Tausend Steine
Das römische Landhaus in St. Wendel - Alsfassen
Tagebuch einer Ausgrabung
von Roland Geiger, Alsfassen
Der Alsfasser Thonteller
Max Müller nennt in seinem Buch "Die Geschichte der Stadt St. Wendel von ihren Anfängen bis zum Weltkrieges" auf Seite 16 den Fund eines römischen Tellers im St. Wendeler Stadtteil Alsfassen: "Ein solches Grab fand man unmittelbar beim Alsfasser Schulhause. Es enthielt unter andern Tongefäßen einen Teller der neronischen Zeit. Dieses aus geschwärzter Erde gefertigte Gefäß stellt eine der frühesten geschichtlichen Urkunden unseres heutigen Stadtgebietes dar. Seine Besiedlung in der frührömischen Zeit wird durch diesen Grabfund sichergestellt."
Leider gibt Müller dabei weder den genauen Fundort noch die Fundzeit an und sagt auch nicht, wo diese früheste geschichtliche Urkunde unseres heutigen Stadtgebietes geblieben ist.
In seinem Buch "Beiträge zur Urgeschichte des Westrichs", erschienen 1896, hat er auf Seite 111 in Text und Fußnote den Teller ausführlich beschrieben: "Diese Gefässe müssen ebenso wie ein am Alsfassener Schulhause gefundener Thonteller der frühesten Zeit der Römerherrschaft zugezählt werden". Nach dem Wort "Thonteller" verweist er auf eine Fußnote: "A. a. O. (Könen >>Gefäßkunde<<) Tafel X. 12. Das Alsfassener Fundstück ist leicht gebacken, im Innern sauber abgedreht. Der Boden hat unten eine kugelförmige Vertiefung, um welche ein etwa 2 mm breiten Ring läuft. Durch diese Einstülpung tritt der Boden im Innern des Tellers schildbuckelartig heraus. Auf der Scheitelhöhe des Kegels ist der Stempel mit runenartigen Schriftzeichen eingedrückt. Der Teller gehört mir."
Ich nahm nun an, daß der Teller mit anderen Fundstücken in Trier eingelagert wäre. Ich rief dort also an und fragte schön naiv nach der Registriernummer und dem Aufenthaltsort des Fundstückes. Man konnte mir leider nicht helfen, es sei denn, ich könnte ihnen das genaue Funddatum nennen. Konnte ich natürlich nicht. Dann müsse ich vorbeikommen und etwa 20 Jahre Fundlisten durchschauen. Darin würde ich den Teller finden - sofern er überhaupt in Trier vorläge. Eine Arbeit vergleichbar dem Versuch, in einem stockdunklen Keller eine schwarze Katze zu suchen, die vermutlich gar nicht da ist.
Ein, zwei Jahre später fuhr ich tatsächlich nach Trier und sprach im Archiv des Museums vor. Dort erhielt ich wieder den gleichen Rat, wobei mir allerdings die Erfolgsaussichten als äußerst gering genannt wurden. Statt dessen legte man mir aber das Buch "Gefässkunde der vorrömischen, römischen und fränkischen Zeit in den Rheinlanden" von Konstantin Koenen vor (erschienen 1895 in Bonn), aus der ich die Tafel X herauskopierte. Sie finden sie auf der nächsten Seite. Der "Teller" ist das 2. Gefäß von links in der mittleren Reihe, mit der Zahl "12" bezeichnet. Ja genau, dieser kleine Topf. Jetzt wußte ich wenigstens, nach was ich suchte.
Übrigens: Koenen klassifiziert in seinem Buch auf Seite 77 diese Art Gefäß wie folgt:
"g. Kleinere kumpenartige Gefässe mit oder ohne Schrägrand, Taf. X, 12-14, stimmen in der Technik, Farbe und Ornamentation, sowie auch ihrem Ursprunge und ihrer Zeitstellung nach mit der 6. Art der glatten blauen Gefässe überein."
Diese 6. Art nennt er "f. Schlanke Töpfe mit flachem Schrägrande, Taf. X, 8-11, sind sowohl im Aeussern als auch in der Bruchfläche graublau, sehr sauber gedreht und ihre bis zu 3 mm dicken Wände so hart gebacken, dass sie sich im Klang dem mittelalterlichen Steingut nähern. Die Aussenseite ist spiegelglatt. Einige haben gelbliche oder gelbrotbraune Farbe. Die etwas hellere Innenseite zeigt zahlreiche concentrische Gurtfurchen, kurz: dieselben Eigenthümlichkeiten der Drehscheibenbearbeitung, welchen wir auch im Innern der mittelalterlichen Kunsttöpferei-Gebilde begegnen. Es ist kaum denkbar, dass man derartige Gefässe anders, als mit Zuhülfenahme einer Form gedreht hat. Auch sind die Bodenplatten sehr sorgfältig abgedreht. Diese Gefässform, besonders auch den Schrägrand finden wir, wenn auch nicht so durchgebildet, bereits bei den leicht gebrannten vorrömischen Gefässen der La Tène-Periode; ebenso trifft man ihre Ornamentation, soweit sie auch Gurtbändenr von Zickzack-Reihen, wie Taf. X, Figur 9a zeigt, bereits auf Gefässen dieser Zeit an. Es sind die Zickzacklinien aus feinen kurzeln Stricheln zusammen gesetzt. Gleichzeitig treten Gurtbänder der Verzierung Taf. X, Fig. 8a auf. Alle sind vor dem Brande leicht, aber scharf eingedrückt. Auch finden sich Gurtbänder aus langen feinen oder breiteren kurzen, keilförmigen Grübchen zusammengesetzt, wie Taf X, 4b und 5c zeigen. Gurtbänder aus einer Reihe, in regelmäßigen Abständen verteilten, horizontalen Furchen kommen ebenfalls vor, ebenso Gruppen von langen, senkrechten oder schrägkreuzartig verteilten eingeritzten Linien.
Einige Gurtbänder hat man so hergestellt, dass sie rauh und etwas heller im Vergleich zu ihrer glatten, dunklen Umgebung hervortreten. Eine weitere Verzierung sind halbrund hervortretende Gurtringe, besonders bei den gelb- oder mehr oder weniger rotbraunen, spiegelglatten Gefässen dieser Form. Daneben findet man Verzierungen aus Gurtbändern scharf eingedrückter keilförmiger Grübchen, wie Taf. X, 4a, vorführt. Die ersten hartgebackenen Gefässe dieser Art fand ich mit Münzen von Augustus. Sie werden ebenso mit Münzen von Tiberius und Caligula angetroffen, ebenfalls die vorbeschriebenen sämtlichen Ornamentmotive. Aber Fig. 10 zeigt, welcher stilistischen Umwandlung die schlanken blauen Töpfe unterworfen wurden. ..."
Wie einige andere Projekte legte ich auch dieses nun für ein, zwei Jahre auf Eis, da andere - aktuellere - dazwischen kamen. Vergessen war es aber nicht.
Mitte 1995 stieß ich bei Recherchen zu einem ganz anderen Thema im St. Wendeler Stadtarchiv auf einen Ordner mit Schriftverkehr des ersten Redakteurs der St. Wendeler Heimatbücher, Hans-Klaus Schmitt, aus den Sechziger Jahren. Am 8. März 1966 war die Stadt von Ernst Leo Müller, einem der Söhne von Max Müller angeschrieben worden, der zu diesem Zeitpunkt in Berlin-Zehlendorf im Nieritzweg wohnte. Er fragte nach, ob man in St. Wendel noch Interesse an einer Kurzgeschichte seines Vaters Max und an einer von ihm - Ernst Leo - selbst verfaßten Kurzgeschichte habe. Die Stadtverwaltung gab das Schreiben an Hans-Klaus Schmitt weiter, der sofort einen regen Kontakt mit Ernst Leo Müller aufnahm. Im Heimatbuch 1967/68 erschienen dann auch gleich drei Artikel von Max Müller aus dessen Nachlaß ("St. Wendeler Halunken", "Fürst Ludwig und der Linxweiler Bauer", "Das Puderkätchen") sowie ein Artikel von Ernst Leo Müller, "Die Grenzgänger". Und im Heimatbuch 1969 erschien von Max Müller "Der Vetter Spies". Am 16.05.1967 verstarb Ernst Leo Müller im Alter von 73 Jahren. Schmitt hielt noch einige Zeit den Kontakt mit der Witwe Gerda Müller aufrecht, dann brach der Kontakt nach einem letzten Schreiben am 31.12.1968 ab. Ernst Leo hatte in einem seiner Briefe eine große Kiste erwähnt, die unten im Keller stünde und worin einiges vom Nachlaß Max Müllers läge.
Nun, dachte ich, irgendwo muß ja auch unser Tonteller sein. In Wadern - wo Max Müller lange Jahre Bürgermeister war - hatte ich mitterweile auch nachgefragt, war aber abschlägig beschieden worden. Ich ließ mir von der Berliner Niederlassung der Firma, für die ich 1995 arbeitete, die Telefonbuchseiten mit dem Namen "Müller" rauskopieren, suchte mir die Einträge mit "Nieritzweg" heraus, verfaßte ein entsprechendes Suchschreiben und sandte jedem Müller im Nieritzweg in Berlin einen solchen Brief zu. Das Ergebnis war trostlos, ein einziger meldete sich und teilte mir mit, daß er nichts mit Max oder Ernst Leo Müller zu tun habe.
Auch im Stadtarchiv in Trier war ich mittlerweile gewesen und hatte den Nachlaß Max Müllers eingesehen, der dort verwahrt wird.
Eine Anfrage an das Einwohnermeldeamt Berlin am 28.12.1995 über den vermutlichen Tod von Frau Müller und ggf. Namen von Angehörigen brachte nichts ein. Kinder waren wohl keine vorhanden, denn in der Sterbeanzeige von Ernst Leo Müller heißt es "... mein treuer Lebensgefährte, unser lieber Bruder und Schwager". Damit verliert sich - bis jetzt - die Spur im Dunkeln, und der Alsfasser Tonteller ist verloren.
PS: Ein Bewohner der Straße "Im Falkenbösch" hat mir wiederholt glaubhaft versichert, er habe im Garten hinter seinem Haus in der Gemarkung "Falkenbösch" Brandgräber gefunden, z.B. beim Fällen eines Baumes (Ausmachen der Wurzel) und beim Bau einer Mauer (aufeinandergeschichtete Ziegel). Er hat stets nichts davon gemeldet und auch nicht weitergegraben, sondern alles wieder abgedeckt.
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Der römischen Grabung erster Theil
Im Februar 2000 stößt mein Nachbar Roger Berens bei Gartenarbeiten in 70 cm Tiefe auf eine Estrich-Formation, die dort eigentlich nicht sein sollte. Wir beschließen daher gemeinsam, das Landeskonservatoramt zu informieren, damit jemand Kompetenteres sich die Sache mal anschaut. Vorherige Funde in unserem Haus und Garten ließen vermuten, daß wir es mit einem römischen Landhaus zu tun haben, wie man es auch im Kreis St. Wendel an vielen Orten findet (Baltersweiler, Remmesweiler, Sotzweiler etc.), aber bisher noch nicht im Bereich der Kernstadt St. Wendel, zu der Alsfassen seit 1859 zählt.
