Schriftzug

O. Gedichte

(O.1) Neujahrstag
(eingesandt.) [WB1]

Aus der Zukunft dunklem Schooße
Tritt hervor der Geist der Zeit,
Rüttelt neu des Lebens Loose,
Geltend für die Ewigkeit.
Allen Edlen, die ihm theuer,
Bringt er frohe Wünsche heut;
Doch der Zukunft dichter Schleier
Sinkt nur vor der Ewigkeit.

Heil dem edlen Menschenfreunde,
Der im hingeschwund’nen Jahr
Mit Verlass'nen Thränen weinte,
Armer Unschuld Retter war.
Schöner noch als Diademe,
Schöner als ein Ordensband,
Glänzt der Armen Freudenthräne
Auf des theuren Gebers Hand.

Heil dem Manne ohne Tücke!
Heil, dem braven Manne, Heil!
Ehrlichkeit im Herz und Blicke,
War ihm Recht um Gold nie feil.
Ungestört auf seinen Wegen
Schritt er ohne List und Trug.
Ihn begleite Gottes Segen,
Wie den Frevler ew'ger Fluch!

Heil dem Feind zum Freundschaftsbunde!
An des Jahres frischem Grab
Schwur er Treu, aus Herzensgrunde,
Allen Haß und Feindschaft ab.-
Groß ist's, Gott ergeben dulden,
Groß, der Unschuld Schutz zu leih'n,
Größer noch, der Feindschaft Schulden
Seinem Bruder froh verzeih'n.

Brüder, an die Bundeskette
Fasse Freund wie Feindeshand;
Um der Armuth Trauerstätte
Schlingt der Liebe schützend Band.
Ewig, schwöret, soll sie blühen,
Trotzen der Vergänglichkeit,
Übers Grab die Liebe ziehen,
Strahlen in Unsterblichkeit.

----------

(O.2) Auf dem Schaumberge bei Tholey.

1. Fernsicht.

Frei schweift das Aug' in ferne Weiten,
Nicht mehr begrenzt von engem Raum,
Schweift über Berge, Thal und Heiden,
Ruht auf des Baches Silberschaum.

Hebt träumend aus dem Thalesgrunde,
Sich kühn empor zum Sternenzelt,
Und Erd und Himmel geben Kunde,
Daß eine Macht regiert die Welt.

Zufriedenheit scheint dort zu wohnen,
Wo sich der Landmann angebaut;
Doch hier in diese Regionen,
Dringt nicht des Menschen Klagelaut.


2. Tholey.

Die alte Klosterkirche glänzt
Im milden Sonnenscheine,
Und deckt der frommen Brüderschaft
Längst modernde Gebeine.

Nicht rufen mehr um Mitternacht
Die feierlichen Klänge
Derselben Glocke, die jetzt tönt,
Die Mönche zu Gesänge

Leer stehen nun die Zellen all,
So wie der Klostergarten:
Es scheinet mir als wollten sie,
Auf die Bewohner warten.

Vergebens!- möge stille Ruh'
An ihren Grüften säumen;
Die neue Zeit macht's sich bequem
In den verlassenen Räumen.

Baumholder, August Kühlwein

[Der Name „Kühlwein“ taucht im Standesamt Baumholder in jener Zeit auf; Jakob, Carl, Johann Jakob, aber kein Schreiber namens August Kühlwein.]

----------

(O.3) Im Klosterkeller.

Die alten Klosterbrüder,
Die waren fromm und klug;
Sie wohnten in kleinen Zellen,
Zum Beten groß genug.

Doch unter den kleinen Zellen,
Da war ein Keller groß,
Wo Wein aus Kufen und Tonnen
Mit lustigem Sprudel sich goß.

Und über den Tonnen prangten
Viel Heiligenbilder zumal;
Sankt Urban und Maria,
Geschmückt mit dem Glorienstrahl.

Die alten Klosterbrüder,
Die waren vortrefflich bestellt;
Sie sorgten für Leib und Seele
Und mieden die falsche Welt.

Die alten Klosterbrüder,
Die sollen gepriesen sein!
Sie hatten fromme Gedanken
Und tranken guten Wein.
[WB31]

----------

(O.4) Weihe.

Ziehet hin geliebte Blätter,
Und beflügelt euern Lauf,
Zieht zum Landmann, zieht zum Städter,
Denn vielleicht macht Mancher auf.

Neu und anspruchslos geboren,
Einfach in die Welt gesandt;
Geht ihr in dem Reich der Horen
Mit der Bildung Hand in Hand.

Immer muß sie vorwärts streben,
Ewig rastlos wie die Zeit;
Dieser Sinn gibt euch das Leben,
Der dazu ein Schärflein beut.

Tadeln werden euch zwar Viele:
Doch dies kümmre euch nur nicht
Strebet muthig nach dem Ziele,
Und dem Kenner steht Gericht.

St. Wendel. X

----------

[WB32]

(O.5) Königsfeld bei Hermeskeil.
von F O. Classen

Heran, wo’s Kampf und Rettung gilt,
Heran, ihr tapfern Männer!
Bei Schwerterklang die Brust mir schwillt
Hinaus du edler Renner!

Es schmettert der Trompeten Ton
Zu Kampf und Sieg herbei:
Der Feinde Waffen blitzen schon:
Du Knapp, mein Schwert mir leih!

Kein Laut, kein Ton berührt das Ohr
Der kampfbegier’gen Heere.
Da stürmt der Ritter Macht hervor,
Gleich Brausen ferner Meere.

