K. Steckbriefe
(K.1) Peter Alsfasser aus St. Wendel ist desertiert
Der unten näher bezeichnete Kanonier Peter Alsfasser ist am 11. dieses Monats von der 3ten reitenden Compagnie 8ten Artillerie=Brigade aus der Festung Coblenz desertirt.
Es werden demnach sämmtliche Ortsbehörden unseres Verwaltungs=Bezirks hiermit aufgefordert, die auswärtigen aber er sucht, auf denselben ein wachsames Augenmerk zu richten, ihn im Betretungsfalle arretiren und unter sicherer Bedeckung an den Commandeur der Brigade, Herrn Oberst von Frankenberg, hier selbst abliefern zu lassen.
Signalement.
Der oben genannte Kanonier Peter Alsfasser aus St. Wendel gebürtig, ist 21 Jahre 3 Monate alt, 5 Fuß 4 Zoll 2 Strich groß, hat blonde Haare, graue Augen, dunkle Augenbrauen, gewöhnlichen Mund, spitze Nase, vollständige Zähne, spitzes Kinn, keinen Bart, länglich schönes Gesicht, gesunde Gesichtsfarbe, breite Stirn, schlanke Statur und keine besonderen Kennzeichen.
Über die Bekleidung kann nichts genaueres angegeben werden, da der Anzug bald nach seinem Abgange auf der Moselbrücke gefunden worden ist
Coblenz, den 17. Januar 1842.
[Quelle: Amtsblatt der preußischen Regierung zu Koblenz: für das Jahr 1842.
Eine etwas seltsame Geschichte. Es gibt einen jungen Mann aus der Alsfasser-Sippe, der 1842 in Koblenz stationiert und im Januar 1842 21 Jahre und 3 Monat alt war. Er hieß aber nicht Peter, sondern Josef. Er hatte einen Bruder Peter, aber der war Jahrgang 1812, also 1842, schon 30 Jahre alt. Sehr seltsam - paßt hinten und vorne nicht. ]
---------
(K.2) Johann Knoblauch aus Werschweiler ist desertiert
Der unten näher bezeichnete Johann Knoblauch ist am 11. dieses Monats von der 1ten reitenden Compagnie Königlichen 8ten Artillerie=Brigade aus der Garnison Andernach desertirt.
Es werden demnach sämmtliche Ortsbehörden unseres Verwaltungs=Bezirks hiermit aufgefordert, die auswärtigen aber er sucht, auf denselben ein wachsames Augenmerk zu richten, ihn im Betretungsfalle arretiren und unter sicherer Bedeckung an den Commandeur der Brigade, Herrn Oberst von Frankenberg, hier selbst abliefern zu lassen.
Signalement
Der oben genannte Kanonier aus Werschweiler, Kreis St. Wendel, gebürtig, ist 21 Jahre 10 Monate alt, 5 Fuß 4 Zoll groß, hat blonde Haare, graue Augen, dergleichen Augenbrauen, gewöhnlichen Mund, gewöhnliche Nase, spitzes Kinn, längliches Gesicht, klasse Gesichtsfarbe, flache Stirn, schlanke Statur und keine besonderen Kennzeichen.
Bei seiner Entweichung war derselbe bekleidet mit einer blau tuchenen Militairmütze mit schwarzem Rande und rother Einfassung, einer grauen Jacke von Leinwand, dergleichen Rosen, einem Kommißhemd und ein paar Schuhen.
Coblenz, den 18. Oktober 1842.
[Quelle: Amtsblatt der preußischen Regierung zu Koblenz: für das Jahr 1842.
Wenn Johann Knoblauch am 18. Oktober 1842 21 Jahre 10 Monate alt war, wurde er im Dezember 1820 geboren. In den Zivilstandsunterlagen Werschweilers ist zwischen 1818 und 1831 keine Geburt auf den Familiennamen Knoblauch (oder Knobloch) verzeichnet; auch keine uneheliche Geburt (in dem Fall hätte der Neugeborene den Familiennamen der Mutter erhalten, wäre aber bei einer Heirat der Mutter ggf. vom Bräutigam adoptiert und „auf den Namen“ genommen worden). Am 16. Mai 1821 wurde in Schwarzerden Johannes Knobloch, Sohn des Schweinehirten und Schäfters Jakob Knobloch und seiner Ehefrau Maria Katharina Hess geboren. Die Familie wohnte mindestens bis 1826 in Schwarzerden und zog vor 1852 nach Saal bei Niederkirchen, wo Jakob Knobloch 1853 gestorben ist. Könnte sein - oder auch nicht.]