Funde aus dem Schweinestall
Irgendwann in den Achziger Jahren des 20. Jahrhunderts:
Siegfried Hoffmann, der vorherige Eigentümer unseres Hauses in der Alsfassener Straße 17, hebt den Boden des ehemaligen Schweinestalles etwa 50 cm tief aus und findet etliche Ziegelscherben und Verputzgrundstücke. Diese wandern in zwei hinterm Haus angelegte Hügelgärten sowie in einen großen Schutthaufen unterhalb des Balkones. Beim Ausheben eines Loches unterhalb des Hauses für einen künstlichen Teich stößt er auf behauene Sandsteine und vermutet abgeladenen Bauschutt.
Anfang Juli 1999:
Im Juli 1999 steht ein größeres Projekt an:
Die Ziegel auf dem Dach unserer Scheune sind ... schlicht gesagt: müde und mürbe; auch das Gebälk ist nicht mehr das allerbeste. Und wir haben Angst, daß es den nächsten Sturm nicht mehr übersteht, geschweige denn den nächsten Winter überhaupt noch erlebt. Also muß ein neues Dach drauf. Allerdings läuft die bisherige Hauptpette auf der Hausseite direkt in den Kamin hinein - eine wirklich abenteuerliche Konstruktion. Also müssen wir dort einen Sims einbauen, auf dem eine Holzkonstruktion das Ende der Pette stützt. Beim Ausheben eines Loches für das Fundament des Simses kommen Ziegelfragmente zum Vorschein. Joachim Güth aus Saarbrücken, der eine alte Holztreppe abholt, um sie in Frankreich in sein Haus einzubauen, fragt mich, wo ich die römischen Ziegel her habe. Das Landeskonservatoramt in Saarbrücken wird informiert. Er erkennt die gefundenen Stücke definitiv als Fragmente römischer Ziegel.
5. Februar 2000, Samstag
Als ich im Garten vor dem Haus nahe der der Mauer unseres alten Schuppens einen Strauch mit starken Wurzelwerk ausmache, stoße ich in 30 bis 60 cm Tiefe auf teilweise fast vollständige erhaltene Flach- und Hohlziegel, die in einer etwa 30 cm dicken Schicht zusammenliegen.
In seiner Fundmeldung vom 07.07.1999 vermerkt ein Mitarbeiter des Landeskonservatoramtes in Saarbrücken, daß "es sich um eine nach Nordosten schwach geneigte Siedlungsterrasse über dem steileren Abfall zur Bliesaue handelt. Beim Verlegen von Versorgungsleitungen in der alten Scheune des Anwesens kamen direkt unter dem modernen Betonboden römische Hohl- und Leistenziegel zum Vorschein, wobei in dem schmalen und nur ca. 50 cm tiefen Graben keine Schichtung erkennbar ist, die eine Deutung des Befundes ermöglichen würde. Herr Geiger kann sich vorstellen, daß die Ziegelstücke auch als Packlager unter den modernen Boden gebracht worden sind. Allerdings liegen römische Ziegelfragmente auch in zusammengetragenen Erdhaufen im Garten, wobei es sich um den Aushub für die Pfeiler eines Balkons schätzungsweise aus den 1950er Jahren handeln könnte. Die große Anzahl der Fundstücke spricht eher gegen einen von anderer Stelle nach hier verbrachten Fund und somit dafür, daß genau an dieser Stelle eine römische Siedlung bestanden hat. Wenige hundert Meter südwestlich liegt das Alsfassener Schulhaus, an dem in früheren Jahren ein Grab gefunden worden sein soll."
Bleibt zu bemerken, daß es sich bei dem Boden unserer Scheune um Sandsteinplatten handelt, nicht Beton. Bei dem genannten Grab handelt es sich um ein Brandgrab, daß in Max Müllers "Urgeschichte des Westrichs" genannt wird.
18. Februar 2000, Freitag
Roger hebt mitten in seinem Garten ein tiefes Loch aus und stößt in etwa 80 cm Tiefe auf Estrich.
19. Februar 2000, Samstag
Roger reißt die Abgrenzungsmauer zwischen Garten und Hof ein und die vier Tuja-Stöcke, die dahinter stehen, heraus. Darunter kommen eine schräg auf die ehemalige Gartenmauer zulaufende Mauer zum Vorschein, auf beiden Seiten Estrich. Die nördliche Estrichschicht liegt etwa 20 cm tiefer als die südliche und erstreckt sich augenscheinlich unter der Grenze zu unserem Garten hindurch in diesen hinein. Die Mauer selbst verläuft in etwa Ost-West-Richtung (kleine Abweichung nach Süden-Osten) und zieht unter dem Zaun zwischen beiden Gärten durch in Richtung unseres Schuppens.
Rogers zweites Loch:
in der Mitte der Ansatz einer römischen Mauer, gestört durch die moderne Mauer, die den Rand des Gartens bildet. Oben rechts ein in diese Mauer eingebauter alter Futtertrog aus Sandstein.
Die Aufzeichnungen des Konservatoramtes sind wesentlich vorsichtiger als meine Aufzeichnungen. Sie nennen u.a. auch die Gründe für das weitere Vorgehen bzw., warum uns als Laien die Erlaubnis gegeben wird, ohne unmittelbare fachliche Aufsicht weiterzugraben.
Roger will die Mauer zwischen Auffahrt und Garten erneuern, wozu im Gartenbereich das Fundament der Mauer freigelegt werden muß. Er wird den Graben von Haus ausheben und auch das Profil an der Mauer beobachten.
8. Kalenderwoche (KW):
Roger hebt in der Gartenmitte ein Loch aus, wo er auf ein T-Stück stößt (dort trifft eine Mauer auf eine quer verlaufende). Südlich davon liegt dichtes Packlager. Das nach Norden weggehende T zielt auf unseren Garten, nicht weit von der Stelle, wo ich am 05.02. die Ziegelschicht fand.
26. Februar 2000, Samstag
Während Roger südlich des ersten Loches parallel zur Gartenmauer nachgräbt und von oben auf eine Quermauer stößt, grabe ich etwas oberhalb der Stelle, wo die Ost-West-Mauer vom 5.2. auf die Nord-Süd-Mauer aus der 8. KW stoßen müßte (genau an der Stelle steht ein alter Nußbaum, der möglichst nicht beschädigt werden soll). In etwa 30 cm Tiefe stoße ich auf eine Quermauer (N-S), die aber etwa einen Meter vorm Gartenzaun gewollt endet. Östlich davon befindet sich leicht abfallender Estrich, der sich nach Süden und Westen fortsetzt, westlich nur Sandsteine.
Spätestens an dieser Stelle merkt der geneigte Leser, daß er es hier nicht mit Fachleuten zu tun hat, die zu dem von der Notwendigkeit der Einteilung des Grabungsgebietes in Planquadrate davor noch nie etwas gehört hatten. Deshalb werden wir uns auch weiterhin mit Nord-Südrichtungen und sonstigen Hilfsmitteln herumschlagen müssen.
29. Februar 2000, Dienstag
Roger Berens hat am oberen (westlichen) Ende seines Gartens etwa 1 m vom Zaun zum Nachbargrundstück (Familie Lauer) entfernt ein Loch gegraben und ist erwartungsgemäß auf ein T-Stück einer Mauer gestoßen. Dahinter stößt er auf quadratische Ziegelsteine, wie sie aus Hypokausten bekannt sind. Sie sind etwa 20 mal 20 mal 5 cm³ stark. Sie liegen z.T. aufeinander oder nebeneinander. Daneben liegen relativ dünne Ziegel mit rechtwinklig abgehenden Querflächen. Sie sind unterschiedlich groß und alle zerbrochen. Es handelt sich um die Wandziegel eines Hypokaustums, durch deren Hohlräume die heiße Luft hindurchzieht. Auf einer Seite finden sich Linien wie von Kämmen, die der besseren Haftung von Putz auf den Ziegeln dienten.
Handgezeichneter Plan der Ergebnisse der ersten Grabung (sorry, Zeichnen war nie meine Stärke - und sonst war niemand da)
1. März 2000, Mittwoch
Roger hebt das Loch weiter aus und findet einen intakten Flachziegel, der unten senkrecht im Loch an einer Mauer steht. Der Boden des Loches besteht wieder aus Estrich. Als er sich vorsichtig nach Süden vorantastet, stößt er auf einen zweiten Ziegelstapel. Dieser wird vorerst dort belassen.
2. März 2000, Donnerstag
Ich vergrößere das Loch in meinem Garten Richtung Norden entlang der Mauer um einen halben Meter, und die Mauer setzt sich fort.
3. März 2000, Freitag:
Herr S. besucht das Gelände. Es ist geplant, Ende April das Gelände aufzumessen, abzuzeichnen und zu photographieren.
6. März 2000, Montag:
Roger legt das obere Loch bis zur Grundstücksgrenze frei, stößt aber nicht mehr auf weitere Pfeiler. Der Estrich setzt sich weiter fort. Als ich nachmittags dazustoße, legen wir zusammen mit Ronnie Berens das Loch Richtung Süden etwa einen halben Meter frei. In der Wand rechts des fest stehenden Pfeilers finden sich zwei zerbrochene Platten (ca. 5 cm dick), vermutlich die Platten, die auf den Pfeilern lagen und den Fußboden-Estrich trugen. Als es dunkel wird und wir die Grabung für heute einstellen, sind bis bis etwa 20 cm südlich des Pfeilers gelangt. Im Erdreich, etwa 40 cm unter der Erdoberfläche, finde ich einen etwa 45 cm langen Knochen, der unter Ziegelstücken begraben liegt.
7. März 2000, Dienstag
Siglinde ruft mich aufgeregt auf der Arbeit an, sie hätten einen Leichenfund gemacht. Als ich um 16.30 Uhr nachhause komme, ist das Loch etwa 2x1 m größer geworden. Hinter dem o.a. Pfeiler (Abstand ca. 30 cm) befindet sich ein weiterer Pfeiler, bestehend aus ca. 30 cm langen, übereinandergeschichteten Ziegelplatten. Während der einzelne Pfeiler etwa 10 cm von der Mauer entfernt steht, stößt der Ziegelplatten-Pfeiler (ZPP) gegen die Mauer. Dahinter und westlich des ZPP findet sich "nur" Schutt. Und weitere Knochen. Sie liegen noch zehn Zentimeter tiefer, und man kann weitere erkennen, die in den Boden unter dem Lauer-Grundstück hineinragen. Wir vereinbaren, am Mittwoch einen Arzt zu befragen, ob die Knochen zu einem Tier oder einem Menschen gehören. Außerdem werden hier Gefäßscherben sowie ein Metallnagel gefunden.
Hinter dem ZPP erfährt die direkt östlich gelegene Mauer von oben einen Einschnitt, d.h. es fehlen etwa zehn cm Höhe. Das sieht aus wie eine Art Rinne. Der Boden des Einschnitts ist etwa 30 cm tief und etwa 50 cm breit. Er besteht aus flachen Ziegelstücken, die auf Mörtel sitzen. Als wir die Oberfläche säubern, stellen wir fest, daß dieser Teil der Mauer komplett aus flachen Ziegelsteinen gemauert ist.
