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Kaiserbesuch - ein „Augenzeugenbericht“

Leider gibt es in den alten Unterlagen unserer Stadt keinen Nachweis über den Besuch des Kaisers in St. Wendel, aber wenn damals jemand etwas aufgeschrieben hätte, dann hätte es in etwa so gelautet:

„Ich grüße Euch, verehrte Damen, und auch Euch, Ihr ehrenwerten Herren. Mein Name ist Nicholas, aber wie meinen Vater nennt man mich nur Clesgen (oh, bitte das „g“ nicht wie „g“, sondern wie „ch“ aussprechen!). Ich will Euch erzählen von dem hohen Besuch, der sich gestern und heute in St. Wendel aufhielt.

Gestern abend war ich mich unten im Haus Pilgerruh. Ihr wißt schon, in der Markthalle, dort, wo sich immer die Räte der Stadt treffen und die Pilger meistens übernachten – Pilgerruh wird sie deshalb oft genannt. Heute – am Donnerstag – ist ja Markt, und mein Vater Clesgin, wie schon sein Vater selig und viele meiner Voreltern Weisgerber in St. Wendel, hatte mich beauftragt, den Stand vorzubereiten. Das heißt, eigentlich war ich schon damit fertig, aber da wir unsere Ware immer schon tags zuvor dort abliefern, muß ich dann die Nacht dort verbringen. Auch wenn der Herr Nachtwächter sagt, wir sollten uns nicht fürchten. Solange er da ist, passiert da nichts. Aber ich habe ihn schon oft durch die Gassen mehr taumeln als gehen sehen, und mein Vater sagt immer …, aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls saß ich dort und schaute hinaus auf die Gasse und langweilte mich, als ich plötzlich den Klang einer Glocke vernahm. Das mußte der Wächter am unteren Tor sein, der sein Warnglocke läutete. Kurz darauf sah ich den Amtmann, Herrn Clais von Gersbach, vorbeieilen, jerres, richtig festlich aufgeputzt war er. Auch über mir fing es an zu rumoren. Stühle wurden geschoben, und polternd kamen die Ratsleute die Stiege hinab, an der Spitze der Herr Theis, unser Schultheis, eilten durch die große Halle und stürmten dem Amtmann hinterher. Und schon kam auch unser geehrter Pfarrer, Herr Oleatoris, begleitet von seinen Altaristen. Alle besonders herausgeputzt und in festlichem Gewande. Hätte grad noch gefehlt, daß sie den Heiligen in seiner neuen Lade mitgenommen hätten. So wie voriges Jahr, als der neue Bischof, unser edler Herr Richard, nach St. Wendel gekommen war, um sich huldigen zu lassen. Sollte er schon wieder herkommen? Sonst vergingen oft Jahre, bis man jemanden aus Trier hier zu sehen bekam.

Es dauerte eine ganze Weile, und ich verharrte am Fenster in der Ecke der Halle, von dem man einen guten Blick auf die Gasse zur untersten Pforte hat. Schließlich kamen sie wieder zurück, diesmal alle zusammen und in Begleitung einiger ziemlich müde aussehender Herren, allesamt zu Pferde, deren teure Kleidung ich unter der dicken Lage aus Staub und Schmutz gut erkennen konnte. Hohe Tiere, wie mein Freund, der Bäckergeselle aus der Oberstadt, immer ironisch zu sagen pflegt. Derer zu Pferde waren nicht so sehr viele, ein gutes Dutzend. Sie waren natürlich bewaffnet, einer hielt sogar eine lustig im Wind flatternde Standarde in der Hand, die ein schwarzer Doppeladler zierte. Einer – nicht der erste in der Reihe, sondern mitten unter ihnen - fiel mir besonders auf. Es war ein älterer Mann, der schon gut fünfzig Lenze auf dem Buckel hatte. Er schien von großer Gestalt, und sein Gesicht zierte eine auffällige Adlernase. Er kam mir vage bekannt vor.