Der Helmbusch winkt, die Streitaxt blinkt
Gleich Löwen kämpft der Krieger;
Das Feld ist ganz mit Blut gedüngt,
Doch Keiner ist noch Sieger.

Doch ach, den Feldherrn läßt die Kraft
Er sinkt entseelt danieder,
Denn schon umhüllt des Todes Nacht
Des edlen Ritters Glieder.

Da hebt sich nun der Krieger Muth,
Verzweifeln faßt die Ritter:
Sie stürzen vor mit Tigerwuth
Wie Sturm und Ungewitter.

Es jagt der Feind in wilder Flucht
Mit Sturmeseil von dannen,
Getroffen von des Schwertes Wucht
Des tapfern Feldherrn Mannen.

Selbst alter Ritter Felsenbrust
Erbebt bei seinem Blicke;
Des schönsten Sieges hohe Lust
Verbittert das Geschicke.

Ihn birgt ein Grab von Hügelerd
Gethürmt von seinen Treuen.
Da liegt er mit dem Feldherrnschwert,
Der Tod in Feindesreihen.

An seinem Grabe steht ein Kreuz
Und schaut ergrauend nieder
Der Wandrer, der es sieht, er scheut’s
Und bebt an allen Glieder.

Doch Nachts, da steigt aus seinem Grab,
Mit Flor umhängt Paniere,
Der Feldherr mit dem Herrscherstab,
Durchreitet die Quartiere.

Sie stürmen nun in Kriegerstracht,
Der Feldherr an der Spitze,
Beginnen dann die Geisterschlacht
In wilder Kampfeshitze.

So kämpfen sie die ganze Nacht
Bei halbem Mondenscheine,
Bis senkt mit neuer Lebenskraft
Der Tag die Leichensteine.

Nicht Baum, noch Blume je es trug
Das öde, nackte Feld,
Wo jedes Jahr der Geisterzug
Sein grauses Kampfspiel hält.

So geht die Sag vom Königsfeld
Von Munde hin zu Munde,
Und Keiner geht um alle Welt
Dorthin zur nächtlichen Stunde.

[WB33]

----------

(O.6) Adelheid
(Aus F. Marx, „Todtengräber.“)

Droben auf des Berges Höhen,
An der Felsen jähem Hang,
Wo der Eichen Wipfel wehen,
Stand ein’ Burg Jahrhundert lang
In der Kämpfe blutig Streiten,
Wie in grauser, finstrer Nacht,
Trotzte sie dem Sturm der Zeiten
Und der Elemente Macht.

Schmetternd ließ das Hüfthorn schallen
Hin durchs lang gezogne Thal
Zu den fernen Burg=Vasallen
Ritter Kunz von Eichenthal.
In dem Kampf mit Räuber, Mörder(n)
Gegen Ritter=Raubgezücht,
Brachten ihre tapfern Schwerter
Untergang dem Bösewicht.

Doch der Gaben allerbeste Pracht
die holde, schöne Maid
Aus des Vaters hoher Beste
Seine Tochter Adelheid.
Hütte ging sie hin zu Hütte,
Frug der Armen Schmerz und Noth,
Horchte mild auf ihre Bitte,
Brachte täglich ihnen Brod.

Milde wirkte mit der Stärke
Eng vereint im Schwesterpaar
Froh der Nächstenliebe Werke
An dem Volke Jahr für Jahr.
Ihrer Thaten edles Streben
Schuf die Burg zum Zufluchtsort;
Wer verfolgt im nackten Leben
Fand dort sicher Schutz und Hort.

Wieder mit dem Heer der Mannen
Zog in später Mitternacht
Rüstigg Eichenthal von dannen
Hin zur heißen Völkerschlacht.
Schmerzvoll war der Tochter Scheidden,
Krampfhaft faßt sie seine Knie,
Ahnend ihre nahen Leiden,
„Vater, ach, ich seh dich nie!“

Monde sind dahin geflossen
Ohne Trost fürs Tochterherz,
Und die Erd mit Lenz umgossen
Findet wieder ihren Schmerz
In das Thal und in die Ferne
Weint ihr Blick von der Altan,
Bis des Himmels goldne Sterne
Kreisen in gewohnter Bahn.

Horch! da rufts durch Sturmestoben
Zu der hohen Vest hinauf:
„Mache Tochter schnell da droben
Deines Vaters Burgthor auf.“
Freudig sinkt das Gatter nieder,
Gibt den Rittern freie Bahn,
Die in fest geschlossnen Glieder(n)
Schweigend ziehn die Burg hinan.

Rache! brülln der Feinde Ritter,
Rache nun für so viel Schmach!
Rache hallen die Donner wieder,
Fürchterlich gleich jenem Tag!
Da erweicht kein heilig Flehen,
Nicht der Unschuld junges Blut;
Selbst, was ringt in Todeswehen,
Würgen sie mit kühlem Muth.

Um die blutbesteckte Stätte
Qualmt die dunkle Feuersglut;
Flammen zücken um die Wette
Himmelan mit Blitzeswuth.
Gierig reichen ihre Arme
Zu des höchsten Thurmes Haupt,
Bis von ihrer Macht umrungen
Es versinkt im Glutenstaub.

Wo ist? daß sie nicht entrinne,
Wo die stolze Adelheid?
Die verschmäht des Ritters Minne,
Sei jetzt seiner Wollust Beut.
Schrecklich tönt des Raubgrafs Brüllen
In der Jammervollen Herz:
Hingeopfert seinem Willen,-
Wer ermißt der Reinen Schmerz?