Dahinter (östlich des Hypokaustums) öffnet sich ein etwa 1x1 m² großer Raum, der so tief hinabreicht wie der Estrich des Hypokaustums. Er ist gefüllt mit größeren Ziegelstücken. Hier finden wir außerdem handtellergroße Gefäßscherben sowie einen etwa 3 cm starken gebogenen Griff (eines Gefäßes?) aus glasiertem Ton. Roger findet später noch weitere Scherben sowie zwei Exemplare einer Art Scharnier, sehr stark korrodiert.
8. März 2000, Mittwoch
Etwa eine Schaufelbreite südlich des ZPPs findet sich ein zweiter ZPP. Es handelt sich um den Ausgang eines Tunnels, der von dem zuletzt freigelegten Raum östlich des Hypokaustums in das Hypokaustum hineinführt. Der Tunnel ist ca. 50 cm hoch, ca. 30 cm breit und ca. 70 cm lang. Er ist vollständig aus Ziegelplatten gemauert. In seinem Innern befindet sich normale Erde, vermischt mit Ziegelfragmenten unterschiedlicher Größe. Vor seinem Ostende findet sich ein Fragment eines Tierunterkiefers.
Das Wetter verschlechtert sich; es wird zwar wärmer, beginnt aber zu regnen. Wenn der Regen stärker wird, besteht die Gefahr, daß der westliche Rand des Hypokausten-Raumes herunterbricht. Logistische Probleme entstehen dadurch, daß wir das ausgehobene Erdreich, das später wieder - gesiebt - in die Gruben soll, nirgends mehr unterbekommen. Es ist kein Platz da.
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9. März 2000, Donnerstag
Abends zeigt Siglinde die Knochen einem ortsansässigen Orthopäden, der feststellt, daß es sich um zwei Unterschenkelknochen sowie ein Kniegelenk handelt. Er kann sie zwar nicht datieren, meint aber aufgrund der Struktur, daß sie "noch nicht so alt seien".
11. März 2000, Samstag
Roger räumt die Humus-Oberfläche östlich des Hypokaustumraumes bis in etwa 30 cm Tiefe ab. Am Nordende des Hypokaustenraumes öffnet er den Estrichfußboden und stellt seine Dicke mit 5 Zentimetern fest. Nördlich der Mauer des Hypokaustenraumes öffnet er den Packlagerfußboden, stellt aber nur Packlager fest und schließt das Loch wieder.
12. März 2000, Sonntag
Morgens vermesse ich die bisher freigelegten Flächen auf Berens- und Geiger-Anwesen grob per Hand. Roger legt mittags die Fläche zwischen der Nordmauer des Hypokaustenraumes und unserer Schopp-Mauer frei. In etwa 80 cm Tiefe, gemessen an der Isolierung über dem Betonsockel des Schopps, führt eine Estrichschicht unter dem Sockel hindurch in unseren Hof hinein. Der Sockel selbst ist weniger als 50 cm tief.
Öffentliche Reaktionen:
Durch Mundpropaganda geht die Kunde langsam, aber sicher durch Alsfassen und in die Stadt, daß bei uns im Garten eine römische Villa liegt. Immer wieder kommen Leute vorbei, um sich die Grabungsergebnisse anzuschauen. Angebote zur Mithilfe gibt es wenig, nur ab und zu.
13. März 2000, Montag
Ich telefoniere morgens mit Herrn S.. Er wird Rücksprache mit seinem Chef, Herrn R., halten, ob uns ein Fachmann während der Weitergrabung unterstützt. Hier spielt der Zeitfaktor eine nicht unwesentliche Rolle.
Weiterhin schreibe ich einen Brief an Herrn Dr. B., Pathologe an der Uni-Klinik in Homburg, der von der Kripo in Saarbrücken bei Leichenfunden als Sachverständiger und Pathologe engagiert wird.
14. März 2000, Dienstag
12.00 Uhr:
Herr S. besichtigt mittags die Ausgrabungen. Er teilt uns mit, daß sein Amt versucht, für 20 Arbeitsstunden einen Archäologen zu engagieren, bisher aber kein solcher gefunden wurde. Er stimmt zu, daß wir die Polizei bezüglich der Knochen informieren. Auch Dr. B zu informieren, findet er eine gute Idee. Denn die restlichen Knochen sollten von einem Fachmann ausgegraben werden.
Wir spekulieren darüber, wie der Tote dort hingekommen sein kann. Es spricht einiges dafür, daß er nicht aus der römischen Zeit und nicht aus der Zeit der Zerstörung des Gebäudes stammt. Im Profil der Wand zum Lauer-Grundstück kann man deutlich zwei Bodenschichten sehen. Eine ältere unten und eine jüngere darüber. In dieser jüngeren Schicht liegen viele Scherben und auch die restlichen Knochen. Sie sind abgedeckt mit Sandsteinblöcken. Es sieht aus, als habe man dort einen Graben ausgehoben und wieder verfüllt, mit dem Toten mittendrin.
13.15 Uhr: Vom Büro aus informiere ich die Polizei in St. Wendel. Und das ging ungefähr so: "Notruf St. Wendel. ...?" "Ja, guten Tag, hier ist Roland Geiger aus St. Wendel. Ich wollte Sie nur darüber informieren, daß wir in unserem Garten menschliche Knochen gefunden haben. ... Äh, hallo?" "Wir schicken sofort jemanden raus." "Ach, das ist nicht nötig, die Knochen liegen in den Trümmern einer römischen Villa, die liegen schon tausend Jahre dort! Können Sie nicht heut abend um 17 Uhr kommen!" "Nein, bei so einer Meldung schicken wir sofort jemanden raus!" Ich lege auf und informiere Siglinde: "Du, bei dich kommt gleich die Polizei!" Vorstellbar, daß sie das tierisch erfreut. Nach etwa einer Stunde ruft Siglinde zurück und sagt, die Polizisten wären dagewesen und hätten sich die Knochen im Eimer sowie den Fundort angeschaut. Und da sie die Todesursache nicht ermitteln konnten, hätten sie das Landeskriminalamt (LKA) in Saarbrücken informiert, von dort käme jemand vorbei. Um halb drei ruft sie erneut an und sagt: "Roland, komm mal schnell, bei mir sitzt jemand von der Kripo im Wohnzimmer!" Jetzt ist an Arbeit nicht mehr zu denken. Ich nehme frei und fahre nachhause. Dort treffe ich Herrn Seibert vom LKA Saarbrücken an. Der wohnt bei St. Wendel und war gerade auf dem Weg zur Arbeit, als ihm in Ottweiler der Anruf erreichte. Hat wahrscheinlich in Ottweiler auf der Kreuzung eine 360-Grad-Wendung durchgeführt. Wie im Krimi. Wir händigen ihm die Knochen aus und zeigen ihm die Fundstelle. Kurz darauf kommt ein Herr von der Polizeibildstelle und noch zwei Beamte mit Absperrband und Sofortbildkamera. Es werden Photos gemacht und das Hypokaustum mit Polizei-Trassierband abgesperrt. Tatort!
Morgen 13.00 Uhr wird es einen Ortstermin geben..
Abends informiere ich den Ortsvorsteher, Hans Kolling.
15. März 2000, Mittwoch
morgens: ich informiere den Landrat über den Ortstermin.
mittags, 13.00 Uhr Ortstermin:
Anwesend:
Roger Berens, Alsfassen
Siglinde Berens, Alsfassen
Dr. Buhmann, Phatologie Uni Homburg
Alban Braun, Winterbach
Roland Geiger, Alsfassen
Rita John, Alsfassen
H. Kirsch, Marpingen
Dr. Reinhard, Landeskonservatoramt
Herr Schönwald, Landeskonservatoramt
H. Seibert, LKA Saarbrücken
H. Rupp, Stadtbauamt St. Wendel
Carmen Weiler, Türkismühle
Dr. Buhmann schaut sich die Knochen an und bestimmt, was Mensch und was Tier ist. Wir haben zwei Schienbeine und zwei halbe Oberschenkelknochen sowie Teile der Kniegelenke und einen Großzehknochen. Dr. Buhmann bestätigt Herrn Seibert, daß sie auf jeden Fall älter sind als 30 Jahre. Damit ist für das LKA die Angelegenheit erledigt.
H. R. beauftragt uns, die Mauern richtig freizulegen und an den Abraumwänden Profile anzulegen, also senkrechte, gerade Schnitte, damit die Fundstelle vermessen werden kann. Über die Datierung der Knochen äußert er sich nicht, im Prinzip auch nicht über die Freilegung der Knochen, die noch im Erdreich stecken. Geplant ist, einen Archäologen anzuheuern, der die Vermessung und Aufnahme durchführen solle.
Herr Rupp vom Stadtbauamt fragt Herrn S. offiziell, ob das Gelände damit als denkmalgeschützt zu betrachten sei, was dieser bestätigt.
Carmen Weiler fertigt Photos und Videoaufnahmen der Fundstelle an, von denen wir Kopien erhalten.
Nachmittags durchkämmen Siglinde, Roger und ich das obere Hügelbeet hinter unserem Haus, wo Sigfrid Hoffmann noch weitere Fundstücke vermutet hat. Wir finden allerdings nur ein paar Ziegelscherben und viele, viele Backsteine. Ein schönes Ziegelstein-Fragment mit Rillen wird geborgen.
17. März 2000, Freitag
Ich habe für mittags einen Container bestellt, um den Haufen hinterm Haus (das sogenannte obere Hügelbeet) wegzuräumen. Roger, Siglinde, Ramon und Anne helfen dabei. Leider besteht der Haufen fast nur aus ganzen und halben, halbwegs modernen Backsteinen. Wir finden einen etwa backstein-großen Rillenstein und ein paar Ziegelscherben.
In einem Brief vom 17.03.2000 teilt das Konservatoramt Roger Berens mit, daß die Grabungsleitung von einem Sachverständigen übernommen werden soll, den das Staatliche Konserveratoramt benennt; es trägt für diese Maßnahme auch die Kosten. Außerdem wird darum gebeten, in den Vorbereitungen so fortfahren, wie es in dem Gespräch mit Herrn Dr. R. festgelegt worden ist
18. März 2000, Samstag
Die Arbeit wird am Samstagmorgen fortgesetzt durch meine Frau Anne, meinen Bruder Achim Geiger, meinen Vater Horst Geiger und mich. Das geht gut in die Knochen. Zwei Scherben mit Kreisen auf der Rückseite erweisen sich nach dem Reinigen als Bruchstücke einer Bodenfliese der Fa. Edmund Cetto von der Göckelmühle bei St. Wendel (spätes 19. Jahrhundert).
Hans Blinn aus St. Wendel nimmt die Fundstelle auf Video auf.
Karl-Heinz Joswig vom Tourismus-Büro der Stadt schaut sich die Fundstelle an. Er hat die Idee, gefundenen Koks per C-14 untersuchen zu lassen.
19. März 2000, Sonntag
Roger entfernt den Estrich nördlich des Hypokaustums und gräbt in die Tiefe, findet aber nichts.
