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21. Jahrhundert -> 15.08.2020 Sonnenaufgangssternwanderung zum Großen Fuß vor Baltersweiler

 

 

Das ist der Große Fuß an der Straße der Skulpturen auf der Hochebene vor Baltersweiler. Ihn haben wir vor drei Jahren als Ziel auserkoren, um von verschiedenen Standorten unserer katholischen Pfarreiengemeinschaft St. Wendel aus frühmorgens dorthinzupilgern und einen gemeinsamen Gottesdienst zu feiern.

 

2018 war das erste Mal mit gut 40 Teilnehmern, voriges Jahr waren es mindestens doppelt soviele, ob es während der Veranstaltung Katzen und Hunde regnete, wie die Amerikaner das sagen. Mich betraf das nicht, ich war in Holland aufm Schiff dabei. Aber dieses Jahr konnte ich den Kelch nicht an mir vorübergehen lassen, weil ich keine wirklich gute Ausrede hatte. Die brauche ich deshalb, weil meine Frau Anne das Ganze ins Leben gerufen hat und natürlich bei der Ausführung digge dabei ist. Und ich natürlich auch. Ein Trost, ich brauche nicht zu wandern, ich bin beim Aufbauteam.

 

Für die Veranstaltung dieses Jahr gibt es vier Berichte.

 

Einen schrieb Frank Faber von der SZ, hier ist der Link zu seinem Bericht

=> https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/st-wendel/gottesdienst-an-mariae-himmelfahrt-in-baltersweiler_aid-52819101

 

Am 28. August sagte mir meine Frau, wir müßten noch einen Bericht schreiben für den Pfarrbrief. Wir, also „du“, also ich. Das paßte mir gar nicht, weil ich an dem Abend grad einen Vortrag fertiggestellt hatte, den ich am Tag drauf in Saarbrücken bei der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung halten wollte (und hielt). Also sagte ich: „Och nee!“ Aber dann tat’s mir leid, und ich pinselte einen Bericht aus der Erinnerung. Als ich ihn hochbrachte und Anne vorlegen wollte, war sie auch grad dran, einen eigenen zu schreiben, der dann auch im Pfarrbrief erschien.

 

Das ist dieser Artikel:

 

Pflücke den Tag.

 

Sonnenaufgangssternwanderung an Mariä Himmelfahrt zum „Großen Fuß“ vor Baltersweiler

 

Zum dritten Mal war der Grosse Fuss vor Baltersweiler Ziel der Sonnenaufgangssternwanderung der Pfarreiengemeinschaft St. Wendel. Mittlerweile gibt es ein Team um Anne Geiger, das die Gruppen organisiert, die von sieben verschiedenen Startpunkten aus starten. Frühmorgens ging es per pedes in den Pfarreien St. Wendelin, St. Marien, St. Remigius, St. Willibord, Hl. Familie und  St. Anna los. In Namborn starteten die Fahrradfahrer knapp eine Viertelstunde später.

Da es um diese Zeit noch dunkel ist, traten die Fuss-Pilger ihren Weg  in die Morgendämmerung hinein mit Laternen und Fackeln an und stimmten sich unterwegs durch Impulse und sprechfreie „Zeiten der Stille“ ein.

Die Gruppe von St. Anna marschierte um Punkt 5 (Uhr) morgens quer durch den St. Wendeler Vorort Alsfassen über die ehemalige Trasse der Eisenbahn nach Tholey bis zur Blies, die auf einer Behelfsbrücke (für Schafe) überquert werden sollte. Ihre Tragfähigkeit stellte kein Problem dar, aber der Schafzaun war vorgestern noch nicht dagewesen. Sportlich ging es drüber weg oder drunter durch, und Pfarrer Leist reichte gern eine helfende Hand beim Überqueren des Baches. Die Wiese sollte schweigend durchquert werden, was der Schafherde nicht gefiel, die dort übernachtete. Im Morgennebel waren Pilgern und Schafe nur durch die Geräusche zu unterscheiden, aber beim Impuls am Wiesenrain war kein Laut zu vernehmen, nicht mal ab und an ein „Mäh“. Fast scheint es, meinte jemand, daß auch die Schafe zuhören.