Vor der Markthalle mußten sie natürlich absteigen, sonst hätten sie sich an dem Durchgang unter der Halle hindurch arg die Köpfe gestoßen. Sie führten ihre Pferde am Halfter und kamen genau unter mir durch. Vor zehn Jahren – als kleiner Junge – hätte ich es mir sicher nicht nehmen lassen, einem von ihnen auf den Helm zu spucken; das hätte wie immer tüchtig Prügel gegeben, aber unter meinen Freunden wäre ich ein Held gewesen. Damit ist es aber schon lange vorbei. Zähle schließlich schon 17 Lenze und gelte somit fast als erwachsen. Auf der anderen Seite saßen die Reiter wieder auf, verneigten sich in Richtung Kirche und ritten die Amtsgasse hinab. Sie wollten zur Burg. Hoppla, das waren nicht „hohe Tiere“, sondern „sehr hohe Tiere“. Denn in der Burg wohnte sonst nur der Amtmann.

Etwa halb die Amtsgasse hinunter, die zur Südmauer führt, bogen sie nach rechts ab. Die Hufe ihrer Pferde klapperten über das Holz der kleinen Zugbrücke, die dort heute nur mehr symbolisch liegt. Ich selbst habe noch nie gesehen, daß sie hochgezogen war, und auch das Tor ist nie geschlossen. Aber mein Großvater hat mir mal erzählt, daß sie in Kriegszeiten hochgezogen wird und daß dann keiner dort mehr durchkommt. Ist eh seltsam, die Sache mit dem Tor in die Burg, denn ein Besucher muß erst mal in die Stadt, bevor er in die Burg kann. Und will er woanders hin, muß er erst in die Stadt und von dort durch das Stadttor wieder raus. Der Großvater hat mir den Grund mal erklärt, aber so richtig verstanden habe ich es nie. Hat irgendwas mit unserem Herrn in Trier zu tun, dem die Burg ja eigentlich gehört.

Kaum waren sie drin, ging ein geschäftiges Treiben innerhalb der Burg los. Boten eilten heraus, Essen 
und Wein in großen Fässern mit einem Karren hineingebracht. Wir draußen wußten lange nicht, was da los war. Schließlich sprach ich mit einem der Reiter, dem wohl langweilig geworden und der die Stadt auf eigene Faust erkunden wollte. Als wenns in St. Wendel so viel zu sehen gäbe. Innerhalb kurzer Zeit kann man die Stadt durchqueren, und auch der Gang über die Mauer dauert nicht sehr lang.

Er wußte natürlich, wer der Mann mit der auffälligen Nase war. Das war unser Kaiser Maximilian. Das Wappen seines Vaters, Friedrichs III., konnte man und kann man immer noch in der Kirche an der Decke sehen, zusammen mit denen der anderen Kurfürsten des Reiches und natürlich dem des Amtmanns, einem der Vorvorgänger unseres Herrn Clais von Gerspach.

Mein neuer Freund erklärte mir auch, warum der Kaiser überhaupt hier in unserer Gegend war. In der altehrwürdigen Stadt Trier sei er vor ein paar Wochen eingetroffen und habe sofort Boten in das ganze Reich senden lassen, um die Fürsten nach Trier zu einem Reichstag rufen zu lassen. Das dauert natürlich seine Zeit, bis alle da sind, deshalb habe er sich kurzerhand für diesen Ausflug entschlossen. Ich staunte und entgegnete: „Ja, das kann nur der Kaiser. Nur er hat die Macht zu befehlen, und alle, wirklich alle, müssen ihm gehorchen.“ Mein Gegenüber zog die Mundwinkel hoch, zwinkerte mir zu und meinte ironisch, nun, so weit sei es mit der Macht des Kaisers auch nicht her; denn er habe die Fürsten zusammenrufen lassen, weil er Geld benötige, um mal wieder Krieg führen zu können. So einfach lassen die sich das nicht befehlen, sagte er, er sei gespannt, was dabei herauskommt.

Aber er freue sich schon auf die Vergnügungen, die so ein Reichstag immer mit sich bringt. Auf Jagdausflüge wie diesen hier. Der Kaiser sei ein vielseitiger Mann - den alten Traditionen aufgeschlossen und trotzdem dem Modernen nicht unbedingt abgeneigt. So plane er, mit einer großen Kanone auf eine der vielen uralten Ruinen in Trier schießen zu lassen, und in ein paar Wochen wolle er in Trier mit einem exotischen Tier ein ganz besonderes Jagdvergnügen durchführen lassen.