Bei des Feindes blutgem Sturme,
In der wilden Schreckensnacht,
Floh sie hin zum festen Thurme,
Unversehrt von Feindesmacht,
Flehend schaut sie auf zum Himmel,
Grüßend in das tiefe Thal.
Horch! da nahet sich Getümmel;
Schnell entschieden ist die Wahl.

Kühn, entsetzlich anzuschauen,
Schwebt sie auf des Thurms Altan;
Ohne Furcht und ohne Grauen
Wandelt sie die Todesbahn.
Einmal noch hin in die Ferne
Schwebet lang der letzte Blick;
Vater, über jenen Sternen.
Vater, ach!.

Komm mein Kind! tönts in dem Grunde,
Eile dich, o Adelbeid!
Diese kurze Kampfesstunde
Ewig mich mit dir vereint!
Ruhe aus an meinem Herzen,
Ach! wie froh war ich auf heut,
Hin sind ja des Lebens Schmerzen,
Nichts trennt uns, nicht Ewigkeit.

Ihres Frühlings Blütenhülle,
Früh gestreift vom Lilienstab,
Trugen in des Morgens Stille
Jungfraun zu des Dorfes Grab.
Hier in feierlicher Stunde,
Bei der Reinen Blumenmahl,
Traten sie zum heilgen Bunde:
„Unschuld oder Todeswahl.“

In dem öden Burggetrümmer
Wohnt schon lang Vergessenheit,
Doch die Sage lebt noch immer
Von der schönen Adelheid.
Aus der Jungfraun reinem Munde
Hört ich es im stillen Thal:
„Treu wir halten an dem Bunde,
Unschuld oder Todteswahl.“

[WB36-37]

----------

(O.7) Der Greis.
(Aussicht auf den Friedhof von Fr., über welchen im Sturm und Schneegestöber ein Greis am Stabe wankt!)

Einen Greis dahin zum Friedhof schwanken,
Seh ich zittern an dem schwachen Stab;
Bald zerbrechen seines Lebens Schranken;
Was ist der Mensch, der schleicht zum Grab?

Winde wehen drohend von dem Thurme,
Wehren ab den Greis vom Todtenrein.
Doch er will, er muß und trotzt dem Sturme,
Klammernd an des alten Thors Gesein.

Rastlos ringt und kämpft des Menschen Streben,
Schaut zum Wogensturm mit kühlem Muth,
Setzt sein Alles, ja sein einzig Leben
An das feilste wie ans höchste Gut.

Was dem Kind entfremdet Spiel und Freude,
Was des Jünglings ungestillter Durst,
Was der Mann verfolget in die Weite,
O, es wohnt nicht in des Greises Brust.

Hast den Frieden, Greis, noch nicht gefunden?
Wie, du kehrest leer vom Grab zurück!
Eile dich, es Rinnen schnell die Stunden,
Jenseits suche deines Geistes Blick!

Furchen kleiden deine blassen Wangen,
Bald erlischt des Lebens letzte Kraft;
Ist Nimmer ruht des Herzens irdisches Verlangen,
Immer glüht der Heerd der Leidenschaft.

Horch, es tönt vom Thurm wie Todtenweise,
Sucht er Frieden in dem engen Grab?
Nein, ein Säugling schlummert heilig, leise;
Er sucht fort mit seinem Wanderstab.

Selbst wenn Nacht und Tod das Aug umschweben,
Uns ergreift die kalte Eiseshand,
Gehn wir weinend aus dem falschen Leben,
Wir, mit seinem Truge wohlbekannt.

F. Marx.

[WB37]

----------

 
(O.8) Lebensziel.


Wer in der Kindheit goldnem Traume,
Von Bildern reiner Lust umschwebt,
Das Auge auf zum Himmelsraume
Mit kindlich frommem Herzen hebt,
Dem hat das wahre Ziel gelacht,
Das schon die Kindheit glücklich macht.

Wer in des Jünglings Rosentagen
Der Jugend frische Gluth bewahrt,
Zum kühnen Streben und Entsagen
Begeisterung und Kraft schon paart,
Der glückliche hat früh erkannt
Sein Ziel, das Mancher nimmer fand.

Wen bei des Mannes treuem Schaffen
Der Jugend reines Feuer stählt,
Daß er mit fleckenlosen Waffen
Für Recht nur kämpft und stets erwählt
Der Wahrheit treue Führerhand,
Der hat des Mannes Ziel erkannt.

Wer noch als Greis mit Kindesminne
Die Menschheit liebeheiß umfängt,
Und mit des Jünglings frohem Sinne
Und Mannes Ernst an Allem hängt,
Was wahr und edel, gut und groß,
Der fand sein Ziel:- Ein schönes Loos!

[WB38]


----------

(O.9) Die arme Maid.

Holder Frühling wiederkam,
Blühend, duftig, wundersam;
Und der Himmel, blau und rein,
Schien so warm ins Herzelein
Grünte jede kleine Stelle,
Hüpfte leichter jede Welle
Leben ward so sonnig.


Trauernd saß allein die Maid,
Schöne Augen voller Leid,
Hatt vom Frühling nichts gesehn,
Wollte nur vor Schmerz vergehn;
Jedes grüne Rosenbette
War ihr eine Todtenstätte,
Um sie war es öde. Nun


Seiner einzig sie gedenkt,
Den sie jüngst ins Grab gesenkt;
Ach, an seinem treuen Arm
Schlug das Herz so frühlingswarm.
Bäume wohl voll Blüthen hangen
Bleich die Rosen seiner Wangen,
Blüthen, keine Liebe.