20. März 2000, Montag
Ich grabe im Loch auf meiner Seite entlang der Mauer in Richtung unseres Hauses weiter. Die Mauer ist in schlechtem Zustand, immer wieder fehlen Teile davon. Das ausgehobene Erdreich wird hinter unser Haus gekarrt und dort gesiebt.
Roger hat das Erdreich nördlich des Hypokaustums bis auf den Naturuntergrund ausgehoben.
21. März 2000, Dienstag
Das Loch auf meiner Seite Richtung Haus wird um einen Meter erweitert. Die Mauer ist nicht sehr stark, höchstens 40 cm. Es finden sich extrem viele Ziegelscherben, zum Teil unmittelbar übereinanderliegend. Sie sind meistens stark verwittert, wohl auch durch Bodenfrost. Zwei Bruchstücke sind tegula, also Wandstücke aus dem Hypocaustum. Außerdem finde ich ein handtellergroßes Stück Putz (gelblich-weiß) sowie ein kleineres Stück mit roter Farbe. Der Abraum wird von Siglinde hinter unserem Haus gesiebt, aber außer Ziegelstückchen findet sich nichts.
Roger muß eine Zwangspause einlegen, er hat sich einen Wirbel ausgerenkt.
Das Wetter spielt sehr gut mit, so daß man bis abends viertel vor sieben arbeiten kann. Dann wird es schlagartig dunkel.
22. März 2000, Mittwoch
Nördlich des Nußstrauches stoße ich in meinem Loch nach Osten vor, etwa einen halben Meter, wobei es mir nicht gelingt, die vermutete Quermauer zu finden, die vom Berens-Grundstück herüberkommen muß.
Abends ruft Landrat Schumann an, er möchte sich über das Projekt informieren. Ich lade ihn für Donnerstag zu einem Kurzbesuch ein.
Noch später abends spreche ich mit Siggi Hofmann in der Felsenmühle. Er meint, auf dem Grund der ehemaligen Mistgrube auf unserem Grundstück (liegt vor der Mauer an der Grenze zu Donie) habe er ebenfalls Platten gefunden.
23. März 2000, Donnerstag
Der Landrat kommt um viertel nach zwölf für ein paar Minuten vorbei und schaut sich die Grabungsstelle an. Er wirkt sehr interessiert.
Roger legt weiter das Gebiet nördlich des Hypokaustums frei, etwa 2 m unterhalb der Grenze zu Lauer. In etwa 20 cm Tiefe stößt er auf eine Lage Ziegel, die dort fast eben liegen. Es sieht aus wie ein gelegter Fußboden oder abgestürzte Ziegel, die fast völlig plan liegen, Größe etwa 1 m². Westlich daran anschließend legt er eine weitere quer auf mein Grundstück laufende Mauer frei.
24. März 2000, Freitag
Gegen viertel vor elf kommt Herr S. mit dem Archäologen vorbei, der für unsere Grabung eingesetzt werden soll. Er heißt Jung und wohnt in Saarbrücken. Er wird am 17. April mit seiner Arbeit beginnen. Bis dahin sollten wir die Mauern und zu vermessenden Teile möglichst freigelegt haben.
Seit heute morgen regnet es - fast pünktlich wie vorhergesagt. Nachmittags beginne ich damit, die Verbindung zwischen meinem Loch und der neuen Berens'chen Quermauer freizulegen. Ziemlich genau auf der Grenze stoße ich etwa 50 cm oberhalb des Buchsbaumes auf eine weitere Ost-West-Mauer (Ost-West2), die allerdings relativ schmal ist. Die Berens-Quermauer stößt auf Ost-West2 und endet dort. Die Lücke zwischen Ost-West2 und meiner Quermauer ist etwa 1 m stark.
Roger legt weiter das Gebiet südlich und westlich des Plattenvierecks frei. S. hat gemeint, es sehe wie eine Kochstelle aus; die Ziegel, die dort liegen, sind von großer Hitze schwarz verbrannt und gesprungen. Roger ist der Meinung, das Areal sei bereits durchsucht worden, weil er außer Ziegeltrümmern nichts findet. Ziegelsteine mit Haftrillen finden sich als Bruchstücke mal hier und mal da, aber nie zusammenhängend. Wir sind hier etwa 30 cm unter der Normaloberfläche.
Im Winkel südlich Ost-West2 und östlich der Quermauer geht Roger etwa einen halben Meter in die Tiefe, ohne allerdings dort auf Estrich zu stoßen, bis er auf den Originalboden stößt. Dort findet er einige Scherben sowie eine beinerne Haarnadel. Sie ist etwa 5 cm lang und 1 mm dick. An einem Ende befindet sich eine kleine Kugel von etwa 5 mm Dicke. Die Farbe ist ockergelb.
Am Freitagnachmittag besuche ich die Redaktion der Saarbrücker Zeitung und rede mit einem der Redakteure. Ich informiere sie über die Grabung, bitte aber gleichzeitig, mit einem Artikel bis in die Woche nach Ostern zu warten, wenn der Archäologe zugange ist. Dieser Bitte wird bereitwillig entsprochen.
25. März 2000, Samstag
Morgens um halb elf geht es weiter. Ich vergrößere die Öffnung über Ost-West2 nach Westen und Osten. Östlich stoße ich auf eine gemauerte Ziegelsteinschicht, etwa drei Lagen, die auf der Nordseite schräg von der Mauer weg zieht. Der Estrich, der sich in meinem gesamten Grabungsloch erstreckt, nach Osten hin leicht abfallend, ist in der Lücke zwischen Ost-West2 und "unserer" Quermauer nicht vorhanden, allerdings oberhalb der Lücke fängt er wieder an. Der Rand ist keine gerade Linie, sondern stark ausgefranst.
Ich ändere nun die Richtung und stoße entlang der Ostseite der Quermauer auf meinem Grundstück nach Norden vor, immer in etwa 50 cm Abstand von der Quermauer. Überall liegt Estrich. Die Wand der Mauer zeigt Verputzspuren, weiß und rot; meistens ist er abgeplatzt und liegt in winzigen Stückchen im Erdreich. Überall liegen kleine Ziegelstücke.
Kurz nach Mittag kommt Herr Honnigford vom Saarländischen Rundfunkt. Er ist von unserer Arbeit fasziniert und will sich einen Überblick verschaffen, ehe er mit einem Kamerateam vorbeikommt. Auch er wird für die Woche nach Ostern eingeladen.
26. März 2000, Sonntag
Heute morgen wurde die Uhr auf Sommerzeit umgestellt, d.h. es bleibt abends länger hell.
Roger fährt fort, das Geviert zwischen Ost-West2, Quermauer und Hypokaustum freizulegen. Dabei geht er sehr behutsam vor, kratzt die Erde mit einer feinen Spachtel weg und siebt alles durch. Klar, daß diese Arbeit nur sehr langsam vonstatten geht.
27. März 2000, Montag
Roger hat seine Quermauer freigelegt. Nach etwa 2 m kommt dort eine Unterbrechung, etwa 50 cm dick, vielleicht eine Tür. Im Gegensatz zur Öffnung auf unserer Seite ist sie mit Estrich ausgelegt, der Rand zur jetzigen Mauerhöhe beträgt etwa 10 cm.
Nach etwa vier Metern stoße ich nördlich Ost-West2, die ja auf der Grundstücksgrenze liegt, auf eine weitere Ost-West-Mauer (Ost-West3), die mitten durch unseren Garten geht. Sie geht rechwinklig nach Osten von der Quermauer ab. Im südlichen und östlichen Innenbereich haben sich etwa 30 cm lange und 20 cm hohe Platten Verputz erhalten, die sofort photographiert werden. Der östliche Putz ist weiß, der südliche rot. Ost-West3 scheint wiederum 60 cm stark zu sein.
28. März 2000, Dienstag
Roger legt seine Estrichfläche weiter frei. In der Ost-West1 (das ist die Ost-West-Mauer, die südlich der Ost-West 2, aber nördlich des Hypokaustum-Raumes längs durch die Grabungsstelle läuft) fehlen zwei Steine; der daraus entstehende "Boden" ist mit Ziegelplatten belegt.
Ein durchschnittener Estrichbrocken.
Einsetzender Regen erschwert die Arbeiten.
30. März 2000, Donnerstag
Roger beginnt damit, das ausgehobene Erdreich aus dem Hypokaustum- und Befeuerungsraum, das er entlang seines Schopps gelagert hat, wegzukarren, um das Befeuerungsloch nach Süden vergrößern zu können.
Carmen Weiler und ich graben nördlich der Ost-West3, um festzustellen, ob sich darunter Estrich befindet. Das ist nicht der Fall. Aber dort liegen viele Ziegelstücke, auch tubuli-Splitter.
Es regnet immer noch.
31. März 2000, Freitag, bis 04.04.2000, Dienstag
Roger baut über dem Hypokaustum und dem praefurnium (Vorofen) eine Art Satteldach, nach Osten mit Schaltafeln, nach Westen mit einer dicken Klarsichtfolie. Es wird eine schwere Konstruktion aus Metallrohren und Holzbalken.
Carmen und ich graben entlang der Ost-West3, um ihren Verlauf festzustellen. Nach Osten hin hört sie nach etwa 50 cm bereits wieder auf. Hier finde ich große Stücke weißen und roten Wandputz auf der Südseite. Ich grabe in Richtung Osten weiter, um auf die Anschlußmauer zu stoßen. Dabei müssen einige von Annes Blumen, z.B. die Osterglocken und die beiden "fünfzig Jahre alten" Rosenstöcke weggeräumt werden (Anne gefällt das gar nicht; auch nicht, obwohl Werner Schmitt ihr die "Notwendigkeit" erläutert und selber vorsichtig die Pflanzen ausgräbt und wieder woanders einsetzt). Darunter liegen dicht an dicht stark verwitterte Sandsteine, die bei der kleinsten Berührung in Stücke gehen, tubuli- und Ziegelsplitter und -stücke, kleine Knochen, zusammengebackener Ziegelsplitt, ein paar stark verrostete Nägel oder Krampen. Schließlich gebe ich die eingeschlagene Richtung auf und wende mich nach Ost-Süd-Ost, dem vermutlichen Verlauf der Mauer folgend.
Ramon Berens, der jüngste der Nachbarsöhne, hält den "Betrieb" auf, weil er auf einem Regenwurm-Rettungs-Trip ist. "Die sind gut für den Garten".
Statt wie bisher den Aushub hinterm Haus zu benutzen, um die Unebenheiten des Bodens ein bißchen auszugleichen, richte ich in einer Ecke einen Abladeplatz her, aber der ist nach ein paar Schubkarrenladungen auch schon voll.
Carmen kämpft sich nach Westen bis zur Ecke Ost-West3 und Quermauer durch. Hier liegen die - vermutlich heruntergefallenen - Sandsteine besonders dicht. Dicke Ziegelplatten, Knochen und tubuli-Reste finden sich hier.
