Am 8. Dezember 1974 erscheint in der Saarbrücker Zeitung ein Zeitungsartikel, dessen plakativer Titel lautet:
?Muß die Magdalenenkapelle in St. Wendel verfallen?
Stadt hat kein Geld zum Ankauf des Hauses.
Eigentümer: Pfarrei hat ein schriftliches Verkaufsangebot eingereicht.
St. Wendel. Ist der Zerfall der Magdalenenkapelle in der Balduinstraße in St. Wendel noch aufzuhalten? Das ist die Frage, die sich zur Zeit nicht nur die Bewohner dieses Hauses, das unter Denkmalschutz steht, stellen.
Landeskonservator Dr. Kleewitz: ?Ich kann eine Reparatur nicht erzwingen, sondern lediglich eine Beihilfe für die Restaurierung leisten."
Stadtbürgermeister Feller:
?Die Stadt hat beim besten Willen kein Geld, um dieses Haus zu kaufen."
Das Haus gehört der Pfarrei St. Wendalin, die aber mit der Renovierung der Basilika, des Cusanushauses, des Pfarrhauses und der Wendelskapelle so viele Kosten zu verkraften hat, daß kein Pfennig übrigbleibt. Was also soll geschehen?
Niemand konnte uns die Frage beantworten.
Es ist nicht nur der Zerfall historisch wertvoller Gebäudeteile im Keller des Hauses, Teile der früheren Magdalenenkapelle, der Kummer bereitet.
Im Vordergrund steht im Augenblick die Notsituation, in die die Familien geraten, die die oberen Stockwerke des Hauses bewohnen.
In diesen Wohnungen sind infolge des starken Regens der letzten Wochen die Außenwände so naß, daß die Möbel weggerückt werden müssen. Die Tapete fault an den Wänden. Das Wasser sickert vom Dach her in die Mauern. Das Dach ist leck. Und hier liegt die dringlichste Aufgabe. Nach Schätzungen des Stadtbürgermeisters sind rund 200.000 DM notwendig, um die wichtigsten Reparaturen durchzuführen.
Zuständig für diese Reparatur ist der Eigentümer, die Pfarrei St. Wendalin, die kein Geld hat. Vom Eigentümer muß auch jede weitere Initiative ausgehen.
Wir stellten dem Landeskonservator Dr. Klewitz die Frage:
Wieso kann hier ein wertvolles Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, dem Verfall preisgegeben werden?
Dr. Klewitz:
?Das hängt mit dem allgemeinen Baurecht zusammen. Ich kann zwar verhindern, daß ein historisch wertvolles Gebäude abgerissen oder umgebaut wird. Ich kann aber keinen Eigentümer dazu zwingen, Geld für eine Restaurierung auszugeben, wenn er das nicht will."
Dr. Klewitz verwies darauf, daß in der Bundesrepublik Deutschland die Freiheit des Eigentums garantiert ist. In der DDR gebe es ein Gesetz, wonach der Eigentümer gezwungen werden kann, die notwendigen Maßnahmen zur Denkmalpflege durchzuführen, auch dann, wenn ihm persönlich nichts daran liegt. Bei uns aber könne nur dann etwas erzwungen werden, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Dann würde die Baupolizei einschreiten. Sie können dann veranlassen, daß der öffentliche Gefahrenherd beseitigt wird. ?Was mir in diesem Fall bleibt, ist, dem Eigentümer gut zureden."
Pfarrer Holschbach wies darauf hin, daß die Pfarrei das Haus schriftlich der Stadt zum Kauf angeboten habe. An diesem Haus sei in den letzten 15 Jahren nichts mehr gemacht worden, weil die Pfarrei alle Mittel für die umfangreiche Restaurierung der Kirche benötigt habe, und weil in den letzten Jahren noch die Kosten für den Umbau und die Renovierung des Cusanusheimes, des Pfarrhauses und der Wendelskapelle hinzugekommen seien.?
Vierzehn Tage später veröffentlicht die Saarbrücker Zeitung einen Leserbrief der beiden besorgten Heimatforscher Werner Habicht und Adolf Klein aus Niederlinxweiler und Remmesweiler. Sie rekapitulieren die Geschichte des Hauses und kommen zu dem Fazit.
Zur Rettung des für die Stadtgemeinde als auch für die Pfarrgemeinde St. Wendelinus überaus bedeutungsvollen Bauwerkes wären Sofortmaßnahmen erforderlich. Da sich in der Vergangenheit und Gegenwart zeigt, daß die Kreisstadt St. Wendel eine Reihe von historisch und kunsthistorisch wertvollen Gebäuden in hervorragendem Zustand hält, wird sich auch wohl mit Sicherheit ein Weg zur Erhaltung der Maria-Magdalena-Kirche finden lassen. Notwendig wären eine sofortige Dachreperatur, Modernisierung des Inneren zu zeitgemäßen Wohn- oder öffentlichen Zwecken, Restaurierung des Äußeren mit weitgehender Wiederherstellung der alten Bauhaut.?
Die Rettung ist nicht fern. Das Architektenehepaar Hanns und Liesel Schönecker aus Bliesen erwerben das Gebäude von der Kirchengemeinde und sanieren es von Grund auf. Dach und Fenster werden erneuert, eine Gasheizung an Stelle der bisherigen Einzelöfen wird installiert. Der Speicher wird als Wohnfläche erschlossen. Im Erdgeschoß gibt es keine Wohneinheiten, diese Fläche wird gewerblich genutzt. Auf dem Hof wird der heute noch existierende Wintergarten errichtet. Der alte Eingang zur Krypta wird wieder geöffnet, ebenso der gotische Fensterrahmen. Aus der Krypta wird ein historischer Weinkeller.