Auf die großen Turniere müsse man diesmal allerdings verzichten. Ich fragte nach, und er beschrieb ein solches Turnier in allen Einzelheiten – die Falkenjagd, bei der der Kaiser seine teuren Vögel auf speziell dafür gezüchtete Enten und Gänse jagt. Dann der Tjost, auch Lanzenbrechen genannt, bei dem zwei Reiter in wildem Galopp aufeinander zu preschen und versuchen, sich mit langen Lanzen aus dem Sattel zu werfen. Und schließlich das Melée, der Massenkampf. Da gehen die Ritter mit Schwertern und Kolben aufeinander los und versuchen, die jeweils andere Gruppe vom Turnierplatz zu vertreiben. Das geht meist nicht ohne Blutvergießen ab.

Mein Freund sah meine glänzenden Augen und meinte mit spöttischem Unterton: „Aber dafür ist Trier nun wirklich nicht der geeignete Ort.“ Warum nicht, fragte ich zurück. „Nun ja, einmal dauert es schon eine Zeit so etwas vorzubereiten. Und dann das Geld. Das sind teure Angelegenheiten, Euer Kurfürst müßte das alles bezahlen, und er würde von dem Geld nichts mehr zurückerhalten. So gut geht’s Euch hier in dieser verlassenen Ecke der Welt nicht, daß Ihr Euch das leisten könntet.“ Und als ich den Einwand wagte, St. Wendel sei eine blühende und reiche Wallfahrtsstatt, vielleicht könnten wir hier … da fing er laut an zu lachen und meinte, da müßten wir aber noch ein paar Jahrhunderte lang tüchtig sparen, bis wir uns so ein Turnier leisten könnten.

Deshalb habe er sich so auf diesen Ausflug gefreut. Bloß die verdammten Fische hingen ihm zum Hals raus. „Fische?“ fragte ich. „Nun ja“, sagte er, „es ist Fastenzeit, da gibt’s kein Fleisch, sondern nur Fische. Forellen, Aale, was auch immer. Und in allen Variationen – mit Gemüse, in Öl und in heller Sauce. Hauptsache: Fisch, kein Fleisch. Bis Ostern. Kennt ihr das hier nicht?“

Doch, doch, eilte ich mich zu versichern, obgleich – meine Familie nagt fürwahr nicht am Hungertuch, mein Vater ist ein angesehener Gerber, aber Fleisch kommt höchstens einmal in der Woche auf den Tisch – am Sonntag. Und die Fische aus den Weihern unterhalb der Burgmauer in der Mott und an den Grenzen des Amtes gehören dem Landesherrn, da bekommt vielleicht der Amtmann mal welche.

Jetzt wußte ich auch wieder, wieso der Mann mit der Adlernase mir so bekannt vorgekommen war. Ich hatte ihn schon einmal gesehen und zwar ziemlich genau vor vier Jahren. Damals im Jahre unseres Herrn 1508 an den letzten Tagen des April hatte er mit seinem Gefolge auf dem Weg aus dem fernen Süden nach Aachen hier für einige Tage Aufenthalt gehabt. Sein Besuch damals war noch überraschender gewesen als heute. Er hatte auch in der Burg gewohnt und sich oft in der Kirche aufgehalten, das Wappen seines Vaters betrachtet und vorn im Chor am Grab des heiligen Wendelin gebetet. Auch sollen Botschaften von hier aus an wichtige Persönlichkeiten des Reiches gesandt worden sein, eine gar an des Kaisers Tochter Margareta in den Niederlanden.

Mein Großvater – Gott hab ihn selig – hat mir oft die besonderen Ereignisse der ersten zehn Jahre des neuen Jahrhunderts erzählt, die ich zwar auch erlebt habe, aber nur aus der Sicht eines jungen Heranwachsenden, der mehr ein Auge auf die schönen Töchter unseres Nachbarn hatte als auf die Ereignisse in unserer Stadt. Von der großen Wallfahrt im Jahre 1506, als die Menschen von nah und fern kamen, um zu unserem heiligen Wendelin zu beten. Den hatte man in seinem Sarg extra aus dem Hochgrab im Altar genommen und in der Kirche ausgestellt.