Horch, wie rauscht so süß der Bach,
„Rauschet doch mein Lieb nicht wach.“
Sahst den bunten Wiesenplan?
„Meine Augen ihn nicht sahn!“
Hände schlingen sich zum Tanze. „
Blumen auch zum Todtenkranze.“
Wechselnd ist das Leben.

Und sie wandelt träumend fort
Satt vom Grame, ohne Wort;
Schaut so tief ins kühle Gras,
Bis es wird vom Weinen naß,
Aus verborgnem Blätterkranze
Blickt in hellem Thränenglanze
Zu ihr auf ein Veilchen.

Und ihr Auge starret hin,
Klarer wird der wüste Sinn:
„Solch ein stilles Veilchen traut
Pflückt er mir, der selgen Braut,
Oft an dieser selben Stelle,
An geschwätzger Silberquelle,
Spricht’s und pflückt das Veilchen.

„Bringst von ihm mir stillen Gruß
Lohne Dirs mit heißem Kuß?“
Denkts und tritt beim Abendschein
In ihr ödes Kämmerlein.
Dort das Veilchen bald verblühet,
Mädchen Leben schnell verglühet,
Leben welkt wie Blumen.

[WB40]


----------


(O.10) Liebes=Erklärung.
M. G.

Verschwieg’ner Liebe dumpfe Qual
Mein armes Herz durchbricht:
Getragen hab ichs lange schon,
Doch länger trag ichs nicht.

Und hin zu ihr flieg ich zur Stund’
„Rosa! Ich liebe dich;
Und sprich, und sprich, du süßes Lieb,
Liebst du, liebst du auch mich?“

Und lispelt Ja! das holde Kind,
Und sinkt an meine Brust:
Dann ist die Erde viel zu klein
Der Größe meiner Lust.

Für alle Welten weitet sich
Des sel’gen Herzens Schrein,
In meines Liedchens Liebesblick
Sind alle Himmel mein.

Doch spricht sie Nein!-
Dann ists vorbei
Mit mir und meinem Herz;
sterbe nur, so fühl ich nichts
Von Liebe mehr und Schmerz;

Und schleiche auf mein Stübchen still,
Rauch meine Pfeife dort,
Und les in meinem Cicero,
Und vegetir so fort.

[WB41]

----------


(O.11) Zum Geburtstage Sr Majestät des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm IV.

Von dem fernen Memelflusse
Bis hierher zum Rheinesstrom,
Steigt in jubelndem Ergusse,
Freude auf zum Himmelsdom.

Donnernd fallen die Kanonen
Zu dem Ton der Freude ein,
Dieser Tag soll Millionen
Nur ein Tag der Freude sein!

Weg, o Landmann, mit dem Spaten!
Lege an dein Feierkleid,-
Denn in prächtigen Paraden
Stehet die Armee bereit.

Ziehe durch die Ehrenpforte;
Musik, Trommel und Gesang
Uebertönen nicht die Worte:
Friedrich Wilhelm lebe lang.

Söhne aus dem Rheineslande,
Keltert euren Feuerwein;
Füllt den Becher bis zum Rande
Von dem Saft am deutschen Rhein:

Trinkt aufs Wohl in frohen Kreisen,
Unsres vielgeliebten Herrn,
Seiner Majestät von Preußen;
Deutschlands Zier und größtem Stern!

Preußens edle Töchter streuen
Blumen auf des Theuren Pfad,
Der durch seines Volkes Reihen,
Nur als milder Vater naht:

Zu beschützen, zu beglücken,
Ist sein hoch erhabnes Ziel
Darum laßt ihm Blumen pflücken,
Treu mit dankbarem Gefühl.

Fleht an eurem Haus=Altare,
Heut an diesem hohen Tag,
Daß der Himmel viele Jahre
Ihn noch uns erhalten mag;

Daß der Keim begonnner Saaten
Sich zur schönsten Frucht enthüll,
Zu dem Schmuck, im Glanz der Thaten,
Um das schöne Königsbild.

Baumholder, A. Kühlwein, Landwehrmann.

----------

[WB42]
(O.12) Zum 13. Oktober 1842.
Melodie: Am Rhein, am Rhein etc.

Er kam, er kam heut abermals uns wieder.
Der wonnevolle Tag!
Aus voller Brust, echt deutsche, treue Brüder,
Tön’ ihm hier Jubel nach!

Es ist der Tag, an dem einst ward geboren,
Der unser König ist,
Dem Gott bis heut  zu unserm Heil erkoren,
Das Leben hat gefrist’t

Gott lenk des Vaters Herz; stets uns zum Segen
Pochs liebvoll unterm Stern!
Dann schlägt auch Ihm der Kinder Herz entgegen
Und huldigt heut Ihm gern.

Ja, rein und warm glühn dann die Herzen alle
Für Ihn an Seinem Fest,
Und Herzerguß ists, was mit frohem Schalle
Der Mund laut hören läßt:

„Auf! laßt uns denn Fritz Wilhelm hoch erheben
„Und benedeien Ihn!
„Trinkt auf Sein Wohl; Gott laß Ihn lang noch leben
„In Glück und Segen blühn!
„Die Gläser voll! Hoch! töns am Himmel wieder,
Hoch lebe Preußens Haus.

