Schriftzug
20. Jahrhundert -> 1906 Dissertation: Die Ersatzpflicht des Gläubigers bei Pfändung und Versteigerung dem Schuldner nicht gehöriger Sachen.

Die Ersatzpflicht des Gläubigers bei Pfändung und Versteigerung dem Schuldner nicht gehöriger Sachen.
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der juristischen Doktorwürde der Hohen juristischen Fakultät der Königlichen Universität Greifswald
vorgelegt von Hermann Sommer, Referendar an dem Königlichen Amtsgericht Neu Ruppin.

[Quelle: Universitätsarchiv Greifswald, Jur.-Diss. 641 1906.

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Inhaltsverzeichnis.
Einleitung
I. Das römische Recht
II. Das ältere gemeine Recht
III. Seit Eintehrung der alten Z.P.O.
I. Vorfragen
a) Rechtswirkung der Pfändung im allgemeinen
b) Bei Sachen. die dem Schuldner nicht gehörten
c) Verhältnis von Exekutionsinterventionsklage und Ersatzanspruch
2. Kernfrage:
Untersuchung an der Hand der zu einem ablehnenden Resultat führenden Argumentationen des Reichsgerichts
IV. Nach modenent Reichsrecht.
I. Die heutige Gestaltung der gemeinrechtlichen Vorfragen
2. Anwendung des Surrogationsprinzips auf unsere Kernfrage
3. Stellungnahme der herrschenden Lehre und ihrer Gegner
4. Rechtspolitische Erwägungen

Einleitung.
Die normale Beendigung einer jeden Leistungsklage ist die Zwangsvollstreckung. Sie soll unter dem Schutz der staatlichen Autorität einen Ersatz geben für die fehlende freiwillige Leistung des Schuldners: Der staatliche Exekutivbeamte nimmt dem Schuldner irgendwelche Werte fort, veräussert sie in genau bestimmter Form und händigt den Erlös dem Gläubiger aus. So geschah es schon in dem Rom der Kaiserzeit, und dies ist noch heute die tägliche Entwicklung der Rechtsstreitigkeiten. Sie ist dem Laien völlig geläufig, der Gerichtsvollzieher ist eine überaus „volkstümliche" Gestalt geworden.
Um so seltsamer muss dem Laien und dem angehenden Juristen die Tatsache erscheinen, dass diese Gestalt des Gerichtsvollziehers der theoretischen Jurisprudenz die grössten Schwierigkeiten bereitet, dass die rechtlichen Wirkungen seiner Tätigkeit nach mancher Richtung hin noch heute ein noch lange nicht geklärtes Gebiet sind. Eine überaus umfangreiche Literatur beschäftigt sich schon mit der Oberfrage nach dem rechtlichen Verhältnis von Gerichtsvollzieher zu Gläubiger und Schuldner. Wohl noch stärker ist heute die Literatur über folgende Frage angeschwollen:
Darf der Gerichtsvollzieher alles pfänden und veräussern, was er beim Schuldner vorfindet? Und hat ein unbeteiligter Dritter, dessen Eigenturn im Gewahrsam des Schuldners gepfändet und dann, ohne dass er es verhinderte, veräussert worden ist, gegen den Gläubiger, der den Pfanderlös eingestrichen hat, irgend einen Ersatzanspruch?
Die Frage ist nicht neu, die jüngere gemeinrechtliche Wissenschaft beschäftigte sich mit ihr schon seit einer langen Reihe von Jahren. Seit dem Jahre 1900 trat auf kurze Zeit ein Ruhen in dem hartnäckigen Ringen der beiden um diese Frage kämpfenden Richtungen ein, das moderne Recht musste erst verarbeitet und gedeutet werden. Dies war die Ruhe vor dem Sturm, denn in jüngster Zeit bricht der alte Streit mit frischen Waffen und erneuter Heftigkeit wieder aus.
Noch ist das letzte Wort in dieser Frage nicht gesprochen. Nur einen Oberblick und eine kurze Würdigung besonders der neuerdings für und wider die Haftung des Gläubigers dem geschädigten Dritteigentümer gegenüber vorgebrachten Argumente zu geben, ist daher der Zweck dieser Zeilen. Die notwendige Unterlage hierzu bilden die umfangreichen Ausführungen der gemeinrechtlichen Wissenschaft über unsere Frage. Um nun ein möglichst lebendiges Bild des wissenschaftlichen Entwicklungsganges unserer Frage in seinen verschiedenen Phasen zu geben, soll die folgende Darstellung in rechtshistorischer Weise zunächst ihre Gestaltung im römischen und älteren gemeinen Rechte untersuchen und dann feststellen, welchen Einfluss die alte Zivilprozessordnung von 1879 und endlich die moderne Reichsgesetzgebung des Jahres 1900 auf sie ausgeübt haben.

I. Das römische Recht.

Im römischen Recht ist es stets feststehender Grundsatz gewesen, dass nur solche Gegenstände der Pfändung des Gläubigers unterworfen sind, welche zum Vermögen des Schuldners gehören. Erfolgt entgegen diesen Vorschriften eine Pfändung, so ist sie, wie in den Quellen mehrfach ausgesprochen wird, unrechtmässig . Es entsteht aus ihr also kein gültiges, dem durch Vertrag begründeten analoges materielles, sondern nur ein formelles Pfandrecht. Eine diesen Satz belegende Quellenstelle ist allerdings nicht nachzuweisen, tatsächlich aber hatte er im römischen und gemeinen Rechte, wenigstens bis zur Einführung der Zivilprozessordnung, unbestrittene Geltung; auf den Einfluss aber, den jene auf diese Frage gehabt hat, wird weiter unten noch zurückzukommen sein.
Der Inhalt des römischen Vertragspfandrechts, von dem unsere Untersuchung ausgehen muss, beruhte zunächst auf der vom Verpfänder ausdrücklich erteilten Verkaufsermächtigung, pactum de vendendo pignore [Vereinbarung über den Verkauf von Pfandrechten], die später in jeder Verpfändung als ohne weiteres enthalten galt. Die Veräusserung geschah regelmässig durch Privatpfandverkauf des Gläubigers ohne Mitwirkung des Gerichts. Nach dem Grundsatz: „Nemo plus iuris in alterum transferre potest, quam ipse habet" [Niemand kann einem anderen mehr Rechte übertragen, als er selbst hat.] übertrug auch der Pfandverkauf auf den Erwerber nichts weiter als die dem Verpfänder an der verpfändeten Sache zustehenden Rechte. Gegenstand des Verkaufs war also, wie Jacobi sich ausdrückt, nur „das Recht des Verpfänders an der Sache", der Verkauf war geradezu als im Namen und für Rechnung des Schuldners erfolgend zu betrachten: „Der Käufer machte also ein gewagtes Geschäft, indem er dem Gläubiger gegenüber auf die Eigentumsgarantie verzichtete."
Diese Regeln über den Verkauf eines Vertragspfandes wurden nun, als in der Kaiserzeit die pignoris captio [Annahme eines Pfandes] zum allgemeinen Exekutionsmittel wegen Geldforderungen erhoben wurde, auf den Verkauf eines solchen pignus in causa indicati captum [eines in der Sache des Angezeigten genommenen Pfandes] ausgedehnt. Dieser geschah zwar nicht mehr privatim durch den Gläubiger, sondern auf seinen Antrag durch ein dazu bestelltes, völlig selbständig handelndes staatliches Organ. Die Analogie beider Fälle vermittelte aber der Satz der L.I.C. 8, 23, dass sein „iussus", seine amtliche Verfügungsgewalt, die im Pfandvertrag enthaltene Verkaufsermächtigung ersetze ; auch diese Veräusserung wurde daher als im Namen und für Rechnung des Schuldners, — trotzdem dieser hier garnicht als Verpfänder auftrat, — und nicht des betreibenden Gläubigers erfolgend angesehen, was Hermogenian in L. 74 § r D. 21, 2 ausdrücklich bestätigt. Dem Gläubiger erwuchsen daher aus ihm grundsätzlich weder Rechte noch Pflichten. War nun eine dem Schuldner nicht gehörige Sache in der Versteigerung als Pfand verkauft worden, ehe der Eigentümer eingeschritten war, so hinderte das diesen nicht, sein Eigentumsrecht weiter geltend zu machen. Aus L. 74 § r D. 21,2 Und L. 13 C. 8,44 erhellt nämlich, dass Gegenstände, die auf Grund des pignus in causa indicati captum veräussert sind, nachträglich noch dem Käufer evinziert werden können, eine Anwendung des Satzes: „ubi meam rem invenio, ibi eam vindico" [wo ich mein Ding finde, dort nehme ich es in Anspruch], die dem Römer ganz selbstverständlich erschien. War das Eigentum des Driften aber durch Spezifikation, Untergang der Sache oder die durch kurze Fristen sehr erleichterte Ersitzung erloschen, so hatte dieser im alten römischen Recht zur Zeit der Republik infolge der oben geschilderten Auffassung des Pfandverkaufs gegen den Gläubiger zunächst keinen Ersatzanspruch. Nur gegen den durch dessen endgiltige Befriedigung von seiner Schuld befreiten Schuldner hat er nach der L. 12 § 1 D. 20, 5 eine actio utilis, eine Zubilligung, deren Rechtfertigung man wohl mit Dernburg darin finden kann, dass der Eigentümer mit ihrer Anstrengung zugleich die Veräusserung der ihm gehörenden Sache genehmigt und sie dadurch dinglich wirksam macht, dass er auf seine vindicatio [sein Anspruchsrecht] gegen den Käufer des Pfandes ein für allemal verzichte: „dadurch besorgt er die negotia [Geschäfte] des Schuldners, erhält demnach eine actio negotiorurn gestorum contraria eine geschäftswidrige Handlung].
Erst im spätrömischen Recht der Kaiserzeit gab die erweiterte Anwendung der ursprünglich nur zur Rückforderung von kontraktlich Kreditiertem bestimmten Bereicherungsklagen im allgemeinen dem Eigentümer auch in unserem speziellen Falle ein Mittel, um den für seine ihm unrechtmässig abgepfändete Sache erzielten Kaufpreis von dem Gläubiger zurückzufordern. Durch diese Tatsache erklärt sich auch, dass selbst die klassischen Juristen die Möglichkeit einer condictio [Kündigung, Rückforderung] des Eigentümers gegen den Gläubiger nicht ausdrücklich ausgesprochen haben; eine dahingehende Quellenstelle ist wenigstens nicht nachzuweisen. Dieser Umstand hat dazu beigetragen, die Meinungsverschiedenheit der gemeinrechtlichen Wissenschaft und Rechtsprechung über unsere Frage noch zu erhöhen.