---------
(K.3) Anton Hegemann von Trier mit Tochter Katharina entflohen
Die unten signalisirte Katharina Hegemann, geboren zu Trier, zuletzt hier in Diensten, und deren Vater Anton Hegemann, haben sich der wegen qualificirten Diebstahls resp. Diebshehlerei hier, gegen sie eingeleiteten Untersuchung durch die Flucht entzogen.
Ich ersuche daher alle betreffenden Behörden ergebenst, sie im Betretungsfall zu verhaften und mir vorführen zu lassen, zugleich auch die Beschlagnahme der bei ihnen vorfindlichen Effekten zu veranlassen.
Saarbrücken den 21. März 1842.
Der Königl.=Instruktions=Richter, Landgerichtsrath Weisgerber.
Signalement
1. der Katharina Hegemann
Alter 22 Jahre
Größe mittel
Haare bräunlich
Augen grau=blau
Stirne nieder
Gesichtsbildung rund
Statur ziemlich kräftig.
Dieselbe ist gut gekleidet, sie trägt wahrscheinlich einen Mantel und Hut, und hat an dem rechten Unterkiefer eine Narbe, von einer Zahnfistel herrührend.
2. des Anton Hegemann, Tuchmacher aus Trier:
Vater 52 Jahre;
Größe 5 Fuß 5 Zoll
Haare braun, etwas grau
Stirne nieder;
Augenbrauen blond
Augen grau;
Nase spitz
Mund klein
Bart schwarz
Kinn rund;
Gesicht oval;
Gesichtsfarbe gesund
Statur schmächtig.
Derselbe besitzt einen Paß des Ober=Bürgermeisters zu Trier d. d. 30. September 1841.
[Der Tuchscherer Anton Hegemann wohnte 1842 zwar in Trier, war aber 1788 in Blieskastel geboren. Er starb 1858 in Trier. Seine Ehefrau Elisabetha Nagel, geb. 1797 in Trier, starb im Januar 1839. Seine Tochter Katharina Hegemann, geb. 1818 in Trier, heiratete 1848 dort den Friseur Matthias Speicher (1828-1900).
Wann die beiden erwischt und wozu sie verurteilt wurden, konnte ich nicht feststellen. Die Tochter starb am 18.01.1839 in Trier, Weberbachstraße 57.,WB12]
---------
(K.4) Jakob Nix aus Thallichtenberg ist abgehauen.
Der 13jährige Knabe Jakob Nix aus Thallichtenberg hat sich vor etwa 3 Monaten aus seiner Heimath entfernt und soll sich nach Angabe seines Stiefvaters, des Taglöhners Morgenstern zu Thallichtenberg, bettelnd umhertreiben, auch bald nach seiner Entfernung in den Königlich Bairischen Gemeinden Ober= und Niedermohr und Bettenhausen gesehen worden sein.
Alle Polizeibehörden des In= und Auslandes werden ergebenst ersucht, den pp. Nix, wo er betreten werden sollte, anzuhalten und mittelst beschränkter Reiseroute in seine Heimath zurückzuweisen, auch wenn solches geschehen, mir davon gefälligst Mittheilung zu machen.
St. Wendel den 17. Juni 1842.
Der Königl. Landrath
Signalement.
Name Jakob Nix;
Alter 13 Jahr;
Größe 3 Fuß 6 Zoll;
Haare blond;
Stirn nieder;
Augenbrauen braun;
Augen braun;
Nase kurz,
Kinn und Gesicht rund;
Gesichtsfarbe frisch;
Statur dick, gesetzt.
Besondere Kennzeichen: der Gang ist nicht fest; der Körper bewegt sich beim Gehen nach den Seiten.
Bei der Entfernung trug er eine blaue halbleinene Hose, dunkelblaues wollenes Wamms, blaue Tuchmütze ohne Schirm, starke rindslederne Schuhe, mit Nägeln beschlagen.