„Hoch, dreimal hoch sein König, der so bieder!
„Stoßt an und trinket aus!“

J. S. g. E.

Beide Gedichte wurden bei dem hiesigen Festmahle vorgetragen und mit vielem Beifall aufgenommen. Die Red.

[WB42]


----------


(O.13) Das Reich der Nacht.

So ist sie denn hinabgesunken,
Die Sonne, mir so schwer verhaßt,
Das trockene Gestirn des Tages
Mit seiner Herrschaft Centner=Last.

Der harte Gott, zu dem kein Flehen
Um Linderung, um Schonung dringt,
Wann er den goldnen Strahlen= Büschel,
Die große Frohnvogts=Ruthe, schwingt.

Sein Reich ist aus;- und prächtig weitet
Ein Hochgefühl die Menschenbrust
Sich selber nun zurückgegeben
Schmeckt sie der Freiheit Himmelslust.

Ja von dem Druck der Tages Qualen
Zu hohem Selbstgefühl erwacht,
Tritt setig Jeder in das weite,
Das schwärmerische Reich der Nacht.

Und ihr, mild leuchtende Gestirne,
Am Firmamente hingestreut,
Ihr seid ja hold dem Erden=Sohne,
Der Euerm Dienst sich liebend weiht.

Hoch schwärmend durch der Wetten Räume
Wehrt ihr dem Menschen=Herzen nicht,
Das sich in weite, schöne Fernen
Der Sehnsucht Bahnen träumend bricht,

Dem Herzen, das, vom argen Lichte
Getäuscht, ins dunkte Nacht=Reich schweift,
Und dort, in euern Zauberkreisen,
Nach seines Sehnens Bildern greift.

Ihr zürnt ihm nicht, ihr hüllet milde
Das arme Herz in Glück und Ruh,
Und schickt ihm das ersehnte Liebste
Im Kusse eines Traumgotts zu.

M. G.

[WB43]

----------

(O.14) Das Geranium

Du, gepflegt von ihren Händen,
Du vor allen auserwählt,
Ihr zu athmen Duftesspenden,
Von so süßer Näh beseelt:
Nimmer nach dem Heimathlande
Sehnst du dich aus fremder Flur,
Denn dich hält mit heilgem Bande
Eine schönere Natur.

Nimmer schaust du, wie im Kreise
Sich die raschen Zeiten drehn,
Nimmer darf mit Sturmesweise
Winter deinen Schmuck bewehn.

Ueberseliger Genosse
Theilst du ihres Stübchens Raum,
Lächelst sanft mit jedem Schosse
In der Holden Jugendtraum.

Freundlich naht sie, dich zu pflegen,
Froh den Blick dir zugewandt,
Und es kühlt mit mildem Regen
All dein Dürsten ihre Hand.

Ihrer Augen Sonnenscheinen
Ruft die Blüthe dir hervor,
Und dir singt in ihrer reinen
Stimm ein Nachtigallen=Chor.

Auserwählt vor den Geringern
Hauchst du Düfte glutentzückt,
Wenn sie mit den zarten Fingern
Dir die Blätterhände drückt.
Nimmer, wie in frühern Tagen,
Soll mit stolzem Herrschersinn
Die erblühte Rose sagen:
Ich bin Blumenkönigin.

Du, von ihrem Hauch durchdrungen,
Seliges Geranium,
Hast die Krone dir errungen
In der Blumen Königthum!

[WB45]

----------

(O.15) Am Grabe der früh verstorbenen Demoiselle Henriette Raquot,
den trauernden Eltern und Geschwistern derselben gewidmet.

Was gibt uns Trost, wenn aus den Blüthentagen
Ein Leben fällt, wie abgestorb'nes Laub?
Wenn man zu Grabe sieht die Jugend tragen,
So lebensfroh- des Todes bitt'ren Raub?
O, weinet ihr! laßt eure Thränen fließen!
Was ihr beweint, bringt uns kein Frühling mehr!
Fest wird das Grab ein Jugendherz umschließen,
Und seine Stelle bleibt hier freudenleer.

Wir sahen sie in heitern Jugendspielen-
Die Welt lag rosig noch vor ihrem Blick-
O, die im Frühlingstraum erwachenden Gefühlen,
Sie ahnten nicht ihr nahendes Geschick!
Sie ahnte nicht, daß Gottes Vatergüte
Sie aus dem Labyrinth der Welt schon rief:
O, dem ist wohl, der kindlich im Gemüthe,
Wie sie, so unschuldvoll und rein entschlief!

Der Schmerz ist herbe, der euch hat getroffen;
Er schneidet tief in eure Herzen ein!
Doch Jenseits steh'n euch ihre Arme offen,
Wo keine Trennung, wo kein Schmerz wird sein.
Rein ging sie hin zu jenen lichten Höhen-
Der Friede ruh' auf ihrem Todtenmahl!-
Sie ruft euch zu ein ew'ges Wiedersehen!
Umflossen schon von dem Verklärungsstrahl.

Baumholder den 30. Oktober 1842.
August Kühlwein.


[Henriette Louise Raquot
* 28.01.1824 in Baumholder
+ 27.10.1842 in Baumholder.
Tochter von Wilhelm Carl Raquot und Louise Cullmann]

[WB44]

----------

(O.16) Bürgerlied.

Bürger sein und Bürger heißen,
Dieser Unterschied ist groß:
Aechtes Gold wird Jeder preisen,
Falsches aber schimmert blos.
Es genügt der Name nicht,
Wenn der inn’re Werth gebricht.

Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Sorge für den eignen Heerd,
Schaffen muß er mit Begierde,
Daß des Hauses Gut sich mehrt.
Bürger, übet Eure Kraft!
Arbeit ists, die Wohlstand schafft.

Schwach ist eines Mannes Streben,
Stärke giebt uns der Verein!
Einer rief nicht Städt’ ins Leben,
Alle halfen, groß und klein.
Was der Bürgergeist erdacht.
Hat Gemeinsinn schön vollbracht.

Alles irdische Bestreben
Läutere die Religion;
Gott allein die Ehre geben,
Sei das Ziel und auch der Lohn.
Fromme Bürger haben acht
Auf der heilgen Kirche Wacht.

Einheit ist des Staates Seele,
Drum uns Gott den Fürsten gab,
Daß er ordne und befehle,
Allen ist er Schutz und Stab.
Treuer Bürger freudig Wort
Preist den Fürsten, ihren Hort!

Still des Hauses Glück zu bauen,
Der Gemeinde gern sich weihn,
Fromm der Kirche zu vertrauen,
Treu dem Fürsten stets zu sein.
Wer durch Beispiel dieses lehrt,
Hat als Bürger sich bewährt

Bürger sein und Bürger heißen,
Ja, der Unterschied ist groß;
Bürger sein, ist hoch zu preisen,
Bürger heißen, schimmert blos.
Es genügt der Name nicht,
Wenn der Bürgersinn gebricht.

[WB46]

----------


(O.17) Der Diplomat.

Sanct Michel ist ein Edelmann, Der kaum bis hundert zählen kann;
Ein Pferd ist klüger, meiner Treu! Allein, der Herr hat Geld wie Heu.
Wie Bimbam einst sein großer Ahn, Will wandeln er des Ruhmes Bahn.
Was blieb ihm übrig? In der That
Nur eins. Er wurde Diplomat.

O seh’t ihn dort auf seinem Fleck! Er kümmert sich um jeden Dreck,
Und von der Zehe bis zum Kinn Kennt er fast jede Tänzerin;
Der feinste Schmecker, auch wohl Koch, Schlürft er Champagner, wie ein Loch,
Und wird’s ihm sauer, weiß er Rath,
Denn dafür ist er Diplomat.

Giebt es am Hofe großen Ball, So sieht man ihn dort überall
Scharwenzeln, dienern mit Geschick Und lächeln mit verschmitztem Blick,
Und fragt man ihn, er sagt nicht Nein, Die Antwort wäre zu gemein;
Doch hat er auch nie was bejaht,
Denn dafür ist er Diplomat.

Sein Wesen das ist stets sublim, Und seine Haltung legitim.
Er wendet sich bald so, bald so, doch immer à la Rococo.
Hat er vor allem nur bedacht,
Was eignen Vortheil ihm gebracht.
So zeigt er’s jedem durch die That,
Er sei ein wahrer Diplomat.

Und kommt ihm ’mal von ungefähr Des Landes Wohlfahrt in die Quer,
So giebt’s zur neuen Frage Stoff, Und die berichtet man nach Hof.
Dann stochert er die Zähne aus, und gehet gottvergnügt nach Haus,
und so beweist er durch die That,
Er sei ein feiner Diplomat.

Die Welt indeß geht ihren Lauf, Der status quo hält sie nicht auf;
Sie rücket sich von selbst zurecht, Für diesen gut, für jenen schlecht.
Und unser Herr für solche Kunst Erlangt bei Hofe große Gunst;
Da lobt man seine kluge That
Und meint: d a s  sei ein Diplomat.

[Quelle: Lichtbilder aus dem Schattenreiche => siehe „Anzeigen“.
Gedicht: https://books.google.de/books/edition/Lichtbilder_aus_dem_schattenreiche
Seite 73-74]

----------

(O.18) Der Spätherbst.

Falbe Blätter wehn im Winde auf den grünen Wiesenmatten,
Die noch jüngst so grünen Bäume bieten nicht mehr kühlen Schatten;
Traurig recken sie die Aeste, allem Stolz und Schmucke daar,
Wie ein Achtziger am Stabe wankt im langen Silberhaar.

Herbst!- Du gleichst dem rauhen Manne, der kein Mitleid in dem Busen
Wahret- der zerrauft die Kränze, die uns winden holde Musen,
Finster grollen deine Augen, vor die Stirne seh ich ziehn
Schwarze Wolken, wie sie öfter vor dem schwachen Mondlicht fliehn!

Sollt man glauben, daß auf diesen, jetzt so traurig öden Aesten,
Unter grünem Blätterschmucke, Vöglein bauten ihre Resten;
Daß aus einem hellen Dunkel so melodischer Gesang-
Wie die Lieb aus Jugendherzen- zu dem Ohr des Wandrers drang!

Flüsternd und mit Zögern eilte die geschwätzge Wiesenquelle,
Durch der Erlen schlanke Rheihn,- gerne blieb sie auf der Stelle
Wo sich an dem Waldessaume schmucke Blümlein ohne Zahl,
Unter kühlem Blätterdache schützten vor der Sonne Strahl.

Wenn in tiefem Waldesdunkel Philomela Lieder hauchte
Und die Abendsonne scheidend, noch in grüne Wipfel tauchte,
Dann drang sehnend zu dem Herzen Deiner Räume Zauberlicht;
Abendhain- du Liebestempel! sage an, wer kennt dich nicht?