II. Das ältere gemeine Recht

Im älteren gemeinen Rechte verschob sich die Auffassung der rechtlichen Folgen der pignoris capio dahin, dass man ihr alle zivilrechtlichen Wirkungen eines Vertragspfandrechts, also auch die Erzeugung einer Verkaufsberechtigung, zuschrieb. Erst Dernburgs auf genaue Quellenstudien sich gründende Untersuchungen haben die herrschende Meinung wieder zu der rein römischen Auffassung zurückgebracht, dass aus der Pfändung ein privatrechtliches Verhältnis für den Gläubiger überhaupt nicht erwachse, sondern durch sie nur die Verfügungsbefugnis des von Amts wegen tätig werdenden staatlichen Exekutionsorgans über den gepfändeten Gegenstand geschaffen werde. Da nun aber, wie sich unten zeigen wird, schon die alte ZPO diese Auffassung wieder zugunsten der älteren gemeinrechtlichen fallen liess, erscheint es nicht angebracht, die Stellungnahme der Dernburg'schen Lehre, die nur so kurze Zeit die gemeinrechtliche Wissenschaft beherrschte, zu der uns beschäftigenden Frage nach der Haftung des fremde Sachen pfändenden und versteigernden Gläubigers besonders zu prüfen und schon hier alle für und wider eine condictio sprechenden Gründe zu erörtern. Dies wird besser erst nach Würdigung der nach Einführung der ZPO entstandenen umfangreichen Literatur über unsere Frage geschehen. Hier sei nur positiv festgestellt, dass nach Jacobi, von Schruttka-Rechtenstamm und Grosfeld auch für das gemeine Recht vor Inkrafttreten der ZPO unbedingt eine Haftung des Gläubigers anzunehmen ist: Der Eigentümer habe gegen ihn eine condictio sine causa, „denn nichts berechtige zu der Annahme, die Staatsgewalt wolle die Befriedigung des Gläubigers auch mit fremden Mitteln durchführen".
Betont muss aber schon an dieser Stelle werden, dass im römischen wie im gemeinen Rechte die Subsidiarität der condictio neben der vindicatio feststand, ein Satz, den schon Cuiacius ausgesprochen hat: „Nunquam recurritur ad condictionem, nisi cum vindicatio cessat." Offenbar verfehlt hingegen ist die neuerdings von Cosak aufgestellte Behauptung, dass der Eigentümer zwischen der Anstrengung der condictio und vindicatio wählen könnte: Solange er die vindicatio noch hat, ist der Eigentümer einerseits nicht geschädigt und der Gläubiger andererseits auch nicht definitiv bereichert, weil er noch den Regressansprüchen des Käufers im Falle der Eviktion ausgesetzt ist.
Für die gemeinrechtliche Beurteilung der uns vorliegenden Frage kommt also eine etwaige condictio nur für die Ausnahmefälle der Unmöglichkeit der vindicatio infolge von Spezifikationen, Usukapion oder Untergang der Sache in Frage. Da aber nach dem Rechte des BGB, wie unten erörtert werden wird, der Regelfall der Verlust der vindicatio infolge des gutgläubigen Eigentumserwerbs des Käufers ist, muss selbstverständlich unsere Untersuchung die gemeinrechtliche Behandlung der Frage nach der Berechtigung einer condictio in gleicher Weise feststellen, wie nach dem Rechte des BGB, das sich zum grössten Teil aus den gemeinrechtlichen Anschauungen entwickelt hat.

III. Seit der alten ZPO
[
Alle Zahlen innerhalb dieses gemeinrechtlichen Abschnittes beziehen sich auf die alte ZPO]

I. Vorfragen.
Am I. Oktober 1879 trat für ganz Deutschland, also auch für die gemeinrechtlichen Teile desselben, eine einheitliche Regelung des Prozessrechtes durch die Reichszivilprozessordnung vom 30. Januar 1877 ein:

