen
Kohlengebirge.
Verzeichnis der zur sandigen Margel zu Frohenhausen bei Essen gefundenen
Versteinerungen
No
1 Austern, je 3 Stück Oberschalen (No 10, 19 St. Unterschalen (N0 1a)
2 dito, eine andere schön am Rücken aus gefurchte Art;
9 St. Oberschalen, 2 St. untere
3 dito, eine schmalere mehr gekrümmte und feiner gefurchte Art;
8 obere Schalen, und 1 untere.
4 dto, dünn, flach und rund; 7 St nebst einem Papier voll.
5 dto., ziemlich dünn und klein, halb rund, ein Papier voll Oberschalen
und 3 untere.
6 Ammonites, 2 St
7 Turilites, 1 St
8 Ammonites inflatus, 1 St
9 Nautilus, 1 St
10 Anomia pertini fermis, 1 St
11 Tubiatula, 1 St
12 Tubiatula, 2 St
13 Tubiatula, 7 St
14 Tubiatula, 11 St
15 Tubiatula, 3 St
16 Tubiatula, 4 St
17 Perten, 5 St.
18 Lima, 3 St.
19 Thecidea hieroglyhica, 21 St.
20 Thecidea radiano, 5 St.
21 Edhimus, 4 St.
22 Echimiten-Stacheln, 13 St.
23 Warzenstück eines Echimiten
24 Anomia pectini formis, 4 St.
25 Retepora? 2 St.
26 Ostrea haliothidea, 1 St.
27 Serpula, 6 St.
28 Serpula, 2 St.
29 Serpula, 3 St.
30 Cellepora escharoides, 1 St.
31 Thecidea hieroglyphica 2 St.
32 Mytilus? 3 St.
33 Durchbohrungen von Pholas? 1 St.
34 Turbo, 1 St.
35 Scyphia infundibuli formis, 6 St. und ein Papier voll
36 Ceriopora poymorpha, 9 St.
37 Cellepora escharoides, 10 St.
38 Ceriopera micropora, 11 St.
39 Ceriopera gravilis, 1 St.
40 Ceriopera cribota, 1 St.
41 Manon Pepiza, 1 St.
42 Fragos piriforme, 1 St.
43 Tragos rugesum, 2 St.
44 Ceriopera stellata, 4 St.
45 Tragos stellatum
46 Scyphia tetragona
47 Manon palvinarium
48 Scyphia furcata
49 Manon stellatum
50 Manon Peziza
51 Knochen vom Krokodil
52 Ein großer und ein kleiner Turkimit
53 Zwei in einer andern anderthalb Stunden weit entlegener
Mergelgrube gefundenen Kelemniten
54 Ein Amoniten Stück bei den Kelemniten gefunden
55 Dentalien u Cansylien aus dem Magdeburger Braunkohlen-
Sandstein von Herrn Sack
Ueberdies 7 St. Pflanzenversteinerungen aus dem hiesigen
Kohlengebirge.