[Jakob Nix, geb. 1829 in Ruthweiler, Sohn des verstorbenen Tagelöhners Jakob Nix und der Margaretha Hess; 14.12.1846: „Häusling“ im Landesarmenhaus Trier; gestorben am 8. März 1847 in Trier. Er wurde 18 Jahre alt. WB25]
---------
(K.5) Suche nach Vagabunden
Durch den Herrn Regierung= und Ober=Polizeirath Eberhardt zu Gotha sind wir daraufhin geleitet, daß der Zigeuner, angeblich Grünwald, und seine angebliche Ehefrau Johanne geborene Schröder, hinsichtlich deren wir unterm 31. Juli vorigen Jahres zu Mittheilungen aufforderten, mit einem Seiltänzer Franz Heinrich Reinhardt, angeblich aus Magdeburg (cf. Bd. XV, Seite 2, 214, 216 und 268 ), und dessen Zuhälterin Johanne Backhaus, angeblich aus Bremen letztere unterm 22. April 1836, vom Königlichen hannoverischen Amte Knesebeck wegen Diebstahls und Entweichung aus einem Enbindungshause verfolgt, identisch sein würde, und sind wir auf Bd. XV, Nr. 1 des allgemeinen Polizei=Anzeigers hingewiesen, wo die Ausweisung dieser Vagabunden unterm 27. Juli vorigen Jahres aus dem Herzogthum Gotha angezeigt steht.
Solche Identität hat sich bestätigt, aber die wahren Verhältnisse dieser Vagabunden gründlich zu ermitteln, hat uns, aller Mühe ungeachtet noch nicht gelingen wollen, und insbesondere haben wir ihr Herkommen nicht feststellen können, so wie wir über ihren Verkehr von 1831 überhaupt nichts weiter in Erfahrung gebracht, als was in den „Mittheilungen zur Beförderung der Sicherheitspflege“, Bekanntmachung Nr. 4042, angegeben ist.
Seit gedachtem Jahre dagegen haben wir ermittelt, daß ihnen Pässe ausgestellt worden, zu Lindow am 25. Mai 1831 und 21. Juni 1832, zu Lenzen am 10. Juni 1833 und 2. October 1834 (vergl. Seite 7346 der Mittheilungen etc., wonach der erstgedachte zu Lenzen im December 1833 ausgestellt gewesen sein sollte; in dieser Zeit hat es mit dem Verkehr des Reinhardt, allem Anscheine nach, seine Richtigkeit nicht gehabt); zu Straßburg a/M. am 10. Dec. 1834 und 23. August 1835, zu Kreuznach am 8. August 1836, 15. August 1837, 11. August 1838 und 29. Juli 1839, zu S t W e n d e l den 22. Juli 1840 und zu Wetzlar am 30. Juli 1841; diesen letzten Pass will Reinhardt, weil seine Ausweisung aus dem Gothaischen darin vermerkt gestanden, vernichtet und gleichzeitig in Besitz der in unserer früheren Bekanntmachung gedachten falschen Legitimation sich gesetzt haben.
Wir bitten nun erneuert um gefällige Mitwirkung zu Entlarvung dieser Vagabunden, die, besonders das Weib, das in den älteren Pässen übrigens Wachenhausen genannt wird, anscheinend zu den eigentlichen Gaunern zu zählen sind, und namentlich wenden wir uns dienstfreundlichst an die geehrten Verwaltungen der Straf= und Zwangs=Arbeitsbänder um geneigte Recherchen, ob dieses Paar vornehmlich vor 1831 sich unter den Detinirten noch nicht befunden.
Gustrow, den 5. März 1843.
Großh. mecklenb. schwerin. Inspection des Landes Arbeitshauses.
von Sprewitz
[Quelle: Allgemeiner Polizei- Anzeiger, Bd. XVI, No. 23, Gotha, den 22. März 1843.
Ich habe im Stadtarchiv St. Wendel in den Akten C2-67 und C2-68, in denen es um ausgestellte Pässe geht, den o.a. Vorgang nicht gefunden. C2-67 enthält eine Liste aller Besucher der Stadt, deren Pässe einen Sichtvermerk (Visum) erhielten. Zwar gab es am 22. Juli 1840 keine Person, auf die die o.a. Beschreibung paßt, aber am 3. Oktober 1840 ließen zwei Personen gleichen Namens ihre Pässe abstempeln: Anton Reinhard, 67 Jahre alt, Porzellanhändler aus Riedelsheim, Philippine Reinhard, 20 Jahre alt. Beider Pässe waren in Darmstadt ausgestellt worden, Antons am 14. April 1840, ihrer am 20. Juni gleichen Jahres. Ihr letztes Visum hatten sie in Tholey erhalten, sie am 24., er am 28. September. Grund ihrer Reise: Handelsgeschäfte.