a) Im Gegensatz zu der oben zitierten Dernburg’schen Auffassung der rechtlichen Folgen einer Pfändung hat die ZPO nun in ihrem § 709,I bestimmt, dass der Gläubiger durch die Pfändung ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstande erhält. über die Wirkungen dieses also von ihr neu geschaffenen Pfändungspfandrechts 25 gibt die ZPO selbst aber nur die eine Bestimmung des § 709, 2, dass der Gläubiger im Verhältnis zu anderen Gläubigern dieselben Rechte erhalte wie beim Vertragspfandrecht. Über seine sonstigen Wirkungen schweigt das Gesetz. Sehr nahe liegt nun der Gedanke, diese Lücke durch Anwendung auch der übrigen beim Vertragspfandrecht geltenden Bestimmungen auszufüllen, und diesen Ausweg wählt auch in der Tat die herrschende Meinung.
Ihre Gegner, von denen Hassenpflug und Krech und Fischer genannt seien, stehen trotz der positiven Bestimmungen des § 709,I noch auf dem Dernburg'schen Standpunkt, dass das durch Pfändung erzeugte Pfandrecht ein „wahres Pfandrecht im privatrechtlichen Sinne nicht ist, sondern vielmehr ein im Interesse des Rechtsschutzes geschaffenes, also auf prozessualischem Boden entstandenes und zunächst nur für prozessualische Zwecke bestimmtes Institut wie das alte pignus in causa indicati captum ist".
Hassenpflug führt dazu weiter aus: Daraus, dass § 709,2 gerade nur für das Verhältnis des Gläubigers zu anderen Pfandgläubigern das Pfändungspfandrecht dem Vertragspfandrecht gleichstelle, gehe hervor, dass es sonst keineswegs die Wirkungen eines solchen haben solle.
Die Unrichtigkeit dieser Auffassung der vom Gesetzgeber in § 709,2 beabsichtigten Bestimmung hat schon Kahn aus seiner Entstehungsgeschichte nachgewiesen, sie geht auch zur Evidenz aus der allgemeinen Regel der Motive zur ZPO hervor, dass „auf das Pfand, welches durch den Akt der Pfändung konstruiert wird, die in den einzelnen Rechtsgebieten rücksichtlich des Pfandrechts geltenden Rechtsnormen zur Anwendung kommen", für unsere Frage also die Bestimmungen des gemeinen Zivilrechts über die Wirkungen eines Vertragspfandrechts.
b) Wie hier also das Wesen des Pfändungspfandrechts lange unklar war, so ist auch die Frage nach seiner Entstehung stark umstritten worden. Und im Anschluss hieran kam dann, wie unten zu zeigen sein wird, eine ziemlich verbreitete Richtung dahin, die uns speziell beschäftigende Frage nach der Bereicherungshaftung des Pfandgläubigers dem geschädigten Dritteigentümer gegenüber zu verneinen. Es ist nämlich in der Literatur und der Judikatur, und zwar in zwei verschiedenen Variationen, die Behauptung aufgetaucht, dass die formgerechte Pfändung auch an Sachen Dritter dem Gläubiger ein gültiges Pfandrecht verschaffe, woraus dann natürlich für die Anhänger dieser Lehre sich die Konsequenz ergibt, dass dem Eigentümer jeder Anspruch gegen den die Versteigerung betreibenden Gläubiger schlechthin zu verweigern ist.
Die weitergehende dieser beiden Ansichten ist von Bunsen, Staub und vor nicht allzulanger Zeit ganz ausführlich von Demelius") vertreten worden. Von ihnen führt Staub aus, dass der Gesetzgeber der ZPO zwar von dem Rechtsgedanken ausgehe, dass nur das Vermögen des Schuldners dem Gläubiger zur Befriedigung dienen solle, aber diesen „Rechtsgedanken" habe er nicht zum positiven „Rechtssatz" erhoben, in seiner Ausführung „konnte er nicht umhin, die Gültigkeit des Pfändungspfandrechts nicht von dem Eigentum des Schuldners abhängig zu machen und die hierdurch entstehenden Kollisionen mit dem Eigentum auf andere Weise — d. h. durch Schaffung des § 690 ZPO — auszugleichen". Die Argumentationen von Demelius ferner sind zwar zunächst nur für österreichisches Recht bestimmt, sie sollen aber; wie sich aus seiner Verweisung auf § 690 ZPO ergibt, auch für das deutsche Privatrecht Geltung haben. Er steht auf dem alten Standpunkte Dernburgs dass die Pfändung „dem Gläubiger kein subjektives Recht, sondern lediglich eine nach publizistischen Gesichtspunkten zu beurteilende, zeitlich beschränkte Anwartschaft auf Befriedigung durch Zwangsvollstreckung gewährt", und kommt hieraus zu der Konsequenz, „dass auch an Sachen dritter Personen durch ordnungsmässige Pfändung Pfändungspfandrecht entsteht".
Diese Ausführungen stehen in schroffem Widerspruch zu der gesamten übrigen Literatur und zu dem Wesen und den Aufgaben einer jeden Zwangsvollstreckung. Denn da diese nur ein unter staatlicher Autorität herbeigeführter zwangsweiser Ersatz der freiwilligen Leistung des Schuldners sein soll, so ergibt sich von selbst, dass dieser staatliche Zwang sich auch nur gegen das Vermögen des Schuldners richten darf. Diese staatliche Handlung, welche nur bestimmt ist, das gefährdete Recht zu sichern, darf damit nicht selbst zur Ursache neuen Unrechts werden. Für diese einzig richtige Auffassung der Aufgaben des Pfändungspfandrechts hat Frommhold aus der alten ZPO selbst verschiedene Anhaltspunkte nachgewiesen, so z. B., dass nach § 711 ZPO der Schuldner auf Antrag des nicht völlig befriedigten Gläubigers ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen, sowie den Offenbarungseid dahin zu leisten hat, dass er sein Vermögen vollständig angegeben hat, also anzunehmen ist, dass auch nur dieses der Pfändung des Gläubigers unterliegt. Noch schlagender endlich ist das von Kugel gerade aus § 690 ZPO, auf den die Gegner unserer Ansicht ihre Ausführungen gründen, gewonnene Argument. Nach diesem ist jedes die Veräusserung hindernde Recht, vor allem also das Eigentum eines Dritten; imstande, die schon geschehenen Vollstreckungshandlungen aufzuheben.
Dem Eigentum gegenüber ist aber das Pfandrecht nicht, wie Staub anzunehmen scheint, das schwächere, sondern seiner Natur und seinem Zweck nach umgekehrt das dieses beschränkende, also das stärkere Recht." Ein ordnungsgemäss zur Entstehung gelangtes Pfandrecht kann also durch das Eigentum nicht mehr vernichtet werden, und — argumentum e contrario — das ihm trotzdem nach § 690 ZPO weichende Pfandrecht kann kein vollgültiges gewesen sein: Wir erhalten also den auch vom Reichsgericht bestätigten Satz, „dass eine wirksame Pfändung voraussetzt, dass die gepfändeten Sachen zur Zeit der Pfändung zum Vermögen des Schuldners gehörten.
Die zweite, gemässigtere Richtung der in Frage stehenden Lehre behauptet nicht, dass die Pfändung selbst schlechthin stets ein gültiges Pfandrecht erzeuge, will aber unter Berufung auf die Art. 306, 307 des Allgemeinen Handelsgesetzbuches die Grundsätze über den gutgläubigen Rechtserwerb vom Nichteigentümer auch auf die Pfändung anwenden. So führt z. B. das OLG. Hamburg in seinem Urteil vom 8. Mai 1891 zunächst zwar von besonderen Bestimmungen des hamburgischen Partikularrechts ausgehend, schliesslich aber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Grundsätze der ZPO aus, dass auch nach dieser dem irrtümlich in eine einem Dritten gehörige Sache vollstreckenden Gläubiger, wenn er „nicht etwa anderweit Kenntnis des fremden Eigentums hatte, auch an der fremden Sache, wenn der Eigentümer sie freiwillig aus der Were entlassen, ein durch einen justo titulo und bona fide Erwerb geschütztes Pfändungspfandrecht zusteht".
Auch dieser, die Grundsätze des Schutzes des guten Glaubens willkürlich ausdehnenden Auffassung ist nicht beizutreten. Treffend führt gegen sie das Reichsgericht aus:
„Die hierdurch — d. h. durch Schutz des guten Glaubens — bewirkte Minderung der Rechte des Eigentümers tritt nach der klaren Bestimmung des Art. 306 ausser in den dort speziell hervorgehobenen Fällen eines gesetzlichen Pfandrechts nur ein, wenn eine Sache verpfändet, das Pfandrecht also durch Pfandvertrag erworben ist."
Wir kommen also zu dem Resultat, dass durch Pfändung eines dem Schuldner nicht gehörigen Gegenstandes kein gültiges Pfandrecht entsteht.
c) Neue Meinungsverschiedenheiten sind über die sich aus diesem Satz sofort ergebende weitere Frage entstanden, ob nach Beendigung der Zwangsvollstreckung aus solch einem nur formell bestehenden Pfandrecht der geschädigte Eigentümer überhaupt noch einen Anspruch, — ganz abgesehen von der Frage nach dessen rechtlicher Konstruktion, — gegen den betreibenden Gläubiger geltend machen könne. Vor der Beendigung der Zwangsvollstreckung hat der Eigentümer ja aus § 710 ZPO die Exekutionsinterventionsklage, und auf diesen Rechtsbehelf will ihn z. B. eine Entscheidung des OLG. Celle in einem dem uns beschäftigenden ganz analog liegenden Falle beschränkt wissen, weil eine Gewährung von Ansprüchen nach erfolgter Versteigerung „für den Verkehr einen Zustand ausserordentlicher Unsicherheit schaffen" würde. Zu demselben Resultat kommt auch Voss nach sehr ausführlichen Untersuchungen, die sich zum Teil auf § 720 ZPO stützen, dessen Bestimmungen andererseits, wie sich unten zeigen wird, einer wieder einen anderen Standpunkt vertretenden Richtung als Grundlage dienen. Es erübrigt sich daher, auf seine Argumentationen besonders einzugehen. Festzustellen ist nur, dass die Unterlassung des Widerspruchs nur die Wirkung hat, dass die Zwangsvollstreckung ruhig ihren Fortgang nimmt, die ZPO aber keine Vorschrift enthält, die imstande wäre, einem etwa materiell begründeten Anspruch des den Widerspruch versäumenden Eigentümers nach Beendigung der Zwangsvollstreckung die Geltendmachung unmöglich zu machen.