So zahlreich waren die Besucher – und sie alle wollten durch Berühren dem Heiligen möglichst nahe sein -, daß nicht wenige einen Splitter des Sarges als heiliges Andenken mit nach Hause nahmen. Dabei wurde der Sarg so stark beschädigt, daß man durch ein großes Loch hineinschauen und sogar die Gebeine des Heiligen sehen konnte. Dieses ungeheure Geschehen, ja fast dieser Frevel, erregte großes Aufsehen; die Kunde drang bis nach Trier, und der Herr Bischof selbst sandte drei hohe Herren mit dem Auftrag, dem Heiligen einen neuen Sarg bauen und ihn dorthin umzubetten zu lassen. Dieser Sarg hatte vier unterschiedliche Schlösser, und es gab vier verschiedene Schlüssel, einen für jede Partei: für die Pfarrei, für die Stadt, für das Hospital in Cues und für den Bischof in Trier. So daß nur dann ein Partikul des Heiligen konnte entnommen werden, wenn alle vier Parteien einverstanden waren.

Gerüchteweise habe man damals gehört, daß auch ein Gelehrter unter den Besuchern gewesen sei, der die Zugehörigkeit des hl. Wendelin zu den Freunden der Vorfahren des Kaisers untersuchen sollte. An den Namen dieses Mannes konnte sich Großvater gut erinnern, er hieß Mennel; das konnte er sich gut merken, denn es klang so ähnlich, wie die Leute hier bei uns den Namen unserer Stadt aussprechen: „Sangd Wennel“. Aus dem Jahre 8 berichtete Großvater von zwei Geschehnissen: dem Bau und der Weihe der St. Annenkapelle draußen an der westlichen Grenze unserer Stadt durch unseren Herrn Clais von Gerspach und seine ehrenwerte Ehefrau Barbara Glock von Obersteyn Ende Januar und dem Besuch des Kaisers Ende April.

Der Mann, mit dem ich am Spätabend sprach, wußte auch, wie – also auf welchem Weg -  der Kaiser gestern nach St. Wendel gekommen war.

Mit seinem kleinen Gefolge ist er am Dienstag von Trier losgeritten. Nicht viele Leute in Trier hätten überhaupt gewußt, daß er diese Reise unternahm, noch weniger gar, wohin sie führen sollte oder wann man ihn zurückerwarten dürfe. Der Kurfürst ist übrigens nicht mitgekommen. Er mußte nämlich als Gastgeber in Trier bleiben, um die eintreffenden Gäste zu empfangen.

Der Kaiser hat Trier am östlichen Ende durch die St. Simeonspforte verlassen. Diese liegt direkt neben der Stiftskirche St. Simeon, die seit vielen hundert Jahren als Doppelkirche für ihre Stiftsherren und das einfache Volk dient. Man sagt, St. Simeon sei auf ein großes Gebäude aus den Zeiten der alten Römer draufgebaut worden. Hinter dem Stadttor nahe der Kirche St. Maximin bog die kleine Gruppe nach Süden ab und folgten einer alten Straße, die schon kurze Zeit später steil bergan führt. Ihre Mittagsrast hielten sie in der Burg Sommerau am Ufer der Ruwer. Durch Guthweiler hindurch führt die Straße über Bonerath durch den dunklen Hochwald nach Kell und weiter Richtung Wadrill. Hinter Kell bog die Gruppe nach Osten ab und erreichte die Grimburg auf ihrem Bergsporn über der Wadrill, wo man das Nachtlager aufschlug. Es war noch eine gute Zeit vor dem Dunkelwerden (die Sonne geht heuer um 7 Uhr abends unter), und der Kaiser ließ es sich nicht nehmen, mit seinen wertvollen Falken auf die Jagd zu gehen.

Gestern morgen ging die Reise über Wadrill an Kostenbach vorbei auf Waldpfaden nach Mettnich, dann zwischen dem Hof Imsbach und Theley vorbei zu einer Weggabelung nahe Tholey. Hier hatte man zwei Möglichkeiten: der Weg durch das Bliestal verläuft über Selbach und Gronig, um hinter Bliesen am „Rothen Stein“ das Amt St. Wendel zu betreten. Der andere führt über die alte Römerstraße auf dem Höhenrücken nach Süden und biegt bei Winterbach Richtung Wallesweilerhof ab. Danach erreicht man bei der St. Annenkapelle die Grenze St. Wendels. Beide Wege treffen sich in Alsfassen, aber ich habe vergessen zu fragen, welchen Weg die Gruppe genommen hat. Über Breiten erreichten sie schließlich St. Wendel in den frühen Abendstunden. Man sagt, so ganz unvorbereitet sei der Herr Amtmann nicht gewesen, da er nicht lange vor der Ankunft des Kaisers einen Boten empfangen habe. Aber das mag ein Gerücht sein.