Zwei von ein paar hundert Namen.]
---------
(K.6) Bestohlen vom Schreiber aus St. Wendel
Am 23. laufenden Jahres wurde dem Schneidergesellen Georg Heinrich Martin aus Ansbach in der Nähe von Neustadt, angeblich durch einen ihm unbekannten jungen Menschen mit welchem er zwei Tage lang reiste, und der sich für einen Schreiber aus St. Wendel ausgab, ein mit einem Seehundsfelle überzogenes Felleisen listigerweise entwendet, welches nach der Angabe von Martin folgende Effekten enthalten hat:
1) Drei neue Hemden, das eine von Mousellin mit einer Chemisette, die andern zwei von hänfenem Tuche, alle drei unten am Schlitze mit „M.“ roth gezeichnet.
2) Ein dunkelblau tuchener Oberrock mit übersponnenen seidenen Knöpfen und schwarzen Aufschlägen an den Aermeln.
3) Ein Paar gelbliche sommerzeugene Hosen mit weißen beinen Knöpfen.
4) 1 Paar weiße wollene und 1 Paar naturgraue leinene Strümpfe, beide ebenfalls mit dem rothen Zeichen „M.“ versehen.
5) Ein blaues leinenes und ein roth und schwarz=getupftes baumwollenes Sacktuch.
6) Ein gelbes wollenes und ein schwarz seidenes Halstuch.
7) Ein Paar neu vorgeschuhte Halbstiefel.
8) Eine Scheere.
9) Eine schwarzsaffianene Brieftasche, worin eine Landkarte von Deutschland und fünf neue Guldenstücke mit der Frankfurter Prägung sich befinden.
10) Eine schwarze Weste von Halbtuch mit blauen Knöpfen.
11) Eine mousellinene Chemisette mit dem Buchstaben „M.“ roth gezeichnet, und endlich 12) Der Lehrbrief des Domnifikaten.
Zu bemerken ist, daß der Unbekannte mit Hinterlassung eines dunkelgrünen mit blauem Seidenzeug gefütterten Rocks, eines rothen Sacktuches mit einem Gemälde in der Mitte, und eines goldenen Ringes, welche Gegenstände höchstwahrscheinlich ebenfalls gestohlen sind, durchgegangen ist.
Bei Ausschreibung des Gegenwärtigen ergeht an Jedermann die Aufforderung, allenfallsige Spuren, welche zu Entdeckung des Diebes oder zur Ausmittelung der gestohlenen Gegenstände führen dürften, entweder bei der betreffenden Heimathsbehörde oder hierorts schleunigst zur Anzeige zu bringen.
Frankenthal, den 13. Oktober 1842.
Bei Verhinderung des K. Untersuchungsrichters,
Der Ergänzungsrichter, Fitz
Beiläufiges Signalement des Unbekannten.
Derselbe ist von mittlerer Größe, trug zur Zeit seiner Flucht eine rothsammetne Kappe, einen kurzen Ueberrock von Sommerzeug, Hosen vom nemlichen Zeug und war mit Schuhen bekleidet; er hatte blondes Haar und ein rundes Gesicht, trug keinen Bart und sprach den bayrischen Dialekt.
[Quelle: Neustadter Wochenblatt, 18.10.1842
Felleisen: wurde hauptsächlich von den wandernden Handwerksburschen benutzt, während sie auf Reisen waren. Es war eine Art Reisesack oder Tornister, der geschnürt wurde und oft mit Trägern versehen war, um ihn auf den Rücken zu schnallen. Er enthielt alles Wesentliche, was der Träger benötigte und nicht in der Brottasche (Brotbeutel) Platz fand. Der Begriff hat mit „Fell“ nichts zu tun, sondern ist eine Verballhornung des Wortes „valise“ (französisch für „Koffer“): „val“ = Fell, „ise“ = Eisen. siehe wikipedia.
Saffian ist fein gegerbtes Ziegenleder, also besonders kostbar.
Domnifikat, das „o“ ist ein Druckfehler, richtig: denn: „damnificare“ (damnum + facere) bedeutet „schädigen“, ein „damnificatus“ ist also ein Geschädigter.
Eins ist natürlich jedem klar:
Der Dieb kann nicht aus St. Wendel sein!
„bayrischer Dialekt“, also wirklich!]