2. Kernfrage.
Wir gelangen nunmehr also zu der Grundfrage unserer Arbeit, ob nach materiellem Rechte der geschädigte Eigentümer einer auf Grund eines in Wahrheit nicht bestehenden Pfandrechts verkauften Sache gegen den betreibenden Gläubiger irgend einen Anspruch geltend machen kann.
Wir müssen hierbei zwei Möglichkeiten unterscheiden, nämlich ob der betreibende Gläubiger und der in seinem Auftrag handelnde Gerichtsvollzieher den Gegenstand gutgläubig als dem Schuldner gehörig behandeln oder ob dies nicht der Fall ist. Abweichend vom gemeinen Prozessrecht findet nun nach der ZPO eine summarische richterliche Prüfung der Eigentumsverhältnisse am Exekutionsobjekt nicht mehr statt, sondern es wird bei Mobilien regelmässig nur der Gewahrsam des Schuldners festgestellt. Als Regelfall soll zunächst die erste Alternative behandelt, also angenommen werden, dass ein Verschulden der betreibenden Personen nicht vorliegt.
Bei der Frage der Haftung des Gläubigers gehen nun in noch viel erheblicherem Masse als bei all den Vorfragen, die uns bis jetzt beschäftigt haben, die in Wissenschaft und Praxis geäusserten Ansichten auseinander. Wenn wir zunächst rein äusserlich die Anhänger der beiden konträren Richtungen festzustellen versuchen, kommen wir zu dem Resultat, dass in der Literatur zweifellos die Meinung überwiegt, dass dem geschädigten Eigentümer eine condictio gegen den Gläubiger zuzubilligen sei. Von den Vertretern dieser Ansicht seien genannt Jakobi, v.Schrutka-Rechtenstamm, Falkmann, Löwy und die Kommentare zur alten ZPO von Wilmowsky-Levy, Gaupp und Petersen. Gegen die Haftung des pfändenden Gläubigers haben sich ausser den bereits erwähnten Autoren, die sich schon in den oben erörterten Vorfragen zu der von uns vertretenen Ansicht ablehnend verhielten, nur noch Kahn und Riehl ausgesprochen. Ihnen hat sich ganz neuerdings noch Örtmann angeschlossen, denn seine zwar hauptsächlich für das moderne Recht bestimmten Ausführungen gründen sich völlig auf römisch-rechtliche Gedanken.
Ein ganz anderes Bild zeigt die Beurteilung der uns beschäftigenden Frage seitens der Rechtsprechung unter der Herrschaft der alten ZPO Nachdem 1880 das Oberste Landesgericht für Bayern, 1881 das OLG. Rostock, 1882 das OLG. Kasse mit der grössten Entschiedenheit die Haftung des betreibenden Gläubigers bejaht hatten, lehnte am 6. Februar 1885 der III. Senat des Reichsgerichts in schroffem Gegensatz dazu unter ausführlicher Begründung seiner Entscheidung die Haftung des Gläubigers ab und verwies damit für eine längere Reihe von Jahren die gesamte Praxis in die gleiche Richtung.
Die Bedeutung dieser Reichsgerichtsentscheidung für unsere Frage ist eine derartige, dass hier zunächst sofort die Erwägungen kurz wiedergegeben werden sollen, von denen das Reichsgericht sich bei diesem Urteil hauptsächlich hat leiten lassen, damit wir später daran anknüpfend endlich unsererseits zur Frage Stellung nehmen können.
Das Reichsgericht verneint den Anspruch des geschädigten Eigentümers, weil eine Bereicherung des Gläubigers nicht vorhanden sei; gegen die Annahme einer solchen sprächen sowohl der § 720 ZPO als auch die von uns schon oben erwähnte L. 12 § 1 D. 20,5 Tryphonins.
Nach jenem Paragraphen der ZPO erstens gelte die Empfangnahme des Versteigerungserlöses durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung von Seiten des Schuldners. Daher habe der Gläubiger an Stelle dessen, was er aus des Eigentümers Vermögen erhalten habe, seine Forderung gegen den Schuldner verloren und könne somit nicht als bereichert angesehen werden.
Da zweitens nach der L. 12 § 1 D. 20,5 auch bei einem wegen mangelnden Eigentums des Verpfänders ungültigen Konventionalpfandrecht der Pfandverkauf dennoch eine gültige Befriedigung des Gläubiger dem Schuldner gegenüber herbeiführe, so ergebe sich daraus, dass analog bei einem wegen mangelnden Eigentums des Schuldners materiell nichtigen Pfändungspfandrecht, das jenem ja in allen rechtlichen Wirkungen gleichzustellen sei, durch die Empfangnahme des Erlöses der Gläubiger gleichfalls in bezug auf seine Forderung an den Schuldner befriedigt sei. Somit könne,wie nach den obigen prozessrechtlichen Grundsätzen, auch nach den positiven Bestimmungen der Quellen von einer Bereicherung des Gläubigers und damit endlich von einer condictio des geschädigten Eigentümers gegen ihn nicht die Rede sein.
Derselbe dritte Senat ist aber 1899 für den Spezialfall der Pfändung fremden Geldes von dieser seiner Entscheidung abgewichen und erachtete nunmehr die §§ 720, 716 ZPO als nur für das Verhältnis des betreibenden Gläubigers zum Schuldner und zu andern Gläubigern massgebend, während sie nicht: „über die materiellen Fragen, insbesondere über sein Verhältnis zu dem dritten Eigentümer entscheiden wollen".
Hiermit will der Senat aber nicht seinen früheren Standpunkt geradezu aufgeben. Er betont vielmehr die Verschiedenheit des am 6. II. 85 und des ihm jetzt vorliegenden Tatbestandes und erklärt ausdrücklich: „Ob dieser — die Haftung des Gläubigers ablehnende — zunächst für das vertragsmässige Pfandrecht entwickelte, im gemeinen Prozess auch wohl auf das pignus in causa iudicati captum anzuwendende Grundsatz auch für das heutige Pfändungspfandrecht festzuhalten sein würde, kann dahingestellt bleiben."
An die Oben kurz referierte berühmte Entscheidung des. Reichsgerichts im XIII. Bande knüpfen wir nunmehr unsere Untersuchung der Streitfrage an:
Das Reichsgericht beruft sich, wie wir sahen, zunächst auf die Vorschrift des § 720 ZPO, nach welchem die Empfangnahme des Versteigerungserlösts als „Zahlung von Seiten des Schuldners gelte"; mit anderen Worten also als eine von diesem freiwillig geleistete Zahlung zu betrachten sei. Bei einer solchen gelte nun nach bekannten gemeinrechtlichen Grundsätzen der Schuldner auch dann als befreit, wenn er mit fremdem Gelde Zahlung leistete und der Gläubiger dies gutgläubig einstrich. Genau so befreie daher nach der Regel des § 720 ZPO die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher den Schuldner von seiner Schuld.
Zuzugeben ist nun, dass die vollendete Zwangsvollstreckung, selbst wenn sie einem Dritten gehörige Sachen getroffen hat, nach Empfangnahme des Erlöses „in ihrem äusserlichen Erfolge“ einer Zahlung des Schuldners gleichkommt; sie aber auch in ihrer materiellrechtlichen Bedeutung für die in Frage stehende Forderung einer freiwillig geleisteten ohne Unterschied zwischen fremdem Vermögen und eigenem Vermögen des Schuldners gleichzustellen, war nicht die Absicht der Redaktoren des § 720 ZPO Die Bestimmungen der ZPO lassen prinzipiell das materielle Recht unberührt, was z. B. auch aus den Motiven zum späteren § 720 ZPO hervorgeht:
„Der Entscheidung der Frage, ob etwa diese Zahlung als eine vom Schuldner geleistete angefochten werden kann, oder ob der Schuldner der Verkäufer der versteigerten Gegenstände ist, soll nicht vorgegriffen werden."
§ 720 ZPO ist nur in Verbindung mit § 675 ZPO zu verstehen. Nach dem letzteren ist der Gerichtsvollzieher sowohl als Mandatar des Gläubigers als auch in seiner Beamteneigenschaft zur Empfangnahme der Zahlung bevollmächtigt, und nur im Zusammenhange mit dieser Bestimmung ist dann vom Gesetzgeber die Regel des § 720 geschaffen worden, dass dies „als Zahlung von Seiten des Schuldners" gelten soll, d. h. „die Gefahr des vom Gerichtsvollzieher in Empfang genommenen Geldes auf den Gläubiger übergegangen ist. Eine weitere Bedeutung hat der Ausdruck nicht" (OLG. Celle) Das Verhältnis des Gläubigers zu dritten Personen, auf welche sich der zu vollstreckende Titel nicht bezieht ,also z. B. zu dem Eigentümer der Pfandsache, ist in § 720 ZPO überhaupt nicht berührt.
[Die Gründe für und wider die schon gemeinrechtlich strittige Frage, ob nach gemeinem Recht der Gerichtsvollzieher tatsächlich als Mandatar des Gläubigers anzusehen sei, was das Reichsgericht z. B. in einem Plenarbeschluss 1886 (ERZ. 20, S. 396) bestätigt hat, sind nach der zutreffenden Äusserung F alkmanns (Zwangsvollstreckung S. 65,4) bereits ,so erschöpfend behandelt, dass sich etwas Neues kaum noch hinzufügen lässt. Daher soll auch hier auf diese Frage nicht näher eingegangen werden, zumal noch unten beim Recht des BGB darauf zurückzukommen sein wird.]
Dieser Paragraph bezweckte es also keinesfalls, die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher und die vom Schuldner freiwillig geleistete Zahlung, die in Wirklichkeit nach aussen hin garnichts mit einander gemein haben, in allen rechtlichen Wirkungen gleichzustellen.
Materiellrechtlich hat nun ferner, wie Jacobi a. a. 0. ausführt, die durch den Gerichtsvollzieher erfolgende Zahlüng „nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer von einem dritten freiwillig und wissentlich, d. h. in der Absicht, die fremde Schuld als solche zu tilgen, geleisteten Zahlung"; und nur von dieser gilt der Satz: „Nulla repetitio est ab eo, qui suum recepit, tametsi ab alio quam vero debitore solutum est", nicht hingegen in dem ganz neuerdings von Örtmann behaupteten weiteren Sinne:
„Ist auf eine wirklich bestehende Schuld hin gezahlt worden, so kann der Zahlende nicht zurückfordern, mag er sich auch irrtümlich selbst für den wahren Schuldner gehalten haben" — und hieran anknüpfend:
 „Jener — der Gläubiger — hat durch die Versteigerung der fremden Sachen das erhalten, was er zu beanspruchen hatte; er hat es erhalten zwar nicht aus dem Vermögen seines Schuldners, aber doch in einer mit der unzweideutigsten Bestimmtheit hervortretenden Beziehung auf seinen Anspruch, sozusagen „nomine debitoris"."
Dieser Auslegung des „suum recepit" können wir nicht folgen. Nicht die „Beziehung auf des Gläubigers Anspruch" genügt uns, wir vermissen eben bei dem Dritteigentürner jedes Willensmoment, mit der ihn garnichts angehenden Schuld des Schuldners irgendwie in rechtliche „Beziehung" zu treten, geschweige denn sich zu der positiven Tätigkeit des „solvere" zu entschliessen.
Die Auslegung, die das Reichsgericht dem § 720 ZPO angedeihen lässt, ist also als verfehlt zu betrachten, die Empfangnahme des Erlöses hat nicht die Wirkung einer freiwillig geleisteten Zahlung, aus § 720 ZPO kann daher eine Befreiung des Schuldners dem Gläubiger gegenüber nicht deduciert werden: die Lösung dieser Frage ist nicht nach Prozessrecht, sondern vielmehr nach materiellem Recht zu suchen.
Damit kommen wir zu dem zweiten vom Reichsgericht zur Stütze seiner Entscheidung herangezogenen, nunmehr tatsächlich auch dem materiellen Recht entnommenen Argument, der berühmten L 12 § D 2o, 5 Tryphonins, nach der „auch beim ungültigen Vertragspfandrecht der Pfandverkauf eine gültige Befriedigung des Gläubigers herbeiführe" und zu ihrer analogen Anwendung auf das Pfändungspfandrecht.
Bei ihrer Bedeutung für die Entscheidung unserer Frage können wir nicht umhin, diese Lex wenigstens in den für uns wichtigsten Bruchstücken zu zitieren:
„.. quod vere responderetur, si ea lege vendidit, ne evictionis nomine obligaretur , sed quantum quidem ad creditorem debitor liberatur. quantum quidem ad dominum rei, si necdum pignus evictum est, vel ad emptorem post evictionem ipsi debitor utili actione tenetur, ne ex aliena iactura sibi lucrum adquirat."
Bei der Beurteilung dieser Stelle ist zunächst zu betrachten, dass Tryphonin hier einen Fall bespricht, in welchem die vindicatio dem Eigentümer noch freisteht, was aus den Worten: "si necdum pignus evictum est", hervorgeht. Der Jurist gibt dem Eigentümer zwei Möglichkeiten, wie er sich Ersatz für sein unrechtmässig veräussertes Eigentum verschaffen kann. Zunächst weist er ihn auf die vindicatio, und für den Fall, dass er auf diese verzichtet, gibt er ihm gegen den Schuldner die schon oben erläuterte actio negotiorurn gestorum. Ausserdem ist darauf zu achten, dass hier ein darum besonders gearteter Fall vorliegt, weil der verkaufende Gläubiger ausdrücklich die sonst hier wohl wegen dolus eintretende Eviktionshaftung ausgeschlossen hat: ea lege vendidit, ne evictionis nomine obligaretur. Hier führt nun allerdings die an den Gläubiger erfolgte Zahlung des Kaufpreises die Konsequenz herbei, dass der Schuldner —, abgesehen von dem Fall der Regressnahme des Käufers gegen ihn bei eventueller Eviktion, — befreit und somit er und nicht der Gläubiger bereichert ist. Diese Bereicherung ist aber nur zustande gekommen durch jenes von dem Gläubiger mit dem Käufer abgeschlossene pactum de non praestanda evictione, infolgedessen der Versteigerung. seriös nunmehr endgültig dem Gläubiger verbleibt, sodass der Schuldner seine Schuld an ihn ohne weiteres los wird: ohne jenes pactum würde der Käufer gegen den Gläubiger Regress nehmen können, und dann würde die Tilgung der Schuld des Schuldners nicht eintreten.
In dem Falle Tryphonins trägt also den Schaden zunächst der Käufer, der sich auf jenes pactum eingelassen hat; weder geschädigt noch bereichert ist der Gläubiger, denn die Empfangnahme des Erlöses stellt sich für ihn als wirkliche solutio dar.
In diesem von Tryphonin zitierten Falle rechtfertigen es also nur ganz besondere Umstände, dass das Erhalten des Erlöses in Bezug auf die Forderung Tilgungswirkung hat. In dem uns allein interessierenden Fall aber, wo die vindicatio, aus irgend einem Grunde wie in dem dem Reichsgericht vorliegenden Tatbestand unmöglich ist, kann erstens der Eigentümer die utilis actio negotiorum gestorurn nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, da er ja auf die vindicatio nicht mehr verzichten, also eine Klage gegen den Schuldner auch nicht mehr damit rechtfertigen kann, dass er dessen negotia geführt habe. Wenn aber das Reichsgericht diese Quellenstelle, die tatsächlich eine Haftung des Gläubigers dem Eigentümer gegenüber nicht ausspricht, dahin auslegen will, dass demnach besagte Haftung positiv ausgeschlossen sei, so ist dem wiederum nicht beizutreten.
Wenn Tryphonin hier dem Eigentümer nicht ausdrücklich eine Klage gegen den Gläubiger gibt, so spricht er sie ihm andererseits doch in dieser Stelle ebensowenig positiv ab: Er schweigt eben vollkommen über das Verhältnis von Eigentümer zu Gläubiger. Die positive Unterlage für die Entscheidung unserer Frage kann daher nicht diese lex, sondern können nur die allgemeinen das spätrömische und gemeine Recht beherrschenden Grundsätze über ungerechtfertigte Bereicherung bilden.
Indess jene Stelle Tryphonins gibt uns sogar selbst noch ein indirektes Moment gegen die Auffassung des Reichsgerichts. Denn, wie der Jurist in der zitierten Stelle fortfährt, wenn der Gläubiger nicht ea lege vendidit, ne evictionis nomine obligaretur, und infolge von sich aus dem Pfandverkauf entwickelnden Ansprüchen den Erlös wieder restituieren muss, so lebt seine Forderung gegen den Schuldner wieder auf, dessen bis dahin „in suspenso" befindliche liberatio stellt sich nachträglich als eine bloss scheinbare heraus.
Und damit sind wir, wie oben nach den prozessrechtlichen, so auch hier nach den materiellrechtlichen Argumentationen des Reichsgerichts wieder zu dem Resultat gelangt: der Schuldner ist von seiner Schuld an den Gläubiger nicht definitiv befreit. Falsch ist daher die Schlussfolgerung des Reichsgerichts, der übrigens sich auch Windscheid) und Dernburg anschliessen: Weil der Schuldner befreit, ist der Gläubiger nicht bereichert, also auch für nichts verantwortlich. Wir müssen vielmehr folgendermassen argumentieren: Weil seine Forderung gegen den Schuldner noch in suspenso, und er trotzdem den Erlös schon in Händen hat, ist der Gläubiger bereichert. Diese Bereicherung stammt nun aus dem Vermögen des Dritteigentümers, also ist er diesem gegenüber als bereichert anzusehen, und sie ist endlich ungerechtfertigt, denn er hatte nur einen Anspruch auf Befriedigung aus des Schuldners Vermögen, nicht aus dem des Dritteigentümers; diesem ist also, und damit kommen wir zum Resultat, eine condictio sine causa gegen den Pfandgläubiger auf Herausgabe des Versteigerungserlöses zu gewähren.
Mit wenigen Worten ist nun noch die Möglichkeit zu streifen, dass den Gläubiger ein Verschulden bei der Zwangsvollstreckung traf, dass er also, sei es schon bei der Pfändung oder erst beim Pfandverkauf, wusste oder aus Fahrlässigkeit nicht wusste, da.ss der gepfändete Gegenstand seinem Schuldner nicht gehörte. In diesem Falle herrschte, was uns bei der vorstehenden Untersuchung wohl zum erstenmal begegnet, auch im gemeinen Recht Einigkeit darüber, dass dann der Gläubiger dem geschädigten Eigentümer das volle Interesse zu ersetzen habe, eine Konsequenz, die, um dies bei dieser Gelegenheit für die nun folgende Untersuchung der uns beschäftigenden Frage nach dem Recht des BGB gleich vorweg zu nehmen, für. dieses sich in gleicher Weise aus § 823, BGB ergibt.