Heute morgen hat der Kaiser unsere Kirche besucht und an der heiligen Messe teilgenommen. Man sagt, er sei sehr religiös und lasse nie eine Messe aus, nicht mal, wenn er früh morgens auf die Jagd geht.

Ich hab gehört, unser Herr Pfarrer hat sich fast überschlagen, als er gestern davon hörte. Der Küster hat mit seinen Helfern die ganze Nacht zu tun gehabt, die Kirche auf Hochglanz zu bringen. Aber es gibt Dinge, die gehn nicht weg, egal wie stark man putzt. Der unebene Boden zum Beispiel, da müßten schon alle Gräber raus, die dort drin liegen. Oder man müßte sie mit Erde auffüllen, damit die brüchigen Grabplatten mit der Zeit nicht zerbrechen. Letztens ist ein Besucher in ein Grab eingesackt und hat sich das Bein aufgerissen. Das ist binnen eines Tages dick angeschwollen und begann zu stinken, da hat es ihm der Bader abschneiden müssen.

Ah ja, und der Gestank natürlich. Ob der Herr Pfarrer diesmal auch wieder mit Weihrauch gespart hat? Bei dem hohen Herrn wohl kaum. Im vergangenen Sommer ist die hochschwangere Frau des Kaufmanns [Name der Redaktion bekannt] fast umgekippt, als vorn am Eingang zum Chor ein Stein zerbrochen ist und sie den aufsteigenden Verwesungsgestank direkt in die Nase stieg. Mein Freund Michel wollte hilfsbereit sein und hielt ihr schnell das Weihrauchfaß hin, das gab ihr dann den Rest. Zuerst schlug ihn der Herr Pfarrer persönlich windelweich, dann durfte er die Schweinerei auch noch aufwischen.

In der Stadt erzählt man sich, der Kaiser habe bei der Messe die vielen lateinischen Worte leise mitgesprochen und bei den Liedern besonders laut, voller Inbrunst und text- und notensicher mitgesungen. Aber ab und an soll er innegehalten und seinen Blick zur Decke erhoben haben, wo die Wappen hängen, die der Kardinal aus Cues hat anbringen lassen. Mein Großvater erzählte mir davon, und der wußte es von seinem Vater. Die Kirche, an der seit Menschengedenken herumgebaut wurde, war endlich fertig, und der Bischof von Trier wollte sie unbedingt haben. Da hat ihm der Kardinal gesagt, er kriegt sie, aber nur, wenn er vorher seine schönnen Bildchen dort aufmalen lassen dürfte. Opa hat mir erzählt, um was es da ging, aber so ganz rausgekommen bin ich da nicht. Muß mal Papa fragen, ob der noch was weiß.

Die Messe dauerte eine volle Stunde, und eine Stunde vor Mittag ist der Kaiser mit seinem Gefolge wieder fortgeritten, um wegen dringender Geschäfte zurück nach Trier zu reiten. Vielleicht schlägt er den Weg nach Tholey ein, um das dortige Kloster zu besuchen. Dann wird es auf dem gleichen Weg wieder zurückgehen, nur will man nahe der Grimburg den westlicheren Weg einschlagen und so weit wie möglich Richtung Trier reiten und in Waldweiler oder Niederkell, mit ein bißchen Glück sogar in Schillingen übernachten (hehe, da wird sich der dortige Meier freuen, daß sich sein Meierhof für einen Tag und vor allem eine Nacht in ein hohes Haus verwandeln wird). Am Freitag will man jedenfalls wieder in Trier sein.“

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So weit dieser – leider fiktive - 
Bericht eines Augenzeugen, dessen historisches alter ego möglich, aber nicht bekannt ist. Seinen Vater Clesgin Weisgerber hat mir Gerd Schmitt vorgeschlagen; er kennt ihn aus den Listen der Sebastianusbruderschaft. Als „Cleßgen wißgerb“ wird er auch in der Steuerliste von 1502 genannt. Er hatte sicherlich Kinder, und vielleicht war auch ein Nicholas darunter. Die Aussprache „Cles-chen“ statt „Cles-gen“ hat Dr. Margarete Stitz angeregt.



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