Von unserem Haus bis zur Straße führt eine etwa 20 Meter lange Einfahrt, die wir vor ein paar Jahren recht aufwendig anstelle der alten Schottereinfahrt haben anfertigen lassen. Sie wird auf der einen Seite von der Wiese vor unserem Haus gesäumt, auf der anderen von einem lang gestreckten Block, der früher aus bei Häusern, aus dem im Lauf der Zeit drei wurden, alle 3 mit verschiedenen Eigentümern, die wir alle 3 nicht kennen, weil keiner von Ihnen hier wohnt. Der Block hat seine Front in die andere Richtung
Alle 3 Teile sind vermietet; Nummer 11 unten an der Straße an unterschiedliche Mieter, die folgenden 13 und 15 an den Landkreis. Und der hat dort Flüchtlinge untergebracht. Wer in Nummer 15 wohnt, wissen wir nicht, die Leute kriegt man nicht zu sehen (ab und zu zu hören, aber hält sich in Grenzen). In 13 wohnt eine syrische Familie; er und sie und 4 oder 5 Kinder. Nummer 13 hat eine Tür zu unserer Einfahrt hin. Zwischen Haus und Einfahrt ist ein schmaler Streifen Land, wo der Mieter einen kleinen Garten angelegt hat und wo seine Mülltonnen stehen. Der Mülltonnen hier bei uns gibt es vier: eine gelbe für Plastikverpackung, eine grüne für Biomüll, eine blaue für Papier und die schwarze für den Restmüll. Die Tonnen gibt es in mehreren Größen: wir haben 4 kleine, weil unser Haushalt nur aus 2 Personen besteht. Nummer 15 hat seine Tonnen an der Vorderseite stehen, Nummer 11 auch an der Rückseite.
Bezahlen müssen wir nur für die schwarze und die grüne Tonne, die Leerung der blauen und der gelben sind kostenfrei.
Seltsamerweise standen bei Nummer 13 fünf Tonnen - die üblichen 4 und eine große gelbe noch daneben. Ich hatte immer angenommen, daß die zusätzliche gelbe Tonne zu Nummer 15 gehört und sie nur hier hinten steht, weil man in 15 nichts damit anzufangen weiß.
Dies war ein Trugschluss, und davon will ich erzählen.
Normalerweise kommen wir mit unserer gelben Tonne gut aus; wir trennen den Müll so gut es geht, und dann wird die gelbe nach 14 Tagen (das ist der Abholrhythmus) auch immer gut voll. Jetzt hatten wir einmal vergessen, die gelbe Tonne rauszustellen; das war nicht so schlimm, denn sie war erst etwas über halb voll. Kommt schon mal vor. In den nächsten 14 Tagen hatten wir aber – wie der Teufel es will – ein etwas erhöhtes Müllaufkommen für eben diese Tonne.
Jetzt hätte ich gern die Einwohner von Nummer 15 gefragt, ob sie etwas dagegen hatten, dass ich dieses eine Mal ihre Tonne verwendete. Sie hatten dadurch keine Nachteile gehabt, denn sie benutzen sie eh nicht, und meine Verwendung würde ihnen keinen finanziellen Nachteil bringen, weil die gelben halt eben nichts kosten. Aber in 15 wohnten früher Ukrainer, die kein Wort Deutsch verstanden. Mittlerweile waren wohl wieder andere Mieter eingezogen, die ich nicht kannte. Ich ging auf die Vorderseite, läutete, aber es machte niemand auf.
Also ging ich zurück, schnappte mir die gelbe Tonne (die ganz rechts am Rand) und rollte sie hinauf in unserem Hof, um sie zu befüllen. Das war am Samstag, am Montag würde sie geleert werden. Das wurde sie auch, und bevor ich sie wieder an den Platz stellen konnte, stand sie dort schon, aber jetzt mit breitem durchsichtigem Klebeband einbruchsicher abgeklebt. Die Maßnahme hatte der Syrer durchgeführt; ich wunderte mich, kam aber nicht dazu, ihn darauf anzusprechen.
Einige Monate darauf war wieder so eine Situation, und wir hatten zu viel für unsere Tonne. Also schnappte ich mir die Lehre zugeklebte Tonne, entfernte das Band, füllte sie auf und ließ sie bis Sonntagabend auf unserem Hof stehen Am Sonntag fiel uns auf, daß der Syrer aus 13 die Auffahrt hoch und runter lief und auch unten an der Straße entlang, als ob er etwas suchen würde. Die Tonne konnte das ja schlecht sein, dachte ich, es ist ja nicht seine; die hier gehört ja zu Nummer 15.
Trotzdem läutete am Sonntagnachmittag die Haustürklingel, und draußen stand der Herr aus Syrien mit finsteren Blick und sein Sohn. Letzterer fragte mich mit anklagender Stimme, wie ich dazu käme, ihre gelbe Tonne mitzunehmen und einfach zu füllen, ohne sie zu fragen. Ich stutzte und entgegnete, das sei doch gar nicht ihre Tonne, sondern die von 15. sein Vater fragte etwas auf - vermutlich - syrisch, und der Sohn antwortete in gleicher Sprache. Der Vater antwortete, und der Sohn übersetzte. Nein, nein, die Tonne gehöre ihnen, sagte er; schließlich seien sie 7 Leute, da brauchen Sie auch zwei große Tonnen. Ich fragte dann, wenn sie die beiden großen Tonnen benötigen, warum die eine dann stets zugeklebt sei. So weit reichten die Deutschkenntnisse des Jungen dann auch nicht. Er fiel zurück in seine Klage. Ich hätte die Tonne entwendet, ohne zu fragen.
Auf die Idee, ihn zu fragen, ob er wüsste, dass die Tonnen ihm und seiner Familie unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden, und ob er wüsste, dass die komplette Unterstützung, die ihm und seiner Familie unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurden, unter anderem durch die Steuergelder finanziert würden, die meine Frau und ich erwirtschaften, auf die kam ich erst, nachdem ich mich entschuldigt und versprochen hatte, in Zukunft zu fragen. Mit einem Blick der Genugtuung - und einem weiteren in Richtung der gelben Tonne, die beladen auf unserem Hof stand - wandten sich die beiden ab und gingen zurück zu ihrem Haus.
Am nächsten Morgen wurde die Tonne geleert, fand aber nicht mehr ihren Platz in der Reihe hinterm Haus entlang der Einfahrt, sondern – tja, ich weiß es nicht genau, wohin sie verschwunden ist, sie steht nicht hinterm Haus, sie steht nicht vorm Haus, vielleicht irgendwo an dem Schuppen bei ihnen vor der Tür.
Ich hab mich über diese Maßlosigkeit sehr geärgert – auch über mich selbst, weil ich ihm die Fragen eben nicht gestellt habe. Ich habe aber dann mal im Umweltamt angerufen und die Sache dort geschildert. Durchs Telefon sah ich das Schulterzucken und erhielt dann die Antwort: „Das ist so geregelt, da kann man nichts machen!“.
Im Westen nichts Neues.