IV. Das moderne Reichsrecht.

I
. Bei dem lebhaften Interesse, mit dem sich die jüngere gemeinrechtliche Literatur mit der Frage nach der Bereicherungshaftung des Gläubigers dem durch seine Zwangsvollstreckung geschädigten Dritteigentümer gegenüber beschäftigt hat, durfte man wohl annehmen, dass die neue ZPO und das BGB versuchen würden, nunmehr das Problem durch ausdrückliche und klare Bestimmungen, wenn auch nicht endgiftig zu lösen, was ja bei derartig bestrittenen Fragen der Gesetzgeber lieber der Wissenschaft überlassen soll, so doch seiner Lösung irgendwie näher zu bringen. Zum Teil hat der Gesetzgeber dies wirklich auch getan, wie sich unten zeigen wird, trotzdem aber sind seine einschlägigen Besfimmungen noch immer nicht derart, dass nicht neue Meinungsverschiedenheiten über die Entscheidung unserer Frage entstehen könnten: Und tatsächlich nimmt auch in jüngster Zeit der alte Streit wieder munter seinen Fortgang.
Unbestritten geblieben ist freilich bisher der in unserer gemeinrechtlichen Ausführung gewonnene Satz, dass die Pfändung der dem Schuldner nicht gehörigen Sachen kein gütiges Pfandrecht erzeuge, wenn auch noch selbst die neue ZPO keine dahingehende positive Vorschrift enthält. Die zweite im gemeinen Rechte aufgetauchte Frage, ob der versehentlich eines:dritten Eigentum pfändende Gläubiger nicht durch seinen guten Glauben geschützt, ein Pfandrecht erwerbe, wird heute gleichfalls von der gesamten Literatur mit Bestimmtheit verneint, schützt doch unsere Reichsgesetzgebung „allerwärts, im Liegenschafts wie im Fahrnisrecht (§§ 932 ff., 1032, 1207, 1208), nur das Vertrauen dessen, der durch Rechtsgeschäft Rechte erwerben will" und erklären doch die Protokolle ganz deutlich, „dass das Gesetz bei der Pfändung beweglicher Sachen einen besonderen Schutz des guten Glaubens nicht gewähre".
Diese äusserste Konsequenz der Förderung der Verkehrserleichterung hat also die moderne Reichsgesetzgebung doch nicht gezogen: Die im Allgemeinen Handelsgesetzbuch zum erstenmal im Reichsrecht aufgetauchten Gedanken des Schutzes des gutgläubigen, rechtsgeschäftlichen Erwerbes hat sie aber, wie gesagt, übernommen und damit den grundlegendsten Unterschied zwischen dem gemeinen und dem neuen bürgerlichen Rechte herbeigeführt. Auch in der uns zur Untersuchung vorliegenden Frage hat sich infolge dieser Vorschriften die Rechtslage gewaltig verändert: Nach § 935 BGB erwirbt bei einer Veräusserung im Wege der öffentlichen Versteigerung der gutgläubige Erwerber Eigentum selbst dann, wenn die Sache gestohlen oder sonstwie verloren gegangen war, und hierbei macht das Gesetz keinen Unterschied darin, ob die Versteigerung von dem Besitzer der Sache freiwililig oder von einem zu ihrer Vornahme gesetzlich ermächtigten Dritten veranlasst wird.