Aber wo ist all das Schöne- wo sind diese Herrlichkeiten-
Wo das Laubdach- wo die Blumen- wo der Quelle sanftes Gleiten;
Glatt und rauh hinweg gestreifet, von des Herbstes rauhen Händen,
Fliegt das Laub im Winde ledig und es stehn die nackten Enden,

Klagend zu dem trüben Himmel, ob der sie getroffnen Schmach;
Lange können sie noch harren bis er sie erhören mag!
Zürnend und mit lautem Grolle stürzt der Wiesenbach von hinnen,
Schäumend über glatte Steine,- will nicht mehr am Walde minnen,

Drinn- wie im zerfallnen Schlosse- rauher Nord verwüstend haust,
Daß dem nächtlich einsam Wandrer ihm bis an die Seele grauft.
Alldie duftend schönen Blumen hat der Herbst ins Grad geleget;
Hat sie auf dem Wiesenplane und am Walde weggefeget;
Rein hinweg!- Was Lenz und Sommer so verschwenderisch gebracht,
Ward, wie von Barbaren Händen, ganz zerrupst in einer Nacht.
Doch auch zeigend, daß er Blumen zaubern kann aus seinem Schooße,
Stellt er auf dem Wiesenplane einsam hin die Zeitenlose.

Traurig senket sich die Schlanke, sucht ein holdes Schwesterpaar,
Sie erscheint im Frühlingsreigen, aber ihrer Blüthe baar.
Baumholder        A. Kühlwein

[Die Zeitenlose ist die Herbstzeitlose. Bekanntlich blühet sie im Herbste, Frucht und Blätter aber kommen erst im Frühjahr.] [WB46]

----------

(O.19) Eine alte Jungfer an ihren geliebten O.!

An Dich du guter, warmer Freund,
Sei dieß mein innges Wort gerichtet;
Mit mir hast Du’s stets treu gemeint
Und so zur Liebe mich verpflichtet.

Du bist verkannt so wie ich hör!
Man dreht verächtlich Dir den Rücken;
Du rächst Dich nicht: Du kennst zu sehr
Der Menschen Launen, Spott und Tücken.

Auch ich ward einst geliebt, gelebt,
Gewann so manches freies Herze;
Doch nun hab ich sie, ach! erprobt
Der Männer Flattersinn und Scherze.

Die Männer taugen all nicht viel,
Noch lebte sicher kein Getreuer;
Betrug und Falschheit ist ihr Ziel,
Dieß lehrten mich die losen Freier.

Verlassen schweb ich einsam hier:
Denn Allen hab ich Haß geschworen,
Und Dich, Geliebter! glaube mir,
Zum ewgen Freunde auserkoren.

In Deiner Näh nur sind ich Lust,
Bei Dir vergeß ich alle Leiden.
schwillt mir hoch die kranke Brust!
Uns kann des Todes Hand nur scheiden.

Man böte mir des Crösus Gold
Mit dem Bedeuten, Dich zu lassen:
Ich blieb Geliebter Dir nur hold
Denn ohne Dich müßt ich erblassen.

Ich eil zu Dir, ich schmacht nach Dir,
Bei Dir weil ich mit Götterfreude;
Nur Dir leb ich; es banget mir
Wenn ich von Dir Geliebter, scheide.

Ich könnte nirgends froher sein,
Nicht unter Schranzen, nicht bei Zofen;
Bei Dir ist Lust und Wonn allein,
Bei Dir, Du treuer, warmer Ofen.

Illingen den 20. November 1842.
Schlegel.

[WB49]

[Johann Michael Schlegel, * 24.05.1818 in Saarlouis, Sohn des Polizeisergeanten Andreas Schlegel (1799-1822) und seiner ersten Ehefrau Margaretha Becking, heiratete am 22.04.1845 in Birkenfeld Elisabeth Heindl. Er war Lehrer in Berus, Bisten und Illingen. Dort ist er 24.05.1852 gestorben. (freundlicher Hinweis von Dieter Eckstein, www.carosaar.de).]

----------

(O.20) Poesie des Geschäftslebens.


Buchstab und Geist.

Starr und kalt wie Erz,
Ohne Sinn und Herz,
Steht das todte Zeichen
Fest auf seinem Posten,
Will nicht haarbreit weichen,
Mag's ein Leben kosten!
Hundert stockgelahrte Herren
Rütteln, schütteln, ziehen, zerren
An dem ungefügen Wort;
Starr und todt bleibt's fort und fort.

Liebend und lebendig,
Ruhig und verständig
Schwebt der freie Geist darüber,
Und zum Leben geht der Buchstab' über.


Oeffentlichkeit.
Fragt ihr, ob wir Licht bedürfen,
Ob der Lenzluft, die wir schlürfen?
Ob des Leides Ruh' und Pflegung?
Ob der Nahrung und Bewegung?
Und ihr fragt: „Des Rechtes Halle
Soll sie offen stehn für Alle?“


Ehrenbecher.
Sendet blanken Ehrenbecher
Dir die Menge, kühner Sprecher,
Und du schaust ihn glanzgeblendet;
Denk' daran, wie manches Mal
hat sie andern Dankpokal
Einem Sokrates gesendet.