Jemand hat die Idee, die Ziegelstücken, die wir nicht benötigen (wir haben jede Menge davon und finden immer mehr), auf dem Stadtfest Ende Mai zu verkaufen, um die Datierung zu finanzieren (mit "Zertifikat"). Gleichzeitig könnten wir den römischen Gewürzwein aus Junkelmann's Buch anbieten. Als ich auf der Stadt deswegen anrufe, erhalte ich eine Absage, weil wir einfach zu spät dran sind. Ggf. können wir das auf dem Flohmarkt im Mai und Juni durchführen.
5. April 2000, Mittwoch
Am Mittwochmorgen telefoniere ich mit H. S. und H. R.. S. sagt mir, daß die Maßnahme von Herrn Jung das Freilagen des Skelettes nicht umfaßt, sondern "nur" die Aufnahme des bereits freigelegten Geländes. R. gibt mir eine Anschrift in Kiel, um die Konditionen und Kosten der Datierung zu erfragen.
Roger beendet sein Dach; es ist vorn mit Brettern zugeschlagen und Folie abgedeckt, hinten (nach Westen) mit Folie bedeckt, so daß genug Licht durchfällt.
Aufgrund des bescheidenen Wetters - es regnet fast permanent - baue ich zusammen mit Siglinde und Carmen Werner Schmitt's Baldachin auf und stelle ihn über unser Loch. Wenigstens werden wir jetzt nicht naß. Die von mir eingeschlagene Richtung erweist sich ebenfalls als falsch, und ich finde nur Trümmer, nicht mal mehr Estrich. Also setze ich eine provisorische Verschalung in die Mitte des Loches, und wir füllen dahinter mit gesiebtem Erdreich und Sandsteinbrocken auf.
6. April 2000, Donnerstag
Morgens ruft Sabine Janowitz vom Saarländischen Rundfunkt an und kündigt ihren Besuch für Montagmittag an. Gedreht werden soll am Dienstagnachmittag.
Roger beginnt, das praefurnium zu erweitern. Dabei findet er große Bruchstücke an Flach- und Rundziegeln.
Unser Baldachin ist "fortgeflogen" und liegt in Trümmern in der Grube. Also wird er wieder abgebaut. Das Wetter hat wieder gewechselt, es herrscht blauer Himmel, aber es ist saukalt. Ich grabe Richtung Osten weiter und versuche, mich am Estrich zu orientieren.
7. April 2000, Freitag
Roger arbeitet am praefurnium weiter und erweitert dieses nach Süden. Es kommen viele große Ziegelbruchstücke zum Vorschein.
Siglinde beginnt mit den Kindern mit der Säuberung der Maueroberflächen.
Carmen und ich arbeiten an der Westecke der Ost-West3, wo mehrere große Ziegelstücke liegen.
8. April 2000, Samstag
Roger setzt seine Arbeiten am praefurnium fort, während Siglinde mit Anne an den Mauernoberflächen weiterarbeitet. Sieht super aus.
Ich lege mit Carmen an der Westecke der Ost-West3 einen fast vollständigen Ziegel frei, der allerdings zerbrochen ist.
Abends probieren wir den römischen Würzwein conditio paradoxum, was so viel wie "gegensätzliches Würzen" bedeutet. Schmeckt sehr gut, haut aber auch tierisch zu.
von links nach rechts:
Anne Geiger, Siglinde Berens, Roland Geiger, Werner Schmitt, Jean-Robert Berens, Roger Berens, Ramon Berens
Hier ist das Rezept:
Würzwein (conditum paradoxum)
2 Liter trockener Weißwein, nach Möglichkeit griechischer mit zugesetztem Harz
500 g Honig
30 g grob gestoßener schwarzer Pfeffer
10 Lorbeerblätter
10 g Safran
5 in Wein eingeweichte Datteln
½ l Wein und den Honig in einem großen Topf vermischen und aufkochen lassen, abschäumen, Pfeffer, Lorbeer, Safran und die entkernten Datteln zugeben, vom Feuer nehmen, den restlichen Wein zugießen und kühl stellen
9. April 2000, Sonntag
Familie Berens arbeitet weiter am praefurnium und den Oberflächen.
10. April 2000, Montag
Dr. Erlenkeuser vom Leibniz-Labor aus Kiel hat sich per email gemeldet und über das Datierungsverfahren informiert:
"Bei der Datierung wird das zu datierende Material zerstört (fein zermahlen), um das Kollagen (organisches Bindegewebe) festzustellen. Deshalb müssen wir darauf achten, was wir dorthin schicken; denn das Material ist danach verloren. Bei beiden Verfahren dauert die Bestimmung etwa 2-3 Monate mit einer Arbeitszeit von etwa 10 Tagen.
2 Arten der Datierung:
1.) konventionelle C-14 braucht ca. 150 g Material und wird mit dem Zählrohr gemessen.
pro Probe DM 300 + Mehrwertsteuer
2.) AMS-Datierung braucht nur winzige Mengen, aus denen das Kollagen extrahiert wird.
pro Probe DM 800,00
+ MWSt DM 128,00
= DM 928,00
+ Kollagen DM 150,00 Bestimmung
= DM 1.078,00
Die Genauigkeit beträgt etwa +/- 60 Jahre. Durch "Kalibration" kann diese auf etwa 30 Jahre +/- heraufgesetzt werden.
Lagerung der Proben:
Nach der Entnahme sollten die Proben feucht gehalten werden, am besten, in dem man sie in eine verschließbare Plastiktüte (mit Reißverschluß) legt. Damit soll vermieden werden, daß die Proben austrocknen und fremde Substanzen eindringen.
Weiteres Material, das sich zum Bestimmen eignet:
- Mörtel (und der darin enthaltene Kohlenstoff)
- Holzkohle (hierbei kann es Probleme geben, wenn z.B. das Ursprungsholz von einer damals
schon dreihundertjährigen Eiche stammt)
- Pilzsporen, die man "Dauerstadien" nennt, sie sehen aus wie Mäusescheiße
- Getreide"
Über die Datierung nach C-14:
"Ein lebender Organismus, z.B. eine Pflanze, steht in permanenten Austausch mit der Umgebung. Unter anderem nimmt sie Kohlenstoff auf und gibt ihn in anderer Form wieder ab. Der springende Punkt ist, daß ein bestimmter Teil des Kohlenstoffs nicht aus den normalen Kohlenstoff-12-Atomen, sondern aus Kohlenstoff-14-Atomen besteht, die leicht radioaktiv sind. Deshalb nennt man die Radiokarbonmethode auch C-14-Analyse.
Der Organismus stirbt. Von dem Moment an lagert er keinen Kohlenstoff mehr ein. Die Kohlenstoff-14-Atome, die in dem toten Gewebe enthalten sind, zerfallen langsam, aber gleichmäßig. Ihr Anteil am gesamten Kohlenstoff nimmt im Laufe der Zeit also ab- und zwar unabhängig davon, ob der tote Organismus versteinert, vergraben, mumifiziert oder sonstwie zugerichtet wird. Radioaktiver Zerfall bleibt von all dem unbeeinflußt - deshalb kann aus dem Verhältnis der beiden Arten von Kohlenstoff zuverlässig das Alter des betreffenden toten Organismus bestimmt werden."
(aus: "Das Jesus Video" von Andreas Eschbach, erschienen bei Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach, Februar 2000, ISBN 3-404-14294-2, S. 99/100)
Mittags um 4 Uhr besuchen uns Sabine Janowitz vom SR und Herr Seibert von der Kripo für den beabsichtigten Dreh am Dienstagmittag. Die beiden sind schon da, als ich komme, und unterhalten sich mit Siglinde. Sabine schaut sich das Gelände an und läßt sich alles zeigen und erklären. Dann gehen wir in unser Eßzimmer, wo sie uns nochmals ausfragt und alles auf Band mitschneidet.
Mittlerweile habe ich erfahren, daß während dieser Sendng ein Beitrag über Herrn Miron vom Landeskonservatoramt erscheinen soll. Als ich frage, ob der Beitrag über uns damit in Zusammenhang steht, sagt Sabine kategorisch "nein". Schließlich interviewt Sabine auch noch Ramon Berens vor unserm Haus.
Abends graben wir bis 21 Uhr im hypocaustum und praefurnium. Rogers "Halle" ist gut gegen Wetter und Sonneneinstrahlung, aber das künstliche Licht, das er aufgehängt hat, verwandelt den Boden in eine hellbraune Masse, auf der man fast nichts unterscheiden kann bzw. deren Farben ungewohnt sind.
11. April 2000, Dienstag
Carmen Weiler kommt als erste, gefolgt von Herrn S.. Dann treffen die beiden angeforderten Polizisten von der Wache in St. Wendel ein. Etwa viertel nach zwei kommt Herr Seibert und kurz danach das SR-Team, bestehend aus Sabine, dem Kameramann Peter Zumbrink und dem Ton-Mann Wang.
Sabine teilt uns ihr Drehbuch mit. Zuerst kommen die Polizisten dran und Siglinde. Die darf per Telefon die Polizei anrufen, und die Kollegen fahren mit ihrem Wagen auf unseren Hof, steigen aus und gehen rüber zu Siglinde. Wir anderen halten uns derweil im Hintergrund nach Sabines Anweisung "wenn ihr in die Kamera schauen könnt, sieht die Kamera auch euch". Dann werden Seiberts Aufnahmen abgedreht, weil er noch einen anderen Termin hat und weg muß. Jetzt muß ich die ersten Ziegel finden und ein erstauntes Gesicht ziehen, dann muß mir Herr S. erklären, daß es sich um römnische Ziegel handelt. Beim dritten Mal fallen mir keine Fragen mehr ein und Herrn S. keine Antworten. Carmen wird im Grabungsloch gefilmt, jede Menge Shots der Ausgrabungsstelle und ein Gesamtüberblick von unserem Wohnzimmerfenster aus dem ersten Stock kommen drauf. Eine der besten Aufnahmen - meines Erachtens nach - entsteht, als etliche Beteiligte, u.a. auch Ortwin Englert, um das praefurnium herumstehen und -knien, während Herr S. (mit Schlips) das Heizungssystem erläutert. Hier entsteht ganz plötzlich eine richtig gute Atmosphäre.
Roger wird mit mir zusammen gefilmt, als wir die Knochen entdecken - insgesamt dreimal. Dann darf er in seiner Dokumentation blättern und noch ein langes Statement abgeben. Auch Herr S. wird interviewt (die Frage: "Ist es üblich, daß das Konservatoramt normale Leute einfach so buddeln läßt?" mußte wohl kommen) und ich schließlich auch. "Seid ihr Schatzgräber?" "Nein, einen Schatz kannst du hier nicht finden, d.h. außer der Villa an sich..." oder "was ist das Schönste deiner Meinung nach, was ihr gefunden habt?" - "Da gibt’s zwei Sachen: einmal die Villa, wie schon gesagt, und das zweite ist ne Spekulation, die wir durch unseren Fund entwickelt haben. Die Villa scheint nicht gebrandschatzt worden zu sein, wir haben keine Brandschicht gefunden. Also konnte der, der hier wohnte, hier wegziehen und wurde hier nicht getötet. Das freut mich sehr für ihn." Als schließlich noch ein paar schöne Fundstücke gefilmt worden sind, ziehen die Fernsehleute nach gut fünf Stunden von dannen. Davon werden 6 Minuten gezeigt werden. Und das ist - so hab ich mir sagen lassen - ganz schön viel.