1. Da der gute Glaube des Erwerbers nun entschieden den Regelfall bilden wird, so hat die Frage nach den Rechtsbehelfen, die einem etwa vorhandenen, prozessual gänzlich unbeteiligten, geschädigten Dritteigentümer zu Gebote stehen, für das bürgerliche Recht, wie oben bereits angedeutet, eine ungleich grössere Bedeutung wie für das gemeine Reclit, das im Regelfall dem Eigentümer die vindicatio beliess.
Über die Wirkungen des Pfändungspfandrechts und eines auf Grund eines solchen erfolgenden Verkaufs gilt nun, darin sind alle Autoren völlig einig, immer noch der oben in den gemeinrechtlichen Ausführungen aus der alten ZPO gewonnene Satz, dass, soweit die ZPO selbst keine positiven Bestimmungen darüber gibt, die „Analogie des Verkaufs einer Sache auf Grund eines Vertragspfandrechts massgebend" ist. Die ZPO enthält nun ausser den uns hier nicht interessierenden Vorschriften des § 804, 2 und 3 über das Verhältnis des gepfändeten Gläubigers zu andern Gläubigern und über den Rang mehrerer Pfandrechte an einer Sache nur noch formale Bestimmungen über die Art der Versteigerung, die gleichfalls bei unserer Frage nicht in Betracht kommen, da von der Verletzung irgend einer Formvorschrift nicht die Rede ist. Wir sind also völlig auf die „Analogie des Verkaufs auf Grund eines Vertragspfandrechts", d. h, auf die diesen regelnden §§ 1241 ff. BGB hingewiesen.
2. Das BGB hat nun dem Eigentümer eines materiell zu Unrecht als Pfand verkauften Gegenstandes zum Ausgleich der ihm infolge des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers erwachsenden, gegen das frühere Recht vergrösserten Gefahr in seinem § 1247 auch intensivere Rechtsbehelfe gegen den die Versteigerung betreibenden Pfandgläubiger gewährt.
§ 1247 BGB lautet:
„Soweit der Erlös aus dem Pfande dem Pfandgläubiger gebührt, gilt die Forderung als von dem Eigentümer berichtigt. Im übrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes."
Dieser Paragraph spricht ganz allgemein von dem „Erlös aus dem Pfande", umfasst also natürlich auch den in § 1244 BGB erörterten Fall, dass dem Gläubiger überhaupt kein Pfandrecht an dem verkauften Gegenstande zustand, im Sinne des „soweit" ihm also garnichts von dem Pfanderlöse gebührt. Trotzdem würde man nun, wie die Motive ausführen, „bei dem zwischen dem Pfandgläubiger und dem Käufer abzuschliessenden Eigentumsübertragungsvertrage in Ansehung der zu zahlenden Geldstücke den Gläubiger als im eigenen Namen und nicht als Stellvertreter des Eigentümers handelnd anzusehen haben.
Folglich würde das Eigentum aller gezahlten Geldstücke — nach § 929 — auf den Gläubiger übergehen, mithin die dem Eigentümer gegen den Gläubiger zustehende Forderung an die Stelle der Sache treten."
Dieser Erfolg sollte jedoch, wie sich aus den weiteren Ausführungen der Motive ergibt, vermieden werden, und daher erging die Vorschrift des § 1247 Satz 2:
„Im übrigen — d. h. soweit er dem Gläubiger nicht gebührt — tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes."
In unserem Falle also, wo dem Gläubiger infolge der materiellen Ungültigkeit seines Pfandrechts garnichts davon zusteht, tritt der ganze Erlös an die Stelle der Pfandsache. Ihr früherer Eigentümer erwirbt durch Surrogation das Eigentum an dem Gelde: „Das Traditionsprinzip des § 929 BGB wird also", um mit M. Wolff zu reden, „durch den Surrogationsgedanken des § 1247 BGB durchbrochen, auch für die Frage des Eigentumserwerbs am Versteigerungserlöse verdient dieser spezielle Paragraph den Vorzug vor jener allgemeineren Norm."
Der dem Dritteigentümer aus diesem dinglichen Schutz erwachsende Vorteil ist für ihn nun allerdings, wie Kipp ausführt, in seinem praktischen Erfolge nur von ziemlich problematischem Werte. Für die theoretische Lösung unserer Aufgabe aber sind die sich aus ihm entwickelnden Rechtsolgen, wie sich unten zeigen wird, von erheblicher Bedeutung, sie erleichtern sie uns im Vergleich zu der gemeinrechtlichen Entwicklung ausserordentlich.
Der frühere Eigentümer der Pfandsache bleibt Eigentümer des Erlöses nur solange, als dieser sich unvermischt als Ganzes in der Hand, sei es des Gerichtsvollziehers, sei es des Gläubigers, befindet. Dieser kann sich aber seinerseits nicht etwa auf die Vorschriften über gutgläubigen Eigentumserwerb berufen, wenn er das Geld in Empfang nimmt, denn ein solcher tritt ja im allgemeinen nur dann ein, wenn bei rechtsgeschäftlichem Erwerbe der Empfänger irrtümlich den Geber für den Eigentümer hält, — was hier sichtlich nicht vorliegt —; die einzige Ausnahme aber, die das Gesetz von jenem Prinzip in § 935,2 macht, dass nämlich der Erwerber bei einer Versteigerung auch in seinem Irrtum über das Pfandrecht des den Verkauf betreibenden Gläubigers geschützt wird, kann hier gleichfalls nicht verwertet werden, denn der Erlös ist sicher nicht als eine „im Wege öffentlicher Versteigerung veräusserte Sache" anzusehen.
Eine Änderung in den Eigentumsverhältnissen an dem Gelde entsteht vielmehr erst durch weitere noch hinzutretende äussere Momente. Hier ergibt die praktische Entwicklung zwei Möglichkeiten:
Der Gläubiger gibt die Geldstücke insgesamt solvendi oder credendi causa weiter an einen selbstverständlich gutgläubigen Erwerber: Hierdurch erlischt das Eigentum des Dritten, das Weitergeben stellte sich als eine „wirksame Verfügung" eines an dem Gelde völlig „Nichtberechtigten" dar, nach § 816 Satz ist also, wenn sie entgeltlich geschah, der verfügende Gläubiger, nach § 816 Satz 2, wenn sie unentgeltlich geschah, der Empfänger auf die Herausgabe der erfahrenen positiven Bereicherung, über deren Wesen und Umfang unten noch zu sprechen sein wird, an den geschädigten Dritten verpflichtet.
Der ungleich häufigere Fall der Entwicklung unseres dinglichen Übergangsstadiums wird aber der sein, dass der Gläubiger den Erlös in seine Tasche steckt und ihn mit seinem übrigen Gelde vermischt. Der Gläubiger selbst, der sich ja schon längst für den Eigentümer des Geldes hält, ist sich der Bedeutung dieses Vorgangs garnicht bewusst; dieser ist keineswegs wie etwa die Aneignung als eine von ihm über das Geld getroffene Verfügung zu betrachten: Die Rechtsfolgen der Vermischung entstehen vielmehr unmittelbar kraft Gesetzes.
Über ihre Gestaltung sind nun die verschiedenen Auffassungen geäussert worden:
§ 948 BGB bestimmt in Verbindung mit § 947: Werden bewegliche Sachen miteinander untrennbar vermischt oder vermengt, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer des Gemenges nach Quoten des Werts der vermengten Sachen zur Zeit der Vermengung. Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer Alleineigentum an dem Gemenge.
Die Sonderbestimmung des gemeinen Rechts, dass, wer fremdes Geld mit eigenem vermischt, stets Alleineigenturn erwirbt, kennt das BGB nicht mehr. Auch bei der Vermengung von Geld entsteht also prinzipiell Miteigentum. Ein solches setzt nun stets bestimmte Quoten voraus, diese können aber nicht ermittelt werden, Wenn die beiden mit einander vermischten Geldmengen sich nicht ziffernmässig bezeichnen lassen, ein Fall, der bei der Vermengung von Geld sicher die Regel bilden wird, da wohl kaum jemand oft in der Lage ist, die Höhe seines Barvermögens an einem zurückliegenden Zeitpunkt genau anzugeben. Es entsteht also die Frage, ob die Vorschriften der §§ 948, 947 BGB in diesem Fall überhaupt anwendbar sind. Die einfachste Lösüng nach dem von Tobias, Kipp und auch von M. Wolff aufgestellten Grundsatz, dass nur das ungefähre Wert oder Grössenverhältnis der mit einander vermengten Quantitäten ausschlaggebend sein solle, dürfte wohl doch etwas zu äusserlich sein. Dies zeigt schon ein Blick ins praktische Leben, denn es kann doch für das rechtliche Schicksal eines, Versteigerungserlöses von z. B. 100 Mark nicht darauf ankommen, ob der das Geld einstreichende betreibende Gläubiger selbst vorher 95, 100 oder aber gar 105 Mark in seinem Portemonnaie hatte.
Ebenso dürfte wohl die von Plank als zweite Möglichkeit angeführte Lösung abzulehnen sein, dass in dubio [im Zweifelsfalle] Miteigentum zu gleichen Teilen anzunehmen sei. Diese Entscheidung dürfte sich vielmehr nur dann empfehlen, wenn beide Mengen vor der Vermischung nicht abgrenzbar waren.
Noch zwei weitere Überlegungen sind möglich, und diese dürften wohl auch für uns zu verwerten sein:
a) Nach den Motiven, Kuhlenbeck, Endemann und Neumann sind die Normen der §§ 947, 948 bei nicht abgegrenzten Mengen überhaupt nicht anzuwenden, das Eigentum des nicht besitzenden Teils geht aber trotzdem darum unter, weil die vindicatio der nicht mehr erkennbaren Geldstücke praktisch unmöglich ist.
b) Einer der vermengten Gegenstände ist dann als Hauptsache anzusehen, wenn nach der Verkehrsauffassung durch die Vermischung die selbständige Existenz des anderen in seinen Zwecken aufgegangen und der andere damit zu seinem Bestandteil geworden ist. Gerät nun, um diesen Satz für uns zu verwerten, in das gesamte Barvermögen eines Menschen ein Geldquantum hinein, so ist nach der Verkehrsauffassung wohl das Barvermögen, mag es selbst kleiner seir4 als das eingemischte Quantum, in seinem Wesen als gesamtes Vermögen nicht geändert; das Quantum aber geht in ihm auf, wird sein Bestandteil, das Barvermögen ist also als Hauptsache anzusehen (Ganz allgemein sprechen Staudinger und Jakubezky den Satz aus, dass bei Einmischung in Geldvorräte, die abwechselnd bald grösser, bald kleiner werden, diese als die Hauptsache zu gelten haben.).
Die von den obigen Autoren unter a und die vom Verlasser unter b vertretene Ansicht führen beide zu demselben Resultat: Der Pfandgläubiger wird Alleineigentümer des Erlöses.
Folgt man der ersten Entwicklung, so erhält der geschädigte Eigentürner eine Klage aus § 812 BGB: Durch das Ereignis der Vermischung ist „in sonstiger Weise" der Gläubiger auf seine Kosten bereichert. Die Frage, ob etwa. die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner erloschen sei oder fortbestehe, die im gemeinen Rechte so erhebliche Meinungsverschiedenheiten zeitigte, ist für das BGB gegenstandslos geworden: Das. Geld ist nach § 1247 BGB nie in eine rechtliche Beziehung zu dieser Forderung getreten, kann sie also auch unmöglich getilgt haben und damit die Bereicherung des Gläubigers fraglich machen.
Gibt man der zweiten Alternative (sub b) den Vorzug, finden also doch die §§ 948, 947 BGB Anwendung, so folgt aus § 947, 2 in Verbindung mit § 951 wiederum eine Klage auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung. Ihr Umfang ergibt sich aus § 813, 3: Herauszugeben ist nur die durch sie hervorgerufene positive Vermögensmehrung, die zur Zeit der Klageerhebung noch vorhanden ist.
An diesem unserm Resultat ändert auch die allgemeine Regel des § 819 ZPO (§ 720 alter Fassung) nichts, nach dem die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher. als Zahlung von Seiten des Schuldners gilt, und der im gemeinen Recht den zweiten Verwirrung anrichtenden Faktor für die Beantwortung unserer Frage gebildet hatte: Diese „Empfangnahme des Erlöses" alias „Zahlung des Schuldners" und die ihr folgende Übergabe des Geldes an den Gläubiger sollte nach der zitierten Entscheidung des Reichsgerichts im XIII. Bande dem Gläubiger das Eigentum an. dem Gelde verschaffen und damit seine Forderung tilgen. Die in § 1247 BGB geschehene Neuregelung der Folgen des Verkaufs einer Sache auf Grund eines materiell ungültigen Pfandrechts bewirkt nun, wie wir oben sahen, dass noch nicht die Empfangnahme des Erlöses aus der Hand des Gerichtsvollziehers dem Gläubiger das Eigentum an dem Geld verschafft, sondern erst die sich aus der Tatsache der Vermischung entwickelnden Rechtsfolgen. Die Regel des § 819 ZPO kann daher eine schuldtilgende Wirkung schon darum nicht haben, weil sie in unserm Falle dem Gläubiger ja garnicht das Äquivalent für die Befreiung des Schuldners, das Eigentum an den Geldstücken, verschaffte!