Als sie beim Haus des Künstlers Leo Kornbrust aus dem Tal aufstiegen, sahen die Wanderer schon von weitem den Großen Fuss, den das Aufbauteam mit Fackeln und Laternen und Kräutersträußen geschmückt hatte, die nach der Messe gesegnet wurden. Aus allen Richtungen kamen die verschiedenen Gruppen heran, um die heilige Messe gemeinsam zu feiern, und manche Besucher waren auch mit ihren Autos gekommen. 90 Personen hatten sich angemeldet, über 80 Leute waren zusammen gekommen, und fast pünktlich konnte Pastor Leist mit der Messe beginnen. Franz-Josef Marx aus Urweiler stimmte mit seiner Trompete das erste Lied an, und da wegen Corona zur Zeit in Messen nicht gesungen wird, summten die Leute die Lieder mit. Das kam viel feierlicher rüber als ein Gesang. Pastor Leist ging in seiner Predigt auf das Tagesmotto „Carpe Diem“ ein; dazu erhielt jeder Teilnehmer ein Erinnerungsblatt. Gerade bei der Wandlung lugte die Sonne über den Berg, und alle hielten kurz inne und genossen den besonderen Moment. Nach der Messe wurde leckerer Blechkuchen und Kaffee gereicht. Viele nahmen das Angebot gerne an, bevor sich alle gestärkt auf den Heimweg machten.

Die Sonnenaufgangssternwanderung wird gerne angenommen und ist mittlerweile über die Pfarreiengemeinschaft St. Wendelin hinaus bekannt - sogar aus Völklingen kamen Besucher.

CARPE DIEM!

Anne Geiger, St. Wendel

 

 

 

 

 

Mein Artikel hätte sowieso nicht wirklich in den Pfarrbrief gepaßt. Viel zu persönlich und so.

Aber gefallen tut er mir trotzdem.

 

 

Um viertel nach fünf ist es oben am „Großen Fuß“ vor Baltersweiler noch völlig dunkel. Als ich mit meinem vollbeladenen Auto von der Landstraße auf die Wiese einbiege, ist Heinz Hausmann schon dabei, die Stühle vom Anhänger zu laden. Ein paar Minuten später hat sich Ludger Schmitt zu uns gesellt. Wir besprechen kurz, was wo hinsoll, dann legen wir los. Mit den beiden ist gut arbeiten, jeder weiß, wie das ganze nachher aussehen soll. Gut, daß die Leute vom St. Wendeler Bauhof vorgestern hier Kultur gemacht und die Brennesseln und das Gestrüpp beseitigt haben. Meine Jacke werde ich gleich wieder los, es ist angenehm warm hier oben. Bis zum Sonnenaufgang sind es noch gut anderthalb Stunden. Unten im Tal schimmert der Nebel herauf. Dort unten müßten die Leute aus St. Anna jetzt laufen.

 

Die sind unter Leitung von Anne Geiger von der Kirche aus über die St. Annenstraße durchs Mühlwiesgäßchen zur alten Eisenbahn gewandert und haben hinter der Lehmkaul an der Brücke den Weg verlassen, um über die Wiese zur Blies zu gelangen. Im Halbdunkel ist der Steg über den Bach nicht gut zu finden. Da kommen die hell lodernden Fackeln gerade recht. Zefix, wo kommt denn plötzlich der Zaun her - der war vorgestern noch nicht da. Schnell wird der Steg hergerichtet, daß die Pilger passieren können; Pastor Leist reicht jedem eine helfende Hand. Auf der anderen Seite weichen dunkle Schatten langsam zurück. Die „Zeit der Stille“ kündigt die Führerin an, was mit barschen „mäh“ kommentiert wird. Irgendwie sind die Schafe auf der Weide nicht erbaut von der Störung. Im Gänsemarsch geht es quer über die Wiese, dem Nebel hinterher, der langsam den Hügel hinaufkriecht. Wie weit die anderen Gruppen wohl sind?`

 

Die von Bliesen und Winterbach (angeführt von Karin und Paul Allerchen), von Baltersweiler (Lutgers Ehefrau Margret Schmidt) und St. Wendel (Anne Kessler), die letzteren die von Urweiler (Ulla Gard) unterwegs aufsammelnd. Und natürlich die von Namborn, die den weitesten Herweg auf Fahrrädern bestreiten. Alle haben sich in aller Herrgottsfrühe auf den Weg gemacht hinauf auf das Plateau vor Baltersweiler.

 

 

 

 

 

Oben am Fuß ist es deutlich heller geworden; die beiden Herrn von der Presse warten auf günstigeres Licht für ihre Fotos. Einige Leute sind mit Autos angerückt und packen sofort kräftig mit an. Den Fuß zieren jetzt zahlreiche Laternen und Fackeln, die Zehen Krüge mit Sonnenblumen. Daneben steht ein Dreibein, das Paul Allerchen gezimmert hat. Hier werden handgeschriebene Tafeln aufgehängt, eine für jede Gruppe und ihre Pfarrei. Mit den Gruppen steigt auch die Feuchtigkeit aus dem Tal, und es wird recht kühl.

