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Ein Inventar von 1828

 

Konrad Jochem war u.a. auch einer der Kirchenräte der katholischen Pfarrei St. Wendel. Als am 1. Juli 1824 seitens der Kirche zwei ehemalige Altaristenhäuser in der Oberstadt verkauft wurden, enthielt der Kaufvertrag eine Klausel, der meines Erachtens Bände spricht. Zuerst wurden beide Häuser einzelnen versteigert, dann legte der Metzger Nikolaus Tholey nochmal 25 Gulden drauf. Als nach zähen Verhandlungen und mehrmaligen Versteigerungen der Verkauf zustande kam, erhielt Tholey beide Häuser "für die Summe von 4835 Gulden" sowie " sechs Viertel sechzehnter Wein, welche von dem des Herrn Jochem getrunken werden müssen, unter dem erwähnten Bedingungen zuerkannt". Interessant. "Sechzehnter Wein" bezieht sich vermutlich auf den Jahrgang, also "1816. Auch an den Bemühungen verschiedener coburgischer Beamten, durch Landkauf den Gudesberg in einen großen Park zu verwandeln, war Jochem aktiv beteiligt.

 

Jochems Gasthaus konnte natürlich nicht allein laufen, er hatte vermutlich eine ganze Anzahl Mägde und Knechte sowie Bedienstete, die den Laden in Schuß hielten. Leider ist uns nur ein Name bekannt, Josef Horth, Dienstknecht bei Herrn Jochem; er kaufte 1828 von Josef und Angela Burg, die dabei sind, nach Brasilien auszuwandern, ein Wohnhaus im Graben nicht weit vom Gasthaus seines Arbeitgebers.

 

Bei Konrads vorzeitigem Tod am 6. Dezember 1828 hinterließ er seine Frau mit acht minderjährigen Kindern. Auch bei ihm wurde ein solches Inventar angefertigt. Die Sachverständigen benötigten unter Aufsicht des St. Wendeler Notars Eschrich eine ganze Woche, um alle Vermögenswerte aufzunehmen. Dabei gingen sie systematisch durch das Haus von Raum zu Raum und erfaßten jeden einzelnen Gegenstand und maßen ihm einen Wert zu. Diese lange Liste dient uns heute als exzellente Quelle darüber, wie der Gasthof im Innern ausgesehen hat. Durch die große Stube im untern Stock ging es hinein in die Wirthsstube. Dort wurden u.a. eine große Wanduhr, zwei Tische, 22 alte Stühle, ein Spiegel, 18 messingne Leuchter von allen Sorten, drei Glühweinterrinen, davon einer zerbrochen, sowie ein "Reschhaut" (was auch immer das sein soll), aufgenommen. Auch im Speisezimmer finde sich viele Tische aus Nußbaum- und Kirschholz, aus letzterem auch ein "Kanappee ", 13 Stühle mit Weidengeflecht, ein Barometer und ein Thermometer, acht Kupferstiche und drei Portaits "den seeligen Herrn Jochem, seine Witwe und Vater vorstellend". Die meisten der folgenden Zimmer werden als Gästezimmer verwendet, sie enthalten meistens eins oder mehrere Betten, bisweilen auch einen "Kronleichter". Es sind dies ein Schlafzimmer im Erdgeschoß, dann im zweiten Stock das mittelste und das Eckzimmer neben dem vorigen, ein weiteres Zimmer beim Saal im 2. Stock und das sog. "Mahlzimmer" (was auch immer dort gemalt oder gemahlen worden sein mag ? auf jeden Falls stand ein Bett darin). Durch das Kinderzimmer und das nebenan liegende Zimmer der Magd und schließlich noch hinauf auf den Speicher, wo weitere Zimmer und eine Schlafkammer lagen, ging es wieder runter ins Erdgeschoß (das erste Stockwerk wurde ausgelassen). Man durchforstete die Backstube und schließlich die Küche. Über den Hof zwischen den Gebäuden ging es dann in die gegenüberliegenden Oekonomiegebäude, bestehend aus den Schweineställen, einem Ochsen- und einem Kälberstall und natürlich ? schließlich handelte es sich um einen Gasthof ? den Ställen für die Gast- und die eigenen Pferde.

 

Davon gab es fünf: ein fünfjähriges Mutterpferd, braun mit einem Stern, dessen wert auf "eilf Louisd?or" oder 121 Gulden geschätzt wurde. Noch höher angesetzt wurde ein lichtbraunes Pferd, der Pleß genannt, mit 132 Gulden. Ein braunes Pferd mit Stern, das man dem jüdischen Kaufmann Jakob Coblentz von Ottweiler abgekauft hatte, wurde immerhin noch mit 100 Gulden angesetzt. Dann gab es noch ein schwarzbraunes Pferd, der Kohl genannt (42 Gulden) und ein "blindes Pferd, der Braun genannt, sehr alt und allerdings nicht mehr brauchbar" mit 11 Gulden Wert. Und selbst 11 Gulden waren damals für die normale Bevölkerung noch immer richtig viel Geld.

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