3. Auf einem im Verhältnis zu der gemeinrechtlichen Entwicklung ziemlich einfachen Wege gelangen wir also aus den Regeln des BGB zu einer condictio gegen den betreibenden Gläubiger. Dieser unser Weg ist nun aber keineswegsder der herrschenden Meinung, die zu demselben Resultat gelangt, noch auch der der neuerdings wieder gegen sie aufgetretenen Gegner. Um zunächst das Verhältnis des von uns vertretenen Standpunktes zu der herrschenden Lehre zu kennzeichnen, so ist zu bemerken, dass sich alle unsere Gedanken mit ihren Ausführungen im wesentlichen mit einer einzigen Ausnahme decken, die aber eigentlich auch nur eine scheinbare ist: Dies ist die von uns behauptete Anwendbarkeit des § 1247 BGB auf den Verkauf eines Pfändungspfandes. Wir deduzierten diesen Satz oben aus dem allgemeineren der herrschenden Meinung, dass alle Wirkungen des Vertragspfandrechts, also auch die des auf Grund eines solchen erfolgenden Verkaufs, analog auf das Pfändungspfandrecht anzuwenden seien. Trotzdem nun in diesem von der herrschenden Lehre konzediertem maius das von uns behauptete minus schon enthalten ist, hat es auffallenderweise, obgleich die Normen des BGB, doch nun schon bald zehn Jahre der wissenschaftlichen Untersuchung offen liegen, bis zu den im Jahre 1905 erschienenen Ausführungen M. Wolffs noch niemand benutzt (Eine Erscheinung, die dem Verfasser, der im Sommer 1905, wohl bevor die Wolffschen Ausführungen erschienen, oder dem Verfasser wenigstens zugänglich wurden, über dieselbe Frage schrieb, viel Kopfzerbrechen gemacht hat. und auch heute noch nicht recht verständlich ist.).
Eine Erklärung für diese Tatsache lässt sich vielleicht darin finden, dass, von einigen, hauptsächlich auch nur das gemeine Recht berücksichtigenden Dissertationen abgesehen, wirklich gründliche Untersuchungen der gemeinrechtlich so lebhaft erörterten Frage nach der Haftung des Gläubigers bisher so gut wie gar nicht, vor allen Dingen nicht von den für eine Haftung stimmenden Autoren, angestellt worden sind. Fast alle Lehrbücher und Kommentare des Zivil und Prozessrechts erledigen unsere Frage mit einem kurzen Hinweis von ein oder zwei Zeilen auf die „§§ 812 ff.", „§ 816 ev. 812", oder „§ 816" BGB oder begnügen sich mit der kurzen Bemerkung, dass der Gerichtsvollzieher als Vertreter des „nichtberechtigten" Gläubigers durch die Veräusserung eine dem Eigentümer gegenüber „wirksame Verfügung" treffe, also nach § 816, i auf die Herausgabe des durch sie Erlangten zu verurteilen sei. Die Anwendung der Grundsätze über die ungerechtfertigte Bereicherung auf die uns beschäftigende Frage schien eben der herrschenden Lehre so natürlich, dass etwas eingehendere Untersuchungen über die Konstruktion dieser speziellen condictio bisher nur in ziemlich geringem Umfange, in bejahendem Sinne nämlich nur von Meisner, v. Mayr und neuerdings von Schoeninger angestellt worden sind.
Meisners Argumentationen gipfeln darin, dass in § 816 BGB im Gegensatz zum Entwurf I statt der Herausgabe der „Bereicherung" Herausgabe des „Erlangten" vorgeschrieben sei, also die Untersuchung, ob der Gläubiger seine Forderung gegen den Schuldner verloren habe oder nicht, ob er also bereichert sei oder nicht nach § 816 BGB überflüssig geworden sei.
Die Fehler dieser Ausführungen hat Ortmann ausführlich nachgewiesen: § 816 steht in dem Abschnitt über ungerechtfertigte Bereicherung, auch für ihn gilt daher die Bestimmung des § 818,3, nach welchem eine Verpflichtung zur Herausgabe des „Erlangten" nur solange besteht, als eine „Bereicherung" des Empfängers vorliegt.
Nun sind aber neuerdings, nachdem zunächst Scherer ganz allgemein „aus Billigkeitsrücksichten" sich gegen eine Haftung des Gläubigers erklärt hatte, zwei Autoren in ausführlichen Untersuchungen der herrschenden Lehre entgegengetreten und zu einer verneinenden Beantwortung der Frage nach der Haftung des Gläubigers gelangt: im Jahre 1902 Freund, dessen Ausführungen sich Riess anschliesst, und erst im vergangenen Jahre unter Aufgabe der von ihm in seinem Kommentar früher vertretenen Ansicht Ortmann, dessen Ausführungen nunmehr in seiner 9. Auflage auch Seuffert beitritt.
Freund verneint die Anwendbarkeit des § 816, weil die Veräusserung durch den Gerichtsvollzieher keine Verfügung des Gläubigers sei, da die privatrechtliche Auffassung des Verhältnisses von Gerichtsvollzieher und Gläubiger, trotz der ihr zur Seite stehenden hohen Autorität des Reichsgerichts, von der modernen Wissenschaft als unhaltbar erkannt, der Gerichtsvollzieher also nicht als Vertreter des Gläubigers anzusehen sei.
Hierin tritt von Mayr ihm bei, der seinerseits aber eine Haftung des Gläubigers aus § 816,2 auf folgendem eigenartigen Wege konstruiert: Da die Zwangsvollstreckung ein rein publizistischer Akt ist, so richtet sich der Anspruch des Berechtigten auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten zunächst gegen den Staat, und wenn dieser statt dessen an den Pfändungsgläubiger den Erlös auszahlt, so ist damit gemäss § 816,2 in einer gegenüber dem Berechtigten wirksamen Weise an den Nichtberechtigten geleistet.
Hiergegen ist mit Ortmann zu sagen: Da nach § 819 ZPO bereits die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher dem Gläubiger gegenüber als Zahlung von Seiten des Schuldners gilt, so kann man, gerade wenn man aus dem Wesen des Verfahrens bei der Zwangsvollstreckung alle privatrechtlichen Elemente ausscheidet, unmöglich den Staat erst als Zwischenempfänger und dann die von seinem Organ erfolgende Auszahlung als eine privatrechtliche Leistung im Sinne des § 816, 2 BGB auffassen. v. Mayrs Ausführungen beweisen also Freunds publizistischer Auffassung des Verhältnisses von Gerichtsvollzieher zu Gläubiger gegenüber garnichts.
Trotzdem aber braucht hier auf eine Untersuchung der auch noch heute nicht unbestrittenen Stellung des Gerichtsvollziehers aus folgendem Grunde nicht eingegangen zu werden:
Ortmann hat nämlich selbst die Unhaltbarkeit dieser Hauptstütze der zu einer Ablehnung der Haftung des Gläubigers führenden Argumentationen seines Parteigängers Freund nachgewiesen: Denn da nach § 1233 BGB auch der Gläubiger eines Vertragspfandrechts, wenn er einen vollstreckbaren Titel hat, den Pfandverkauf im Wege der Mobiliarzwangsversteigerung „bewirken lassen" kann, was unzweifelhaft als eine von ihm ausgehende „Verfügung" über die Pfandsache aufzufassen sein würde, so folgt hieraus doch unbestreitbar, dass gleichfalls eine Verfügung vorliegt, wenn ein Pfändungspfandgläubiger die Versteigerung betreibt.
Ortmann selbst geht bei der Verneinung der Ersatzpflicht des Gläubigers von einem andern Gesichtspunkte aus. Den Tatbestand der „Verfügung" des § 816 sieht er zwar als gegeben an, er leugnet aber das Moment der ungerechtfertigten Bereicherung. Er knüpft wieder an den vom Reichsgericht seinerzeit benutzten § 819 ZPO, den § 720 alter Fassung, an, nach dem die Empfangnahme des Erlöses als § 816 ZPO bereits die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher gegenüber bereits als Zahlung von Seiten des Schuldners gilt.
Er misst diesem allerdings nicht die vom Reichsgericht behauptete absolute Bedeutung zu, sondern billigt vielmehr zunächst die von uns oben vertretene nur relative Wirkung für das Verhältnis des Gläubigers zum Schuldner, dehnt diese aber, — ohne jedoch für diese seine Auffassung einen strikten Beweis zu erbringen — dahin aus, dass „auch Dritte diese Befreiungswirkung als zwischen Gläubiger und Schuldner eingetreten insoweit für und gegen sich gelten lassen müssen", als ihre Beziehungen zum Gläubiger durch das Vorhandensein eines Forderungsrechts des letzteren gegen den Schuldner rechtlich beeinflusst werden. Der Pfandgläubiger könne sich also dem Eigentümer gegenüber darauf berufen, dass er durch das Freiwerden des Schuldners einen Vermögensverlust erlitten habe und somit nicht bereichert sei.
Zur Stütze dieser seiner Ausführungen stellt Ortmann weiter den Satz auf, dass ganz allgemein die Begünstigung des Kausal auf Kosten des Kondiktionsverhältnisses den Anschauungen des BGB entspreche:
Das Reichsgericht sehe den Erwerb nicht urn deswillen als ungerechtfertigt an, weil der Empfänger dem Eigentümer gegenüber dazu nicht berechtigt war, sofern er nur dem Gegner gegenüber in einer seine Bereicherung ausschliessenden Weise auf einem dadurch beeinflussten Kausalverhältnis beruhte.
Dies ist aber, wie Wolff treffend ausführt, gerade die entscheidende Frage, ob nämlich ein solcher Ausschluss der Bereicherung, eine solche Beeinflussung des Kausalverhältnisses in unserm Fall wirklich vorliegt. Ortmann weiss dies nur wieder mit seinem obigen, dem § 819 ZPO entlehnten, aber absolut nicht bewiesenen Argument zu beantworten und bewegt sich damit völlig im Kreise. Er zitiert bei dieser Gelegenheit sogar den von uns benutzten § 1247 BGB, zieht aus ihm aber den nach allen Kommentaren zu diesem Paragraphen sicher als Fehler zu bezeichnenden Schluss, dass die Worte: „Im übrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes" dem geschädigten Eigentümer nur einen obligatorischen, nicht, wie schon die Motive betonten, dinglichen Schutz gewähren wollen. Und hiermit verlieren seine weiteren materiellrechtlichen Argumentationen für uns jeden weiteren Wert, denn nach unseren obigen Ausführungen folgt gerade aus § 1247 BGB, dass der Erlös nie in eine rechtliche Beziehung zu der in Frage stehenden Schuld getreten ist, sie also auch trotz der Regel desr § 819 ZPO nicht hat tilgen können.