 

Der Gottesdienst beginnt mit ein paar Minuten Verspätung. Schon ist es hell, aber die Sonne hat sich noch nicht blicken lassen. Aufgegangen ist sie schon, aber sie muß erst noch den Rücken des Bosenbergs bezwingen, bis wir in den Genuß ihrer warmen Strahlen kommen. Franz Josef Marx stimmt mit seiner Trompete das erste Lied an; den Weisungen des Pastors gemäß, der die Corona-Befehle weisungsgemäß umsetzt, darf nicht gesungen werden, aber dafür setzt ein Summen ein, daß noch andächtiger klingt als Gesang. Die Stimmung hier oben ist irre. Der Pfarrer leitet uns mit angemessenen Worten durch die heilige Messe und baut seine Predigt um das Tagesmotto „Carpe Diem“ - Pflücke den Tag auf. Jeder Teilnehmer hat dazu vor Beginn einen Papierstreifen erhalten, in den meine Schwiegermutter Rita John zusammen mit ihrer Pflegerin Monika bunte Bändchen eingeflochten hat.

 

 

 

 

Gerade ist die Wandlung vorbei, da lugt die Sonne über den Berg, und alle drehen sich ihr zu und genießen die Wärme.

 

 

Nach der Messe richten wir die Frühstücksausgabetische her, drei an der Zahl, besetzt mit behandschuhten Helfern, die Kaffee und den leckeren Kuchen der Bäckerei Egler aus Urweiler verteilen. Davon wird rege Gebrauch gemacht.

 

Dann ist die Veranstaltung wieder vorbei, und die Gruppen machen sich auf den Heimweg. Die Coronaregeln haben uns gezwungen, Voranmeldungen pflichtend zu machen. Sie haben sich als sinnvoll erwiesen, denn so wußten wir, wieviel wir vorbereiten mußten. Das werden wir uns für nächstes Jahr merken.

 

Gut 85 Besucher sind gekommen - per pedes, Fahrrad oder Auto - und die meisten haben auch am Frühstück teilgenommen. Und alle haben uns gebeten, auch nächstes Jahr an Mariä Himmelfahrt wieder eine Sonnenaufgangswanderung durchzuführen.

Sie sind dann sicher dabei - nun, wir auch.

 

Pflücke den Tag und geh behutsam mit ihm um.

Es ist Dein Tag, 24 Stunden lang.

Zeit genug, ihn zu einem schönen Tag werden zu lassen.

Drum laß ihn nicht schon in den frühen Morgenstunden verwelken.

 

Roland Geiger, Alsfassen

 

 

Der vierte Artikel ist eigentlich kein solcher, sondern eine Regieanweisung für eine Zeichnung. Nennen Sie es Karikatur oder Charakterzeichnung, nennen Sie es boshaft oder sentimental. Ist mir egal. Aber wenn Sie es sich zutrauen, das Bild, das mir vorschwebt, zu zeichnen, geben Sie Bescheid.

 

Die Zeit der Stille an der Dammera

 

Situationsanweisungen für eine szenische Darstellung graphischer Art.

 

Es ist morgens um halb sechs Uhr an einem Augusttag, der mal wieder heiß zu werden droht. Unten in der Talaue auf der bei Regen sumpfigen Wiese, die die erbarmungslose Sonne der letzten Wochen ausgedörrt hat, stehen die Schafe dicht gedrängt und schlafen, als sie plötzlich durch Schritte auf der Wiese jenseits des Baches und durch das Rascheln des trockenen Grases aufgeschreckt werden. Jemand kommt über die behelfsmäßige Brücke des Baches gestolpert, die der Schäfer gestern abend verschlossen hat, daß kein Schaf in der Dunkelheit die Biege macht.

 

Noch enger drängen die Schafe zusammen, ein paar Lämmer suchen angsterfüllt Schutz bei ihren Müttern. Der alte Bock hat sich inmitten der Herde versteckt.

 

Die Menschen - fremd ist ihr Geruch - unterqueren den Zaun und betreten die Wiese. Vorn weg eine hohe Gestalt, die Führerin, die eine Fackel trägt und den zu folgenden Weg ausleuchtet; dahinter eine etwas kleinere, mehr füllige Figur, die obligatorische Maske leger um den Hals, die auf unsicheren Füßen in quietschenden Schuhen sich vorsichtig ihren Weg bahnt, und noch dahinter das pilgernde Volk und weitere Fackeln.

 

Die Führerin erklärt: „Hier beginnt unsere Zeit der Stille!“

 

„Määh“ fragt ein Lamm seine Mutter, „was heißt denn das?“

 

Bevor diese antworten kann, beugt sich die fülligere Gestalt zum Lamm hinunter, leuchtet ihm mit einer Fackel direkt in die weit aufgerissenen, furchterfüllten Augen und hält sich den Zeigefinger vor den Mund, die Lippen leicht gespitzt: „Pssst!“

 

Worauf das Lamm vor Schreck das Abendessen wieder los wird - hintenraus.

 

Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
E-Mail:  alsfassen(at)web.de  (c)2009 hfrg.de

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