Während Roger im praefurnium weiterarbeitet, graben Carmen und ich an der Westseite der Quermauer auf unserer Seite weiter, um sie auf dieser Seite freizulegen. Wir stoßen dabei auf dichte Ziegelpackungen in allen Größen und Bruchstückformen, darunter auch Nägel und Krampen.
12. April 2000, Mittwoch
Roger gräbt im praefurnium weiter. Meinerseits gibt es keine Aktivitäten. Gestern war es noch sehr sonnig, heute hat der April wieder zugeschlagen.
13. April 2000, Donnerstag
Heute läuft gar nichts.
14. April, Freitag, bis 20. April, Mittwoch:
ich bin bis einschließlich Mittwochabend in Berlin-Oranienburg sowie nach Barth an der Ostsee unterwegs. In der Zwischenzeit hat Roger das praefurnium erweitert und stößt etwa einen Meter östlich der Nord-Süd-Mauer zwischen praefurnium und Hypokaustum in etwa 30 cm Tiefe auf ein weiteres Skelett.
Dieses wird am Dienstag und Mittwoch von dem Archäologen Christoph SF aus Neunkirchen unter Mithilfe von Ronnie Berens ausgegraben. Es liegt ebenfalls grob in Ost-West-Richtung und hat keine Grabbeigaben. Der Kopf liegt auf dem Kinn auf, ein wenig nach rechts geneigt gegen das rechte Schlüsselbein. Die Schädelplatte ist eingedrückt, die Augenpartien sind zu erkennen, ebenso die Nase und auch das Gebiß. Die Schlüsselbeine sind vorhanden und der Ansatz des Brustbeines. Von den Schultern gehen die Oberarm- und Unterarmknochen ab, die entlang des Körpers liegen; die Hände sind nicht mehr da. Zwischen Schultern und Becken liegt nichts mehr, selbst das Becken ist fast weg. Die Ober- und Unterschenkel liegen da, aber keine Füße mehr.
Am Samstagabend bringt das Dritte Programm die Sendung über den Dreh an der Grabungstelle; sie dauert etwa sechs Minuten. Zu der anschließenden Sendung über Herrn Miron wird - wie versprochen - kein Bezug hergestellt.
21. April 2000, Donnerstag
Herrn SF wird heute das Skelett entfernen und zu einer Anthropologin in Bergzabern mitnehmen; diese wird versuchen, Geschlecht und Alter der Leiche zum Zeitpunkt des Todes zu bestimmen und die ungefähre Liegezeit im Boden.
Um die Mittagszeit macht er einen sensationellen Fund. Im im praefurnium entdeckt er ein Pfostenloch, das nicht zur Villa gehörte. Anhand des Lehms (sog. "Hüttenlehm") stellt er fest, daß dieser Pfosten nochmals 1000 Jahre älter ist als die römische Villa. Es handelt sich also um einen frühzeitlichen Fund. Im Nachhinein entpuppt sich dieser Fund als Fehlinterpretation.
Samstag, 23. April 2000
Roger kann momentan nicht weitermachen, weil bei ihm die Archäologen arbeiten.
Ich grabe oberhalb der Mauer weiter und finde viele Ziegelfragmente. Mittags kommt Ralf Backes für zwei Stunden, und wir legen zusammen einen kompletten Flachziegel, zerbrochen in mehrere Fragmente, frei, sowie einen Hohlziegel, der fast 95 % vollständig ist. An letzterem kann man gut erkennen, wo ihn der Hersteller angefaßt hat (Einkerbungen im Ton an beiden Ende durch die Daumen). Außerdem finden wir mehrere Nägel und Eisenteile, wenn auch stark korrodiert. Eine davon sieht aus wie eine "Nagelschere".
Carmen kommt vorbei und verabschiedet sich; sie fliegt am Montag für ein halbes Jahr nach Kanada.
16. KW bis 12. Mai 2000
Die Archäologen SF und Jung bleiben bis einschließlich Mittwoch, 26.04.2000. Der Donnerstag und Freitag wird zur häuslichen Nacharbeit verwendet. Seit dem ist niemand Offizielles mehr auf der Grabungsstelle erschienen.
Roger beginnt damit, den Raum unmittelbar zwischen unserem Schopp und der Lauer-Grenze freizukratzen. Er hat diese Vorgehensweise mit den beiden Archäologen so abgesprochen. Zunächst kommt die vermutliche Feuerstelle dran, dann die darunterliegenden Plattenteile. Darunter lag eine Schicht Hartsteine, darunter befindet sich Lehm. In diesem Lehm findet er eine Gefäßscherbe, ca. 3 x 5 cm. Der Abraum landet zum Teil im Loch auf meiner Seite, zum Teil im Hypokaustum.
Mittlerweile ist das große Loch vorn links Richtung Straße (freigelegte Mauer mit Estrich links und rechts) wieder zu, die Abschlußmauer zum Hof hat Roger mit Bruchsteinen hochgemauert, hinten dran verfüllt. Der alte Futtertrog steht auf unserem Grundstück. Ramon hat sich beim Transport fast den Finger abgerissen. Auch das rechts davon liegende Loch, in dem die Ost-West1 auf die Abschlußmauer stieß, ist zu.
Die Mauer, die Roger auf der Grenze zu Lauer hin ursprünglich bauen wollte, muß noch ein bißchen warten. Das liegt u.a. daran, daß das Hypokaustum nach Süden hin nicht geöffnet werden darf. Verbot vom Konservatoramt. Will Roger dort bauen, muß er dies 14 Tage vorher beim Konservatoramt beantragen.
Auch ich habe begonnen, die Löcher wieder zu verfüllen. Dabei habe ich die Abraumhaufen, die zwischen Mauer und Schoppwand lagen, von Norden her auf die Mauer und die rundumlaufenden Löcher geschippt. Jetzt liegen noch die unmittelbar an der Grenze zu Rogers Grundstück liegenden Teile frei, ca. 1,5 m Abstand parallel. Zum Schopp hin hab ich vorher schon weiteren Estrich gefunden und diesen in Richtung Shopp verfolgt. Dabei hab ich festgestellt, daß Rogers Teil der Nord-Süd-Mauer auf der heutigen Grundstücksgrenze endet und somit zu unserer Mauer einen etwa meter-breiten Durchgang läßt. Im Boden dieses Durchgangs ist der Estrich unterbrochen. Links und rechts setzt er wieder ein. An der Westseite der Nord-Süd-Mauer, aber nur auf den letzten 40 cm habe ich Wandputz festgestellt. etwa 20 cm hoch vom Estrich aus.
Östlich - also auf der anderen Seite der Mauer - steht die kleine Ziegelsteinmauer, die wir vor ein paar Wochen dort fanden. Als ich entlang dieser Richtung Buchsbaum vorsichtig dem Estrich folge, stelle ich fest, daß sie nach 20 cm nach Osten abknickt. Dort befindet sich bis zu 30 cm hoher, flächiger, milchig-weißer und auch gelber Wandputz. Der Boden besteht aus dichtgepackten Ziegelbruchstücken, keine Hypokaustum-Teile, ab und zu ein verrosteter Nagel.
Mittlerweile sind drei Presseartikel erschienen. Der von der Saarbrücker Zeitung ist am 28. April 2000 (freitags) im St. Wendeler Teil erschienen. M.E. lassen sowohl Stil als auch Recherche als auch Ausführung sehr zu wünschen übrig. Da schwirren Archäologen durch den Garten, da verbringt ein Lehrer seine Ferienzeit im Dreck und ist noch heiter dazu, da sind Schatzsucher zugange, und aus der villa rustica wird gar ein Rittergut. Als ich auf der Zeitung nachfrage, erfahre ich, daß der Artikel dort gut aufgenommen wurde. Weil der Kunde es auch so lesen will.
Im Stadtanzeiger vom Mittwoch, 3.5.2000, und im Blickpunkt der darauffolgenden Woche erscheinen zwei Artikel, in mehr oder minder unveränderter Form meinen Faxen an die beiden Redaktionen entsprechend. Diese Pressemitteilung lautete wie folgt:
"3000 Jahre Geschichte in Alsfassen
Im Februar dieses Jahres wurden im St. Wendeler Vorort Alsfassen die Grundmauern eines römischen Gutshofes aus dem 2. Jahrhundert nach Christus entdeckt. Zwei in den Trümmern gefundene Skelette deuten außerdem auf eine Besiedelung im frühen Mittelalter hin. Seit voriger Woche arbeiten im Autrag des Landeskonservatoramtes ein Archäologe und ehrenamtliche Helfer an der Fundstelle.
Roger Berens aus Alsfassen staunte nicht schlecht, als er Ende Februar in seinem Garten eine Drainage legen wollte und dabei in etwa 70 cm Tiefe auf einen perfekt angelegten Fußboden stieß. Er fragte seinen Nachbarn Roland Geiger um Rat, der bei Umbauarbeiten an seinem Wohnhaus bereits im vergangenen Jahr auf Reste römischer Ziegel gestoßen war. Sie beschlossen, fachkundigen Rat einzuholen. Johannes S., Mitarbeiter des Staatlichen Konservatoramtes in Saarbrücken, stellte mit einem Blick fest, daß es sich hier um Relikte aus römischer Zeit handelte. Normalerweise wäre jetzt alles vorbei gewesen, weil sich das Konservatoramt aus Personalmangel auf "wichtigere" Projekte konzentrieren muß. Aber da war noch die Mauer, die Roger Berens in seinem Garten ziehen wollte und die mitten durch die Fundstelle gelaufen wäre. Also war eine Notgrabung angesagt.
Berens und Geiger erhielten die Erlaubnis, entlang einer ebenfalls gefundenen Mauer weiter weiterzugraben - und sofort das Amt zu verständigen, wenn sie auf etwas wichtiges stoßen sollten. Im Laufe der nächsten Wochen wurde ersichtlich, daß das Gebäude, das einmal hier gestanden hatte, sich auch auf die Nachbargrundstücke erstreckt und viel größer ist als ursprünglich angenommen. Im oberen Teil von Berens' Grundstück stieß man gar auf die Grundmauern einer antiken Fußbodenheizung, eines sog. "hypocaustums". Und darin auf menschliche Knochen. "Wir haben einen Römer gefunden" - nun, ein Römer war es nicht, denn es wurde schnell klar, daß die Leiche, zu der die Knochen gehören, geraume Zeit nach der Zerstörung des römischen Gebäudes dort beerdigt worden war. Die Ausgrabungen gingen weiter und hielten beide Familien ganz schön auf Trab. Fieberhaft, aber dennoch sorgfältig wurden weitere Mauern und Fußböden freigelegt. An Hausrat in Form von Gefäßscherben wurde nicht viel gefunden, was darauf hindeutet, daß das Gebäude nicht gebrandschatzt, sondern von seinen Bewohnern in Angesicht einer drohenden Gefahr aufgegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt dürfte es aber schon mindestens 100 Jahre bewohnt gewesen sein. Darauf deuten die verschiedenen Bauphasen hin, die durch den jüngst hinzugezogenen Archäologen Christoph SF aus Neunkirchen festgestellt wurden. SF arbeitet hier im Rahmen einer Maßnahme finanziert durch das Landeskonservatoramt, unterstützt von ehrenamtlichen Helfern aus dem Kreis St. Wendel, die alle schon an ähnlichen Aktionen teilgenommen haben: Willibald Kölsch, Josef Dahl, Alban Braun.