4. Mehr Beachtung verdienen die von Örtmann zur Stütze seiner Ausführungen herangezogenen rechtspolitischen Erwägungen. Vor allem macht er hier darauf aufmerksam, dass infolge der dreissigjährigen Verjährungsfrist aller Kondiktionen dem Gläubiger dadurch ein Schaden erwachsen kann, dass er seine eigene, vielleicht einer kurzen Verjährung unterworfene Forderung garnicht mehr geltend machen kann, wenn der geschädigte Eigentümer ihn erst nach einiger Zeit mit der condictio in Anspruch nimmt. Dieses Argument verliert aber durch Örtmanns weitere Ausführungen selbst an Erheblichkeit, da nach § 218 BGB alle rechtskräftig festgestellten Forderungen selbst nur einer dreissigjährigen Verjährung unterliegen und die Zwangsvollstreckung aus solchen doch wohl die Regel bilden dürfte. Ortmann entwickelt diesen seinen Gedanken weiter an der rechtspolitisch gewiss sehr bedeutsamen Frage nach der Berechtigung der Zulassung der Interventionsklagen und ihrer Surrogate überhaupt. Er führt aus, dass im Fall, dass zwei Leute, vor allem wohl Mann und Frau, unlautere Vermögensschiebungen vorzunehmen versuchen, „die Frau sich mit dem Entschluss darüber, ob sie auf Grund ihres angeblichen Eigentums deswegen gegen den Gläubiger vorgehen will, nach der Lehre der Gegner — also der unseren — nicht zu beeilen braucht. Versäumt sie den Interventionsanspruch, so kann sie mit dem Bereicherungsanspruch noch auf eine fast ungemessene Zeit hinaus ihr Glück versuchen und der Gläubiger kann eben so lange der erlangten Befriedigung nicht recht froh werden."
Dieser einzige dem Gläubiger für den Fall, dass seine Forderung gegen den Schuldner nicht rechtskräftig festgestellt. war, dadurch erwachsende Nachteil, „dass er seiner Befriedigung nicht recht froh" wird, kann unseres Erachtens nach gegenüber den grossen sozialpolitischen Bedenken, die Ortmanns Lösung der Frage mit sich bringt, nicht in Betracht kommen. Vor allen Dingen darf man zunächst nicht übersehen, dass die Frau in Örtmanns Beispiel mit etwaigen Kondiktionen doch eben nur „ihr Glück versucht". Denn wenn wir von der tatsächlich vorhandenen, gewiss übermässigen Belästigung der Gerichte durch lnterventionsklagen und deren Surrogate absehen, so gewähren gegen wirkliche Vermögensschädigungen Dritter durch unlautere Schiebungen das Anfechtungsgesetz vom Jahre 1879 und die Konkursordnung vollauf ausreichenden Schutz.
Ausschlaggebend ist für uns endlich folgende Erwägung: Verweist man den Dritteigentümer auf den Schuldner mit der Begründung, dass dieser von seiner Schuld frei geworden sei, so ist der dem Eigentümer hiermit gegen diesen gegebene Anspruch doch genau so wertlos, wie der des Gläubigers war, der schon fremde Sachen pfänden musste, um sich Befriedigung zu verschaffen: An Stelle des intensivsten aller Rechte, des Eigentums, gibt die gegnerische Ansicht also dem gänzlich unbeteiligten Dritteigentümer eine meist aussichtslose condictio. Der Gläubiger hingegen, auf dessen Initiative, wenn auch ihm selbst nicht bewusst, die ganze Rechtsverwirrung entstanden ist, soll an Stelle seiner völlig wertlosen Forderung dingliche Befriedigung in barer Münze erhalten.
Unsere Ansicht aber gibt dem Eigentümer wenigstens den meist den Wert der Sache schon nicht erreichenden Versteigerungserlös, der Gläubiger aber steht im schlimmsten Fall, wo sein Schuldner tatsächlich ganz vermögenslos, hinterher noch immer genau so gut und genau so schlecht da wie vor der Pfändung: Ja sogar die durch sein nicht doloses Vorgehen ihm erwachsenden Versteigerungskosten darf er, um dies nebenbei zu erwähnen, von dem herauszugebenden Erlös noch abziehen, ihm ist also auch nicht der geringste positive Schaden erwachsen.
Unser Resultat für den gemeinrechtlichen Ausnahmefall, wie für den bürgerlichrechtlichen Regelfall der Unmöglichkeit der vindicatio der unrechtmässig versteigerten Pfandsache ist also das Gleiche: Ihr Eigentümer erhält eine condictio gegen den bereicherten Gläubiger.



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