[WB51]

----------

(O.21) Esther am Christag.
Ich sehe Lichter schimmern aller Orten,
In jeder Hütte brennt der Weihnachtsbaum;
Die Freude ziehet ein in alle Pforten,
Der harten Winterzeit gedenkt man kaum.
In ihren Herzen glüht des Lenzes Prangen,
Denn heute haben sie den Christ empfangen.
Wie klingen feierlich die Orgeltöne
Vom nahen Gotteshause zu mir her,
Und daß der Himmel selbst die Feier kröne,
Läßt er erglänzen seiner Sterne Heer.
Mir ist, als säh ich Engel niedersteigen,
Auf daß sie sein des Festes Zeugen.
Ich sitze einsam in der dunkeln Kammer,
Und blicke trauernd in die Nacht hinaus,
Nicht darf ich Jemand zeigen meinen Jammer,
Man stieße sonst mich grausam aus dem Haus.
Ein hart Gesetz ist wider mich verschworen,
Und ach! für mich ist nicht der Christ geboren!
W.

[Die biblische Erzählung im Buch Ester beschreibt die Umkehrung eines geplanten Genozids (Völkermord) an den Juden im persischen Reich im 5. Jahrhundert vor Christus: Nachdem der persische König seine erste Frau verstoßen hat, wird die jüdische Waise Ester, die nach dem Tod ihres Vaters von ihrem Cousin Mordechai aufgezogen wurde, die neue Ehefrau des Königs, verheimlicht aber ihre jüdische Abstammung. Mordechai hat einen Posten am Tor des königlichen Palastes; als er einen Plan, den König zu ermorden, vereitelt, erwirbt er dessen Gunst, aber auch den Neid des höchsten Regierungsbeamten Haman. Der überzeugt den König, ein Edikt zu erlassen, am 13. Tag des 12. Monats (Adar) die jüdische Bevölkerung samt ihren Kindern zu vernichten. Ester erfährt von Mordechai von dem Edikt und spricht mit dem König. Der erkennt, dass Haman sein Vertrauen missbraucht hat und läßt Haman aufhängen. Da er sein eigenes Edikt aber nicht zurücknehmen kann, erläßt er ein zweites Edikt, das den Juden gestattet, für ihr Leben zu kämpfen und ihre Feinde zu vernichten. Mordechai organisiert die Juden, die am 13. Adar alle zehn Söhne Hamans und in allen 127 Provinzen 75.000 Männer umbringen. Ester bittet den König, die Geltung des Edikts in Susa um einen Tag zu verlängern, daraufhin werden in Susa am 14. Adar weitere 300 Männer getötet. So wird aus dem geplanten Genozid an den Juden ein Massenmord an den Feinden der Juden. Zur Erinnerung an ihre Rettung durch Ester feiern die Juden das Purimfest.
Christa Lippold, die ich um Hilfe bat, schreibt: Mit der biblischen Esther hat das Gedicht sicher nichts zu tun – es ist das junge jüdische Mädchen in St. Wendel um 1842, vielleicht Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie, in St. Wendel aufgewachsen, geht dort eventuell sogar zur Mädchenschule – aber durch Familientradition vom Christfest ausgeschlossen und dadurch von der Festfreude der christlichen Freundinnen in der Stadt getrennt. Diese Einsamkeit empfinden heute oft muslimische Mädchen, als Mädchen durch die Familientradition stärker gebunden als Jungen, die eher ausgehen dürfen, sich sogar einladen lassen bei deutschen Freunden.
Viele muslimische Familien bei uns haben jetzt einen Weihnachtsbaum für ihre Kinder und da die deutschen Klassenkameraden kaum noch in die Kirche gehen, gleicht sich die Festgestaltung an.
Dass es seit neuestem einen Ramadan-Kalender bei dm gibt, zeigt aber, wie sehr manche muslimische Kinder unsere Festbräuche sehnsüchtig beobachten. WB52]

 

----------

(O.22) Da muß die Armuth leiden Noth!
Nachstehende Reime, welche einst auf dem Rathhaus zu Gotha standen, mögen noch heute ihre volle Bedeutung haben:

„Wo der Bürgermeister schenkt den Wein,
Die Fleischer mit im Rathe sein,
Und ein Rathsherr bäckt das Brod,
Da muß die Armuth leiden Noth!“
[WB34]

----------

(O.23) Ein frommer Neujahrswunsch.
Pastor Erdmann Neumeister - als geistlicher Liederdichter in den meisten neuen Gesangbüchern fortlebend - begrüßte einst seine Gemeinde von der Kanzel mit folgendem Neujahrswunsch:

Ich wünsche Jedermann den Donner und den Hagel
Des Wortes, daß es euch durch Herz und Seele dringt;
Die ganze Welt hängt ja die Gottesfurcht an Nagel,
Und dieses ist der Zwang, der ihre Herzen zwingt.
Brecht Hals und Bein entzwei, ihr Eltern und ihr Kinder,
Dem Adam, welcher euch zum Bösen stets erweckt.

Den Teufel wünsch ich euch, ihr unbekehrten Sünder,
Nicht zwar, daß er euch hol’, vielmehr euch nur erschreckt;
Ich selber will nach nichts als Mord und Todschlag ringen
Des Fleisches, welches uns zum Uebel nur erhebt.
Der Himmel lasse nur den Wunsch jetzo gelingen,
So heißt es recht vergnügt, so heißt es wohl gelebt!

[Erdmann Neumeister (* 12. Mai 1671 in Uichteritz; † 18. August 1756 in Hamburg) war ein deutscher Kirchenliederdichter, Poetiker und Theologe der Barockzeit.]   [WB48]



Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
E-Mail:  alsfassen(at)web.de  (c)2009 hfrg.de

Diese Website durchsuchen

Suchen & Finden  
erweiterte Suche