Und noch tiefer in den Boden und in die Vergangenheit ging es, als SF in einer Ecke des praefurniums (das ist der Raum, in dem das Feuer für die Fußbodenheizung brannte) ein Loch für einen Pfosten entdeckte und darin auf sog. Hüttenlehm stieß, ein sicheres Anzeichen dafür, daß hier an dieser Stelle schon lange vor den Römern eine Besiedelung stattgefunden hatte. Wieviel früher - na, so etwa 1000 Jahre ... 1000 Jahre vor Christus. Damit gewinnt die Fundstätte für die Geschichte der Stadt St. Wendel enorm an Bedeutung.
Einen wichtigen Aspekt für die Geschichte Alsfassens sieht Roland Geiger in diesem Fund. Der Name Alsfassen wurde bisher als "die im Unland sitzen" gedeutet - und "Unland" wurde gemeinhin mit "Sumpf" übersetzt. Stellt man sich aber das riesige Trümmerfeld vor, daß der römische Gutshof vor tausend Jahren, also nach seiner Zerstörung war, dann ist gut möglich, daß man die Leute, die sich hier ansiedelten und ihre Toten begruben, als "die im Unland sitzenden" bezeichnete.
Leider werden die überaus interessanten Forschungsarbeiten zu Ende dieser Woche schon wieder eingestellt werden müssen - aus Geldmangel. Der begrenzte Etat des Landeskonservatoramtes läßt eine Verlängerung der Grabung durch die Archäologen nicht zu, und die Eigentümer des Geländes können sich eine private Finanzierung einfach nicht leisten - schließlich geht es hier um 4000 -5000 Mark.
Aber vielleicht finden sich doch noch andere Sponsoren...
© by Roland Geiger, St. Wendel, 24.04.2000"
Mittlerweile hat mir Herr S. am Telefon erklärt, daß es nicht damit getan sei, daß wir private oder auch öffentliche Mittel beschaffen, um die Grabung weiterzuführen. Selbst wenn diese zur Verfügung stünden, dürfte das Konservatoramt diese nicht verwenden, um die Grabung fortzuführen. Das geschieht nur aufgrund von Haushaltsmitteln. Hätten wir das Geld, dann könnten wir nur selbst einen Antrag auf Grabungserlaubnis stellen. Doch wir haben das Geld eh nicht.
Im Museum St. Wendel hat uns Professor Leo Kornbrust am 5. Mai angeboten, eine etwa 2 auf 1 m große, recht dicke Plexiglasplatte zu schenken, mit der das Loch abgedeckt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt war aber das Verfüllen der Grabungsstelle im Berens'chen Garten schon durch das Konservatoramt befohlen worden.
Epilog 1
Damit ist die Grabung offiziell zu Ende, und ein paar Wochen später sind auch alle Löcher wieder zu. Doch die ausgegrabenen Scherben lagern immer noch im Freien, und keiner ist dafür zuständig.
Ich schicke ein Fax das Konservatoramt und bitte um Bereitstellung von Knochenfragmenten für die Datierung:
"... bei den beiden Skeletten, die auf dem Gelände der römischen Villa von Alsfassen bisher gefunden wurden, handelt es sich dem Anschein nach wohl nicht um Leichen aus der Zeit des Bestehens der Villa, sondern sie sind - da sie a u f den Trümmern beerdigt wurden - jünger zu datieren. Trotzdem sie also nicht sooooo alt sind, daß sie für die Datierung der Villa von Belang sind, ist eine Datierung der Knochen - auch wenn diese nur plus-minus 60 Jahre genau ist - wichtig für die Geschichte unseres Ortes (wobei ich Alsfassen als eigenen Ort ansehe, gleichwohl es das seit 1859 nicht mehr ist). Durch eine solche Datierung können wir Erkenntnisse gewinnen über die Besiedlung unseres Ortes, der im Jahre 1304 ersterwähnt wird (US 1, Pfarrarchiv St. Wendel). Eine erste Besiedlung lag - wenn Herrn Sf's Analyse der Funde im praefurnium stimmt - im Bereich 1500 bis 1000 vor Christus, die zweite nachweisbare Besiedlung ist die römische Villa selbst. Dann kommt die Ersterwähnung 1304. Das Salbuch von 1606 nennt in Alsfassen zwei Häuser, von denen eines vermutlich unser Haus ist. Deshalb habe ich dem Fax an die Zeitungen die Überschrift 3000 Jahre Alsfassen gegeben (wobei ich nie gedacht hätte, daß die das einfach so übernehmen). Die beiden Leichen fallen also in den Zeitraum zwischen der römischen Villa und der Ersterwähnung 1304, einem Zeitraum von gut 1000 Jahren.
Da es mir mittlerweile gelungen ist, einen ausreichenden Betrag für eine Datierung der Leichen zu beschaffen, bitte ich Sie, mir ausreichend Material (2 x 150 g) für eine konventionelle C-14-Datierung in Kiel zu Verfügung zu stellen. Zwar lasse ich diese Datierung privat durchführen, gleichwohl versichere ich, Ihnen Kopien der Ergebnisse zur Verfügung zu stellen."
Werner Schmidt und ich besuchen den St. Wendeler Flohmarkt und versuchen, einen Teil der Ziegel zu verkaufen, die wir z.T. in unserer Scheune, z.T. im Vorgarten während der Strauchfällaktion gefunden haben. Wir haben darauf geachtet, daß keine Ziegel dabei sind, die während der Ausgrabungszeit unter Hoheit des Landeskonservators gefunden wurden, da ich mir nicht sicher bin, wem die dort gefundenen gehören (vermutlich dem Land).
Bei den Eigentumsrechten beziehe ich mich auf einen Artikel über Bodendenkmalpflege und Detektorgänger (gestern 2, St. Wendel, 1998, "Bodendenkmalpflege und Detektorgänger"). Darin heißt es u.a. " Die Fragen nach dem Eigentumsrecht an Fundstücken sind recht eindeutig geklärt. Zufallsfunde - und zu denen zählen auch an der Oberfläche mittels Detektor entdeckte Stücke - sind nach BGB zu behandeln, d. h. zur Hälfte wird der Finder, zur Hälfte der Grundstückseigentümer Miteigentümer an der Fundsache. Anders in Grabungsschutzgebieten und staatlichen Nachforschungen, wo das Schatzregal (§ 23 SDschG) greift. Bei Zufallsfunden kann die Ablieferung gegen angemessene Entschädigung verlangt werden, oder aber auch nur die Überlassung auf Zeit zu Zwecken der wissenschaftlichen Dokumentation."
Zweck der Aktion ist es, Geld zu sammeln für die Knochendatierung. Aufgehängte Texte geben Auskunft über die Grabungsarbeiten, meine Theorien über die Besiedlungskontinuität von Alsfassen sowie die Verkaufsintention.
Sehr erfolgreich sind wir nicht, gleichwohl viele Leute auf das Projekt aufmerksam werden und sich informieren. Zwei Leute reagieren unwirsch ("Wollen Sie mich verarschen?"), aber die Mehrheit reagiert positiv. Einmal erhalten wir gar eine Spende, ohne daß die betreffende Person einen Ziegel mitnehmen will.
Gleichzeitig verkaufe ich Photos und steuere den halben Erlös zum Ergebnis bei. Damit kommen etwa 180 DM zustande.
Interessant: da kommt einer vorbei, erzählt uns von einer römischen Vase, die er in Freisen gefunden und selbst zusammengesetzt hat und möchte wissen, was die wert ist. Ein anderer hat "die größte römische Privatsammlung im Saarland" und sucht nur nach "Bronzesachen".
Beim Konservatoramt geht eine Anzeige ein, auf dem St. Wendeler Flohmarkt seien römische Scherben verkauft worden.
Beim Konservatoramt ist eine weitere Anzeige eingegangen. Diese wird zum Auslöser eines ziemlich garstigen Streits mit dem Amt, der sich über viele Wochen hinzieht, aber schließlich beigelegt wird.
Mittwoch, 17. Mai 2000, bis Samstag, 20. Mai 2000
Roger macht weiter zu. Er füllt das Hypokaustum mit Lehm, den er vor dem praefurnium ausgräbt, und verschlemmt diesen mit Wasser, das er aus seinem Keller auspumpt. Bis am Samstag ist das Hypokaustum fast zu dreiviertel zu. Die Knochen schauen grad noch raus. Im Lehm, den er ausgräbt, findet er kleine und größere Gefäßscherben und ein paar Nägel.
Er hat sich eine Alu-Flasche gekauft, in die er einen selbstverfaßten Bericht plus ein paar Photos legen will; diese Flasche soll dann in den Hypokaustenkanal hinein. Aber er will nicht zu viel reinschreiben, spätere Generationen sollen auch noch etwas zu forschen haben. Er findet das originell, ich nicht.
Ich arbeite mich um den Nußstrauch bis zu einer weiteren Nord-Süd-Mauer vor, die ich vor etlichen Wochen schon von oben her freigelegt habe. Ich folge einfach dem Estrich und bemühe mich, dem Buchsbaum nicht zu nahe zu kommen. Am Freitagabend stoße ich auf die Mauer, davor finde ich einen Nagel und etwas, das wie ein Griff aussieht, der an einem Holzteil befestigt war. Ein Befestigungsnagel ist noch dran. Hier finden sich sehr viele Verputzreste, die beim Mauereinsturz herunterfielen. Interessant ist ein rotes Stück, das in einem Winkel von weniger als 90 Grad um die Ecke führt.
Die Mauer selbst ist fast siebzig cm breit und vom Westestrich noch etwa zehn Zentimeter hoch. Die freigelegte Westseite ist mit rotem und gelbem Putz bedeckt. Die Mauer kommt von Rogers Grundstück her und führt weiter nach Norden auf unser Haus zu. Irgendwo östlich davon muß eine Ost-West-Mauer draufstoßen, die vorn an Rogers Gartenrand ganz zu Anfang gefunden wurde. Als ich die Nord-Süd-Mauer oben drauf säubere, finde ich den östlichen Rand und rechts davon die Ost-West-Mauer, die in rechtem Winkel dagegen stößt.
Dienstag, 23. Mai 2000
Hab heut morgen unter dem Betreff "Artefakte und Trümmer" ein Fax das Konservatoramt geschickt:
"Guten Morgen,
meine Löcher sind fast wieder zu; ich hab Verfüllmaterial aufgetrieben (aus den Gräben rund um unser Haus zum Mauertrockenlegen; das Zeug kommt dort eh nicht wieder rein). Auch Roger ist schon ziemlich weit; er hat das Hypokaustum fast voll, und vom praefurnium ist auch nicht mehr viel zu sehen. Das Feuerungsloch ist noch halb offen, und wir würden dort gerne eine Art Zeitkapsel hineinlegen, wenn's geht, mit einem Plan der Grabung. Aber den haben Sie noch, und wir haben keine Kopie bisher erhalten. Gleichwohl hab ich gesehen, daß Sie einen Plan an die Zeitung geschickt haben, zusammen mit Ihrem Artikel, der übrigens sehr gut ist (wenn auch noch nicht veröffentlicht). Hat mir gefallen, bin mal gespannt, ob die was bringen.Hat sich etwas bezüglich meiner Anfrage mit den Knochen ergeben? Ich würde das gerne in die Wege leiten, weil wir auf der Ergebnis auch noch mal drei Monate warten müssen. Am ersten Sonntag im Juni ist wieder Flohmarkt, und ich werde dort wieder einen Stand haben. In der Hauptsache mit meinen Photos, aber es werden auch wieder Infos über die Grabung am römischen Landhaus ausgestellt. Ob Ziegel verkauft werden, hängt davon ab, was sich bis dahin ergibt - sofern sich etwas ergibt. Wo gehören Sachen hin, die ich bei den Arbeiten ums Haus herum finde, also nicht an der eigentlichen Grabungsstelle? Sind das Zufallsfunde, weil ich ja nicht nach ihnen suche, sondern eher drüber falle (z.B. haben wir im Garten beim Zuschütten im Abraum einen Metallgegenstand gefunden, der aus der Zeit stammen könnte, gleichwohl ich es nicht einschätzen kann; gehört der jetzt Euch oder mir als Zufallsfinder-Grundstückseigentümer?). Er ist stark verrostet und müßte gesäubert werden, aber da trau ich mich nicht dran. Ich hab hinterm Haus noch einen Haufen Ziegeltrümmer liegen. Kann ich die mit untergraben oder in 14 Tagen mit in den Bauschuttcontainer tun?"
In der Woche vor dem 5. Juni 2000 erhalte ich ein Schreiben von Herrn Dr. R., ausgestellt am 19.05.2000
"Datierung der menschlichen Sklettreste aus dem Hypokaustraum und Präfurnium der römischen Villa von Alsfassen.
Sehr geehrter Herr Geiger, durch großes freiwilliges Engagement haben Sie und Ihr Nachbar, Herr Roger Berens, unter Mithilfe von dessen Frau und Kindern mit den Sondierungsarbeiten an der römischen Villa von Alsfassen einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Stadt St. Wendel geleistet. Dafür will ich Ihnen allen danken. Nach Abschluss der Ausgrabungen wird das Staatliche Konservatoramt in Rücksprache mit der Haushaltsabteilung eine AMS, eine verbesserte 14C Altersbestimmung der aufgefundenen menschlichen Knochen mit den damit verbundenen Kosten in Höhe von ca. 1.000,-- DM ausführen lassen. Erfahrungsgemäß werden die Ergebnisse jedoch nicht vor Ablauf des Jahres vorliegen. Aufgrund der Kostenübernahme durch das Staatliche Konservatoramt bitte ich Sie, zukünftig Ihre - wenn auch gutgemeinten - Verkaufsaktionen und Bittstellungen zu unterlassen."
Montag, 05.06.2000
in der SZ, Regionalteil St. Wendel, erscheint ein Zeitungsartikel mit dem Titel "Ruinen gaben ihre Geheimnisse nicht preis; Villa Rustica in Alsfassen: Zu wenige Funde, um genauere Angaben machen zu können". Darin heißt es u.a.: "Weiter rätselhaft bleiben die beiden Toten, die bei der Grabung im April gefunden worden waren. Bisher, so Johannes S., könne man lediglich sagen, dass es sich um eine "nachrömische, wahrscheinlich nachfränkische Bestattung" handeln müsse. Richtung Gegenwart könne der Tote bis zum vorletzten Jahrhundert seinen letzten Atemzug getan haben. Da der Zustand der Leiche sehr schlecht sei, müsse man sich noch überlegen, ob es sich lohne, mit Hilfe der "C14"-Methode das Alter des Toten festzustellen. Verfälscht werden könnten die Ergebnisse durch verschiedene Faktoren, weil man nicht wisse, wie lange der Tote direkten Kontakt mit der Erde gehabt habe. Auch, dass die Leichen, offenbar Christen, nicht in geweihter Erde, sondern einfach so bestattet wurden, bringt für S. kein Licht in die Sache. "Es hat hier schließlich auch viele Kriege und Seuchen gegeben", gibt er zu bedenken."
Mir stellt sich die Frage, woher der Autor des Artikels weiß, ob es sich hier um geweihte Erde handelte oder nicht?
16.06.2000
Eine mögliche Erläuterung fand ich in ROEMERVILLA, Archäologie an Mittelrhein und Mosel, Band 7, ISBN 3-929645-01-7, Koblenz 1993, S. 31, Kapitel "Gräberfeld":
"... Neben diesen Steinkistengräbern gibt es Baumsärge und einige wenige Gräber, bei denen der Tote in eine nicht verbaute Erdgrube gelegt worden ist. Alle diese Bestattungen sind geostet, d.h. der Tote liegt in der Grabkammer mit Blickrichtung nach Osten, wie es christlicher Glaube vorschreibt. Die Bestattungen sind durchweg beigabenlos, ein Umstand, der ebenfalls auf frühe Christen hinweist. Auf dem Gräberplan fällt auf, daß der Nordteil des Badegebäudes von Bestattungen frei ist. Daher darf vermutet werden, daß die Räume 34-36 von den frühen Christen noch intakt angetroffen wurden. Dann hätte sich Raum 34 mit seiner Apside geradezu als Grabkapelle angeboten. ..."
Die gefundenen Gräber werden ins 5. bis 6. Jahrhundert datiert. Es wird nicht angegeben, worauf diese Datierung fußt."
Begriffserläuterung:
Apsis, Apsiden, die -
halbrunder, meist mit einer Halbkuppel gedeckter Raum, oft in Nischenform
Im Rahmen des Streits über den Verbleib der Reste aus der Grabung und anderen Dingen erreicht uns ein Schreiben des Konservatoramtes, das an sich interessant ist und deshalb in Auszügen (die nichts mit dem Krach zu tun haben) wiedergegeben wird:
" Bodendenkmalpflege ist in ihrer zeitlichen Problematik sicher umfassender als der Begriff Vor- und Frühgeschichte vermuten läßt. Nach dem Saarländischen Denkmalschutzgesetz, dessen Urheber wenigstens z.T. auch das Staatliche Konservatoramt war, definiert sich der Begriff eines Kulturdenkmales aus dem öffentlichen Interesse an seiner Erforschung und/oder Erhaltung, ohne hierbei zeitlich einzuschränken. Als Bodendenkmal wird die Kategorie der Kulturdenkmäler definiert, für deren Erforschung archäologische Methoden wichtige Quelle der Erkenntnisgewinnung sind. So sind alle Möglichkeiten erfaßt, angefangen von der Vor- und Frühgeschichte über das Mitteltalter bis in die jüngste Neuzeit hinein, wo die Überprüfung einer "geschönten" Geschichtsschreibung nur mit archäologischen Methoden möglich ist.
Römische Villen sind individuell verschieden, jede hat ihre ganz eigene Baugeschichte, die sie von allen unterscheidet. Man muß also trennen zwischen der Bedeutung, die eine solche Anlage in Bezug auf die Geschichte des Landes hat und die bei einem Bestand im Saarland von mehreren tausend solcher Villen sicher nicht allzuhoch anzusetzen ist und der wissenschaftlichen Deutung der ausgegrabenen Befunde, die für die Ausgrabung selbst wesentlich und hier von besonderem Interesse sind. Die Geschichte einer solchen Anlage beginnt mit der ersten Besiedlung am Platz, eventuell also von der Gründung von Vorgängerbauten über die Errichtung der auszugrabenden Anlage in ihren verschiedenen Bau- und Wohnphasen bis zur Zerstörung, die ebenso wiederum in verschiedenen Phasen abläuft. Darüber hinaus zählt auch die Wiedernutzung und die Überdeckung zur heutigen Fundsituation zu den Aufgaben der Dokumentation eines solchen Ortes. (...)
Alle Gegenstände, die Sie in den Aushubmassen der Grabung gefunden hatten, sind Eigentum des Landes, da es sich um eine Staatliche Nachforschung im Sinne des § 23 SDschG handelte. Sollten Sie in Zukunft auf ihrem Anwesen an der Oberfläche Gegenstände entdecken, von denen Sie annehmen müssen, daß diese zu dem nunmehr bekannten Kulturdenkmal gehören oder sonst ein öffentliches Interesse an deren Erhaltung oder Dokumentation liegt, so sind Sie nach § 16 verpflichtet, diese Funde dem Staatlichen Konservatoramt anzuzeigen.
Sollten Sie auf Ihrem Grundstück Erdarbeiten vornehmen wollen, so sei Ihnen hiermit nochmals § 2ß SDschG zitiert, in dem es heißt:
(1) Wer nach Bodendenkmälern graben oder sie aus einem Gewässer bergen will, bedarf hierzu der Erlaubnis. Der Erlaubnis bedarf auch, wer zu einem anderen Zweck Erdarbeiten vornehmen will, obwohl er weiß oder annehmen muß, daß sich dort Bodendenkmäler befinden.
(2) Die Erlaubnis wird vom Staatlichen Konservatoramt erteilt. Die Erlaubnis ist zu versagen, soweit es zum Schutz von Bodendenkmälern oder sonstigen Kulturdenkmälern erforderlich ist.
(3) Die Erlaubnis kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, die insbesondere die Ausführung der Grabung, die Behandlung und Sicherung der Bodenfunde, die Dokumentation der Grabungsbefunde und die abschließende Herrichtung der Grabungsstätte betreffen können. Ferner kann die Bedingung ausgesprochen werden, daß die Grabungsmaßnahmen nur nach einem vom Staatlichen Konservatoramt gebilligten Plan oder unter der Leitung eines von ihm benannten Sachverständigen erfolgen.
Da Sie spätestens nach Ihren eigenen Fundmeldungen und der Grabung diesen Jahres vom Vorhandensein der Bodendenkmäler auf Ihrem Grundstück wissen und dieses dem Staatlichen Konservatoramt schriftlich mitgeteilt haben, ist Ihr Verhalten im Vorfeld zu Erdarbeiten - gleich welcher Art - per Gesetz geregelt. Hier ist nicht mehr von einem Zufallsfund zu sprechen. Prinzipiell geht es zunächst nicht um die Frage des Eigentums an dem Bodendenkmal, sondern darum, daß nur mit Erlaubnis des Staatlichen Konservatoramtes Erdarbeiten vorgenommen werden dürfen, bei denen Sie Bodendenkmäler entdecken können. (...)
Aus Sicht des Staatlichen Konservatoramtes würden die Ziegel, die Sie nicht brauchen können, bzw. die Sie stören, besser in einem Museum, an einer Schule, in einer Heimatstube aufgehoben seien. In Schwarzenacker, Reinheim und Borg werden die übrig gebliebenen Ziegel - für deren Masse in den Sammlungen wirklich kein Raum ist - kleingeschlagen und zur Rekonstruktion von Estrich verwandt.
Das Staatliche Konservatoramt erhebt für das Saarland keinen eigentumsrechtlichen Anspruch auf die bei Ihnen verbliebenen Ziegel."